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Am 30.06.1994 wurde kurdische Aktivist Halim Dener im Alter von 16 Jahren von einem deutschen Polizisten beim Plakatieren ermordet. Knapp 26 Jahre nach seinem Tod gibt die Kampagne Halim Dener ein Buch über ihn heraus. Wir veröffentlichen vorab die Einleitung zu Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen. Die Vorstellung des Buches findet am Freitag, 24.Juli 2020 um 16 Uhr auf den Halim-Dener-Platz (30451 Hannover) statt.

Der Name Halim Dener ist heute für viele kurdische Aktivist*innen, aber auch viele deutsche Linke kein unbekannter. Mit dem Schicksal des geflohenen kurdischen Jugendlichen, der in Deutschland Schutz suchte, und stattdessen am 30.06.1994 den Tod durch die Kugel aus der Waffe eines deutschen Polizisten fand, verbinden sich verschiedene politische Entwicklungslinien und Konflikte. Dazu gehört zuvorderst der Konflikt zwischen der kurdischen Freiheitsbewegung und einem faschistisch agierenden türkischen Staatsapparat, der in seinem Krieg gegen Kurdistan und in der Repression kurdischer Aktivist*innen seit Jahrzehnten durch die deutschen Behörden und deutsche Waffen unterstützt wird. Dazu gehört aber auch die Geschichte von Flucht nach Deutschland, in diesem Fall eines unbegleiteten Minderjährigen, der sich allein von Kurdistan bis nach Hannover durchschlug, nachdem türkisches Militär seinen Heimatort angegriffen und ihn und ihm Nahestehende gefoltert hatte. Halims Geschichte endet mit dem Schuss eines deutschen Polizisten, der ihn in den Rücken trifft und wenig später zu seinem Tod führt. Er wurde so zu einem von vielen Opfern rassistischer Polizeigewalt – einem von vielen Todesfällen, die von der deutschen Justiz nie befriedigend aufgeklärt wurden. Halim Dener wurde nur 16 Jahre alt. Er wurde nicht vergessen.

Knapp 20 Jahre nach seinem Tod, im Jahr 2013, gründete sich eine Kampagne mit dem Ziel, in der Stadt Hannover endlich eine angemessene Aufklärung und Erinnerung an den Todesfall und seine Ursachen einzufordern. Diverse Organisationen aus Hannover und darüber hinaus schlossen sich zusammen, um das Gedenken an Halim Dener in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch es ging immer um mehr als die Trauer. Es ging auch darum, die politischen Linien und Kämpfe, die sich mit Halims Schicksal verbinden, offensiv zum Thema zu machen und den politischen Status Quo, der sich auch 20 Jahre nach Halims Tod in vielen Punkten nicht verändert hat, anzugreifen. Die Waffenlieferungen an die Türkei, der Umgang mit Geflüchteten, Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung, der PKK-Verbot, rassistische Gewalt und Behördenwillkür – noch immer deutsche Zustände.

Im Jahr 2019, nach dem 25. Jahrestag von Halim Deners Tod, ist es für uns als Kampagne Zeit innezuhalten. 5 Jahre lang haben wir informiert, debattiert, demonstriert und gekämpft. Wir haben auf verschiedenen Ebenen und verschiedenen Wegen versucht, Einfluss auf die Stadt Hannover und die Stadtöffentlichkeit zu nehmen, und sind für die Veränderung der beschriebenen Zustände mit aller Vehemenz und anhaltendem Engagement eingetreten. Längst nicht alle Ziele, die sich mit unserem Kampf verbanden, haben wir erreicht. Auch deswegen scheint es uns an der Zeit, gemeinsam nachzudenken. Diese Broschüre ist ein Ergebnis dieses gemeinsamen Prozesses. Sie dient als Selbstverständigung, weil wir Revue passieren lassen, was seit Halims Tod geschehen ist und uns vor Augen führen, in welchem Zusammenhang sein persönliches Schicksal steht. Und weil wir zurückblicken auf fünf Jahre Kampagnenarbeit, deren Erfolge und Rückschläge. Diese Broschüre entstand aber nicht nur für uns, sie richtet sich auch nach außen. Sie dient – wie auch die anderen Aktivitäten der Kampagne – dazu, Halims Geschichte weiter bekannt zu machen, in dem wir sie erstmals umfassend publizistisch aufarbeiten. Nicht zuletzt dokumentieren und reflektieren wir hier auch unseren politischen Kampf mit dem Ziel, all denjenigen, die ähnliche Gedanken und Motive haben, mahnendes Beispiel und inspirierendes Vorbild zugleich zu sein. Viele Erfahrungen müssen im politischen Aktivismus immer wieder von neuen gemacht werden, und trotzdem können wir voneinander und von unseren vergangenen Kämpfen lernen – das ist unsere Überzeugung.

