GET POST FORMAT


Am selben Tag, an dem der Bundestag den Opfern des Nationalsozialismus gedenkt, fällt die sogenannte „Brandmauer“. Elon Musk treibt den internationalen Zusammenschluss der Faschisten voran und die mächtigsten Fraktionen des Kapitals stellen ihre Unterstützung von Donald Trump offen zur Schau. Die Versuche, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen, wirken vielerorts hilflos. Die moralischen Appelle, die angesichts der Widerwärtigkeit der momentanen Debatte um Geflüchtete natürlich jedes Recht haben, scheinen dem „Rechtsruck“ wenig entgegensetzen zu können. Der Kampf gegen den Faschismus muss aus dieser Sackgasse der Begriffslosigkeit entkommen. Die Aufklärung über das Unbewusste, auf der gesellschaftlichen wie der individuellen Ebene, ist die Bedingung, um der falschen Alternative zwischen Faschismus und neoliberalem „Weiter so“ einen emanzipatorischen Ausweg entgegenzusetzen. An der kritischen Theorie führt dabei kein Weg vorbei.

Ein Beitrag von Christoph Morich


Die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit kommt an ihr verdientes Ende. Am selben Tag, an dem der Bundestag anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz den Opfern des Nationalsozialismus gedachte, vollzogen CDU und FDP den „Dammbruch“, indem sie erstmals gemeinsam mit der – von Sympathisant:innen des Nationalsozialismus durchsetzten – AFD für eine Verschärfung der Asylgesetzgebung stimmten. Die freut sich derweil über einen erneuten Gastauftritt des reichsten Manns der Welt, der dabei ist, die internationale Vernetzung des Faschismus voranzutreiben. Der Zusammenschluss von Kapital und autoritärem Staatsapparat bei der erneuten Vereidigung eines Wahnsinnigen zum amerikanischen Präsidenten wurde öffentlich zur Schau gestellt. Im Hause Springer ist der Freude über die bevorstehende Zusammenarbeit der CDU mit der AFD kaum noch Einhalt zu gebieten, und auch der Hitlergruß des Helden aus dem Silicon Valley scheint sich gut mit dem eigenen Verständnis von Liberalismus zu vertragen. Blickt man auf die Wahlprognosen, scheinen die deutschen Wähler:innen andere Parteien für fähiger zu halten, mit der Ankündigung der Ampelregierung, im großen Stile abzuschieben, ernst zu machen. SPD und Grüne stellen sich jetzt zwar mit in das „Lichtermeer gegen den Rechtsruck“, haben in ihren Wahlprogrammen aber längst die Fortsetzung der Politik ihrer Regierungszeit beschlossen: die Aushöhlung des Rechts auf Asyl, das 1951 im Zuge der Genfer Flüchtlingskonvention als Reaktion auf den Holocaust und die Weigerung vieler Staaten, den späteren Opfern Schutz zu gewähren, verabschiedet wurde. Um inhaltliche Differenzen scheint es nicht mehr zu gehen. Die SPD appelliert eindringlich an die CDU, dass es die AFD gar nicht brauche, um ausländerfeindliche Politik zu machen. Und Robert Habeck macht mit seinem 10-Punkte-Plan zur Entrechtung von Geflüchteten klar, dass menschenverachtende Politik jetzt auch ganz verständnisvoll und im Strickpullover zu haben ist. Nüchtern betrachtet, unterscheiden sich die Wahlprogramme aller Parteien im Jahr 2025 in Deutschland nur in der Frage, in welchem Ausmaß man bereit ist, jenen, die vor Armut, Krieg und Folter fliehen, den Schutz zu verwehren.


Die Medien verkünden quasi einhellig, dass das Thema Migration nun als bestimmendes Thema für den Wahlkampf gesetzt sei. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich waren sie in den letzten Jahren fleißig daran beteiligt, Migration als das einzige Thema darzustellen, bei dem es einen fundamentalen Widerspruch zwischen Politik und den Interessen der Bevölkerung zu geben scheint. Mögliche Interessenkonflikte in ökonomischen Fragen bleiben dagegen eine Randnotiz. So schafft es der jährlich veröffentlichte Oxfam-Bericht zur globalen Ungleichheit traditionell in jeweils einen Zeitungsartikel der linksliberalen Zeitungen. Gleichzeitig ist es mittlerweile absolut unmöglich noch irgendwelche Nachrichten zu verfolgen, ohne mit den Problemen der deutschen Gesellschaft konfrontiert zu werden, die in erster Linie durch die Migration verursacht würden. Entsprechend weiß dann auch ein jeder, dass die deutschen Kommunen durch die vielen Migrant:innen überlastet sind, während es bezüglich der Tatsache, dass zwei Familien mehr Vermögen besitzen als die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung (ca. 42 Millionen Menschen), nur sehr wenig Interesse seitens der Medien und der Politik gibt, die Bevölkerung zu informieren.


Und auch bei dem Thema Migration ist man kaum um eine Berichterstattung bemüht, die den Problemzusammenhang in einem globalen Kontext einordnet und von verschiedenen Seiten zu beleuchten versucht. Die ganze Migrationsdebatte drehte sich von Anfang an in erster Linie um die Frage, wie viele Geflüchtete man bereit ist, in Deutschland aufzunehmen. Dabei setzen sich nun zunehmend jene Stimmen durch, die das bestehende Rechtssystem in Deutschland abschaffen wollen, um die Abschottung gegenüber fliehenden Menschen weiter voranzutreiben. Dieser Rechtsruck wird von der medialen Berichterstattung begleitet. Kein Ereignis – sei es der Sturz des Assad-Regimes, der Terroranschlag eines AFD-Anhängers in Magdeburg oder zuletzt die Messerattacke von Aschaffenburg – ohne dass am selben Tag eine Debatte über Abschiebungen und eine Verschärfung des Asylrechts vom Zaun bricht. Über einzelne Straftaten von Geflüchteten wird breit und ausführlich berichtet. Die Opfer bekommen ein Gesicht und die Trauer einen Platz in der Öffentlichkeit. Diese Empathie gegenüber ihrem Leiden erfahren Geflüchtete in der Regel nicht. Der tödliche Weg durch die Wüste oder über das Mittelmeer, die Folterlager in Libyen, das jahrelange Leben in 6-Bett-Zimmern in Gemeinschaftsunterkünften, ohne die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und die tägliche Angst, vor der Abschiebung in das Heimatland, der nicht wenige den Selbstmord vorziehen, unterliegen dem Tabu eines kollektiven Verdrängungsprozesses der aufnehmenden Gesellschaft, der durch die Erzählungen persönlicher Schicksale gefährdet würde. In ihrem Buch „Den Schmerz der anderen begreifen“ bemerkt Charlotte Wiedemann über die Spezifika der deutschen Erinnerungskultur, die Empathie zwar gegenüber den jüdischen Opfern der Vergangenheit empfindet, aber unfähig scheint diese auch den Opfern der Gegenwart zukommen zu lassen: „Die Gründe, weshalb sie sich auf den Weg gemacht haben, scheinen nicht gewichtig genug, um sie dann all dem Elend an den Außengrenzen der Europäischen Union auszusetzen. Insgeheim werfen wir den Schutzsuchenden vor, dass sie uns zwingen, solche grauenhaften Lager einzurichten, wo sie – wie auf Moria – fernab der Zivilisation hinter NATO-Draht gehalten werden. Die Redensart, die Deutschen würden den Juden Auschwitz vorwerfen, habe ich trotz der aufklärerischen Absicht immer für allzu zynisch gehalten. Aber auf einer ganz anderen Ebene trifft vielleicht die Aussage: Wir werfen den Geflüchteten Moria vor.“ Es sind nur wenige Journalist:innen, die auch den Opfern der gegenwärtigen Abschottungspolitik ein Gesicht geben und Empathie gegenüber ihrem Leiden einfordern.


An die Anonymisierung der Geflüchteten knüpfen rassistische Theorien an, indem sie die Gesichtslosen zu bloßen Objekten degradieren, von denen potenziell immer schon Böses befürchtet werden muss. Wer sich heute eine Rede von Friedrich Merz anhört, erkennt, wie weit dieser Prozess der Entmenschlichung bereits vorangeschritten ist. Die Masken fallen und der Hass gegen Ausländer kann wieder offen geschürt werden. Mit Erfolg. Bei einer Gedenkveranstaltung in Aschaffenburg in dieser Woche entschuldigte sich ein 12-jähriges Mädchen aus Afghanistan unter Tränen bei den Eltern der Opfer. Dazu sah sie sich aufgrund ihrer Herkunft gezwungen. Der Rassismus, der nie weg war, ist wieder auf dem Vormarsch. Über sein neues Gewand bemerkte bereits Theodor W. Adorno: „Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch.“ Mit diesem Herrschaftsanspruch scheint Donald Trump nun auf staatlicher Ebene ernst zu machen. Und wie die Niederlage von Kamala Harris deutlich gezeigt hat, ist dieser Entwicklung nicht mehr durch einen politischen Gegenentwurf beizukommen, der lediglich darin besteht, nicht der Faschismus zu sein. Die sich zuspitzenden Krisen des Kapitalismus bedürfen einer Antwort. Sind die emanzipatorischen Kräfte zu schwach, ist diese Antwort regressiv. Es bedarf der Aufklärung über den Zusammenhang der Verschlechterungen der Lebensverhältnisse, die im Alltag der Menschen zunehmend spürbar werden, mit den zugrundeliegenden Bewegungsgesetzen der Gesellschaft. Nur wenn die scheinbar naturwüchsigen gesellschaftlichen Verhältnisse als „Pseudonatur“ (Helmut Dahmer) dechiffriert werden, indem sie als historisch gewordene – und somit auch in der Zukunft veränderbare – begriffen werden, können sie selbst zum Gegenstand der Kritik werden.
Ohne Aufklärung über die gesellschaftlichen Verhältnisse, welche schon Karl Marx ironisch als „zweite Natur“ bezeichnete, lassen sich die krisenhaften Erscheinungen der Gegenwart nicht begreifen. Blickt man auf die Geschichte des 20. und des bisherigen 21. Jahrhunderts, wird deutlich, dass sich die Gegner einer solchen Aufklärung bislang durchsetzen konnten – und als Sieger nun die Geschichte schreiben.

Aus der aufklärerischen Theorie des Liberalismus war der Neoliberalismus geworden, der den Konformismus gegenüber der undurchschauten Logik des Kapitals zum Programm erhob. Aus der Philosophie wurde wieder Religion, der bedingungslose Glaube an die Gesetze der Marktwirtschaft. Ließ sich der Liberalismus noch an seinen eigenen Idealen messen, die wie Marx zeigte, von der gesellschaftlichen Wirklichkeit kontrastiert wurden, erhebt der Neoliberalismus den Kampf gegen aufklärerisches Denken selbst zum Ideal. Er ist Gegenaufklärung, der das historisch Gewordene mystifiziert: Das Hirngespinst vom „homo oeconomicus“ lässt Gesellschaftliches wieder zur Natur werden. Die sich nun unter der Ägide Trumps durchsetzende Dystopie von freien Märkten und unfreien Menschen hat ihren historischen Vorläufer in der chilenischen Militärdiktatur von Pinochet, die mit brutaler Gewalt und der freudigen Mithilfe der Chicago Boys um Milton Friedman und Friedrich von Hayek eine neoliberale Agenda gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung durchsetzte.
Autoritarismus und Rassismus gehen Hand in Hand. Der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud erkannte in seiner therapeutischen Arbeit, dass sich das Unbewusste gegen den Prozess der Bewusstwerdung zur Wehr setzt, indem die Wirklichkeit durch Rationalisierungen verzerrt wahrgenommen wird. Wird diese Selbsttäuschung erkannt, verliert sie ihre Kraft. Das Ich wird gestärkt, indem es Bewusstsein über die intrapsychischen Prozesse gewinnt und sich freier gegenüber ihnen verhalten kann. Dieser Prozess lässt sich auf die gesellschaftliche Ebene übertragen. Rassismus ist in erster Linie, so schreibt Detlev Claussen, eine „Rationalisierung von Gewalt“, die aus der ökonomischen Konkurrenz unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen erwächst. Bleiben diese Mechanismen der Konkurrenz unbewusst, indem sie als das natürliche Habitat des homo oeconomicus verstanden werden, entziehen sie sich der Möglichkeit der Veränderung. Da die Krisen aber vom Alltagsbewusstsein der Menschen in irgendeiner Form verarbeitet werden müssen, braucht es alternative Erklärungen für die eigene missliche Lage. Das ist der Nährboden der rassistischen Ideologien der Gegenwart. Werden die Verhältnisse der kapitalistischen Konkurrenz naturalisiert, müssen einzelne Menschen für die Krisen verantwortlich gemacht werden. Hätte das im Falle der Kritik an den 1 %, die in der Zeit der Occupy-Bewegungen eine zentrale Rolle spielte, eine gewisse Berechtigung, an die emanzipatorische Kritik anknüpfen kann, treten die heute dominierenden rassistischen Ideologien nach unten. Nicht die oben erwähnten zwei Familien, die mehr als ca. 42 Millionen Deutsche besitzen, sondern die Geflüchteten, die um die 400 € im Monat zur Verfügung haben, während sie ohne Arbeitserlaubnis auf die Entscheidung in ihrem Asylverfahren warten, sind schuld am Leid dieser Deutschen. Die Ampelregierung bedient dieses Ressentiment, indem sie die Einführung einer Bezahlkarte beschlossen hat, die fast alle Zahlungen der Asylbewerber:innen unter staatliche Kontrolle stellt. Eine Kontrolle, auf die der Staat bei Geldtransfers auf Konten in der Schweiz und in Panama oder bei Cum-Ex-Geschäften keinen großen Wert zu legen scheint. Indem die Frage nach Arm und Reich in der öffentlichen Debatte, u.a. im jetzigen Wahlkampf, fast vollständig durch die Beschwörung einer drohenden Überfremdung Deutschlands durch andere Kulturen ersetzt wurde, befinden sich die rechten Kräfte im Aufwind. Die regressive Verarbeitung der gesellschaftlichen Verhältnisse, scheint sich gegen die Aufklärung über ihre Ursachen durchzusetzen.
Doch so eindeutig die rassistischen Ideologien der Gegenwart aus den objektiven gesellschaftlichen Bedingungen erwachsen, so wenig ist ihr Erfolg durch diese determiniert. Die Verarbeitung der gesellschaftlichen Verhältnisse muss durch den psychischen Apparat der einzelnen Individuen hindurch und bleibt damit immer einzigartig. Kein Mensch denkt gleich. Schließlich versuchen Einzelne an Flughäfen Abschiebeflüge zu verhindern, während andere sich zusammenrotten, um Brandsätze auf Asylbewerberheime zu werfen. Welche Menschen im Besonderen anfällig für Antisemitismus und andere Formen von Rassismus sind, untersuchte Adorno mit anderen Wissenschaftler:innen in den Studien zum autoritären Charakter, die 1950 veröffentlicht wurden. Dieser autoritäre Charakter kombiniert eine ausgeprägte Orientierung an Macht, Konformität und Gehorsam mit einer Feindseligkeit gegenüber Anderen und Normabweichungen. Er ist gekennzeichnet durch ein schwaches Ich, das sich der gesellschaftlichen Übermacht unterwirft und versucht, die eigenen Konflikte durch Projektion auf Andere zu verarbeiten. Indem Neoliberale, Konservative und Faschisten nun eine Politik der Härte gegen Geflüchtete, queere Menschen und Arbeitslose propagieren, während sie Trump und Musk die Stiefel lecken, appellieren sie (un)bewusst an genau diese Werte.


Die Zeiten stehen denkbar schlecht. In der Einleitung der Studien zum autoritären Charakter schreibt Adorno: „Man scheint sich heute wohl bewusst, dass es in erster Linie von der Situation der mächtigen ökonomischen Interessensgemeinschaften abhängt, ob antidemokratische Propaganda hierzulande eine beherrschende Rolle spielen wird oder nicht, ob jene, mit Vorbedacht oder nicht, sich dieses Instrumentes bedienen, um ihre Machtstellung aufrechtzuerhalten.“ Die Anwesenheit von Jeff Bezos, Elon Musk und Mark Zuckerberg bei der Vereidigung von Donald Trump zum Präsidenten macht deutlich, dass sich die mächtigsten Fraktionen des Kapitals in dieser Frage bereits entschieden haben. Und auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass Blackrock mit Friedrich Merz bald persönlich den neuen Bundeskanzler stellt, der die Zusammenarbeit mit der AFD nun offen forciert.


Möchte man dieser historischen Tendenz etwas entgegensetzen, braucht es mehr als Moralismus. „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“, schreibt bereits 1939 Max Horkheimer. Entsprechend ist die linksliberale Hoffnung, der Faschismus ließe sich heute dadurch aufhalten, dass man lediglich an die Moral der Menschen appelliert, die „ein zweites 1933“ verbietet, zum Scheitern verurteilt. Das ehrbare Engagement vieler Menschen muss das moralische Argument in einer Kritik der bestehenden Gesellschaft aufheben. Nur so können wir der hilflos wirkenden Situation entkommen, die immer nur noch darin besteht, das Schlimmste verhindern zu wollen. Denn auch Geschichte unterliegt nur solange dem „Wiederholungszwang“ (Freud), solange sie sich unbewusst, „hinter dem Rücken der Menschen“ (Marx) vollzieht. Die Anamnese des bisherigen Geschichtsverlaufs, welche die bestehende kapitalistische Produktionsweise ihrer Naturwüchsigkeit entkleidet und sie selbst zum Gegenstand der Kritik macht, ist die Voraussetzung, um bewussten Einfluss auf die Gegenwart und die Zukunft zu nehmen. Dafür braucht es eine Stärkung des Ichs, das trotz der anwachsenden gesellschaftlichen Kälte zur Empathie fähig bleibt. Nur durch die Bewusstwerdung des gesellschaftlichen und individuellen Unbewussten, kann Freiheit gegenüber der eigenen gesellschaftlichen Verstricktheit gewonnen werden, die auch die Verstricktheit aller anderen erkennen lässt. Der Kampf gegen den Faschismus braucht einen Begriff und Solidarität. Denn so sehr der Sozialismus heute Utopie zu sein scheint, so eindeutig ist seine Alternative Barbarei.

Foto: Zeppelinhaupttribüne Nürnberg by Geolina163 , CC BY-SA 3.0 via wikimedia

GET POST FORMAT

Der stechende Rauch meiner Zigarette steigt mir in die Augen. Durch die Tränen erkennt man ein jüdisches Viertel: Buchhandlungen, Markstände und Restaurants mit hebräischen Schildern. An mir laufen ein Rabbi und eine Gruppe orthodoxer Juden vorbei. Ein untypisches Bild für das tiefste Ostdeutschland. Der Wind zieht an meinen geschorenen Seiten lang, die Decke um meine Schultern rutscht herab, die Hakenkreuzbinde um meinen Arm leuchtet auf. Vor mir steht ein älterer Mann. Er schlägt die Hacken zusammen, hebt den rechten Arm und brüllt: „Sieg!“.

