Hanau: Deutschlands hässlicher Sohn

20. Februar 2020

Kommentar

Wieder wurden zehn Menschen ermordet. Wieder ist es ein Rassist mit rechtem Weltbild, der den Abzug drückte. Was den 42-jährigen Faschisten Tobias Rathjen antrieb, erklärt er in einem „Manifest“. Und klar, dieses wirkt auf den ersten Blick komplett durchgeknallt. Aber die Elemente dieser mörderischen Weltanschauung sind dieselben, die die AfD ins Parlament brachten und die die Auflage der Print- und Onlineprodukte des Springer-Verlags profitabel halten.

Im Zentrum der Ideologie stehen, zusammengehalten von einer Verschwörungstheorie eines allmächtigen „unsichtbaren“ Geheimdienstes, Rassismus und der Hass auf Frauen. Bestimmte Völker, so Rathjen, müsse man eliminieren, „auch wenn wir hier von mehreren Milliarden sprechen“. Woher er diese Idee hat? Nun, er verrät es selbst. Zwar habe er selber einige „harmlose“ negative Erfahrungen mit diesen „Volksgruppen“ gemacht, die eigentliche empirische Quelle seiner rassistischen Überzeugungen seien aber die Medien: „Aus Zeitungen beispielsweise konnte man letztlich noch das Ende des Spektrums vernehmen, wie Schlägereien von 5 Ausländern gegen einen Deutschen und daraus resultierende schwerste Verletzungen oder gar Tote.“

Ja, die feigen fünf Ausländer gegen den einen mutigen Deutschen. Woher wir diesen Ton kennen? Aus jeder gottverdammten Wortmeldung von AfD-Politikern; aus jenem breiten Spektrum von rechten Publikationen von Compact bis zur Achse des Guten; und von denen, die Mitten im Mainstream ihr gutbezahltes Hetzwerk verrichten, für den Pöbel die Bild, für den Porschefahrer die Welt. Von all denen, die den Täter jetzt einen „Irren“ nennen, kennen wir diesen Ton.

Und, was kennen wir noch von der AfD? Klar, zusätzlich zur „Grobsäuberung“ – der massenhaften Ermordung der Migrant*innen oder zumindest derer, die die Faschisten dafür halten – kommt, wie der Hanau-Terrorist schreibt, die „Feinsäuberung“, also das Ausmerzen derjenigen aus dem „eigenen Volk“, die die ganzen Ausländer hierhin eingeladen haben. Wer hört hier denn nicht Höcke sprechen?

Und das Frauenbild des Terroristen? Es dürfte noch weiter verbreitet sein als sein Rassismus, denn es ist schlichtweg die ganz „normale“ patriarchale Auffassung, dass dem Mann eine Frau zusteht. Er, Rathjen, wollte immer nur die Beste „nehmen“, und weil ihm das nicht gelang, so muss eben der „unsichtbare“ Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt haben, denn wie sonst hätte sich eine Frau dem universalen Recht des Mannes auf ihre Verfügbarkeit entziehen können?

Der Hanau-Terrorist mag die verschiedenen Elemente seiner Weltanschauung zu einer wüsten Mischung samt Verfolgungswahn kombiniert haben – aber ihm allein gehören sie keineswegs an. Sie sind in einem bestimmten Teil dieser Gesellschaft, der weit bis in die selbsternannte „Mitte“ ragt, Normalität und nicht irre Ausnahmeerscheinung. Zwischen einen Identitären-Chef Martin Sellner und seinem Geldgeber, dem Churchtown-Massenmörder Brenton Tarrant, liegen keine Welten.

Noch deutlicher wird das, wenn wir uns die Zielauswahl des Attentäters Rathjen ansehen: Shisha-Bars. Jene Orte, die aus einer Koalition von CDU- und SPD-Politikern, Polizeibehörden und Boulevardmedien, zu Horten der Wilden, der kriminellen Ausländerbanden erklärt werden. Die AfD dankt. Und eskaliert weiter. Spricht das Behördendeutsch ganz nüchtern von kriminalitätsbelasteten Orten „ethnisch abgeschotteter Subkulturen“, machen Springer und CDU-Politiker mit „nehmt den Clans die Kinder weg“ auf, endet die Debatte bei der AfD mit großflächigen Plakaten, auf denen jeder in der Shisha-Bar zum Gruppenvergewaltiger erklärt wird.

Leute wie Rathjen sind Produkt dieser rechten Hetze. Und diejenigen, die den ganzen lieben Tag lang nichts anderes zu tun haben, als in ihren Augen „nicht-deutsche“ zum Sündenbock für jeden erdenklichen Müll zu stilisieren, können jetzt nicht einfach den der den Abzug gedrückt hat, aus ihren Reihen verstoßen. Denn sie haben die Waffe geladen.

Also, Julian Röpcke und Alice Weidel, schaut gut hin. Euer hässlicher Sohn ist im Fernsehen.

Titelbild: RubyImages/F. Boillot

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