Aufbau

Diese Broschüre besteht aus zwei Teilen, von denen der erste sich mit der Geschichte Halim Deners und seines Todes, sowie den Verhältnissen und Ereignissen in den 1990er Jahren beschäftigt. Die hier versammelten Beiträge befassen sich mit der historischen und aktuellen Situation in Kurdistan, die Grund für Halims Flucht im Jahr 1994 waren. Ein zweiter Beitrag beleuchtet die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, zu denen auch Halim einst gehörte. Neben den Gefahren auf der Flucht selbst geht es auch um die Rahmenbedingungen in Deutschland und deren Verschlechterung in den letzten Jahren. Über die Repression der kurdischen Bewegung in Deutschland, namentlich das erlassene PKK-Verbot, informiert ein weiterer Artikel. Die überregionalen politischen Proteste, die der Tod Halims bereits 1994 auslöste, und die ersten Initiativen für ein Gedenken und Erinnern, die lang vor der Kampagne Halim Dener entstanden, werden in einem eigenen Beitrag beleuchtet. Den Abschluss des ersten Teils bilden zwei Prozessberichte zum Gerichtsprozess gegen den Polizeibeamten, der Halim 1994 erschoss. In diesen historischen Dokumenten beschreiben Rolf Gössner, der als Anwalt der Nebenklage Halims Familie vertrat, sowie eine anonyme Beobachterin den teils absurd anmutenden Prozessverlauf und ihre Eindrücke vom Geschehen rund um das Verfahren.

Der zweite Teil der Broschüre widmet sich den Aktivitäten und Ereignissen rund um die Kampagne Halim Dener seit 2013. Der erste Beitrag präsentiert Überlegungen zu einer Erinnerungskultur rund um das Schicksal Halim Deners, wobei sowohl kritische Bestandsaufnahme als auch politische Vision Platz finden. Zur Einschätzung der Medienberichterstattung zum Fall Halim Dener findet sich als zweiter Beitrag ein Interview mit dem Sozialwissenschaftler Christian …, der sich in einer Abschlussarbeit mit der Erinnerungskultur zu Halim Dener beschäftigte. Es folgt ein Interview mit einem Aktivsten der Kampagne Halim Dener, in dem die Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen kurdischer Freiheitsbewegung und deutscher Linker geht, die während der Arbeit in der Kampagne gesammelt wurden. Diese Zusammenarbeit wurde von den deutschen Behörden offenbar äußerst skeptisch beäugt, in einem eigenen Beitrag informieren wir über die diversen Repressionsversuche gegen die Kampagne (und ihr Scheitern). Einen eigenen Beitrag widmen wir ebenfalls einer der einflussreichsten – wenn auch letztlich bisher erfolglosen – politischen Initiativen der Kampagne, dem Kampf um die Benennung eines Platzes in Hannover nach Halim Dener. Den Abschluss dieses Bandes bildet ein Text über die Entstehung und Aktivitäten der Kampagne von 2014 bis 2019, den wir mit einer vorläufigen Bilanz und einem Ausblick beenden.

Dank

Unser Dank gilt allen Gruppen und Aktivst*innen, die Teil der Kampagne Halim Dener waren oder diese in den letzten Jahren unterstützt haben.

Für die Mitarbeit und Unterstützung dieser Broschüre möchten wir uns insbesondere bedanken bei der Roten Hilfe für die umfassende finanzielle und logistische Hilfe, bei Jochen Steiding für ein hervorragendes Layout, sowie bei Rolf Gössner, dem Flüchtlingsrat Niedersachsen, Christian Hinrichs und Wolfgang Struwe für die hier veröffentlichten Textbeiträge.

# Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen | Verlag gegen den Strom, München | 226 Seiten | 10 €

# Titelbild: Kampagne Halim Dener

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In der deutschen Linken über Israel und Palästina zu sprechen, war stets schwierig. Wer sich positiniert, muss mit Angriffen rechnen, bei denen es lange nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung geht. Diese Erfahrung macht auch die linke israelische Diaspora in Deutschland. Peter Schaber hat mit Yossi Bartal ausführlich über die ganze Palette umstrittener Themen diskutiert, Teil I erschien gestern.

Yossi Bartal lebt in Berlin und ist in queeren und antirassistischen Zusammenhängen aktiv.

Du hast davon gesprochen, dass seit den jüngsten Annexionsbestrebungen der Begriff „Apartheid“ in Israel gängig geworden ist und du ihn selbst verwendest. Kannst du dennoch verstehen, dass es deutschen Linken schwerfällt, das Wort Apartheid in den Mund zu nehmen, wenn es um Israel geht?