Drei Monate zuvor bewarb ich mich auf eine Rolle bei einer Filmproduktion in meiner Stadt – ein wenig die Kohle ausbessern, bevor das Semester anfängt: „Wird schon nicht so schwer sein, der Job.“ Dachte ich. Doch als die Casterin mein 161-Tattoo sah, fand sie es wohl lustig mich die nächsten Monate in einer SA-Uniform durch meine Heimatstadt marschieren zu lassen; Immer die gleichen 100 Meter, vor und zurück. Zehn Minuten Drehpause und dann wieder 100 Meter, vor und zurück.

„Alles auf Anfang… und bitte!“

Ich fange an zu marschieren, Zigarette an, böser Blick in die Kamera, Mann mit Kippa anrempeln, Zigarette weg, gerade stehen, Kameraden grüßen und-

„Danke aus!“

Meine Laune wird zunehmend schlechter, wieder nicht die komplette Strecke geschafft! Ich hänge meine Decke wieder um, damit die umstehenden Passanten keine Fotos von mir in der Uniform machen können. Während ich im Kopf ausrechne, wie viele Stunden ich schon arbeite, tippt mich ein anderer Komparse an der Schulter an. Er spielt einen orthodoxen Juden. Der angeklebte Bart hat gelbe Nikotinflecken, die Locken an den Seiten baumeln im Wind, der lange Mantel ist mit künstlichen Patina versetzt. Er räuspert sich.

„Na Männer!? Habt ihr meine Freunde schon verbrannt?!“ Er lacht. „Neben euch fühl’ ich mich ja wie ein Mensch zweiter Klasse!“ Ein breites Grinsen zieht sich durch den angeklebten Bart. Ich will etwas sagen, doch er lehnt sich näher ran: „Ich fühl mich ja in Deutschland auch so wie ein Mensch zweiter Klasse…“ Er blickt sich um, stellt sicher, dass ihn außer uns niemand hört und flüstert: „Ich bin ja ungeimpft.“ Später wird er noch mit anderen über die Rothschilds und Merkels vermeintlich jüdische Herkunft reden.

„Wir machen Drehfertig!“

Ich muss schnell auf Position. Verwirrt von dieser spontanen Offenbarung komme ich auf meiner Marke an. Mit einer anderen Gruppe von SA-Männern warte ich auf das Zeichen des Aufnahmeleiters. Hektisch kommt einer der Security-Mitarbeiter auf uns zu und zieht mir die Decke von der Uniform. Er tippt die Hakenkreuzbinde an, schaut mir in die Augen und mustert die anderen Nazis um mich herum:

„Geil!“ Platzt es aus ihm heraus. „Jungs. Einfach geil! Da müssen wir ein Foto machen – Alle zusammen!“

Unter meinem Atem kommt nur ein leises „Verzieh dich“ heraus.

„Alles auf Anfang….und bitte!“

Marschieren, Kippe an, böser Blick, anrempeln, Kippe aus, gerade stehen, Grüßen, „Sieg Heil!“, umdrehen und marschieren.

„Danke aus! Drehschluss für heute!“

Hektisch zieht die Filmcrew an uns vorbei. Kameras werden von ihren Stativen genommen, Scheinwerfer umher getragen, die Garderobieren hängen uns wieder die Decken um. Langsam trotten wir vom Set, um uns umzuziehen.

In meiner Stadt erzielte die AfD bei der letzten Landtagswahl 33 %. Rein statistisch kann man also davon ausgehen, dass von 100 Menschen 33 AfD-Wähler sind. An dem Set arbeiten mit mir zusammen genau 100 Komparsen und über die nächsten Tage hinweg werde ich erleben, was meine Kostüm-Uniform in einigen von ihnen auslöst.

Der nächste Drehtag bricht an. Um fünf Uhr morgens stehen wir alle wieder da um eingekleidet zu werden und indie Maske zu kommen. Ich stelle mich zu einer anderen Gruppe von Männern: Kaffee und Zigaretten sind immer noch die einfachste Form der Kumpanei auf Arbeit. Handys in den typischen Ü-40-Klapphüllen gehen um, darauf sind Fotos von einer Anti-AfD Demo nur wenige Tage zuvor zu sehen: „Da gab’s wieder Mengenrabatt bei der Antifa“ witzelt einer. In der heißen Phase der Wahlkampfs stattete Alice Weidel meiner Stadt einen Besuch ab, die 33 % wurden in der Bundestagswahl zu 35 %, der Kandidat der AfD bekam ein Direktmandat. Die Laune der Kameraden ist dementsprechend gut.

Ich werde eingekleidet, die Uniform schnürt mir die Luft ab, die Pomade lässt meine Haare in der aufgehenden Morgensonne glänzen. Mit meinem Frühstück in der Hand warte ich in der Produktionsbasis, einer Zeltstadt inmitten der Innenstadt, auf den Einsatz. Der ältere Mann aus dem Prolog tritt an mich heran:

„Morgen…“ murmel ich, er schlägt die Hacken zusammen, zeigt zweimal den Hitlergruß und geht weiter.

Der Tag ist jetzt schon gelaufen – noch bevor ich meine 100 Meter antreten muss.

Wir kommen ans Set, ich werde einem anderen SA-Mann zugeteilt, wir beide müssen heute zusammen durch das Viertel patrouillieren: Er soll dabei so tun, als würde er mir etwas erklären, ich nur nicken und zuhören.

„Wir sind wieder kurz davor…alles auf Anfang…und bitte!“

Zusammen laufen wir los. Mein Kollege legt mir den Arm um die Schulter und zieht mich ran.

10 Meter:

„…Die Soldaten werden bei den kommenden Offensiven keinen Pardon kennen. Die Divisionen werden in diesen Kampf hineingehen wie in einen Gottesdienst…“

Seine Umarmung wird fester, der Rauch seiner Zigarette schlägt mir ins Gesicht.

20 Meter:

„…Und wenn sie dann ihre Gewehre schultern und ihre Panzerfahrzeuge besteigen, dann haben sie nur ihre erschlagenen Kinder und geschändeten Frauen vor Augen und ein Schrei der Rache wird aus ihren Kehlen emporsteigen…“

30 Meter:

„…Das wir den Feind schlagen und zurückjagen werden und ich glaube so fest daran…“

40 Meter:

„…Mit Stumpf und Stiel ausrotten…“

50 Meter:

„…Bis zum letzten Blutstropfen…“

Nach 60 Metern endlich Erlösung:

„Danke aus!“

Insgesamt sechsmal hörte ich von meinem Kollegen diesen auswendig gelernten Flickteppich aus Goebbels Reden. Das „Nur so tun“, erübrigte sich nach dem ersten Stechschritt auf den heutigen 100 Metern. An der Hauswand einer koscheren Fleischerei sinke ich auf den Boden und atme durch: Endlich Pause. Einer der anderen Komparsen tritt an mich heran, wir rauchen Eine und schweigen. Es tut gut, gerade nicht reden zu müssen.

„Mein Sohn sagt immer: Papa, du redest wie ein Nazi“ sagt er beinahe melancholisch. Ich sehe ihn an. „Ich bin aber kein Nazi.“ Sein Blick ist Stur von mir abgewendet und auf eine der Garderobieren gerichtet, die mit dem Rücken zu uns steht.

„Und…“ frage ich, „Was bist du dann?“

„Unternehmensberater. Ein Unternehmensberater der einfach eine andere Meinung zu Dingen hat, als der Mainstream. Bis du ein sogenannter Nazi?!“ Fragt er mich. Ich blicke an meiner SA-Uniform herab: „Nein.“

In dem Gespräch eröffnet mir der Unternehmensberater seine Wendegeschichte. Er studierte Wirtschaft in der DDR, trat der SED bei und entnahm den Büchern des Dietz Verlags alles was man brauchte, um die Ost-Kombinate genauso erfolgreich zu gestalten wie die Konzerne im Westen.

„Und wir wollten so gut sein wie die da drüben!“ Doch als die Wende kam erübrigte sich auch der sozialistische Ehrgeiz. Er bekam eine Anstellung in einem BRD-Großkonzern: „Wir haben dort alles optimiert! Alles! 50% des gesamten Betriebs haben wir effektiviert!“

„Du hast also die Hälfte der Belegschaft entlassen?“ Frage ich zunehmend genervter.

„Nein!“ Sein Blick ist nun fest auf mich gerichtet: „Wir haben effektiviert.“

Ich bemerke, dass ich mit meiner Uniform zu einer Art Projektionsfläche werde, die die wahren Gesinnungen der Menschen um mich herum zum Vorschein holt. AfD-Wähler witzeln über den Holocaust, relativieren ihn mit der aktuellen Pandemie. Andere stehen in der Öffentlichkeit – ohne das gedreht wird – mit erhobenen rechten Arm vor mir, besorgte Bürger rezitieren Goebbels, andere erzählen über den Verlust ihrer Ideale durch die Wende. Alles auf 100 Metern Weg.

Nach Drehschluss lerne ich in der Maske einen Sportschützen kennen. Ideologisch fällt es mir schwer, ihn einzuordnen. Stolz erzählt er mir von seinen Waffen: Ein Gewehr 98 und eine M.P. 40. Beides Nachbauten der populärsten Wehrmacht-Waffen. „Total geile Dinger.“

Mein letzter Drehtag bricht an. Das Licht eines 18.000-Watt-Mondes strahlt durch die Straßen des nun zerstörten jüdischen Viertels, überall liegt Dreck, die Straßen sind nass. Künstliche Schneeflocken fallen herunter, der kalte Wind gibt uns den Rest. Dicht stehen wir zusammen, einer der Komparsen erzählt uns von einer anderen Filmproduktion, Jahre zuvor.

Ich war auch dabei und erinnere mich gut. Damals standen wir auf einem Platz mitten in der Altstadt und spielten die Bücherverbrennung nach. Die historischen Häuser waren in rote Hakenkreuzflaggen eingekleidet, die orangenen Flammen züngelten zwischen Kästner und Brecht und reflektierten sich in den Stahlhelmen der SS. Die Arme schossen in die Höhe: „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!“. Ich stand damals mit am nächsten am Feuer, in meiner HJ-Uniform war mir kalt und unwohl, Hitler tobte auf der Bühne, das Singen wurde lauter und lauter.

Der Mann spielte damals einen der SS-Offiziere. Er erzählt uns wie seine besten Freunde – ein Kripo-Beamter der Polizei Sachsen und ein jetziges Mitglied der AfD im Landkreis – sich freuten, in den SS-Uniformen zu stecken. Er wird unterbrochen von einem Anderen: „Scheisse ey, ihr durftet Uniformen anziehen und ich muss bei jedem Film einen Zivilisten spielen, es kotzt mich an, ich will auch eine Uniform“ Ich erkenne den Mann: Er stand bei Alice Weidels Wahlkampfveranstaltung mit dabei.

Der SS-Offizier erzählt uns, wie er und seine Freunde – der AfD-Parteisoldat und der Kripo- Beamte – vorhatten, in den SS Uniformen das Set zu verlassen um in Polen Kippen kaufen zu gehen. Sie wurden von der Security daran gehindert; mehr aus Pflichtbewusstsein als wegen allem anderen: Gelacht wurde über das Vorhaben zusammen.

Die Flamme der Feuertonne gibt kaum Wärme. Das Schneegestöber wird stärker.

„Und bitte!“

Diesmal rennen wir unsere 100 Meter. „Ey! Ische! Bleib stehen!“ Brülle ich durch die Flocken. Wir verfolgen eine Schauspielerin, sie dreht sich um, ruft etwas und wird überfahren. Der Pulk der SA-Männer bleibt schlagartig stehen, schwer atmend schauen wir auf die Leiche der Schauspielerin. „Weg hier, los!“ Wir laufen in eine Seitengasse, wie feige Schweine.

„Danke aus!“

Monate nach dem Dreh gehe ich feiern, an der Tür des Clubs steht die Security-Firma von dem Typen, der mit uns am Set Uniform-Selfies machen wollte. Eine Gruppe durchtrainierter Männer mit Boxerschnitt und bayerischer Tracht geht an der Schlange vorbei, sie grüßen die Securities, zeigen keinen Impfnachweis und gehen in den Club. Wenig später sehe ich sie an der Bar, sie begrüßen einen ihrer Kameraden auf der Tanzfläche mit Hitlergruß. Der Frei.Wild-Kutten-Träger ist aber gerade zu sehr damit beschäftigt zu Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ zu tanzen und sieht den Gruß genauso wenig, wie die Mitarbeiter des Clubs oder die Security.

Ich gehe nach Hause und laufe dabei meine 100 Meter durch das ehemalige jüdische Film-Viertel. Ein Freund ruft mich an: Er berichtet, wie vier der Securities einen Besucher des Clubs nach draußen gezerrt und verprügelt haben, dabei stützte sich einer mit seinem Knie auf den Hals des am Boden liegenden. Genauso geschah auch der rassistische Mord an George Floyd.

Am Ende der 100 Meter wird mir klar, wie viele andere diesen Spießrutenlauf gehen müssen. Tägliche Pöbeleien, rassistische Anfeindungen, sexistische Kommentare – zwar ohne Kostüm und Dreharbeiten, aber mit den gleichen 35% um sich herum und ohne das rettende „Danke aus!“.

Hinter dem Ruf nach einer Politik gegen den „links-grünen Mainstream“ oder die Altparteien, hinter dem Ruf nach konservativer Politik mit geschlossenen Grenzen versteckt sich am Ende des Tages eins: Der Ruf nach Faschismus, nach Ausgrenzung, Rassimus, Waffen. Der Ruf nach dem Recht in einer Uniform durch die Stadt zu marschieren.

Keiner der 35% wird das offen zugegeben, doch es hat nur einen Schauspieler in einer SA-Uniform und 100 Meter weg als Katalysator für diese Gesinnungsoffenbarung gebraucht.

Alles auf Anfang, wir machen es nochmal!

# Titelbild: Mert Kahveci

GET POST FORMAT

Der Autor Herbert Renz-Polster geht in seinem neuesten Buch „Erziehung prägt Gesinnung“ der Frage nach, was die Anhänger rechtspopulistischer Parteien eint. Es sei weder wie vielfach vermutet das Bildungsniveau, noch die ökonomische Lage, sondern vielmehr ihr schon in der Kindheit entstehender stärkerer Hang zum Autoritarismus. Unser Autor Frederik Kunert fasst die Erkenntnisse des Buches zusammen.

Der ehemalige Kinderarzt und Autor zweier pädagogischer Bestseller hält viele Erklärungsmuster für das Erstarken des Rechtspopulismus für zu einfach. So ist z.B. die These, AFD-Anhänger zählten zu den „Abgehängten“ der Gesellschaft nicht haltbar. Vier von fünf AFD-Anhänger*innen bezeichnen ihre wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut, die Mehrheit der AFD-Wähler*innen kam aus bürgerlichen Verhältnissen, die Soziologin Cornelia Koppetsch nennt es gar den „Aufstand der Etablierten“, so sehr sieht sie die AFD in der Mittelschicht verwurzelt. Auch Donald Trump hatte bei den Wahlen 2016 in allen Einkommensschichten eine Mehrheit, nur nicht bei den Ärmsten. Auch das fehlende Bildungsniveau taugt nicht als Erklärung. Die AFD findet nicht unerheblichen Anklang in akademischen Kreisen, eine Partei der „Bildungsversager“ ist sie nicht. Durch Fragen nach der realen Lebenssituation lassen sich Anhänger*innen des Rechtspopulismus nicht identifizieren. Erst durch Fragen nach den konkreten Ängsten bekommt das rechte Lager langsam Kontur: 90 bis 95% der AFD-Wähler*innen fürchten beispielsweise die Bedrohung der „deutschen Sprache und Kultur“, hätten „Angst vor dem Islam und vor Kriminalität“. Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan bestätigt, dass es oft gar nicht um die vielbeschworenen Verlust- oder gar Existenzängste geht, sie spricht hierbei von „einer Sehnsucht nach Eindeutigkeiten“: der Hang zu Recht und Ordnung, die Angst vor Überfremdung oder davor, die eigene Bedeutung verlieren zu können, all das sind Gefühle, die die Rechtspopulisten einen. Kurz gesagt: Was sie eint, ist der Hang zum Autoritarismus.

Im Folgenden versucht der Autor dies zu belegen. So vergleicht er beispielsweise anhand der USA die Befunde von Studien zum Thema Gewalt in der Erziehung mit den Zustimmungswerten für Donald Trump in einer Region. Auch wenn Gewalt in der Erziehung in den USA allgemein weit verbreitet ist (etwa 70% stimmen der Aussage zu, manchmal sei es nötig Kinder mit ein paar guten, harten Schlägen zu disziplinieren) und die Erziehung durchschnittlich autoritärer gestaltet wird, so zeigt sich: Dort wo die Zustimmung zu Gewalt in der Erziehung am höchsten ist, ist auch die Zustimmung für Donald Trump am größten. Die ersten 22 Staaten mit den höchsten Zustimmungswerten zu der Frage „Ist es okay, Kinder zu schlagen?“ gingen allesamt an Trump. Andersrum sieht es ähnlich aus, wie die von der Kinderschutzorganisation Save the Children zusammengetragenen Daten zeigen: Von den zehn bestplatzierten Bundesstaaten in ihrer Liste, also denen, in denen Kinder am sichersten aufwachsen können, ging kein einziger an Trump.

In Deutschland wird die Stärke der rechten Szene in der ehemaligen DDR oft damit erklärt, sie sei die Antwort auf schwierige Lebensbedingungen und eigene Ausgrenzungserfahrungen nach der Wende. Die Autoritarismusforscherin Prof. Gerda Lederer untersuchte jedoch kurz vor dem Fall der Mauer Kinder und Jugendliche in der DDR und kam zu dem Befund, dass diese in allen untersuchten Domänen höhere Autoritarismus-Werte aufwiesen als die Kinder und Jugendlichen in der BRD, dazu zählten Ablehnung von Ausländern sowie Gehorsam gegenüber Autoritäten und den Eltern. Die Erfahrungen der Wende können also nicht die Ursache gewesen sein. Vielmehr scheint die Art der Erziehung eine entscheidende Rolle zu spielen, wenn es um die Entwicklung von autoritären Ansichten geht.Kurz gesagt: Strenge Kindheiten scheinen mit „strengen“ politischen Überzeugungen einherzugehen.