Ich glaube da ist erst einmal eine sehr große Unwissenheit, was Apartheid tatsächlich bedeutet. Ich finde den Begriff darüber hinaus gut, weil es auch Hoffnung impliziert. Nicht dass Südafrika heute so traumhaft ist. Aber „Apartheid“ schließt eine gemeinsame Lösung ein. Antikolonialismus hat eher die Konnotation: Wir müssen die Kolonialisten rauswerfen. Und das finde ich schwierig.

Wenn wir die Probleme benennen, dann wollen wir auch die Lösungen benennen. Und das ist am Begriff der „Apartheid“ stark – auch wenn das im deutschen Diskurs schwierig zu verstehen ist. Aber er ist eigentlich der Begriff, der darauf abzielt zu sagen: Wir wollen eine gemeinsame, demokratische Lösung mit gleichen Rechten.

Außerdem ist es derzeit so: Die Orthodoxen werden orthodox bleiben, Israelis werden in ihrer Mehrheit Zionist*innen bleiben. Die Linke ist nicht auf dem aufsteigenden Ast, es ist genau andersrum als in den USA: In Israel gilt, je jünger man ist, desto rechter. Es wird also auf absehbare Zeit keine ideale Lösung geben. Es müssen also Bedingungen geschaffen werden, in denen von Islamist*innen bis religiösen israelischen Nationalist*innen alle irgendwie koexistieren können – nicht, weil sie sich lieben, sondern weil es notwendig ist. Das ist in diesem Sinne auch gar nicht revolutionär.

Eher aus der Situation der völligen Defensive linker Ideen geboren …

Ja genau. Wenn du als Linker in Israel Politik machst, ist aber auch deine normale Praxis so. Man nimmt eine Scharnierfunktion wahr. Man geht auf äthiopische Demonstrationen gegen Polizeigewalt und zeigt Solidarität mit ihrem Kampf. Und dann versucht man, das mit den Araber*innen zusammenzuführen, die gegen das gleiche kämpfen. Und dann versucht man, einander nicht zu provozieren, indem man von den eigenen Inhalten Abstriche macht. Es geht um das Zusammenführen von Gemeinden, die alle in sich halbwegs organisiert sind – und alle sehr unterschiedlich. Als Linke*r will man ja eigentlich alle Menschen einer Gesellschaft davon überzeugen, Kommunist*innen oder Anarchist*innen zu werden, aber hier geht es eher darum, verschiedene Communities miteinander so zu verbinden, dass sie sich gegenseitig respektieren und im besten Fall unterstützen können.

Im Grunde ist ja auch das sehr ähnlich mit der Situation in Kurdistan. Auch da ging es ja darum, verschiedene, zum Teil Jahrhunderte verfeindete Gemeinschaften zusammenleben zu lassen, einen demokratischen Rahmen dafür zu schaffen und ihnen ihre Selbstbestimmung zu garantieren.

Ich glaube auch, dass Israelis und Palästinenser*innen viel von der kurdischen Erfahrung lernen können. Interessant finde ich auch, was die kurdische Bewegung in jenen Gebieten gemacht hat, die gar nicht zu Kurdistan gehören, den arabischen Gebieten: Wie sie zum Beispiel da mit den familiären Strukturen zusammengearbeitet haben. Sie haben ja nicht versucht, ihnen Marxismus beizubringen.

Naja, es gibt natürlich ideologische Debatten und Versuche, die Mentalität zu ändern …

Ja, aber zunächst geht man zum Familienvertreter und macht einen Deal. Man sagt: Ihr dürft das und das, wir stören euch nicht, ihr stört uns nicht, und dann sollte es Frieden geben. Das funktioniert auch nicht wunderbar.

Ein Modell für extrem verhärtete Fronten. Es sind ja Stämme, die einander zum Teil seit Jahrtausenden befehden – und man hat sie dennoch unter ein Dach gebracht. Und Öcalan sagt ja explizit, das Modell des Demokratischen Konföderalismus wäre wie gemacht für Israel und Palästina. Und viele Einwände der bedingungslosen Israel-Fans ziehen hier einfach nicht: Etwa der, dass ohne Staat, Jüdinnen und Juden keine Selbstverteidigungsmöglichkeit hätten. Das ist ja bei jeder Gemeinschaft im Rahmen des Demokratischen Konföderalismus gegeben – sie alle haben ihre eigenen Verteidigungsformationen. Vielleicht nicht grade als Atommacht, aber immerhin.

Das Problem ist, dass das nationalstaatliche Denken tief verankert ist. In Israel ist es weit verbreitet und warum sollen die Leute umdenken? Den Israelis geht es ja nicht so schlecht. Für jüdische Israelis, vor allem aus den mittleren und oberen Schichten funktioniert dieser Staat ganz gut.

Aber soziale Proteste gab es ja dennoch in den letzten Jahren immer wieder.