Renz-Polster stellt zwei grundlegende Sichtweisen bzw. Weltbilder gegenüber: eine Weltsicht der Verbundenheit, in der die Welt als ein guter Ort gesehen wird, dem man mit Zuversicht und Vertrauen begegnen kann und die andere Weltsicht, die die Welt als gefährlichen Ort wahrnimmt, der chaotisch und unsicher ist und den es zu kontrollieren gelte. Er nennt sie „Vertrauen“ und „Kontrolle“ und beschreibt, wie die meisten Menschen zwischen den beiden Weltsichten schwanken, während die Autoritären die Welt ausschließlich als bedrohlich sehen und sie deshalb kontrollieren wollen, ob mit Gewalt, Eroberung, Unterjochung, Stärke oder Kampf. Die Unterschiede zwischen beiden Weltbildern prägen dann auch das Bild vom Kind und damit die Erziehung, die man diesem Kind zuteil werden lässt, ob die Beziehung zum Kind von Verbundenheit und Gemeinsamkeit oder von Kontrolle und Distanz, von Vertrauen oder Gehorsam betont ist, ob es um die Eingrenzung oder die Ermächtigung des Kindes geht. Da die Aushandlungsprozesse innerhalb der Familie im Grunde Politik sind, ist eigentlich klar, warum diese frühen Erfahrungen mit Hierarchien und Konformität in unsere spätere politische Weltsicht eingehen. „Als Kind erfahren wir zum ersten Mal, was es heißt, regiert zu werden“, so fasst es die Linguistin Elisabeth Wehling zusammen. Und wer in der Familie Fürsorge und Verbundenheit erlebt hat, wird sich auch später eher für Fürsorge und Verbundenheit einsetzen und nicht für Ausgrenzung und Hass.

Auch die psychoanalytische Sozialwissenschaft konnte empirisch nachweisen, dass „Kinder, die eine auf Unterdrückung und Unterwerfung beruhende Erziehung erfahren haben, als Erwachsene zur gewaltsamen Unterdrückung anderer neigen.“ Der Autoritarismusforscher Detlef Oesterreich sagt hierzu: „Rechtsautoritarismus ist das Ergebnis einer das Kind überfordernden Sozialisation. Kinder, die in ihrer Kindheit einer sozialen Realität gegenüberstehen, die sie nicht bewältigen können, sind gezwungen, sich in den Schutz und die Sicherheit von Autoritäten zu flüchten.“ Die in der Pädagogik mittlerweile allgemein anerkannte Bindungstheorie von John Bowlby bestätigt ebenfalls: „Faire, hilfsbereite, zugewandte Erziehung fördert faires, hilfsbereites, zugewandtes Verhalten.“ Renz-Polster zieht weitere psychologische Befunde (bspw. zur „theory of mind“) zur Stützung seiner These heran.

Betrachtet man nun die Erziehungs- und Bildungssysteme in diesem Land, kann einem angst und bange werden. So sind z.B. in der NUBBEK-Studie nur 7% der Kindertagesstätten als „gut“ oder „sehr gut“ bewertet worden, während 10% als „schlecht“ bewertet wurden und der Rest dazwischen liegt. Die Forschung zeigt aber, dass Kinder von einer Kindergartenbetreuung nur dann profitieren, wenn diese Einrichtungen „gut“ oder „sehr gut“ sind. Die Kritik an der Situation der Schulen des Landes würde vermutlich den Rahmen des Textes sprengen. Dass in Ihnen noch immer Ordnung, Gehorsam und Disziplin die obersten Gebote sind und sie deshalb selbst eine autoritäre Institution sind, dürfte unstrittig sein.

Ein weiterer wichtiger Befund, der im Buch angeführt wird, ist folgender: „Je ungleicher Einkommen und Chancen in einem Land verteilt sind, desto autoritärer denken und empfinden seine Bürger.“ Das beste Beispiel hierfür sind die USA: ein reiches Land, das bei sozialen Messwerten wie Frühgeburtlichkeit, Kindesmisshandlung, Säuglingssterblichkeit, Schulabbruchsraten, sexuellem Missbrauch, sowie Teenagerschwangerschaften und Drogenkonsum von Jugendlichen miserabel abschneidet.

Insgesamt ist das Buch ein Aufruf darüber nachzudenken, wie wir mit unseren Kindern umgehen und welche Erfahrungen wir ihnen mit auf den Weg geben wollen, wie wir also die Entwicklung autoritärer Persönlichkeiten unterbinden können, bevor es zu spät ist. Politische Überzeugungen und der Hang zum Autoritarismus lassen sich mit zunehmendem Alter immer schwerer bekämpfen, vor allem nicht mit „sinnvollen“ Argumenten. Als Linke sind wir aufgefordert, die Kleinsten in unserer Gesellschaft wieder stärker in den Blick zu nehmen, dazu gehört nicht nur eine allgemeine Kritik am Erziehungs- und Schulsystem und seiner konstanten Unterfinanzierung und fehlerhaften Konzeption, sondern auch die Unterstützung aller in der sozialen Arbeit Tätigen in ihren Kämpfen für bessere Bedingungen und der Aufbau eigener Strukturen der Erziehung. Die „Kinderladen-Bewegung“ kann hier ein Bezugspunkt sein, von dem wir lernen können. Es könnte eine Chance sein, den Rechten nicht mehr bloß „Hinterherzurennen“, sondern langfristige Projekte auf den Weg zu bringen und wieder selbst Initiative zu ergreifen.

# Titelbild: privat

GET POST FORMAT

Seit Februar 2018 hat sich das Leben des Neuköllners Ferat Kocak grundlegend verändert. Neonazis hatten seinen PKW vor der Wohnung seiner Eltern in Brand gesetzt. Leicht hätten die Flammen auf das Wohnhaus übergreifen können, in dem Menschen schliefen. Kocak zog in der Folge des Attentats weg aus Berlin. „Wenn ich bei meinen Eltern bin, dann sehe ich immer noch die Flammen vor mir, da konnte ich nicht bleiben“, sagt der Linken-Politiker mit kurdischen Wurzeln gegenüber lower class magazine. Und er verlor zwei Jobs, den Arbeitgebern war seine Präsenz in der Öffentlichkeit zu viel.

Der Anschlag auf Ferat Kocak ist kein Einzelfall. Seit 2016 lassen sich dutzende Brandanschläge, Steinwürfe, politische Drohungen an Privatwohnungen in Neukölln einer Serie von rechten Gewalttaten zuordnen. Die nach zahlreichen „Ermittlungspannen“ eingerichtete BAO Fokus der Berliner Polizei bilanziert in ihrem Zwischenbericht vom Februar 2020, insgesamt seien 72 Straftaten, davon 23 Brandstiftungen Gegenstand ihrer Ermittlungen.

Die Ziele: Linke, Sozialdemokrat*innen, Migrant*innen und Lokale, die im Zuge der Hetze gegen sogenannte „kriminelle Clans“ öffentlich diffamiert wurden. Die Strategie der Taten ist nicht schwer zu verstehen: Nadelstiche, die politische Gegner*innen einschüchtern und im besten Fall zur Aufgabe zwingen sollen – in einem Bezirk, der sowohl von der NPD, wie auch von der AfD als ein Schwerpunktbereich ihrer Tätigkeit gesehen wird.

Zumindest für einen Teil der Anschläge weiß man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, aus welchen Kreisen sie kommen. Und dennoch wurden die betreffenden Personen nicht belangt. Bereits mindestens seit Januar 2017 beobachtete der Verfassungsschutz (VS) zwei Neonazis, Sebastian T. und Tilo P. Diese spähten das spätere Opfer Ferat K. vor dem Anschlag aus, der VS übermittelte seine Informationen an das Landeskriminalamt (LKA) noch vor dem Brandanschlag. Es passierte nichts. Warum nicht?

Die Personalien T. und P. verweisen auf ein bestimmtes Milieu. T. ist ein seit Jahrzehnten bekannter rechter Gewalttäter, den antifaschistische Gruppen zusammen mit Julian B. schon für eine frühere Anschlagsserie in Neukölln im Jahr 2011 verdächtigten. Sebatsian T. galt als eines der wichtigsten Verbindungsglieder der rechtsterroristischen Gruppierung „Nationaler Widerstand Berlin“ (NW Berlin) und der NPD.

Und Tilo P. erfüllt dieselbe Scharnierfunktion für die Neuköllner AfD. Die Neuköllner AfD-Gruppe gilt seit langem als besonders rechter Teil in einer ohnehin weitgehend offen faschistischen Partei. Über die Jahre entstand ein Netzwerk von in „Freien Kameradschaften“ organisierten Neonazis, AfD-Funktionären und rechten Hooligans. Das „Bindeglied“ zwischen diesen Milieus, laut Recherche-Antifaschist*innen: Tilo P.

Weitere Personalien der Neuköllner AfD verweisen darauf, dass hier durchaus eine Bereitschaft zur Teilnahme an Angriffen auf politische Gegner*innen vorhanden ist: Christian B. und Danny D. waren Teil des Umfelds der Nazihool-Gruppe „Wannsee Front 83“, die u.a. für den rechten Mord an Peter Konrad 1993 verantwortlich ist. Christian B. stand zudem mit einer Reihe von Neonazis in Kontakt, die dem Netzwerk „NW Berlin“ zugerechnet werden können – von denen immer wieder Angriffe auch in Neukölln ausgingen.

Woher kommen die Daten der Rechtsterroristen?

Nach dem Anschlag, so erinnert sich Ferat K., sei irgendwann ein Polizist aus der für rechte Straftaten zuständigen Abteilung des LKA zu ihm gekommen, habe ihm von den abgehörten Telefonaten Sebastian T.´s und Tilo P.´s erzählt und gesagt: „Jetzt haben wir sie.“ Aber wieder nichts. „Offenbar hat das für die Staatsanwaltschaft nicht gereicht“, ist K. erstaunt.

Die Anschläge gehen weiter, auch nachdem im Frühjahr 2018 eine Hausdurchsuchung bei T. zur Beschlagnahmung von Datenträgern führt. Die Auswertung gestalte sich schwierig, weil die Festplatten verschlüsselt seien, hieß es aus Polizeikreisen zunächst. Ein Haftbefehl gegen T. wird vom Amtsgericht Tiergarten abgelehnt – obwohl augenscheinlich Wiederholungsgefahr besteht. Die Festplatten, so stellt sich Jahre später heraus, waren überhaupt nicht verschlüsselt. Wieder eine Panne?

Ferat K. glaubt daran nicht mehr so richtig. „Ich habe schon manchmal den Eindruck, dass hier so etwas wie ein „tiefer Staat“ im Spiel ist. Dass Behörden diese Nazis decken“, vermutet er. Und der Verdacht ist nicht unbegründet.

Szenenwechsel: Als die Daten des Computers von T. nun doch endlich „entschlüsselt“ wurden, stießen die Behörden auf umfassende Listen politischer Gegner*innen. Diese umfassten nicht nur Opfer bereits vollzogener Anschläge und Drohungen, sondern auch – Medienberichten zufolge – hunderte weitere Personen.

Spät, aber doch machte sich die von der Polizei eingerichtete BAO (Besondere Aufbau-Organisation) Fokus daran, die Betroffenen zu informieren. Eine der Gelisteten, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, wird seit Jahren von Neonazis verfolgt und bedroht. An Emails und Nachstellungen hatte sie sich bereits gewöhnt, als 2018 eine Mail bei ihr eintraf, die ein geheim angefertigtes Foto von ihr und ihrer Familie enthielt. „Besonders gruselig fand ich, dass ich nicht mitbekommen habe, dass uns da jemand fotografiert hat. Ich habe die Person absolut nicht wahrgenommen“, sagt sie. Handelt es sich um technisch besonders versierte Neonazis, die die Observation ihrer Opfer perfektioniert haben? Oder könnte das Foto aus einer Polizeiobservation stammen?

2020 wird die Betroffene darüber informiert, dass der Neuköllner Neonazi T. auch ihre Daten hortete. Sie gibt gegenüber lower class magazine zu Protokoll: „Ich wurde angerufen und mir wurde mitgeteilt, dass sich unter der Datensammlung eines Rechtsextremisten Bilder und Videomaterial sowie mein Name und meine Personalausweisnummer befanden“, so die Berlinerin. Woher hat Sebastian T. die Personalausweisnummer einer fremden Person?

Abwegig sind auch diese Fragen nicht. Wie antifaschistische Kreise aus Neukölln berichten, richtete sich eine der Droh-Graffitis in Neukölln gegen die Wohnung einer Person, die dort zwar gemeldet war – aber dort nicht wohnte. Würden alle Daten der Täter aus eigenen Observationen stammen, hätten sie das bemerken müssen. Aber nicht, wenn die Meldeadresse der Ziele etwa in einem Polizeicomputer abgefragt wird.

Das erste Mal wäre das nicht. Ende 2017 verschickte der Berliner Polizist Sebastian K. Drohbriefe an Linke. Als nichts mehr zu leugnen war, gestand er die Tat und die Behörden erklärten den Fall rasch für abgeschlossen. Nach möglichen Mittätern wurde nicht mehr gesucht, obwohl die Lebensgefährtin von K. für das Landeskriminalamt tätig war. Und das obwohl sich sogar ein Zusammenhang mit der absurden Verlagerung von Observationsteams weg vom späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri hin zu ach so gefährlichen „Linksextremisten“ vermuten ließe.

Auf einen weiteren Weg des Datenabflusses hin zu Rechtsterroristen machen Aktivist*innen der Antifa-Plattform neuköllnwatch gegenüber lower class magazine aufmerksam: „Ein weiteres interessantes Beispiel ist das Verfahren wegen eines Angriffs auf den Rechtsrockmusiker Peter B. in Kreuzberg, wo willkürlich ausgewählte Antifas als Beschuldigte geführt wurden, um so ihre persönlichen Daten in die Ermittlungsakten aufzunehmen und über die Akteneinsicht an die Neonazis weiterzugeben. B. wurde von einem rechten Szeneanwalt vertreten, der auch schon Sebastian T. vertreten hat.“ Ähnlich sei die behördliche Datenübertragung gelaufen, als drei rechte Youtuber vor dem linken Haus in der Rigaer Straße 94 vertrieben wurde: „ Das LKA führte sämtliche in der Rigaer94 gemeldeten Leute als Beschuldigte, die Nazis nahmen Akteneinsicht und veröffentlichten anschließend die Daten.“

Direkte Kontakte?

Das ARD-Magazin Kontraste und der rbb berichteten bereits im April 2019, dass sie über Erkenntnisse verfügten, nach denen ein Beamter des Landeskriminalamts in einer einschlägig bekannten Neuköllner Kneipe von einer anderen Behörde – man darf annehmen, dem Verfassungsschutz – beobachtet worden sei, wie er sich mit Neonazis traf. Unter den Kontakten: Sebastian T. Dienstlich ist das Treffen nicht und W., so wird der Beamte abgekürzt, steigt danach zusammen mit dem mutmaßlichen Rechtsterroristen in sein Auto und fährt weg.

Mediennachfragen bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft bleiben ohne inhaltliches Ergebnis, bis mitgeteilt wird, dass das Verfahren gegen W. eingestellt wurde und eine Auskunftserteilung „im Zusammenhang mit einem weiteren Ermittlungsverfahren, bei dem eine Auskunftserteilung einer Ermittlungsgefährdung entgegensteht“ abgelehnt werde – was auch immer das heißen mag. Im zitierten Zwischenbericht der angeblich zur Aufarbeitung von Polizeifehlern eingerichteten BAO Fokus nimmt dieser vermutete Kontakt gerade einmal zwei Absätze ein, deren Resultat: Es gebe „nach Auffassung der BAO Fokus mehr Zweifel daran als Anhalte dafür“, dass besagter Polizist W. Kontakte zu Sebastian T. hatte. Fall erledigt und damit auch das ganze Kapitel zum „Informationsabfluss“ von Polizei zu Neonazis, den die Polizei – welch Wunder – als nicht beweisbar ansieht.

Dabei dürfte er ein durchaus gängiges Problem sein, da die Rechtspartei AfD, die – so auch in Neukölln – generell sehr häufig im Umfeld von Rechtsterroristen zu finden ist, unter Polizisten überdurchschnittlich beliebt ist. Und mit guten Kameraden teilt man eben. So leitete der Berliner Polizist Detlef M., selbst Mitglied in der Neuköllner AfD, an seine Parteikameraden Interna zum Fall Anis Amri weiter. Unter denen, an die die Informationen ergingen: Tilo P., Sebatian T.s mutmaßlicher Komplize zumindest bei Teilen der Brandanschläge. Detlef M. sei, so berichtet neuköllnwatch, „an Absprachen zu einem Buchladen in Rudow beteiligt gewesen, der danach mehrmals heftig angegriffen wurde“.

Neuköllnwatch bilanziert: „Wir haben also: Polizisten in Chatgruppen mit Neonazis, Polizisten, die sich mit Neonazis in rechten Kneipen treffen, Polizisten die Drohbriefe an Linke schreiben, Polizisten die Ermittlungsakten nutzen, um darüber persönliche Daten von Linken an Neonazis weiterzugeben, und Polizisten, die die Prioritäten der Observationsziele manipulieren, um statt Neonazis oder Islamisten die Linken zu gängeln.“ Eine ganze Menge zu tun für einen vermeintlich „linken“ Senat, möchte man meinen. Doch Aufklärung bleibt aus.

Eine „neue“ Serie von Bränden?

Die Brandanschläge gehen auch im Jahr 2020 weiter – mal mit Bekennerschreiben, mal ohne, was Beobachter*innen aus Medien und Polizei zur Schlussfolgerung veranlasst hat, es handle sich nun um eine „andere“ Serie und „neue“ Täter*innen. Bei neuköllnwatch sieht man das anders: „Wir gehen davon aus, dass die Angriffe der letzten Wochen mit denen der letzten Jahre zusammenhängen. Was auch sonst? Selbst wenn es individuell andere Neonazis waren, die hier aktiv geworden sind, sind sie definitiv mit den anderen bekannten Neonazis zusammenzurechnen.“ Die Vernetzung des Milieus faschistischer Gewalttäter in Berlin ist hoch. Gerade die Recherchearbeit antifaschistischer Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten hat ein Netzwerk älterer rechtsterroristischer Kader und ihres Nachwuchses fast lückenlos dokumentiert. Doch wo der Wille fehlt, fehlen auch Ermittlungen.

Dabei ist die Anschlagsserie bis zum 19.6. weiterhin klar als rechte identifizierbar: Am Tatort des Anschlags auf einen Transporter vor einer Konditorei in der Sonnenallee finden sie Nazi-Sprühereien, ebenso am 5.6. in Wohnhäusern und an Geschäftsräumlichkeiten in der Wildenbruchstraße oder am 10.5. in der Laubestraße, wo vier Autos ausbrennen.

Interessant sei so neuköllnwatch, dass seit dem 19.6. keine Nazisymbole mehr an den Tatorten hinterlassen wurden. “Das heißt dass entweder Trittbrettfahrer unterwegs sind, oder dass die Nazis inzwischen sicher sind, dass ihre Message angekommen ist, und dass sie sich nun nicht mehr explizit bekennen müssen. Die Taten hätten damit eine doppelte Wirkung, einerseits der Angriff, andererseits der „zweite Angriff“, wenn Polizei und Presse das rechte bzw. rassistische Motiv leugnen, weil es kein explizites Tatbekenntnis gibt.“ In der Tat passiert seit dem 19.6. genau das: Die Brände, die immer noch mit Regelmäßigkeit geschehen, werden von vornherein zu unpolitischen Ereignissen erklärt. So wird bei einer schweren Brandstiftung, bei der sich die Bewohner eines Hauses Ecke Jahnstraße/Buschkrugallee in Lebensgefahr befanden, der Fall von der Polizei zunächst als unpolitisch behandelt, anstatt in Erwägung zu ziehen, dass es sich um eine Fortsetzung des rechten Terrors handeln könnte.

Was tun?

Einige der Opfer der Terrorserie haben sich zurückgezogen. Ferat K. will mit den Attacken anders umgehen, sich organisieren, mit anderen gegen den Terror aufstehen. „Für mich ist das sehr wichtig. Ich mache politisch mehr und mehr, das ist mein Weg, mich damit auseinanderzusetzen“, sagt er.

Im Moment seien es dabei zwei Strategien, die er für richtig hält. Am wichtigsten sei es, dass die Menschen in Neukölln sich den Nazis entgegenstellen: „Wir müssen uns hier im Kiez organisieren, da sehe ich Migrantifa als einen guten Anfang“, so K.

Zum anderen gebe es auch noch parlamentarische Möglichkeiten: Das Erzwingen eines Untersuchungsausschusses. Und: „Wir wollen, dass auch auf Landesebene anerkannt wird, dass es sich um rechten Terror handelt. Dann könnte sich die Bundesanwaltschaft einschalten.“ K. weiß aber auch: Dass in dieser Legislatur noch ein U-Ausschuss kommt, ist äußerst unwahrscheinlich. Den Ärger darüber, auch über K.´s eigene Partei „Die Linke“, merkt man dem Aktivisten an: „Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Landespartei für einen Untersuchungsausschuss, aber was tun die Regierungsfunktionär*innen der Partei dafür? Gar nichts. Ich überlege manchmal, ob ich nächstes Mal CDU wählen soll, weil wenn wir eine rechte Regierung hätten, hätten die linken Parteien längst einen U-Ausschuss beschlossen, schon um denen eins reinzudrücken.“

#Titelbild: PM Cheung

GET POST FORMAT

„Wenn Sie etwas unternehmen können, zumindest für die anderen Jugendlichen. Bitte… Mein Sohn soll nicht für nichts gestorben sein“, sagte die Mutter von Ferhat Unvar, einem der neun Menschen, die am 19. Februar in Hanau bei einem rassistischen Attentat ermordet wurden. Was meinte sie mit „für nichts“? Wie konnte der Tod „für nichts“ gewesen sein? In einem anderen Interview fragt sie „warum?“ und es herrscht einige Sekunden Stille. Diese Frage ist zutiefst erschütternd. Welche Antwort könnte den Schmerz lindern? Dass Tobias R. psychisch krank war? Dass – wie auch die Bundesregierung einräumte – die Tat einen „fremdenfeindlichen“ Hintergrund habe? Ein kranker weißer Deutscher, mit „fremdenfeindlichen“ Motiven rückt die Morde in ein falsches Licht.

Die Rolle der AfD im Attentat Hanau

Welche Rolle spielt die AfD in dieser Tat? Sie sitzt in allen Landesparlamenten und im Deutschen Bundestag. Die Partei, die immer wieder Shisha-Bars kritisiert? Nein, es ist keine Kritik, sondern Hetze gegen die Menschen, in Shisha-Bars gehen; überwiegend mit einem Migrationshintergrund. Trägt die AfD eine Mitschuld? Am 28. Januar veröffentlicht der AfD Abgeordnete Dimitri Schulz, dass es in Shisha-Bars es Vergewaltigungen gäbe; mehrere Syrer und Iraner seien festgenommen worden. Die AfD in der Landtagsfraktion NRW veröffentlicht auf ihrer Homepage ein Bild mit der Parole „Ausreichende staatliche Kontrolle von Shisha-Bars?“ Auch der Abgerordnete Stephan Bothe hetzt: „Vergiftungen in Shisha-Bars. Im Zweifel muss der Betrieb untersagt werden!“

Das sind nur einige Beispiele, die aber klar machen, dass die AfD mit den Reden den Boden für Radikalisierung und Gewalt bereitet. Der Fall in Hanau hat viele daran erinnert, dass Rassismus tötet – und das überall. Auch in Deutschland. Auch? Für Menschen, die in Deutschland Schutz gesucht haben und meinten, sie könnten hier friedlich leben, ist das vielleicht ein Schock. Für diejenigen, die schon länger hier leben ist spätestens seit den Morden des NSU klar, dass Faschismus und Rassismus in Deutschland zutiefst verankert sind; -„dank“ der AfD ist das offentsichtlicher als zuvor.

Kurz nach dem Attentat in Hanau gab Robert Lambrou (Fraktionsvorsitzender der AfD in Hanau) ein Statement ab, dass seiner Meinung nach der Täter Tobias R. nicht die AfD gewählt hätte und niemals Mitglied gewesen sei. Doch Lambrou und seine Partei werden von Tobias-ähnlichen Menschen unterstützt. Nicht nur Mitglieder der AfD sind mit Schuld an rassistischen Attentaten, sondern auch diejenigen, die durch die AfD, Rassismus in Parlamenten salonfähig gemacht hanben; diejenigen, die sie mitdiskutieren lassen, wenn in den Talkshows der Zustand der Demokratie thematisiert wird.

Fakt ist: Neun junge Menschen sind aus rassistischen Gründen niedergeschossen worden. Neun Hanauer starben, weil sie nicht den völkischen Vorstellungen von Tobias R. Entsprachen. Völkischen Vorstellungen davon, wer hier dazugehört, die mal mehr, mal weniger offensichtlich von der AfD propagiert werden.

Wer ist ein*e Migrant*in?

„Mein Sohn hat vor drei Wochen seine Ausbildung absolviert. Er wollte arbeiten, auch für Deutschland“ sagt Serpil Temiz in einem Interview mit Susana Santina vom ZDF. In einem anderen Interview mit Cosmos sagt sie „Keiner von ihnen war arbeitslos.“ Auch in ihrer Verzweiflung betont sie, dass ihr Sohn ein Teil der deutschen Gesellschaft war und im Gegensatz zu den immer wieder geäußerten Vorwürfen, Migrant*innen und Flüchtlinge würden sich auf Kosten des Staates ein schönes Leben machen, beweisen möchte, wie „deutsch“ ihr Sohn eigentlich war.

Wie lange bleibt ein Mensch ein Migrant? Wie wird man migriert? Mein Opa, beispielsweise kam 1965 nach Deutschland. Drei Jahre vor der Geburt meines Vaters. Wie viele aus meiner Familie sind Migrant*innen? Wie viele haben einen Migrationshintergrund und wie viele sind deutsch? Ich bin nicht migriert! Mein Vater auch nicht. Mathematisch gesehen, dürfte ich keine Zielscheibe für Tobias R. und seine Gesinnungsgenossen sein. Bin ich aber! Denn ich habe mit Ferhat Unvar vieles gemeinsam: Ich bin in Deutschland geboren, habe kurdische Eltern, habe eine abgeschlossene Ausbildung, spreche überwiegend deutsch und rauche gerne Shisha. Ich bin nicht Teil des „Wir“, wenn davon geredet wird, dass der Anschlag „uns allen“ galt. Ich werde zu einem „Ihr“ gemacht. „Ihr“ Migranten, „Ihr Ausländer“.

Du bist kein Kurde, du bist Türke

Zu wem die Opfer von Hanau gehören ist auch zwischen der kurdischen und türkischen Community Bestandteil von Auseinandersetzungen um Identität. Der Kampf um das Kurdisch-Sein. Türkische Faschisten gehen gegen Faschismus auf die Straße. Sie instrumentalisierten die Opfer. Gleichzeitig führte allein das Erwähnen der kurdischen Herkunft von zwei der Ermordeten zu tausenden Hasskommentaren im Netz. Ein Kurde sollte, auch wenn er stirbt, als Türke bezeichnet werden. Demos mit türkischen Fahnen und „Allahu akbar“-Rufen zeigen den Riss, der auch durch die Gemeinden der Opfer von Hanau geht. Aus „Ihr“ wird ein „Wir“, das genauso falsch ist wie das „Ihr“. So wie die Vorstellungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan, der immer wieder den Satz „ein Volk, eine Sprache, eine Flagge, ein Staat“ wiederholt. Es ist nicht egal, dass mindestens zwei der Opfer von Hanau Kurden waren, auch nicht den vielen türkischen Nationalisten. Sie wollen ihr Kurdisch-sein negieren.

Doppelter Repression gegen Kurd*innen

Und während Nazis und Rassisten morden, sind Kurd*innen nicht nur deren Gewalt ausgesetzt, sondern auch Repression durch den türkischen und deutschen Staat. Kurd*innen werden von allen Seiten kriminalisiert, angegriffen und verfolgt. Von deutschen Faschisten für ihr „anders“ sein, von türkischen Faschisten und und dem deutschen Staat für ihr kurdisch sein. Kurdische Oppositionelle, werden in den Knast gesteckt und ihre Organisationen verboten und verfolgt. Wenn morgens um 6:00 Uhr mehrere Polizist*innen deine Tür einschlagen und die Wohnung durchsuchen, nur weil über Social Media eine neu kriminalisierte Flagge gepostet wurde, ist auch das Gewalt; die Fortsetzung der rassistsichen Politik des türkischen Staates gegen Kurd*innen. Dieselbe rassistische Logik, die Menschen, die hier seit Generationen leben zu Fremden erklärt, erklärt Kurd*innen zu Türk*innen, bildet die Grundlage für den Staatsterror der Türkei und die Fortsetzung dessen hier durch den deutschen Staat.

# Titelbild: Demo 07.03.2020 in Hamburg zu Seebrücke Rasande Tyskar CC BY-NC 2.0

GET POST FORMAT

Die Anschläge von Hanau sind keine Tat eines isolierten Einzeltäters, es ist rechter Terror und er steht unter anderem im Kontext von Diskursen die systematisch in diesem Land geschürt werden und das nicht nur von Parteien wie die AfD sondern auch von der sogenannten „bürgerlichen Mitte“. Das „wir“ was jetzt zusammen stehen soll, das „wir“ das in Hanau nicht die Opfer des Anschlags sondern den NSU vertuscher Volker Bouffier zur Sprache kommen lässt wird uns nicht vor weiteren Angriffen schützen. Dieses „wir“ ist Teil des Problems. Schützen können wir uns nur selbst.

In Hanau, einer Kleinstadt östlich von Frankfurt am Main, suchte der Faschist Tobias Rathjen am vergangenen Mittwochabend zwei Shisha Bars auf und ermordete dort insgesamt neun Menschen. Durch ein vierundzwanzigseitiges Manifest und mehrere Videos, die er auf seiner eigenen Webseite veröffentlicht hatte, werden Rathjens Motive deutlich. Neben verschiedenen Verschwörungstheorien legt er hier seine rassistische Ideologie dar. Er listet mehrere Länder des Mittleren Osten, Nordafrika und sowie Zentral- und Südost Asien auf, deren Völker seiner Ansicht nach komplett vernichtet werden müssen, denn uns aus Deutschland auszuweisen reiche nicht aus um den „grundsätzlichen Fehler“ unserer Existenz zu beheben. In seiner weiteren Problemanalyse geht er darauf ein, dass Deutschland selbst ein Teil des Problems sei, da es „straffällige Ausländer“ dulde und zu ignorant oder zu schwach sei, um dieses Problem zu lösen. Ob Rathjen alleine oder aus dem Milieu der faschistischen Strukturen in Deutschland heraus handelte ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass Ansätze der rassistischen Ideologien, die seinem Anschlag zu Grunde liegen, längst durch verschiedene Akteure gesellschaftsfähig gemacht wurden.

Seit 1990 wurden in Deutschland mindestens 169 Menschen von Faschisten ermordet. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 19.409 „rechtsextremistisch motivierte Straftaten“ registriert. Erst vergangene Woche wurden zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen, die mehrere Anschläge auf Asylbewerber*innen, Muslim*innen und Politiker*innen geplant haben sollen. Der gesellschaftliche Aufschrei bleibt, wie so oft, aus. Das Ermittlungsverfahren im Zuge des NSU, welcher zwischen 2000 und 2007 neun Menschen kurdischer, türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin ermordete, oder dem Mord des aus Sierra Leone stammenden Oury Jalloh, der mutmaßlich von Polizisten in seiner Zelle verbrannt worden war, haben verdeutlicht, dass die Aufklärung faschistischer und rassistischer Anschläge und Morde häufig nicht nur sehr schleppend voran geht und es immer wieder Vertuschungsversuche seitens staatlicher Institutionen gibt.

Hinter diesen Anschlägen stecken oft keine Einzeltäter. Es sind Netzwerke militanter Gruppierungen und Individuen mit Verbindungen zu deutschen Behörden wie dem Verfassungsschutz, der Polizei und der Bundeswehr. Das auch diese Verstrickungen keine Einzelfälle sondern struktureller Natur sind lässt sich nicht mehr verleugnen. Erinnert sei an die unter unerklärlichen Umständen verstorbenen Zeugen im NSU-Verfahren, die auf 120 Jahre gesperrten Akten zum NSU, oder Organisationen wie Uniter, in denen Beamte aus Polizei und Militär Todeslisten anlegen, Waffen horten und sich auf den „Tag X“, die Machtübernahme vorbereiten.

Die Lage heute erinnert an eine präfaschistische Situation: Ein immer größerer Teil der herrschenden Klasse dieses Landes hält eine faschistische Ausrichtung des Staates für eine Alternative. Das haben unter anderem die Ereignisse im Tühringer Landtag vor zwei Wochen gezeigt, bei denen sich ein Kandidat der FDP mit Stimmen von AfD und CDU als Ministerpräsident wählen ließ um die Wiederwahl des Die Linke Kandidaten Bodo Ramelow zu verhindern. Faschistische Strukturen haben sich in Teilen eine gesellschaftliche Basis aufgebaut, der Sicherheitsapparat ist in Rechtsextreme zusammenhänge bis hinein in paramilitärische Formationen verwoben und der parlamentarische Arm der Faschisten in Form der AfD ebnet auf politischer Ebene den Weg in den Parlamenten, in den Institutionen, in den Medien und der Öffentlichkeit.

In dieser Entwicklung kommt der selbsternannten „bürgerlichen Mitte“ besondere Bedeutung zu. Bei jedem Anlass wird sie als Verteidigerin der Demokratie heraufbeschworen um „uns“ und „unsere Werte“ gegen die Gefahr von Rechts zu schützen. Keine Talkshow, kein Statement von Politiker*innen, keine Diskussion ohne den Verweis auf die demokratische Mitte (und mit ihr natürlich der Hufeisen Theorie um Linke und Rechte Gleichzusetzen). Was verklärt wird ist jedoch, dass eben diese vermeintlich moralisch erhabene Mitte eine klare Klassenpolitik verfolgt und als Steigbügelhalter des Faschismus fungiert. Während sie in neoliberaler „Inclusion & Diversity“ Manier ein buntes und weltoffenes Dasein propagiert, scheut sie zugleich vor keiner Stigmatisierung und Hetze zurück, wenn es um die Umsetzung ihrer ökonomischen Interessen geht. Wir sind kein Teil von ihrem „Wir“ und wenn dann nur als fügige und hörige Arbeitskraft. In diesem Rahmen kann auch die seit Monaten andauernde systematische Kampagne gegen „Clan-Kriminalität“ gesehen werden die darauf abzielt ganze Bevölkerungsteile aus ihren Nachbarschaften zu verdrängen, um diese aufzuwerten und durch flexible Arbeitskraft ersetzen zu können. Die rassistische, von der CDU und SPD angeführte, Politik der Mitte, rund um die „Clans“, ethnisiert Kriminalität und macht so die Herkunft der Täter zur Ursache der Kriminalität anstatt die tatsächlichen, von der Politik selbst verursachten Wurzeln aus denen sie wachsen. Dabei wurde ein gesamter Apparat, über Schlagzeilen und Sensationsreportagen , Statistiken und politische Kampfansagen aufgefahren, um nach 2015 und der „Flüchtlingskrise“ nun ein neues gesellschaftliches Feindbild und eine Bedrohung zu konstruieren.

Mittlerweile haben laut Sicherheitsreport 2020, 50% der Bevölkerung den Eindruck, dass die Kriminalität in Deutschland zunimmt, 78 % der Bevölkerung in Deutschland halten außerdem Clan Kriminalität für ein „großes Problem“, 67% sind darüber hinaus davon überzeugt, dass “der Staat zu wenig gegen kriminelle Clan-Strukturen unternimmt“ . Tatsächlich sind die Zahl der erfassten Straftaten so niedrig wie seit 1992 nicht mehr und sognannte „Clankriminalität“ macht nur 8,4% der Organisierten Kriminalität in Deutschland aus.

Dem BKA Chef Münch fällt jedoch nichts anderes ein als, diese „Gefühle“ der Bevölkerung ernst zu nehmen, denn: „auch Gefühle sind Fakten“! Und die müssen eben zur Not geschaffen werden. Daher wird in Dortmund auch ein Zentrum zur Bekämpfung von Clankriminalität eingerichtet und auch beim Europäischen Polizeikongress, der vor einigen Wochen in Berlin stattfand, war die Bekämpfung der Clankriminalität ganz oben mit dabei. Zur Bekämpfung der „kriminellen Ausländer“ werden außerdem folgende Maßnahmen gefordert: Vorratsdatenspeicherung, Strafmündigkeit vor 14 Jahren, Entzug des Sorgerechts der Kinder von „Clankriminellen“ Familien, Abschiebung und Entzug der Staatsbürgerschaft, Enteignung und Beweislastumkehr. Es wird von „rechtsfreien Räumen“ gesprochen und eine Bedrohung konstruiert, die ein hartes Durchgreifen erfordert.

Im Zuge eben dieser Kampagne gegen „Clankriminalität“in den letzten Monaten wurden vorallem Räume wie Shisha Bars, die als Treffpunkt vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund gelten, als Zentren der organisierten Kriminalität markiert. Razzien und rassistische Polizeischikane gehören vermehrt zum Alltag und darin ist die Komplizenschaft der „gesellschaftlichen Mitte“ und ihrer Parteien eben nicht zu ignorieren. Denn das Gift von dem Merkel spricht streut nicht nur die AFD sondern auch ihre Regierung selbst. Faschisten und Rassisten wie Tobias Rathjen, die das „Problem“ mit den „kriminellen Ausländern“ selbst in die Hand nehmen und in Shisha Bars gehen um die Menschen umzubringen, orientieren sich bei der Auswahl ihrer Ziele an eben jenen Vorgaben der Politik.