Aber ehrlich gesagt, wenn es Frieden gäbe, gäbe es dann keinen Kapitalismus? Die Kosten des Militärs und der Besatzung schaden zum Teil, ja, aber sie sind für die Mittelklasse auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Der Hightech-Sektor, der da dran hängt, ist profitabel. Die Besatzung nur als Last zu sehen, was einige Linke in Israel sagen, ist etwas schief. Es gab seit den 80er-Jahren die Parole „Geld für die armen Nachbarschaften, nicht für die Siedlungen“ – aber die Menschen aus den armen Nachbarschaften sind nicht selten in Siedlungen eingezogen. Die Misrachi in Jerusalem haben eine größere Wohnung, weil sie in den besetzten Gebieten wohnen. Die Kriegssituation ist auch nützlich, um die Gesellschaft und die sozialen Probleme immer unter Kontrolle zu halten.

Und der Krieg hilft, um ein Volk zu kreieren. Es kommen ja Jüdinnen und Juden aus der ganzen Welt – und man muss eine gemeinsame Identität stiften. Da gibt es auch viele Kulturkämpfe, viel Rassismus und so eine Konfliktsituation ist da sehr nützlich.

Wenn es da kein Interesse an Änderung gibt, was sollte man dann dort als ein Linker tun?

Ich meine, ich kann es ja auch persönlich sagen. Das ist einer der Gründe, warum ich weggegangen bin und warum viele weggehen, die die Situation realistisch betrachten. Man sieht da keine Alternative mehr. Das einzige, was als möglicher positiver Faktor in Erwägung gezogen wird, ist dass der internationale Druck wachsen würde. Und diese BDS-Idee hat sich dann internationalisiert. Da war die Idee: Die liberale Welt wird sich gegen diese Apartheid vereinigen. Aber umgekehrt hat sich auch Israel international Bündnispartner dagegen gesucht. Israel ist ein Bezugspunkt für viele Staaten, die Autoritarismus und antimuslimischen Rassismus vereinen, man nehme Indien oder Brasilien.

Überhaupt für einen großen Teil der Neuen Rechten.

Das ist ein wichtiger Punkt. Jüdinnen und Juden waren gezwungen, sehr lange mit Antisemitismus zu leben. Und die jüdischen politischen Formationen sind nicht nur im Kampf gegen Antisemitismus, sondern auch im Zusammenleben mit Antisemitismus zustande gekommen. Der Zionismus hat von Anfang an gesagt, die Antisemiten können uns nützlich sein. Auf eine Art und Weise ist diese Idee, Juden brauchen einen Nationalstaat auch ein Reflex des Antisemitismus: Jüd*innen müssen „verbessert“ werden, sie sind ja „entwurzelt“, „Luftmenschen“. Wer den Zionismus kennt, kennt diese Einflüsse. Bei den Antisemit*innen war es die These: Jüd*innen sind verkommen und deshalb müssen sie weg. Bei den Zionist*innen die These: Sie sind verkommen und wir müssen sie durch einen Nationalstaat reformieren. Und ähnlich in Teilen der sozialistischen Bewegung: Der städtische Jude wurde auch von vielen jüdischen Bewegungen als eine regressive mittelalterliche Figur, irgendwie als parasitisch angesehen.

Für den Zionismus war es also auch lange Zeit notwendig, irgendwie mit dem Antisemitismus zurecht zu kommen. Balfour – der Namensgeber der Balfour-Deklaration, nach dem überall in Israel Straßen benannt sind – zum Beispiel war ein großer Antisemit. Der Mann hat jüdische Migration nach Großbritannien unterbunden, denn er wollte ja nicht mehr Jüd*innen haben. Aber er wollte Jüd*innen nach Palästina schicken. Ich will dieses Zusammenspiel von Antisemitismus und Zionismus nicht verteufeln, also nicht sagen: Der Zionismus hätte den Antisemitismus bewusst befeuert. Es waren primär praktische Überlegungen. Aber sachlich gibt es diesen Zusammenhang zwischen beiden.

Als eine Überlebensstrategie …

Genau. Aber als eine Überlebensstrategie, die ich falsch finde. Und aktuell ist das auch ein strittiger Punkt. Der israelische Präsident Reuven Rivlin ist da sehr klar und sagt: Ich arbeite nicht mit Faschisten. Aber die Netanjahu-Regierung macht das systematisch: Orban und Bolsonaro etwa sind enge Partner. Das spiegelt sich auch in den Antisemitismus-Debatten. Auf den Staat Israel bezogener Antisemitismus nimmt eine zentrale Rolle ein, etwa christlich-fundamentalistischer nicht. In der Antisemitismus-Definition ist keine Rede vom Beschneidungsverbot oder dem Verbot des Schächtens. Also Regeln, die jüdisches Leben fast unmöglich machen, gehören nicht zur offiziellen Definition von Antisemitismus.