Es ist pure Heuchelei, wenn jetzt wo eins der von ihnen bestimmten Ziele angegriffen wurde, Beileidsbekundungen und Trauerbekenntnisse in Dauerschleife ausgesprochen werden. Armut, prekärer Aufenthaltsstatusse, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, institutioneller und gesellschaftlicher Rassismus und fehlende Chancengleichheit interessiert eine gesellschaftliche „Mitte“ die sich immer noch schwer tut das Wort „Terroranschläge“ in den Mund zu nehmen, nicht.

Umso bezeichnender dass ein Steinmeier beteuert dass „wir alle stillen trauern“ sollten und uns stumm haben will. Nein hier kann von keinem „wir“ die Rede sein. Es gibt keine Gemeinsamkeit, kein „Wir“ zwischen denen, die in Palästen sitzen und denen die aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder als Arbeiter*innen herkamen und heute die Leichen ihrer Kinder beerdigen müssen. Als Migrant*innen und Nachfahren von Migrant*innen, die wir hier immer noch fremd sind, haben wir oft unser ganzes Leben lang Rassismus erfahren, durch die Einwanderungsgesetze, die unseren Familien über Generationen das Recht auf die Staatsbürgerschaft und somit das Wahlrecht verwehrt haben, durch Kettenduldungen, Proletarisierung, Armut, die viele in die Kriminalität treibt, Diskriminierung bei der Wohnungssuche, auf dem Arbeitsmarkt. Wir sind Menschen, doch aus der Sicht des deutschen Staates offenbar nicht Mensch genug um nicht erniedrigt, ausgebeutet und ermordet zu werden.

Aus all diesen Gründen werden wir das alles nicht schweigend und bestürzt hinnehmen! Aber wenn wir unsere Stimmen erheben, erheben wir sie nicht um den Staat zu bitten uns mehr Schutz zu gewähren sondern um antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren der heute mehr denn je notwendig ist. Dieser bundesdeutsche Staat war nie unserer, es ist der Staat jener Herreschenden, die keine Möglichkeit auslassen Überwachung und Repressionsapparate gegen Linke und Migranten auszubauen. Sie werden nur noch mehr Faschisten und Rassisten in Polizei und Verfassungsschutz einstellen um weiter unsere Kriminalisierung voranzubringen, uns in Abschiebehaft zu stecken, uns aus unseren Kiezen zu vertreiben oder in Knäste weg zu sperren und in unseren Zellen zu ermorden. Uns aber gehört die Straße! Hier sind wir aufgewachsen, hier kennen wir jede Ecke, wir kennen unsere Viertel und wir werden uns, unsere Familie und unsere Freunde schützen. Wir werden uns organisieren und wir werden uns wehren!

Unser Beileid und Solidarität geht an die Familien und Freunde unserer in Hanau getöteten Brüder und Schwestern:

Ferhat Ünver

Mercedes Kierpacz

Gökhan Gültekin

Sedat Gürbüz

Hamza Kurtovic

Kolayan Velkov

Fatih Saracoglu

Vili Viorel Paun

Said Nasser el Hashemi

Anschläge auf Shisha-Bars im Februar 2020:
13./14.2. Sprengstoffanschlag auf einen Shisha-Laden in Essen
20.2. Neun Menschen werden in Shisha-Bars in Hanau erschossen
21.2. Im Hinterhof eines Hauses mit Shisha-Bar in Döbeln brennt es
22.2. In Stuttgart fallen Schüsse auf eine geschlossene Shisha-Bar

#von Leila Aadil und Haydar Paramaz
#Titelbild: RubyImages/F. Boillot

GET POST FORMAT

Kommentar

Wieder wurden zehn Menschen ermordet. Wieder ist es ein Rassist mit rechtem Weltbild, der den Abzug drückte. Was den 42-jährigen Faschisten Tobias Rathjen antrieb, erklärt er in einem „Manifest“. Und klar, dieses wirkt auf den ersten Blick komplett durchgeknallt. Aber die Elemente dieser mörderischen Weltanschauung sind dieselben, die die AfD ins Parlament brachten und die die Auflage der Print- und Onlineprodukte des Springer-Verlags profitabel halten.

Im Zentrum der Ideologie stehen, zusammengehalten von einer Verschwörungstheorie eines allmächtigen „unsichtbaren“ Geheimdienstes, Rassismus und der Hass auf Frauen. Bestimmte Völker, so Rathjen, müsse man eliminieren, „auch wenn wir hier von mehreren Milliarden sprechen“. Woher er diese Idee hat? Nun, er verrät es selbst. Zwar habe er selber einige „harmlose“ negative Erfahrungen mit diesen „Volksgruppen“ gemacht, die eigentliche empirische Quelle seiner rassistischen Überzeugungen seien aber die Medien: „Aus Zeitungen beispielsweise konnte man letztlich noch das Ende des Spektrums vernehmen, wie Schlägereien von 5 Ausländern gegen einen Deutschen und daraus resultierende schwerste Verletzungen oder gar Tote.“

Ja, die feigen fünf Ausländer gegen den einen mutigen Deutschen. Woher wir diesen Ton kennen? Aus jeder gottverdammten Wortmeldung von AfD-Politikern; aus jenem breiten Spektrum von rechten Publikationen von Compact bis zur Achse des Guten; und von denen, die Mitten im Mainstream ihr gutbezahltes Hetzwerk verrichten, für den Pöbel die Bild, für den Porschefahrer die Welt. Von all denen, die den Täter jetzt einen „Irren“ nennen, kennen wir diesen Ton.

Und, was kennen wir noch von der AfD? Klar, zusätzlich zur „Grobsäuberung“ – der massenhaften Ermordung der Migrant*innen oder zumindest derer, die die Faschisten dafür halten – kommt, wie der Hanau-Terrorist schreibt, die „Feinsäuberung“, also das Ausmerzen derjenigen aus dem „eigenen Volk“, die die ganzen Ausländer hierhin eingeladen haben. Wer hört hier denn nicht Höcke sprechen?

Und das Frauenbild des Terroristen? Es dürfte noch weiter verbreitet sein als sein Rassismus, denn es ist schlichtweg die ganz „normale“ patriarchale Auffassung, dass dem Mann eine Frau zusteht. Er, Rathjen, wollte immer nur die Beste „nehmen“, und weil ihm das nicht gelang, so muss eben der „unsichtbare“ Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt haben, denn wie sonst hätte sich eine Frau dem universalen Recht des Mannes auf ihre Verfügbarkeit entziehen können?

Der Hanau-Terrorist mag die verschiedenen Elemente seiner Weltanschauung zu einer wüsten Mischung samt Verfolgungswahn kombiniert haben – aber ihm allein gehören sie keineswegs an. Sie sind in einem bestimmten Teil dieser Gesellschaft, der weit bis in die selbsternannte „Mitte“ ragt, Normalität und nicht irre Ausnahmeerscheinung. Zwischen einen Identitären-Chef Martin Sellner und seinem Geldgeber, dem Churchtown-Massenmörder Brenton Tarrant, liegen keine Welten.

Noch deutlicher wird das, wenn wir uns die Zielauswahl des Attentäters Rathjen ansehen: Shisha-Bars. Jene Orte, die aus einer Koalition von CDU- und SPD-Politikern, Polizeibehörden und Boulevardmedien, zu Horten der Wilden, der kriminellen Ausländerbanden erklärt werden. Die AfD dankt. Und eskaliert weiter. Spricht das Behördendeutsch ganz nüchtern von kriminalitätsbelasteten Orten „ethnisch abgeschotteter Subkulturen“, machen Springer und CDU-Politiker mit „nehmt den Clans die Kinder weg“ auf, endet die Debatte bei der AfD mit großflächigen Plakaten, auf denen jeder in der Shisha-Bar zum Gruppenvergewaltiger erklärt wird.

Leute wie Rathjen sind Produkt dieser rechten Hetze. Und diejenigen, die den ganzen lieben Tag lang nichts anderes zu tun haben, als in ihren Augen „nicht-deutsche“ zum Sündenbock für jeden erdenklichen Müll zu stilisieren, können jetzt nicht einfach den der den Abzug gedrückt hat, aus ihren Reihen verstoßen. Denn sie haben die Waffe geladen.

Also, Julian Röpcke und Alice Weidel, schaut gut hin. Euer hässlicher Sohn ist im Fernsehen.

Titelbild: RubyImages/F. Boillot

GET POST FORMAT

Kommentar

Die letzten Tage in der Bundesrepublik Deutschland, waren solche, bei denen man sich denkt: Die Dinge entwickeln sich rasanter als wir es manchmal annehmen. Aber langsam, was ist passiert?

Am vergangenen Mittwoch verkündeten die deutschen Medien, dass nun eine Regierung in Thüringen gewählt wurde, im dritten Wahlgang. Aber es gibt einen Haken: Thomas Kemmerich, Parteikandidat der neoliberalen Bretterbude FDP, stellt nun den Ministerpräsidenten. Doch wie kommt eine Partei, die bei den Landtagswahlen nur mit knapp 70 Stimmen über die Fünfprozentürde kroch, an dieses Amt? Die Antwort ist einfach: Mit den Stimmen der reaktionärsten Elemente dieses Parlaments, nämlich von CDU und AfD.

Im dritten Wahlgang ließ es sich Kemmerich nicht nehmen, anzutreten und gewann schließlich mit einer Stimme Vorsprung gegen den Kandidaten der Linkspartei, Bodo Ramelow. Dieser, selbst Repräsentant des rechten Flügels der Linkspartei, ist allerdings bei der thüringischen Bevölkerung recht beliebt. Er kann auf eine 71 Prozentige Zuspruchsrate als Ministerpräsident schauen. Sogar 60 Prozent der CDU-Wähler*innen halten seine Politik für vernünftig. Nicht nur die FDP hat mit 5,00001 Prozent nicht einmal nach den Spielregeln bürgerlicher Demokratie das Mandat eine Regierung zu stellen, sondern auch die CDU übergeht gezielt die Stimmung ihrer eigenen Basis. Von „Volkswillen“ oder „Demokratie“ im gleichen Atemzug zu sprechen mutet dabei grotesk an. Wie FDP‘ler Kemmerich dann zu folgender Einschätzung kommt lässt schon stark an seinem Realitätssinn zweifeln: „Das Thüringer Volk hat eine Wahlentscheidung getroffen […] mit dieser Wahlentscheidung müssen alle Demokraten umgehen. Die Auseinandersetzung über das, was die beste Politik für Thüringen ist, hat im Parlament stattzufinden und nicht mit Einzelmeinungen und großen Aufschreien auf den Straßen“.

Abseits dessen, dass das elitäre Gehabe und die Überheblichkeit dieser Elendsgestalt weder vom Erfolg seiner Partei noch sonst irgendetwas legitimiert ist, zeigt sich doch eines mal wieder deutlich: Die Entfremdung jeglicher parlamentarischer Politik von der eigenen Bevölkerung. Denn diese soll zwar brav alle paar Jahre zur Wahlurne wandern, Politik wird aber dann von Kemmerich oder anderen Charaktermasken gemacht. Also liebe Leute: Mund halten und lasst das mal den Papa machen!

Die Wahl Kemmerichs sorgt aber nicht nur in den Nachrichtenzentralen und Politbüros für Bestürzung. König Ulf von Brumm Brumm (bürgerlicher Name Ulf Poschardt) äußert sich ebenfalls bestürzt. Der gute Ruf des Liberalismus stehe auf dem Spiel, ließ er, gestählt im jahrelangen antifaschistischen Kampf des Springer Verlags, auf Twitter verlauten. Den Ruf des Liberalismus zu verteidigen ist bei seiner Majestät so etwas wie eine Lebensaufgabe, nur die Gegner sind in der Regel andere: „faule Südländer“, „Linksextreme“, „kriminelle Clans“ und jetzt eben auch die FDP mit Kemmerich.

Bei diesem Theater, das bereits den kreativen Namen „Das politische Beben in Thüringen“ oder „der Dammbruch“ trägt, zeigt sich aber noch mehr: Die AfD, selbsternannte Partei der „kleinen Leute“ gibt offen zu, jene Partei zu unterstützen deren zentrale Politik das Ausbauen neoliberaler Knechtschaft und Politik für Reiche und vermeintliche Eliten ist. Stefan Möller von der AfD gab zur strategischen Orientierung seiner Partei zu Protokoll: „[…] Sinn der ganzen Strategie: Herrn Kemmerich als Gegenkandidaten überhaupt erst mal auf’s Podium zu locken, hat er auch gemacht, und dann haben wir ihn planmäßig gewählt.“ Die Partei der Neofaschisten kann, soviel wird deutlich, den alteingesessenen „Volksparteien“ noch jedes Stöckchen hinhalten und sie werden drüber springen.

Der Faschismus war immer eine Reaktion des Kapitals auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse um sich am Leben zu erhalten. FDP, CDU und die AfD gehen nun, versteckt hinter den Schlagwörtern „Demokratie“ und „Volkswillen“ Hand in Hand. Die alte Parole „Hinter dem Faschismus steht das Kapital“ bewahrheitet sich einmal mehr in der Praxis. Als Reaktion kam es in diversen Städten Deutschlands zu Spontandemonstrationen. Über 10.000 Menschen in deutschen Groß- und Kleinstädten, zeigten offen, dass sie dieses Ergebnis nicht akzeptieren werden. Die Wahrnehmung des – immerhin noch grundgesetzlich verbrieften – Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit von Tausenden irritiert Ministerpräsident Kemmerich dann doch: „Die Heftigkeit der Reaktionen, unterhalb der Sitten was man unter Demokraten austauscht – erschüttert mich. […] deshalb ist es wichtig, das wir im Parlament vernünftige Entscheidungen für die Zukunft Thüringens treffen und zwar im Parlament unter Demokraten“.

Kemmerich kündigte nun – nach Druck der Bundes-FDP, nicht der Straße – an zurückzutreten, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Das will die CDU, der das ganze erbärmliche Schausppiel erheblich Wählergunst gekostet hat, nicht. So wird dann weiter im Parlament geschachert werden, welcher Schlurfi, mit oder ohne Unterstützung der AfD, sich den parlamentarisch-demokratischen Chef-Hut aufsetzen darf. So macht man das dann halt unter den Herrschenden.

Umso besser für uns, die für eine andere Gesellschaft auf den Straßen kämpfen, denn die Trennlinien werden immer deutlicher. Die Antworten und Lösungen auf die Probleme unserer Zeit sind nicht bei den selbsternannten „Demokraten“ und Elendsverwaltern in den Parlamenten zu suchen.  Sie liegen bei uns und unserer gemeinsamen Stärke und wir werden sie gegen jene durchsetzen müssen, die heute noch den Namen der Demokratie besudeln und sich auf unsere Kosten vollfressen.

Titelbild: Gerd Seidel / Rob Irgendwer/CC BY-SA 3.0 DE; Logos Gemeinfrei; Montage LCM

GET POST FORMAT

Causa AFDP: Es ist zwar ein „Tabubruch“, aber wir wollen ja nicht hysterisch werden, stimmt’s?

Wenn ein Politiker durch Neonazis in ein Amt gebracht wird, ist noch genug Raum für trockene Analysen, oder? Wenn Neoliberale es vorziehen, mit Faschisten zu paktieren, um einen gemäßigten, bürgerlichen Linken zu verhindern, können wir immer noch den Anfängen wehren, nicht wahr?

Was ist eigentlich, wenn doch alle aus der Geschichte gelernt haben und genau das unser aller Verhängnis wird? Das ewige, mediale Rezipieren der Hufeisentheorie über rechten und linken Extremismus hat dystopische Zustände etabliert. Connewitz, Umweltsau, von Faschisten aus dem Amt gemobbte Bürgermeister, radikal verschärfte Polizeigesetze, Überwachungsgesetze, FDP.

2020 ist vom Hufeisen zum Steigbügel fortgeschritten in nur wenigen Wochen. Susanne Hennig-Wellsow wirft Kemmerich nach seiner Wahl die Blumen vor die Füße und macht einen Knicks, Bodo Ramelow zitiert Hitler, und Kevin Kühnert glaubt (vermutlich ernsthaft), dass er in einer antifaschistischen Partei ist. Was würde ich tun mit politischer Immunität…

Ich werde meinen Enkelkindern erzählen, dass Widerstand einfach kein aLmaN-dIng war und sie alle Bescheid wussten, sogar noch besser als beim ersten Mal, aber sie zu verliebt waren, in ihre parlamentarisch-demokratische, kapitalistische Moral. Keine Pointe.

GET POST FORMAT

Ich mag das Aufreihen von Fakten nicht mehr. Ab jetzt ist nur noch Populismus. All die Daten, die Schlüsselmomente der letzten zehn Jahre, auf die es Reaktionen hätte geben müssen – egal, wen interessieren noch Fakten.

Die Namen der Journalist*innen, die sich an der lodernden Faschisierung in Deutschland zumindest ethisch mitschuldig machen, weil sie den Faschist*innen Raum einräumten und noch immer einräumen – ihre Namen fallen mir schneller ein, als die Namen der Opfer des rechten Terrors. Das ist ein jämmerlicher Fakt. Sämtliche Rassentheorien sind faktisch widerlegt und doch diskutieren große Publizist*innen mit Rassist*innen, als wären sie vernünftige Menschen. Als hätte es die Shoa in Deutschland nicht gegeben.

Und auch diejenigen, die sich als weiter „links“ als die „Liberalen“ verstehen, tragen Mitschuld. Jene, die so lange haderten mit den Termini und jonglierten mit Worthülsen. Konservativ, Mitte Rechts, rechts-konservativ, rechts außen, rechts außen außen … Der Euphemismus ist bloß ein kleiner Rausch in einer großen nüchternen Welt.

Wie oft soll eine Ideologie, die Ihre hässliche Fratze als bares Antlitz trägt, noch „enttarnt“ und „demaskiert“ werden? Natürlich kann die Gedankenwelt von Menschenfeinden, freiheitlich, demokratisch, hundertfach in Talkshows ausgebreitet werden. Aber warum?

Sag es leise, aber sag es: Es ist Faschismus.

Und Faschismus ist eine Ideologie der Vernichtung. Vernichten bedeutet, völlig zerstören, gänzlich zunichtemachen. Warum seit Jahren mit Menschen diskutiert wird, die nichts anderes im Sinn haben, als alle politischen Widersacher*innen und Andersdenkende schlichtweg auszulöschen, es will mir nicht in den Kopf. So wenig will das in meinen Kopf wie das Wort „Einzeltäter“. Wieder dieser Euphemismus. Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz. Und Einzeltäter. Landtagswahl in Thüringen. Einzeltäter. Oder „dumme Ossis“. Aber sicher nicht, ganz sicher nicht (organisierte) ideologische Rassist*innen oder gar Faschist*innen.

In Zeiten, in denen es scheint, als sei das Höchste aller querulantischen Gefühle des Durchschnittsmittebengels aus der Medienlandschaft, zu schreiben oder zu sagen BJÖRN HÖCKE IST EIN FASCHIST – in solchen Zeiten möchte ich Erich Kästner zitieren, weil ich keine Schellen verteilen darf. „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen, später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man muß den rollenden Schneeball zertreten; die Lawine hält keiner mehr auf.“

Deutschland faschisiert sich. Der Schneeball rollt. Das liegt nicht an bloß Höcke-Lucke-Gauland oder einzeltäterischen anderen Bernds. Das liegt an einer Gesellschaft, die das mitträgt. Das liegt an einer Gesellschaft, die diesen Schneeball rollen lässt. Wieiviele Julians, Lianes, Martins, Jans und Ulfs profitieren fantastisch von dem Umstand, dass „die Deutschen“ auch über 70 Jahre nach Hitler, immer noch nicht bereit sind, Faschismus zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen?

Es fängt an mit dem Etablieren faschistischer Rhetorik. Dem Normalisieren faschistischer Narrative. Mit Intoleranz, Spaltung, Hassreden, Hetze, brennenden Häusern, getöteten Menschen, Veränderungen von Gesetzen, der Einschränkung von Grundrechten. Es fängt mit Menschen an, die dabei zusehen. Wir sind noch eine Koalition mit einer Nazipartei davon entfernt, diesen Text nicht bloß als hysterischen Alarmismus zu empfinden.

Landesverräterische Grüße, Eure Jane



GET POST FORMAT

Hand in Hand mit den Politikern der bürgerlichen Parteien erzeugen die Mainstreammedien immer wieder aufs Neue schwachsinnige Diskurse, die sie kraft Reichweite der Öffentlichkeit aufzwingen. Der faschistische Anschlag von Halle hat diese Fließbandproduktion nur für eine Schrecksekunde unterbrochen. Keine zwei Wochen später meinen die maßgeblichen Blätter von taz bis FAZ schon wieder, sich für einen protofaschistischen Professor in die Bresche werfen zu müssen und damit die von Bourgeoisie und Faschisten in schöner Eintracht gepflegte These zu bedienen: Der Feind steht links.

Ein paar Pöbeleien in der ersten Vorlesung des AfD-Mitbegründers und Volkswirtschaftlers Bernd Lucke nach seiner Rückkehr an die Hamburger Uni reichten der Journaille bereits um den Notstand auszurufen. Die Meinungsfreiheit oder gar gleich die Freiheit der Lehre sei bedroht, hieß es da landauf, landab. Da kam es gerade recht, dass fast zeitgleich eine Lesung des früheren Innen- und Verteidigungsministers Thomas de Maizière in Göttingen von Linken gesprengt wurde. Allerdings aus einem ganz anderen Anlass, nämlich vor dem Hintergrund des türkischen Einmarsches in Nordsyrien.

Der rechte Hetzer Hugo Müller-Vogg delirierte im Focus prompt von „Anschlägen auf die Meinungsfreiheit“. Man dürfe nicht mehr sagen, was man wolle, jammerte er, „wenn ein linker Mob das nicht will“. Lucke selbst durfte sich in einem Beitrag für die Welt und beim TV-Talk Maischberger als Opfer linken Meinungsterrors inszenieren. Politiker*innen bis rauf zum Bundespräsidenten eilten dem Mann zur Hilfe. Den Vogel schoss das Springer-Blatt Welt am Sonntag ab, das auf der Titelseite unter der Überschrift „Die neuen Feinde der Freiheit“ eine Zeichnung druckte, in der ein Vermummter einen Redner von seiner Kanzel wegreißt.

Wenn es eines weiteren Beweises dafür bedurft hätte, wer die Ansagen macht, diese Debatte lieferte ihn – ohne dass die „Meinungsmacher“ überhaupt mitbekamen oder mitbekommen wollten, dass sie ihre eigenen Thesen damit selbst ad absurdum führten. Der Diskurs stellt die Verhältnisse tatsächlich auf den Kopf. Meinungsfreiheit ist längst verkommen zur Freiheit der Konzerne, die Leute rund um die Uhr zu manipulieren. Willfährige Lohnschreiber*innen setzen die gewünschten Lesarten in Blättern mit großen Auflagen durch, die wenigen verbliebenen linken Zeitungen kämpfen ums Überleben. Die Gesellschaft ist vom Kapitalismus, den Denkweisen und Direktiven des Konsums ohnehin so durchformatiert, dass sich die große Mehrheit eine andere Welt nicht einmal mehr vorstellen kann.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig grotesk, die Störung einer Vorlesung zu einer Gefahr für die Demokratie hochzuschreiben. Aber je deutlicher wird, dass es der Kapitalismus selbst ist, der die bürgerlichen Rechte erodieren lässt, desto pathetischer beschwören Politiker*innen und Journalist*innen das Zerrbild von der „offenen Gesellschaft“. Sonst müssten sie zugeben, dass etwas nicht stimmt mit diesem Gesellschaftssystem, dass wir es formal noch mit einer Demokratie zu tun haben, aber faktisch längst totalitäre Strukturen unser Leben bestimmen.

Aktionen wie der an der Hamburger Uni, seien sie im einzelnen auch diskutabel, sind nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Zeichen des Widerstands gegen eine geradezu erstickende Übermacht. Für Linke ist es nicht einfach, sich den Debatten zu entziehen, die von den Mainstreammedien hochgezogen werden. Sie müssen reagieren, sollten das aber immer in dem Bewusstsein tun, wer die Macht hat, Diskurse zu setzen und zu lenken. Komplett verfehlt ist die immer wieder gern vorgebrachte Behauptung, Aktionen wie die gegen Lucke, beschädigten die „guten Ziele“ der Linken und seien daher kontraproduktiv. Das ist ein, wenn auch unfreiwilliger Kotau vor der bürgerlichen Diskurshoheit – und unsolidarisch dazu.

# Titelbild: Bernd Lucke auf der Bundeswahlversammlung am 24.1.2014, Mathesar, CC BY-SA 3.0

GET POST FORMAT

Die AfD hat bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg enorm an Stimmen gewonnen. Unser Autor Simon Zamora Martin hat analysiert, was die Wahlergebnisse mit dem von allen Regierungsparteien seit der Wende vorangetriebenen neoliberalen Strukturwandel zu tun haben und wo Anknüpfungspunkte für eine antifaschistische Politik sind, die über liberale Überheblichkeit hinausgehen.

Am Sonntag den 1. September rummste es kräftig in Sachsen. Ein großes Gewitter fegte über die ostdeutsche Provinz. Der Regen fiel zeitgleich mit dem politischen Gewitter auf die Hochburgen der AfD in Sachsen. Angefangen im Erzgebirge, an dessen Fuß sich der NSU lange verkroch, hin zur ehemaligen NPD-Hochburg sächsische Schweiz, über Bautzen bis Görlitz, wo die AfD Ende Mai fast den ersten Oberbürgermeister gestellt hätte. Hat sich der Osten mit den Wahlen, bei denen die protofaschistische AfD in Sachsen 27,5 Prozent, in Brandenburg 23,5 Prozent der Wähler*innenstimmen bekam, nun einfach dazu bekannt, was er von Natur aus ist? Braun?

Ein genauerer Blick auf die Wetterkarte der Wahlen lässt durchaus mehr erkennen als ein Stadt-Land Gefälle. Es sind nicht nur die klassisch ländlichen Räume, in denen die AfD punktet. Von der ehemaligen Montanregion Erzgebirge bis zur Maschinenbaustadt Görlitz erstrecken sich viele industrielle Zentren. Auch entlang der Grenze zu Polen reiht sich von Görlitz nach Norden eine Kette von Industriestädten: von der brandenburgische Kohlestadt Cottbus bis zu den Hochöfen von Eisenhüttenstadt. Städte, die mit der Wende unter großen Entlassungswellen, Bevölkerungsschwund und den damit einhergehenden Zerbrechen des Sozialgefüges gelitten haben. Und die sich heute den Herausforderungen eines erneuten Strukturwandels gegenüber sehen.

Die meisten Hochöfen der einstigen Stahlstadt Eisenhüttenstadt sind schon lange erloschen. Seit 1990 hat Eisenhüttenstadt mehr als die Hälfte ihrer Einwohner*innen verloren. Die Auswirkungen des internationalen Handelskrieges und der Krise der deutschen Automobilindustrie als größter Stahlabnehmer sind hier deutlich zu spüren: Der Weltmarktführer ArcelorMittal drosselte unlängst die Produktion und droht damit, den Standort Eisenhüttenstadt mit Bremen zusammenzulegen. In der Belegschaft werden massive Kündigungen erwartet, ja sogar eine Abwicklung des Standortes. Im April wurde der größte noch betriebene Hochofen stillgelegt und es läuft nur noch einer von einst sechs Öfen. Die Produktion wurde auf 25% gedrosselt, befristete Verträge nicht verlängert und fast alle verbleibenden Arbeiter*innen in Kurzarbeit geschickt. Die Belegschaft bangt um ihre Arbeitsplätze. Seit dreißig Jahren geht das Tauziehen um den Erhalt des Standortes jetzt schon, bei dem derzeit über 10% der Stadtbevölkerung direkt beschäftigt sind. Seit Jahren hören die Arbeiter*innen große Versprechen der Politik, und müssen dann doch eine Entlassungswelle nach der anderen erdulden. Das Vertrauen in die seit der Wende regierende SPD, aber auch das in die Linkspartei ist dahin. Sie rutschten mit der aktuellen Wahl auf 27,8 bzw. 11,6 Prozent ab, während die AfD mit über 30% stärkste Kraft wurde.

Nicht viel besser sehen die Ergebnisse der AfD in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs 50 km weiter südlich aus. Auch in Cottbus, der Hauptstadt des Lausitzer Kohlereviers, aus dem die Brennstoffe für die Hochöfen in Eisenhüttenstadt kommen, wurde die AfD stärkste Kraft. Der überfällige Kohleausstieg verunsichert die Menschen zutiefst. Nach den „blühenden Landschaften“ der 90er Jahre fürchten mit dem Kohleausstieg viele erneut um ihre Existenzgrundlage. Zwar beschloss die schwarz-rote Bundesregierung fünf Tage vor den Landtagswahlen ein 40 Milliarden Euro schweres Investitionspaket, doch neue Straßen, Eisenbahnlinien, Forschungsinstitute und Behörden bringen den Kohlekumpels auch keine neuen Jobs. Selbst die Linkspartei, die in den 90ern noch Seite an Seite mit den Kumpels stand, machte in Brandenburg Wahlkampf dafür, die Zechen noch früher als geplant zu schließen. Auch das dürfte ein wichtiger Punkt sein, warum die AfD mit ihrer Leugnung des Klimawandels in den Kohlerevieren zur stärksten Kraft wird.

Südlich des Lausitzer Kohlerevierst liegt die Geburtsstadt des alten und wohl neuen Ministerpräsidenten von Sachsen, Michael Kretschmer (CDU). Er konnte am Wochenende dort sein Direktmandat verteidigen, bei den Zweitstimmen lag die AfD fast vier Prozent vor der CDU. Die letzten Monate war die Stadt nicht nur in den Schlagzeilen, weil die AfD hier fast ihre erste Oberbürgermeisterwahl gewann, sondern auch wegen geplantenEntlassungen, bei Siemens und Bombardier. Bei Siemens wird trotz lauter Proteste und Streiks der Großteil der Beschäftigten gehen müssen, worüber keiner mehr redet. Auch nicht der Görlitzer MdB Tino Chrupalla (AfD), der die „Klimalüge“ für die Schließung des Gasturbinenwerkes verantwortlich machte.

Eines der wichtigen Wahlkampfthemen in Sachsen war auch gerade jene angebliche „Klimalüge.“ Die von der AfD lancierte Kampagne „Ein Herz für Diesel“ ist nicht nur eine komische Freakshow von Landwirt*innen, die mit ihren Traktoren durch die Innenstätte fahren wollen. Sie zielt auch auf die Beschäftigten des sächsischen Automobilsektors ab. Von Görlitz bis zu den Automobilzentren am Fuße des Erzgebirges findet nach dem abrupten Aus der Dieselmotoren ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen in den Zulieferbetrieben statt. Mit ihrer Politik der Klimaleugnung schafft es die AfD auch einen Teile der Arbeiter*innenklasse, die ihre Lebensgrundlage von dem Strukturwandel bedroht sehen, zu gewinnen und sie vor ihren neoliberalen und rassistischen Karren zu spannen.

Der Rechtsruck im Osten hat viel mit der aktuellen Klimapolitik zu tun. Die Grünen aber auch CDU und SPD wollen die aktuelle Klimadebatte nutzen, um die deutsche Wirtschaft aus ihrer Überproduktionskrise zu führen, sich international im Handelskrieg behaupten zu können und die Arbeiter*innen durch eine CO2-Steuer und massive Entlassungen für diese „Erneuerung“ des Kapitalismus zahlen zu lassen. Selbst die Linkspartei wendet sich zunehmend von den Arbeiter*innen ab und einem kleinbürgerlichen, urbanen Publikum zu.

Die Folge ist, dass zunehmend die soziale Frage gegen die Klimafrage diskutiert wird. Die AfD profitiert davon und kann sich heuchlerisch als Verteidigerin der sprichwörtlichen kleinen Leute, die unter dem kapitalistischen Strukturwandel leiden, inszenieren. Dabei sind die wirtschaftlichen Vorschläge der AfD katastrophal für Arbeiter*innen: sie schlagen beispielsweise vor, in der Lausitz eine Sonderwirtschaftszone zu errichten, in welcher Unternehmen nicht nur von Steuern befreit sein sollen, sondern wohl auch Arbeits- und Tarifrecht legal unterlaufen könnten.

Die IG-Metall Kampagne für eine Senkung der Arbeitszeit im Osten auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, welche auch auf der FairWandel Demo in Berlin sehr betont wurde, ist nicht nur ein Kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, damit die Ossis nicht weiter die Lohndumper in Deutschland sind. Er zeigt auch einen Weg, wie schadstoffreiche Industriebetriebe sozialverträglich runter gefahren und die Überproduktionskrise gelöst werden kann: mit Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Doch um einen ökologischen und sozialen Strukturwandel der Industrie vollziehen zu können, wird es nicht reichen nur zu probieren, gegen die sozialen Auswirkungen des kapitalistischen Strukturwandels zu kämpfen. Die Arbeiter*innen müssen diesen mitgestalten. Zum Beispiel durch eine entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne, um unter Kontrolle der Arbeiter*innen die Konzerne so umbauen zu können, dass der Kohleausstieg zügig realisiert wird, in den betroffenen Gebieten aber auch neue Produktionsketten hochgezogen werden. Trotz dem Debatten um Verstaatlichungen, die mit der Kampagne #DWEnteignen dieses Jahr angestoßen wurden, ist deren Umsetzung ziemlich unwahrscheinlich. Doch gerade in Ostdeutschland kocht die Forderung nach Enteignung nicht erst seit Kevin Kühnerts Debatte um eine Vergesellschaftung von Verlusten der Automobilindustrie immer wieder hoch. Die Streiks zwischen 1989 und 1994 gegen die Treuhand– die Größten seit dem Faschismus – endeten zwar fast alle in Niederlagen. Doch die ältere Generation hat in jener Zeit durchaus gelernt, wie eine Betriebsbesetzung funktioniert. Dass Bosse einfach abgesetzt werden können und die Produktion von den Arbeiter*innen selbst organisiert werden kann. Und dass auf die eigenen Kräfte mehr Verlass ist, als auf die leeren Versprechen der Sozialdemokratie oder Gewerkschaftsbürokratie. Auch heute noch kommt die Forderung nach Verstaatlichung immer wieder in ostdeutschen Arbeitskämpfen auf. Wie beim Halberg-Guss-Streik in Leipzig letztes Jahr. Oder aktuell der Kampf von Union Werkzeugmaschinen Chemnitz. In den 90er Jahren rettete die Union-Belegschaft ihren Betrieb vor der Schließung durch die Treuhand, und jetzt möchte der neue Eigentümer das Werk schließen. Auch hier fordern die Beschäftigten jetzt sowohl eine Verstaatlichung gegenüber dem Land Sachsen, als auch eine Rückkehr zur Kooperative: ein nicht mehr all zu großer Sprung zu einem verstaatlichten Betrieb unter Selbstverwaltung der Arbeiter*innen.

Das Gewitter, welches sich am jenem Sonntag über dem Osten entladen hat, rüttelt hoffentlich auch die linken Kräfte in diesem Land auf. Es ist nicht genug, die AfD nur wegen ihrem Rassismus anzugreifen. Die Arbeiter*innen mit ihren Kämpfen müssen wieder stärker in den Fokus genommen werden, statt bestenfalls ignoriert zu werden, weil sie nicht radikal genug sind. Dass kämpfende Arbeiter*innen sehr wohl auch für Kämpfe gegen rassistische und sexistische Unterdrückung, zeigt vielleicht auch das Beispiel der Belegschaft der nordsächsischen Nudelfirma „Riesa.“ Sie führten einen langen Kampf für einen Tarifvertrag und gegen Outsourcing, den sie nicht zuletzt mit einer breiten Solidaritätskampagne gewann. So sprachen sie zum Beispiel auch auf der Unteilbar Demo in Dresden über ihren Kampf und setzten ein Zeichen gegen Rassismus und gegen die AfD.

Gemeinsame Kämpfe für soziale Rechte sind eine bessere Schule der Solidarität als Symbolaktionen. Sie zeigen, dass wir was verändern können, wenn wir uns nicht spalten lassen in Deutsche und Migrant*innen, Frauen und Männer, Ossis und Wessis. Aber auch, dass Solidarität heißt, für die Rechte der anderen einzutreten. Gelebte Solidarität im Kampf um soziale Rechte ist wohl das beste Mittel, um die Richtung des tosenden Gewitters zu ändern und nicht uns Unterdrückte und Ausgebeutete, sondern die Kapitalist*innen im Regen stehen zu lassen.

#Simon Zamora Martin

# pixabay, Rico Loeb

GET POST FORMAT

Grinsebacke Dunja Hayali und ihr nicht minder wichtigtuerischer Kollege Markus Lanz schossen den Vogel ab. In gemeinsamer Anstrengung schafften sie es wenige Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, die Spitzen der protofaschistischen AfD an ein und demselben Abend in ein und demselben Programm unterzubringen, im ZDF. Bundessprecher Jörg Meuthen durfte sich im Talk von Hayali ausbreiten, kurz danach der andere Bundessprecher der Partei, Alexander Gauland, bei Lanz. Von „AfD-Festspielen“ sprachen Medien.