Oder nehmen wir Trump. Um Trump herum gibt es sehr viele rechtskonservative Jüdinnen und Juden. Und gleichzeitig verbreitet Trump klar Antisemitismus. Und das sehe ja nicht nur ich so, sondern das sieht auch der Mainstream der jüdischen Gemeinde so. Mit der Trump-Regierung kam es zu einem dokumentierbaren, großen Anstieg antisemitischer Straftaten in den USA – der größte Teil durch weiße Nationalisten.

Er landete aber nicht auf der Top-Ten-Antisemiten-Liste des Simon-Wiesenthal-Center …

Nein, natürlich nicht. Und das hat auch etwas mit dieser neuen IHRA-Definition von Antisemitismus zurück. Die wurde damals übrigens sehr stark durch das Simon-Wiesenthal-Center gepushed, also durch die, die jetzt in den USA für die Illegalisierung der Antifa eintreten. Peter Ulrich hat für die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Kritik an der IHRA-Definition geschrieben. Das ist eine sehr gemäßigte Kritik, aber sie weist nach, dass diese Definition einfach ungeeignet ist. Und dass sie strukturell vor allem gegen linke und migrantische Politik eingesetzt werden kann.

Was ich in Deutschland erstaunlich finde ist, dass die Debatte so wenig lebendig ist. Es gibt eine sehr starke Beamtenmentalität: Wir haben jetzt eine staatliche Definition und dann haken wir ab, ob die drei „D“ erfüllt sind und so erkennen wir Antisemitismus. Wobei selbst in der staatlich unterstützten IHRA-Definition klar ist, dass man Kontext berücksichtigen muss. Und wenn Palästinenser*innen Israel hassen, ist der Kontext ja nicht so schwer herauszufinden. Wenn deine Familie bombardiert wird, wahrscheinlich hasst du dann Israel. Das hat nicht notwendig damit zu tun, dass du Antisemit*in bist. Aber soetwas wird komplett ausgeblendet in der Breite des Diskurses.

Wobei mich ja weniger wundert, dass der Staat seine Staatsräson in Bezug auf Israel dann in solchen Definitionen ausdrückt. Was mich wundert, ist, dass das dann auch in großen Teilen der Linken – natürlich allen voran die sogenannten „Antideutschen“, aber auch darüber hinaus – als verbindliche und gar nicht mehr zu diskutierende Grundlage gilt.

Ganz erklären kann ich mir das auch nicht, aber ein Teil der Erklärung dürfte sein, dass wir in Deutschland nicht so viele Jüd*innen in der Linken haben. In den USA, wo jüdische Menschen einen größeren Teil der Linken und radikalen Linken darstellen, gibt es tatsächlich eine eigenständige Beschäftigung mit Antisemitismus und Judentum. Wir beobachten da eine große Renaissance von linken jüdischen Ideen und einer wirklichen Antisemitismuskritik von links. Das ist total interessant.

In Deutschland sind die meisten Antisemitismusexpert*innen nicht-jüdische Deutsche. Und oft gibt es in der linken Szene gar keine Jüdinnen und Juden, mit denen man sprechen kann. Das sehen wir übrigens auch, wenn wir Berlin – wo es doch eine Community gibt -, mit anderen Städten etwa im Osten vergleichen. Da laufen Diskussionen auch schon anders.

Anders ist das nochmal, wenn wir uns die offizielle Position der Jüdischen Gemeinde ansehen. Die Mehrheit der Jüd*innen in Deutschland hat einen tiefen Bezug zu Israel. Heute sind ja kaum mehr religiöse Jüd*innen hier. Sie sind wirklich eine Minderheit. Ich kenne hier selbst Rabbiner, die nicht mal an Gott glauben. Aber den Platz, den Gott hatte, hat der Staat Israel eingenommen. Er ist das, woran man glaubt. Es gab in den letzten 50 Jahren so eine Zionisierung – das, was wirklich identitätsstiftend wurde, ist der Bezug auf den Staat Israel. Und natürlich sehen diese Jüd*innen, die so denken, Angriffe auf diesen Staat – zurecht oder zu Unrecht – als Angriffe auf sie. Dadurch ist die jüdische Gemeinde tatsächlich in die Position gekommen, Israel zu verteidigen – was ich für einen sehr gefährlichen Prozess halte. Auf der anderen Seite gibt es ja keine Alternative zur Beschäftigung mit Israel, also auch nicht für uns als kritische Jüdinnen und Juden. Auch mein kritisches Verhältnis zu Israel ist Teil meiner jüdischen Identität.

Was schlägst du dann vor, um diese Debatte voranzubringen?