Unfreiwillig gaben die Redaktionen der Talkshows damit einen Hinweis darauf, wer einen wesentlichen Anteil am Aufstieg der AfD hat, der am 1. September mit den Erfolgen in den beiden ostdeutschen Bundesländern einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Nicht „die Medien“, wie es inzwischen gern heißt – sondern nur ein Teil dieser Medien, nämlich die bürgerlichen Medien, allen voran die TV-Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender. Sie haben den Salon-Nazis eine Bühne geboten und damit das Fundament zu ihrem Aufstieg gelegt. Unvergessen etwa der Auftritt von Björn Höcke mit Deutschlandfähnchen am Stuhl bei Günther Jauch.

In der linken Debatte über die Erfolge der AfD und den allgemeinen Rechtsruck wird die Rolle der Medien zwar immer wieder thematisiert, aber nach wie vor notorisch unterschätzt. Das gilt auch für die Kehrseite dieser Erfolge, die Probleme der Linkspartei respektive der Linken insgesamt, mit ihren Konzepten im Osten wie im Westen durchzudringen.

Die bürgerlichen Medien stellen die Weichen, sie setzen die Themen. Und der Diskurs verschiebt sich quasi automatisch immer weiter nach rechts, weil Hass und Hetze in einer Gesellschaft, in der die Menschen systematisch dumm gehalten und rund um die Uhr manipuliert werden, einen guten Nährboden finden. Umgekehrt haben Analyse und Aufklärung keine Chance. So kann die Agenda der Rechten sich völlig frei entfalten, nämlich den Unzufriedenen diejenigen als Sündenböcke anzubieten, denen es noch schlechter geht als ihnen – etwa Geflüchtete, Obdachlose oder Drogenabhängige.

Für die Herrschenden ist das eine komfortable Situation. Mit wenigen Stellschrauben lässt sich über ihre Medien die Wut kanalisieren und lenken, ablenken vor allem von den wahren Verursacher*innen und Profiteur*innen von Ausbeutung und Verarmung der Massen. Der Faschismus oder Vorstufen davon bleiben dabei immer eine Option für die Herrschenden, eine Trumpfkarte in ihrem Ärmel. Auch diese systemische Ursache für die Stärke der Rechten wird in linken Debatten zu oft verkannt.

So demonstrieren weite Teile der Partei Die Linke derzeit, wie wenig sie noch mit wirklicher Systemkritik und Antikapitalismus zu tun haben. Die bei weitem bekloppteste Reaktion auf die Erfolge der AfD bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg ist dabei das Gerede mancher Linkspolitiker*innen darüber, man müsse „die Sorgen der Menschen im Osten“ endlich ernst nehmen. Mit derartigen Äußerungen steigt man auf bürgerliche Diskurse ein.

Die meisten Linken-Politiker*innen sind offensichtlich längst vom Parlamentarismus absorbiert worden und zu klarem Denken nicht mehr bereit und in der Lage. Eine radikale Kritik am System liegt ihnen ebenso fern, wie der Glaube an dessen Überwindbarkeit. So ist gegen die Rechten natürlich kein Blumentopf zu gewinnen. Um so mehr kommt es in dieser historischen Situation auf die außerparlamentarische Linke an, auf Bewegungen und die Antifa.

Titelbild: RubyImages/F. Boillot
Am 13.07.2019 startete die AfD ihren Wahlkampf in Brandenburg mit einem „Volksfest“ vor der Markthalle in Cottbus. Redner waren unter anderem Andreas Kalbitz und Björn Höcke:

GET POST FORMAT

Manchmal muss man Texte in bürgerlichen Medien zweimal lesen, um sicher zu sein, dass man sich nicht verlesen hat. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Kommentar, den Constanze von Bullion am 18. Juli in der Süddeutschen Zeitung absonderte. An diesem Tag war ein Foto von der Ernennung Annegret Kramp-Karrenbauers zur Kriegsministerin im Schloss Bellevue auf vielen Titelseiten. Es zeigte die CDU-Chefin neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Vorgängerin im Amt, Ursula von der Leyen – alle drei offenbar in bester Laune.

Wie diverse Kolleginnen feierte von Bullion das Bild allen Ernstes als Dokument für einen Erfolg der Gleichberechtigung von Mann und Frau. „Es ist Angela Merkel zu verdanken, dieser erklärten Nicht-Feministin, dass Frauen nun in politische Positionen hineinwachsen, die ihrem Format entsprechen“, delirierte sie. Und: „Das wird Schule machen. Aber auch anderswo muss Schluss mit falscher Selbstbeschränkung sein.“ Unfassbar!

Was bitte ist besser daran, dass drei Frauen und nicht drei Männer die Hochrüstung dieses Landes und der EU vorantreiben, auf dass „unsere Interessen“ in der Welt geschützt und der Rüstungsindustrie weiter fette Profite garantiert werden? AKK steht ebenso wie von der Leyen für eine Aufrüstung auf Teufel komm raus, für eine Militarisierung der Gesellschaft, für ein Mitmischen in Konflikten weltweit, kurz: für Krieg. Dass sie eine deutsche Beteiligung an einer Marinemission am Persischen Golf nicht gleich rundweg ablehnte, spricht Bände.

Auch in ihrer Antrittsrede im Bundestag ließ Kramp-Karrenbauer keinen Zweifel, welche Ziele sie verfolgt, auch wenn in ihren Worten hohles Pathos dominierte, konkrete Aussagen aber kaum zu finden waren. In einem wurde die frisch vereidigte Ministerin jedenfalls deutlich: Der Verteidigungshaushalt müsse weiter ansteigen, und die Bundesregierung halte an dem im „Verteidigungsbündnis“ Nato vereinbarten Ziel fest, dass der Wehretat zwei Prozent der Wirtschaftsleistung betrage.

Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, hat zurecht darauf hingewiesen, dass dieses Ziel „erstens unverbindlich, zweitens sicherheitspolitisch unsinnig“ sei und „drittens eine völlig unnötige Aufrüstung“ bedeute. Dass diverse Bundesregierungen das Zwei-Prozent-Ziel seit dem Nato-Gipfel 2014 in Wales zugesagt haben, sei im Grunde unerheblich, so Pflüger weiter. Den Haushalt beschließe immer noch der Bundestag, daher sei das nicht mehr als eine politische Absichtserklärung.

Aber auch die wahnwitzigen Dimensionen hat der Linkspolitiker kritisiert. Der Haushalt für das Wehrressort ist in den vergangenen Jahren bereits massiv angewachsen und liegt für 2019 bei 43,2 Milliarden Euro, 2014 waren es noch rund 32 Milliarden Euro. Hätte der Haushalt 2018 bei den anvisierten zwei Prozent gelegen, wären das 67,8 Milliarden Euro gewesen – mehr als Russland, dessen Rüstungsausgaben in dem Jahr bei rund 53,4 Milliarden Euro lagen!

Natürlich fehlten in Kramp-Karrenbauers Antrittsrede nicht die üblichen Bekenntnisse. Sie sei stolz auf die mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten und rund 160.000 zivilen Angestellten der Bundeswehr, erklärte sie. Diese würden „jeden Tag für Deutschlands Sicherheit einstehen“. Das Land müsse „Verantwortung“ übernehmen, damit auf der Welt „nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts“. Europa müsse auch militärisch stark gemacht werden, die Nato sei der „Garant unserer Sicherheit“ und so weiter.

Interessant wurde es noch zum Schluss der Rede. Da erklärte die Saarländerin, die Bundeswehr gehöre „in die Mitte der Gesellschaft“. Sie habe darum alle Ministerpräsidenten angeschrieben und darum gebeten, am 12. November – der Tag gilt als der offizielle Gründungstermin der Truppe – öffentliche Gelöbnisse abzuhalten. Auch vor dem Reichstag in Berlin solle eine solche Veranstaltung organisiert werden, forderte Kramp-Karrenbauer. Das werde „ein starkes Zeichen der Anerkennung“ für die Bundeswehr sein. Ein starkes Zeichen wird hoffentlich die radikale Linke mit Aktionen des Widerstandes gegen eine solche Militarisierung des öffentlichen Raumes setzen!

Gruseliger als die Rede der Kriegsministerin waren eigentlich nur noch die folgenden Debattenbeiträge von FDP-Chef Christian Lindner, der die neue Ministerin anging, weil sie sich nicht zu einem Marineeinsatz an der Straße von Hormus bekannt hatte, und des verteidigungspolitischen Sprechers der faschistischen AfD, Oberst a. D. Rüdiger Lucassen. Der machte AKK von rechts nieder. Die CDU sei „das größte Problem für die deutsche Sicherheit“. Mit der „sicherheitspolitischen Novizin aus dem Saarland“ werde die Truppe von „völlig fachfremdem Personal“ geführt. Lucassen endete mit den Worten, das Land brauche die Wehrpflicht und eine „schlagkräftige Armee mit Befähigung zum Kampf“. So hatte Kramp-Karrenbauer es nicht ausgedrückt, aber im Grunde liefen ihre Äußerungen auf dasselbe hinaus.

#Titelbild: Bundeswehr/Maximilian Schulz

GET POST FORMAT

Kommentar

Ein Sommertag im Juni 2019. Die Uhr am Gebäude der Scientology Kirche im Hamburger Zentrum zeigt fünf nach eins. Dieselbe Zeit wie die Turmuhr der Hauptkirche St. Petri vis-à-vis. Auf der kurzen Straße dazwischen haben sich Demonstrant*innen versammelt, an die 250 vielleicht. Vor den Reden läuft Musik, schön laut, aber selbst das geht fast unter im Trubel eines ganz normalen Einkaufssonnabends.

Einen Steinwurf entfernt bevölkern Tourist*innen und Einheimische die Mönckebergstraße, das nächste Schaufenster im Blick, Fastfood oder den Coffee to go in der Hand. Sie mustern die Demonstrant*innen eher wie Tiere im Zoo, sofern sie sie überhaupt zur Kenntnis nehmen. Wer der Mann auf dem Foto ist, das auf ein Plakat am Lautsprecherwagen geheftet worden ist? Auf diese Frage würden die meisten Passanten wohl antworten: Das ist doch dieser Politiker, der erschossen wurde.

Das Bild zeigt in der Tat den Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, der am 2. Juni auf der Terrasse seines Hauses im hessischen Wolfhagen mit einem Kopfschuss ermordet wurde. Vermutlich von dem Neonazi Stephan Ernst. Die Kundgebung an diesem Sonnabend richtet sich gegen die „geistigen Brandstifter“, die für solche Taten den Boden bereiten – darum findet sie vor dem Bürogebäude statt, in dem sich die Geschäftsstelle des Hamburger Landesverbands der protofaschistischen AfD befindet.

Die Interventionistische Linke (IL) Hamburg hat zur Demo aufgerufen, für einen Politiker der CDU. Ungewohnt genug, aber in diesen Tagen gerät vieles durcheinander. Die politische Öffentlichkeit beruhigt sich mit den üblichen Ritualen. Auf allen Kanälen sondern „Extremismusexperten“ Statements ab, die TV-Talks verhackstücken den Lübcke-Mord und Politiker*innen üben sich in Abgrenzerei. Gebot der Stunde: nach ganz rechts zeigen, auf die „bösen Nazis“, die offenbar aufgetaucht sind wie Kai aus der Kiste und mit denen man nichts zu tun hat.

Da kam der Evangelische Kirchentag in Dortmund gerade recht. Kirchentage sind bekanntlich ein willkommener Ort für Politiker*innen, hochmoralische, aber folgenlose Ansprachen zu halten und sich Absolution für ihr Tun und Reden abzuholen. So auch diesmal. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte Abscheu und Entsetzen über den „braunen Terror“ und salbaderte über „verrohte Sprache“ im Netz und anderswo. Der Zukunft vertrauen, das falle „vielen Deutschen heute nicht leicht“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwadronierte, „Rechtsextremismus“ müsse „in den Anfängen“ und „ohne Tabu“ bekämpft werden.

Sie begreifen nichts, und sie wissen nicht, was sie reden, könnte man in leichter Abwandlung eines Bibelwortes diese Äußerungen kommentieren. Es soll hier gar nicht um die Verstrickungen staatlicher Stellen, voran des Verfassungsschutzes, in Nazistrukturen gehen, wie sie sich beim NSU-Komplex zur Genüge gezeigt haben. Vielleicht wird sich noch herausstellen, wie viel „tiefer Staat“, wie viel „Strategie der Spannung“ in Taten wie dem Mord an Lübcke stecken.

Es geht um etwas Grundsätzlicheres: Rechte Gewalt, faschistischer Terror sind Ausfluss spätkapitalistischer Zerfallsprozesse, einer allgemeinen Verrohung. Dass sich mit Steinmeier ausgerechnet einer der Architekten des Verarmungsprojekts Agenda 2010 über „verrohte Sprache“ beklagt, ist zum einen grotesk und zeigt zum anderen die ganze Ignoranz der politischen Klasse. Wenn man täglich ums materielle Überleben kämpft, kann man schon mal das Vertrauen in die Zukunft verlieren.

Mit ihrem Klassenkampf von oben haben die Herrschenden, vor allem nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz 1990, die Verrohung dieser Gesellschaft angefacht. Die AfD und die Neonazis sind nur ein Symptom dieser Entwicklung. Dass Geflüchtete und alle, die sich auf ihre Seite stellen, zunehmend zum Ziel rechter Gewalt werden, daran haben SPD, CDU, FDP und Grüne ihren Anteil. Indem sie das Asylrecht komplett demontiert haben, indem sie es zulassen, dass Tausende auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, indem sie dafür sorgen, dass Menschen in das Kriegsland Afghanistan abgeschoben werden. Indem sie, wie SPD und CDU gerade im Bundestag, das Asylrecht immer weiter verschärfen und damit indirekt all denen Recht geben, die in den Asylsuchenden ein Problem sehen.

Sozialismus oder Barbarei – das ist mehr als eine Parole, die man so hinsagt. Wir sind doch längst auf dem Weg in die Barbarei oder sogar schon mittendrin. Die Szenerie bei der Kundgebung vor der Hamburger AfD-Zentrale, passte da ins Bild. Für die fröhlich konsumierende Masse ist doch der Mord an Walter Lübcke so weit weg und so irreal wie ein Fall in irgendeinem „Tatort“ am Sonntagabend oder ein der US-amerikanischen CSI-Serien. Sie haben sich vor den Zumutungen der Gegenwart längst in eine Art Autismus geflüchtet.

Titelbild: Andreas Arnold/dpa

GET POST FORMAT

In diesen Tagen werden Leute, die antifaschistisch unterwegs sind, gern mal pauschal als schwarz vermummte Barrikadenbauer diffamiert. Nazis dagegen werden von den ach so liberalen Leitmedien des Landes meist mit Nachsicht behandelt. Sieht man sie doch als verirrte Schäfchen, verlorene Söhne und Töchter des Bürgertums. Ergebnis solcher Fehleinschätzungen sind Beiträge, wie sie der Journalisten-Darsteller Raphael Thelen aktuell im Magazin der Süddeutschen Zeitung verbrochen hat – eine üble Ranschmeiße an den AfD-Rechtsaußen und früheren Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier.

Schon die Formulierung, mit der Thelen sein Geschreibsel bei Twitter anpreist, sollte bei jedem vernunftbegabten Leser Brechreiz auslösen. „Anderthalb Jahre mit dem AfD-Mann Markus Frohnmaier gestritten, gelacht und Rum getrunken“, schreibt er da allen Ernstes. Und weiter: „Obwohl er radikal ist, wie nur geht, war es mir beim Schreiben wichtig, fair mit ihm zu sein.“ Geht’s denn noch?! Mit einem rechten Hetzer gelacht und Rum getrunken, und „fair“ will er mit ihm sein. Wie speichelleckerisch kann man sein? Den Shitstorm, den der Tweet hervorrief, hat sich der SZ-Autor verdient.

Wer die 1,99 Euro für die Lektüre des mit einer Paywall geadelten Beitrags abgedrückt und sich durch den ellenlangen Text gekämpft hat, hängt endgültig über der Kloschüssel. Wer das Kotzen verlernt hat, hier lernt er es wieder. Thelen kredenzt die braune Soße aus der AfD-Küche in pseudoliterarischem Stil als Dessert für Bildungsbürger. Doch wo er zeigen will, wie nah er dran war, beweist er nur seine Distanzlosigkeit. Was investigativ oder authentisch daher kommen soll, ist nur Reportagesimulation, wichtiguerisches Salbadern, albernes Pathos.

Kostproben gefällig? „Er öffnet die Tür eines Zigarrenladens und betritt den begehbaren Humidor. Frohnmaier sagt einem elegant gekleideten Angestellten: ‚Ich hätte gerne eine Zigarre, cremig, nicht zu stark, neunzig Minuten Rauchdauer und alle Blätter aus einem Anbaugebiet.‘“ Würg! Oder das hier: „Frohnmaier ringt sich ein Lächeln ab und nickt. Am Tisch bestellt er ein Radler und Zwiebelrostbraten.“ Sieh an, auch ein Nazi muss essen.

Der Autor lässt es menscheln. Wir erfahren, dass der nette Herr Frohnmaier früher gern Pogo getanzt hat, dass er rebellieren wollte, dass er später mit seiner Frau einen Sohn bekommen hat. Er sagt Sätze wie: „Ich will schon, dass der etwas von seinem Papa hat.“ Auch an einem leichten Herzinfarkt des Protagonisten lässt uns Thelen teil haben. Der Held der Geschichte bekommt Lob: „Vielleicht ist das seine große Schwäche. Dass er keine große Strategie beherrscht, sondern nur kleine Taktik. Aber Taktik, die kann er.“

Völlig gaga wird der Text, wenn Frohnmaiers Erzählungen über seine Kindheit kolportiert und damit offenbar eine Erklärung für sein faschistisches Gedankengut geliefert werden soll. Er sei mit den Kindern einer Füchtlingsunterkunft auf die Hauptschule gegangen, das habe ihn geprägt, heißt es da. Und: „Einmal habe der katholische Klassenkamerad auf allen Vieren in den Klassenraum kriechen müssen, weil er kein Moslem war. Am 11. September 2001, dem Tag der Terroranschläge in New York, sei gefeiert worden. Mitschüler hätten aus einem Geodreieck und einem Füller ein Flugzeug gebastelt und die Angriffe nachgestellt.“ Wegen dieser Kindheitstraumata ist der kleine Markus also Faschist geworden. Blöder geht’s nicht!