Um die staatliche Definition von Antisemitismus zu widerlegen, müsste man eigene Definitionen auf den Tisch legen. Und da bin ich dafür, Antisemitismus als eine Form von Rassismus zu begreifen – aber dann muss man, wie bei anderen Formen auch, herausstellen, was das Spezifische an ihm ist. Das ist ja an der deutschen Debatte sehr besonders, dass Antisemitismus als das „ganz Andere“, das mit Rassismus gar nicht zu Vergleichende dargestellt wird. Da spielt zugleich auch ein sehr reduzierter und verharmlosender Begriff von Rassismus eine Rolle. Da wird immer so getan als sei Rassismus das ganz Einfache, über das man nicht nachdenken muss, und Antisemitismus ganz kompliziert. Das führt auch dazu, dass man strukturelle Ähnlichkeiten zur Islamophobie gar nicht mehr diskutieren will – obwohl sie so offensichtlich sind.

Und klar, das ist auch für uns Linke immer eine Gratwanderung. Wenn wir über Israel sprechen, müssen wir über Antisemitismus sprechen, genauso wie, wenn wir den politischen Islam kritisieren, wir Islamophobie im Blick haben müssen. Aber um da zu recht zu kommen, muss man Debatten führen. Und obwohl ich kein Anhänger dieser Theorie der Sprecher*innenposition bin, müssen wir auch das bedenken. Weil bestimmte Dinge klingen eben unterschiedlich. Ich spreche auch nicht über den Islam wie meine muslimisch sozialisierten Freund*innen. Das hat vielleicht nichts mit dem Wahrheitsgehalt einer Aussage zu tun, aber auf jeden Fall mit so etwas wie Common Sense und Höflichkeit.

Ich knüpfe da mal kurz an. Wir haben in der Redaktion keinen allgemeinen Konsens zur BDS-Kampagne, aber persönlich würde ich sagen: ich teile die Auffassung nicht, dass sie antisemitisch ist und ich würde mich ungefähr der Position anschließen, die von den 240 israelischen und jüdischen Intellektuellen zum Anti-BDS-Beschluss der Bundesregierung formuliert wurde. Nur: Ich habe trotzdem nie BDS unterstützt. Und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das eher Zurückhaltung aus einem deutschen Kontext ist oder einfach Feigheit, weil man sich den erwartbaren Angriffen nicht aussetzen will.

Ja, ich finde, das ist tatsächlich ein bisschen Feigheit. Ich meine, dieses „das dürfen wir nicht als Deutsche“, da sollte man eher damit anfangen, zu sagen, als Deutsche dürften wir kein Militär oder keinen Stacheldraht und so weiter haben. Eine zivile Boykottkampagne gegen Firmen, das geht nicht „als Deutsche“, aber ein deutsches Militär, eine deutsche Polizei, die deutsche Schäferhunde auf Migrant*innen hetzt, da sagt keiner, „das dürfen wir nicht als Deutsche“.

Gut, aber das sind ja dann verschiedene Personenkreise, weil Linke sind ja im Normalfall nicht fürs Militär und die Schäferhunde.

Ja, aber die Diskussion wird ja nicht nur von Linken betrieben, sondern eben auch von denen, die nichts gegen deutschen Krieg und deutsche Schäferhunde haben.

Schau mal, ich habe auch viel Kritik an BDS. Es ist ein liberales Konzept. Und eigentlich ein Zeichen der Ohnmacht. Weil der Widerstand im Inland so schwach ist, bezieht man sich auf den guten Willen der Konsument*innen im Ausland. Ich meine, Firmen zu schaden, die in Menschenrechtsverletzungen investieren – da kann ich nichts Schlechtes finden und das ist auch nicht besonders neu: Boykott war immer ein Mittel linker Politik. Und auch diese Differenzierung, die da wichtig ist, Institutionen und nicht irgendwelche Privatpersonen zum Ziel zu nehmen, macht BDS ja, wenn auch nicht jeder beliebige BDS-Aktivist in der Welt das wahrhaben will

Also ich würde sagen, dass die fehlende Unterstützung von deutschen Linken da nichts mit der Sprecher*innenposition als Deutsche zu tun hat. Ich denke eher, dass es damit zu tun hat, dass man so klein und so geschlagen in Deutschland ist, dass man dauernd fürchtet, wenn man BDS unterstützt, dann wird man als Antisemit*in abgestempelt und dann kann man selbst in den kleinen Zirkeln, die es gibt, nicht mehr agieren oder sprechen.

Wir machen oft die Erfahrung, dass selbst die Diskussion darüber, ob BDS antisemitisch sei oder nicht schon als antisemitisch abgestempelt wird.

Das finde ich auch perfide und schädlich. Die eigentlich interessanten Fragen wären dabei ja gar nicht spezifisch für Israel, weil auch in Türkei-Boykottkampagnen muss man sich ja fragen: Wie mach ich das, ohne dass es gegen Türk*innen als Türk*innen geht, genauso wie man sich eben bei BDS fragen muss, wie macht man das, ohne dass es gegen Israelis als Israelis oder sogar als Jüd*innen geht. Und die BDS-Leute hier machen das auch. Die gehen ja nicht vor einen x-beliebigen jüdischen Einkaufsladen hier, der koschere Waren aus Israel verkauft. Die machen Kampagnen gegen Adidas oder deutsche Firmen. Israelische Künstler*innen oder Akademiker*innen werden ja auch nicht als solche boykottiert.

Aber das ganze geht ja auch über BDS hinaus. Immer wenn wir über Palästinasolidarität in Deutschland sprechen, passiert das unter der Überschrift: „Ist das Antisemitismus?“ nicht unter dem Stichwort Menschenrechte oder Friedensaktivismus. Und das zielt darauf ab, Diskussionen gleich ganz zu unterbinden. Und Teil dieses Versuchs sind eben auch bestimmte Antisemitismusdefinitionen.

Welche Änderungen erwartest du denn im Diskurs?

Das wird sich in naher Zukunft nicht großartig ändern. Israel ist ein militärisch starker Staat, der weiter bestehen wird. Die Besatzung, Apartheid, Kolonialsituation, wie immer man das nennen wird, wird auch weiter bestehen. Dagegen wird es weiter Widerstand geben. Und Unterdrückte hassen ihren Unterdrücker, genauso hassen umgekehrt Unterdrücker die von ihnen Unterdrückten, also wird die Debatte auch weiterhin feindselig sein. Gleichzeitig wird es auch in Deutschland so sein, dass die jüdische Gemeinde weiterhin Israel als ihren wichtigsten Bezugspunkt sieht und ein großer Teil der deutschen Gesellschaft den Bezug zu Israel als schützenswert als Teil ihrer Identität.

Und die Debatte in der Linken wird auch so weitergehen. Die Linke wird weiter an einer Zwei-Staaten-Lösung festhalten. Aber die ist tot. Wer heute noch auf der Position einer Zwei-Staaten-Lösung verharrt, drückt sich vor der Debatte, weil einfach jeder weiß, das ist keine Option mehr.

Aber zugleich will man nicht über das „Existenzrecht Israels“ debattieren, weil man unterstellt, dabei ginge es immer darum, dass die Jüd*innen das Land verlassen sollen. Diese Position gibt es sicherlich. Es gibt sicher Palästinenser*innen, die gerne keine Jüd*innen mehr im Land sehen würden, so wie es Jüd*innen gibt, die gerne keine Palästinenser*innen mehr im Land sehen wollen. Aber wogegen mit diesem sinnentleerten Begriff „Existenzrecht“ gekämpft wird, sind Linke wie ich zum Beispiel die eine Debatte führen, um eine Änderung des Staates zu einem demokratischen Staat für alle, die dort leben. Man muss die Leute, die ständig das Existenzrecht beschwören, fragen, was sie eigentlich meinen: Das Recht, dass alles so bleibt, wie es ist – also inklusive Apartheid, Besatzung, wie man diese Situation auch nennt? Oder nicht. Weil als Linke ist es natürlich ein sehr wichtiger Punkt darauf zu beharren, zu sagen: Jüdische Israelis haben ein Selbstbestimmungsrecht in Palästina. Das ist ein wichtiger Punkt und das haben sowohl viele Palästinenser*innen wie auch Linke in den 60er- und 70er-Jahren nicht klar gesagt. Darauf kann man bestehen. Aber das ist etwas anderes als das, was als „Existenzrecht des Staates Israel“ verhandelt wird.

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Trotz aller Kritik und Proteste der von den Auswirkungen betroffenen Gemeinden entlang des Tigris geht die Befüllung des umstrittenen Ilisu-Staudamms – ein Großprojekt der türkischen Regierung – weiter. Seit Neujahr hat der Stausee die 12.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf (kurdisch: Heskîf) erreicht, die zu den großartigsten Kultur- und Naturschätzen unseres Planeten gehört.

Seit Juli 2019 sind mindestens 50 Dörfer durch den Ilisu-Stausee überflutet worden. Die Bewohner des Tigris-Tals sind nicht darauf vorbereitet und werden aus ihrer Heimat vertrieben. Eines der überfluteten Dörfer in Hasankeyf ist das Dorf Ewtê.

Der Dokumentarfilm „Siya Avê“ erzählt die Geschichte zweier Frauen, die in Ewtê aufwachsen sind. Die Dreharbeiten für den Dokumentarfilm, der von der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) produziert und vom Journalisten Metin Yoksu geleitet wurde, begannen im August 2019 und dauerten etwa 3 Monate. Der Trailer wurde im Januar veröffentlicht. Auf die Frage, welche Sprache der Doku sein wird, antwortet der Regisseur Metin Yoksu: “In einer Geschichte, die in Kurdistan spielt, kann die Sprache keine andere als kurdisch sein.“ Untertitel wird es auf Türkisch, Englisch und Deutsch geben.