Zum Schluss wird uns Frohnmaier auch noch als verfolgte Unschuld präsentiert, der darunter leidet, dass er immer auf seine Rede im Oktober 2015 in Erfurt festgelegt wird. Dort erlangte er erstmals größere Bekanntheit, als er Dinge ausrief wie: ‚Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.‘“ Diese Worte, schreibt Thelen voller Mitleid mit seinem Nazi-Bazi, sie verfolgten ihn, „als sei er der Zauberlehrling und sie die Geister, die er rief“.

Der Erguss des Journalistenhipsters zeigt nicht nur exemplarisch, wie die Leitmedien der Neuen Rechten den roten Teppich ausrollen. Der Text illustriert auch das ganze Elend eines Bürgertums, das den rechten Hetzern wieder einmal nichts Substanzielles entgegenzusetzen hat, weil ihr das analytische Instrumentarium fehlt. Der Erkenntnisgewinn des Frohmaier-Porträts ist gleich null. Mehr als ein paar küchenpsychologische Allgemeinplätze hat Thelen nicht anzubieten, wie etwa diesen: „Es scheint, als gebe es in einer Gesellschaft, die stark nach Affektkontrolle verlangt, einen Hunger danach, auch mal emotional auszubrechen.“ So, so.

Beliebig und belanglos ist das wie alles an diesem Beitrag. Getoppt wird das Geschwurbel übrigens vom Schluss. Achtung Zitat: „Frohnmaier tritt an den Rand der Bühne. Er lässt den Blick durch die Reihen schweifen. Er sagt: ‚Da hinten gibt es noch Butterbrezeln. Bitte nehmen Sie sich was mit nach Hause – vielleicht hat der eine oder andere ja noch Hunger.‘“

Bei Twitter gab’s, wie erwähnt, für all das auf die Fresse, worauf den Kritikern unter anderem entgegen gehalten wurde, sie hätten den Text doch nicht gelesen. Moritz Hürtgen, Chefredakteur der Titanic, nahm den Ball in einem kleinen Vierzeiler auf: Ich bandel mit 1 Nazi an/Ich trink mit ihm auf Spesen/Und pöbelt wer auf Twitter ‚rum, dann/sag ich: „Text schon gelesen?“

GET POST FORMAT

Für eine Handvoll Aufkleber. Das könnte der Titel einer Farce sein, die Hamburgs AfD Hand in Hand mit dem Hamburger Abendblatt (HA) aufführte. Bei ihrem stümperhaften Versuch, einen Skandal an der Ida Ehre Schule (IES) zu inszenieren, fielen die protofaschistische Partei und ihre journalistischen Helfer voll auf die Fresse. Ein Aktivist der Antifa Altona Ost (AAO) hat im Lower Class Magazine bereits ausführlich darüber berichtet, darum hier nur noch einige Betrachtungen zum medialen Hintergrund, der aufschlussreich ist.

Denn ohne das Abendblatt wäre sicher nicht groß Aufhebens von der Sache gemacht worden. Die Leib- und Magenzeitung des hanseatischen Kleinbürgers hetzt gern mal gegen Linke und bringt die Salonnazis von der AfD immer mal wieder groß raus – natürlich immer unter dem Deckmantel der Objektivität. Die AfD ist ja demokratisch in die Bürgerschaft gewählt, da müsse man halt auch über deren Arbeit berichten, heißt es dann. Im vorliegenden Fall übernahm das HA die Hetze der Protofaschisten aber so ungebremst, dass nicht mal der Anschein von Objektivität gewahrt wurde.

„Linksextremisten betreiben ungestört Propaganda an Schule“, lautete die Zeile zum Lokalaufmacher im Abendblatt vom 19. März. Skrupellos wurden Fotos aus der IES skandalisiert, die der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft über ihr Hetzportal „Neutrale Schulen“ zugespielt worden waren. Die „Propaganda“ bestand bekanntlich vor allem aus einer Pinnwand mit Aufklebern in einem Klassenraum, darunter welche der AAO, aus dem Schriftzug ACAB (All Cops are Bastards) in einem Treppenhaus und einem Gruppenfoto mit AAO-Logo, das in einem Klassenraum aufgenommen worden war.

Grotesk, sich darüber aufzuregen, aber Redakteur Jens Meyer-Wellmann rastete in einem Kommentar komplett aus. Die Schule, geiferte er, habe „einer linksextremistischen Gruppe“ Flächen „für gewaltverherrlichende Propaganda überlassen“. Genauso sah es das Hetzblatt Bild, das sofort nachzog. Andere Lokalmedien käuten die Geschichte ebenso wider, bemühten sich jedoch um etwas mehr Distanz. Letztlich gingen aber auch sie AfD und HA auf den Leim.

Zwei Tage nach der Inszenierung des „Skandals“ stellte sich heraus: Die Berichterstattung war so verkürzt und einseitig, dass man von Fake News sprechen muss. Eine Erklärung der Ida Ehre zeigte, wie es wirklich war : Die Aufklebersammlung auf der Pinnwand war Teil eines Unterrichtsprojekts „Sich einmischen – Kunst als kulturelle Kompetenz“ gewesen. Und das Gruppenfoto war im Rahmen des externen Wettbewerbs protest.sucht.motiv.de entstanden. Die Schulleitung zeigte sich „entsetzt über den Umgang von Teilen der Presse mit den erhobenen Vorwürfen“. Das HA habe „nahezu vollständig“ das Wording der AfD übernommen.

In sozialen Medien war da schon ein Shitstorm über das Abendblatt und Autor Jens Meyer-Wellmann hereingebrochen. Von Gewerkschaften, Linkspartei, Grüne und andere kam scharfe Kritik. Das HA sah sich genötigt, zumindest die Überschrift des Beitrags auf ihrer Homepage abzuschwächen. Meyer-Wellmann räumte in seinem persönlichen Blog Fehler ein. Ein taktischer Zug, um den eigenen Ruf noch halbwegs zu retten.

Denn natürlich wird das Abendblatt, werden auch die anderen bürgerlichen Medien der Stadt bei nächster Gelegenheit wieder auf den Zug der AfD aufspringen, werden wieder Linke als gewalttätige Aufrührer diffamieren. Das Problem sind nicht einzelne Journalisten, sondern die Strukturen. Im Zweifelsfall stehen die Springerblätter Welt und Bild eben genauso wie das inzwischen zum Funke-Konzern gehörende Abendblatt an der Seite der Herrschenden, an der Seite von Polizei und Verfassungsschutz, der auch im vorliegenden Fall als Stichwortgeber auftrat.

Weil gegen die „Antifa Altona Ost“ nichts Konkretes vorliegt, verwies das HA kurzerhand darauf, die Gruppe werde „vom Verfassungsschutz beobachtet“ – was bekanntlich gar nichts heißt. Meyer-Wellmann zitierte Marco Haase, Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, mit der nebulösen Äußerung, Antifa-Gruppen würden Gewalt „im Rahmen des ,Kampfes gegen Rechts‘ als legitimes und geeignetes Mittel“ ansehen. Haase war übrigens früher mal Pressesprecher der protofaschistischen Schillpartei von „Richter Gnadenlos“ Ronald B. Schill und danach Sprecher und Intimus des damaligen Innensenators Dirk Nockemann, heute einer der schlimmsten Hetzer der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft. Noch Fragen?

GET POST FORMAT

In Hamburg hetzt die »Alternative für Deutschland« gegen antifaschistisches Engagement an der Ida-Ehre-Schule – und ein vielstimmiger Chor von SPD bis Massenmedien stimmt ein.

Antifaschismus müsste eigentlich, gerade in Deutschland, ein Begriff sein mit dem sich von Konservativen über Progressive bis zu revolutionären Gruppen jede*r identifizieren kann und sollte. In einem Land, in dem wir uns tagtäglich und zum Teil direkt vor unserer Tür mit den Verbrechen des Faschismus konfrontiert sehen, sollte es oberste Bürger*innenpflicht sein, sich offen antifaschistisch zu positionieren.

Leider ist dem nicht so.

Schon in der Gründungszeit der BRD wurde die Entnazifizierung halbherzig abgewickelt, brauchte man doch die Richter*innen, Staatsanwält*innen und kollaborierenden Politiker*innen um den neuen Staat aufzubauen. Die Linie war: Bei Nazis nicht so genau hinschauen. Antifaschismus zu verurteilen und zu kriminalisieren, zieht sich hingegen konstant durch die jüngere deutsche Geschichte.

Von Hoyerswerda 1990, als eine Asylbewerber*innenunterkunft mehrere Tage Ziel von rassistischen Übergriffen und Protesten wurde und die Polizei sich nicht in der Lage sah, die Bewohner*innen vor den Neonazis, sehr wohl aber die Neonazis vor Gegendemonstrant*innen zu schützen, über die Rolle der Geheimdienste in der NSU Affäre, während gleichzeitig Maulwürfe der Polizei über Jahre das Umfeld der »roten Flora« ausspitzelten, bis zu den Vorfällen, die Anfang März durch eine Schriftliche Kleine Anfrage (SKA) der AfD in der Hamburger Bürgerschaft ins Rollen gekommen sind.

AfD gibt Diskurs vor

Aufkleber der Hamburger Gruppe »Antifa Altona Ost«, sowie einiger anderer linken Gruppen, die an einer Pinnwand in einem Klassenraum der Ida-Ehre-Schule angebracht wurden und im Zuge des Politik-Unterrichtes besprochen werden sollten, wurden bei dem umstrittenen »Petz-Portal« der Hamburger AfD-Fraktion »Initiative für neutrale Schulen« gemeldet.

Die AfD reagierte mit einer schriftlichen kleinen Anfrage an den Hamburger Senat, in der sie ein »linksextremistisches Netwerk« konstruierte, dass sie aufgedeckt hätten. Darüber hinaus sollte Druck auf die Schulbehörde ausgeübt werden, um die Aufkleber entfernen zu lassen. Soweit so typisch AfD.

Das wirklich interessante daran ist allerdings, wie es der AfD gelang mithilfe einer pauschalen Klassifizierung des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und einer Presselandschaft, die nur allzu gerne Rechten hofiert, aus Antifa- und Anti-AfD-Aufklebern eine »linke Gewaltpropaganda« zu konstruieren – und wie sie es schafften sich dabei die Unterstützung von Schulbehörde, CDU, SPD und FDP zu sichern.

Es ist Gang und Gäbe, dass das LfV, sowie die meisten anderen staatlichen Institutionen und die Parteien »der Mitte« fast jeden parteiunabhängigen Antifaschismus als zumindest potentiell gewalttätig vorverurteilen. Dieses Vorgehen ist auch beim aktuellen Fall in Hamburg eindeutig zu erkennen. Der Senat antwortete auf eine frühere Anfrage der AfD zur besagten Gruppe »Antifa Altona Ost« : „Dem LfV (Anm. d. Red.: Landesamt für Verfassungsschutz) Hamburg liegen bislang keine konkreten Informationen im Sinne der Fragestellung (Anm. d. Red.: Ist die Antifa Altona Ost gewaltbereit?) vor. Bei antifaschistischen Gruppierungen ist zumindest Gewaltausübung gegen Personen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden, akzeptiert.“

Ohne konkrete Informationen setzt das LfV hier schwarz auf weiß pauschal Antifaschismus mit Gewaltakzeptanz gleich. Begründet wird dies ausschließlich durch die Einordnung in ein bestimmtes Spektrum. Auf Grundlage dieser vagen Aussagen geht die AfD in ihrer SKA zur Ida-Ehre Schule noch einen Schritt weiter und schreibt: »Die Gruppierung »Antifa Altona Ost« ist vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) aufgrund hinreichend verdichteter Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Beobachtungsobjekt eingestuft; sie wird dem gewaltorientierten autonomen Spektrum zugeordnet« Zudem redet der Fraktionschef der AfD Hamburg, Alexander Wolf, in einem Beitrag vom NDR von der „linksextremistische, gewaltbereite Antifa Altona Ost“.

In kürzester Zeit wird hier also von Antifaschismus Gewaltakzeptanz abgeleitet, was durch Zutun der AfD ganz schnell zu Gewaltbereitschaft wird. Als der Vorfall durch die Medien geht, gibt sich keiner Mühe, diese fatale pauschale Vorverurteilung zu korrigieren. So spricht die BILD von „Gewalt-Propaganda an Schule« und die MOPO übernimmt mal eben die Aufgabe des LfV und stuft die „Antifa Altona Ost“ auch noch als militant ein.

Von der Politik kommen Aussagen wie „Extremismus darf in Hamburgs Schulen keinen Platz haben!“ (CDU) oder »Es ist inakzeptabel, dass eine linksextreme Gruppe an der Ida Ehre Schule ihre Propaganda verbreiten konnte!« (FDP), die SPD äußert sich ähnlich. Auch die Schulbehörde verteidigt ihr Vorgehen (das Entfernen der Aufkleber) mit ähnlichen Statements vehement.

Delegitimierung von Antifaschismus

Diese Verkürzung basiert zum Großteil auf der Extremismustheorie, mit der deutsche Behörden offiziell arbeiten. Die sogenannte »Hufeisentheorie« besagt, dass die »extremen Enden« des politischen Spektrums, einander gegenseitig näher sind, als der Mitte.

Das Problem dieser Theorie liegt auf der Hand: Ein bisschen Faschismus ist, nach dieser Logik, besser als Nazis komplett abzulehnen; Rassismus wird zu einer legitimen Meinung, die im demokratischen Prozess angehört werden muss. Neonazis und Antifaschist*innen werden so auf eine Stufe gestellt, ohne deren Ziele und Motivation zu beleuchten. »Extrem« bzw. »extremistisch« ist im Endeffekt alles, was in irgendeiner Art und Weise den Rahmen der Gesetze übersteigt bzw. damit assoziiert wird.

Das Wort »Antifa«, das seinen Ursprung im Widerstand gegen den aufstrebenden Faschismus in der Weimarer Republik hat und an sich nur die Bereitschaft ausdrückt, den Faschismus mit allen notwendigen Mitteln aufzuhalten, wird so zu einem Label, welches, nicht nur von rechter Seite, genutzt wird um Engagement gegen Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, und anderen Unterdrückungsformen zu delegitimieren.

Obwohl der Vergleich verkürzt ist und in der BRD mehr und mehr faschistische Umtriebe in Parteien und Behörden ans Tageslicht kommen, greifen sogar nicht Konservative gerne auf diese Theorie zurück.

Auch ein Plakat gegen Rape Culture bemängelt die AfD in ihrer Anfrage

Sie ermöglicht es, rassistischen Ressentiments für den Wahlkampf zu nutzen und sich gleichzeitig als »Mitte«, also in der Logik der Hufeisentheorie als „gut“ zu positionieren. Sie ermöglicht es, tausende Ertrunkene im Mittelmeer mit einem Achselzucken zu kommentieren und gleichzeitig Sachbeschädigungen als unverständlichen Akt der Gewalt darzustellen. Sie ermöglicht es Leute, die mit offen rassistischen Parolen und Hitlergrüßen auftreten, mit denen gleichzusetzen, die versuchen sie aufzuhalten.

So werden progressive Bestrebungen immer weiter kriminalisiert. Es kommt dazu, dass Parteien und Medien der vermeintlichen „Mitte“ die Bestrebungen einer faschistischen Partei, wie zum Beispiel für die AfD unangenehme Meinungen aus Schulen zu entfernen, unterstützen. Wer sich ernsthaft mit dem Begriff „Antifaschismus“, der Geschichte der „Antifaschistischen Aktion“ und den dafür stehenden Gruppen und Personen auseinandersetzt hat, kann nicht zu dem Schluss kommen, das „Antifa“ extremistisch ist.

Stattdessen müsste das Bekenntnis zum Antifaschismus fester Teil jeder Demokratie, demokratischen Partei und staatlichen Instanz sein.

#Max Schröder ist Aktivist der Antifa Altona Ost
#Bilder aus der Anfrage der AfD

GET POST FORMAT

Ein geschubster Rechtsradikaler und viel Sorge um die herrschende Ordnung

Am 7. Januar 2019 wurde Frank Magnitz, Sprecher des Landesverbandes der AfD Bremen, in der Bremer Innenstadt von hinten angesprungen, worauf hin er ungebremst zu Boden stürzte. Nachdem seine Partei kurz darauf ein Foto seines blutüberströmten Gesichts auf Facebook teilte, begann eine ausgiebige Debatte über den Vorfall in der Öffentlichkeit.

Unmittelbar nach dem Vorfall hatte die AfD behauptet, Magnitz wäre mit einem Kantholz niedergeschlagen und noch getreten worden, als er bereits am Boden lag. Bereits am Folgetag gab allerdings die Staatsanwaltschaft bekannt, dass es auf dem begutachteten Video der Tat keine Hinweise auf den Einsatz einer Schlagwaffe gegeben hätte. Auch sei zu erkennen, dass die Täter*innen direkt nach dem Sturz des Politikers flohen. (mehr …)

Artikel

0 ... 12 von 1346 gefundene Artikel

Am selben Tag, an dem der Bundestag den Opfern des Nationalsozialismus gedenkt, fällt die sogenannte „Brandmauer“. Elon Musk treibt den […]

25. Oktober 2021 | Dar Ronge

100 Meter Faschismus

Der stechende Rauch meiner Zigarette steigt mir in die Augen. Durch die Tränen erkennt man ein jüdisches Viertel: Buchhandlungen, Markstände […]

Der Autor Herbert Renz-Polster geht in seinem neuesten Buch „Erziehung prägt Gesinnung“ der Frage nach, was die Anhänger rechtspopulistischer Parteien […]

Seit Februar 2018 hat sich das Leben des Neuköllners Ferat Kocak grundlegend verändert. Neonazis hatten seinen PKW vor der Wohnung […]

„Wenn Sie etwas unternehmen können, zumindest für die anderen Jugendlichen. Bitte… Mein Sohn soll nicht für nichts gestorben sein“, sagte […]

Die Anschläge von Hanau sind keine Tat eines isolierten Einzeltäters, es ist rechter Terror und er steht unter anderem im […]

Kommentar Wieder wurden zehn Menschen ermordet. Wieder ist es ein Rassist mit rechtem Weltbild, der den Abzug drückte. Was den […]

Kommentar Die letzten Tage in der Bundesrepublik Deutschland, waren solche, bei denen man sich denkt: Die Dinge entwickeln sich rasanter […]

Causa AFDP: Es ist zwar ein „Tabubruch“, aber wir wollen ja nicht hysterisch werden, stimmt’s? Wenn ein Politiker durch Neonazis […]

15. November 2019 | Jane

Bildet Banden. Bitte.

Ich mag das Aufreihen von Fakten nicht mehr. Ab jetzt ist nur noch Populismus. All die Daten, die Schlüsselmomente der […]

Hand in Hand mit den Politikern der bürgerlichen Parteien erzeugen die Mainstreammedien immer wieder aufs Neue schwachsinnige Diskurse, die sie […]

Die AfD hat bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg enorm an Stimmen gewonnen. Unser Autor Simon Zamora Martin hat […]