Dilan Karacadag hat mit dem Journalisten und Regisseur Metin Yoksu über die den Dokumentarfilm gesprochen.

Wie ist der Dokumentarfilm „Siya Avê“ entstanden? Was hat dich dazu motiviert, das Thema aufzugreifen?

Seit fast zwei Jahren berichten wir als Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) über den Fall in Hasankeyf. Seit August 2019 werden die Menschen aus Hasankeyf herausgeholt. Mehr als 50 Dörfer sind durch den Stausee überflutet worden – nach unseren Schätzungen, da die türkische Regierungen keine offiziellen Angaben veröffentlicht.

Das Dorf Ewtê, in der meine Mutter aufgewachsen ist, gehört zu den vom Ilisu-Staudamm überfluteten Dörfern in Hasankeyf. Als meine Mutter Firyaz Yoksu das erfahren hat, hat sie aus Trauer ein kurdisches Klagelied (kurdisch: şîn) gesungen. Später erfuhr ich, dass eine andere Frau namens Habibe Saçık, die ebenso ihre Kindheit im selben Dorf verbracht hat, auch ein Klagelied gesungen hat. So begann die Idee diesen sowohl traurigen als auch interessanten Zufall zu thematisieren. Meine Mutter sagte mir, dass sie ihr vor dem Überfluten ihr Dorf zum letzten Mal sehen wollte; so begannen die Dreharbeiten für „Siya Avê“.

Ich hatte nicht die Absicht, einen Dokumentarfilm zu drehen. Wenn es so wäre, hätte ich viel früher mit den Dreharbeiten anfangen. Nach dem Klagelied habe ich mich aber zum Drehen gezwungen gefühlt. Mit diesem Dokumentarfilm will ich mich dem Kampf, Hasankeyf zu retten, anschließen. Auch das war meine Motivation.

Als Journalist berichtest du auch immer wieder über Hasankeyf. Ist Hasankeyf denn überhaupt noch zu retten?

Trotz der Zerstörung im Tigris-Tal können wir die Katastrophe noch stoppen. Auch jetzt noch bedeutet die Aufgabe des Ilisu-Projekts einen Gewinn für uns und die kommenden Generationen. Es muss dazu aufgefordert werden, die Flutung des Ilisu-Staudamms zu beenden. Die Situation ist sehr dringend, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Eines muss gut verstanden werden; auch wenn der Stausee die historische Stadt Hasankeyf erreicht hat, ist es immer noch nicht zu spät, den Kampf gegen die Zerstörung zu führen. Deswegen sollten wir auf keinen Fall aufgeben; wir müssen mit Entschlossenheit den Kampf um den freien Fluss Tigris, kurdisch: Dicle, und Botan fortführen.

Welche Schwierigkeiten hattet ihr beim Dreh der Doku?

Das größte Problem war natürlich die technische Ausstattung. Wir haben mit Kameras, Mikrofonen und Stativen aufgenommen, die wir täglich für unsere journalistische Arbeit gebrauchen. Manchmal mussten wir Drohnenaufnahmen durchführen, da an manchen Orten der Zugang gesperrt oder es nicht möglich war, Aufnahmen zu machen. Doch viel schwieriger war die emotionale Situation; Hasankeyf ist einer der schönsten Orte in Kurdistan. Daher war es schwierig, über die Zerstörung einer 12.000 Jahre alten Geschichte zu drehen. Man muss sich das so vorstellen; wenn wir von Hasankeyf ins Tigris-Tal und von dort aus zum Botan-Tal schauen, sprechen wir von einer Fläche von fast einem Drittel Nordkurdistans.

Metin Yoksu wurde 1987 im Dorf Bêlek im Stadtteil Kurtalan in Siirt geboren. Zuletzt arbeitete er in der Nachrichtenagentur Mezopotamya als Korrespondent in Istanbul, Batman und Siirt.

Was hat dich während den Dreharbeiten am meisten beeindruckt?

Seit zwei Jahren erlebe ich viel mit und habe mir unzählige Geschichten angehört. Die Gräber meiner Vorfahren wurden vor meinen Augen geöffnet. Die Werte meines Volkes wurde vor meinen Augen geplündert. Ich musste zusehen, wie die schönsten Flüsse Kurdistans zerstört wurden. Die wunderschönen Bäume Kurdistans wurden vor meinen Augen durch die Überflutung unter Wasser gesettzt. Manchmal kamen mir die Tränen hoch.

Auf was hast du bei den Dreharbeiten geachtet?

Hauptsächlich achte ich darauf, nur das aufzuzeichnen, was ich sehen, ohne etwas vorher zu planen. Drauf los zu drehen und ohne am Natürlichen etwas zu ändern. Leider muss ich hier einige Filmemacher kritisieren, die versuchen, ihre eigene Vorstellung von der Sache zu drehen. Das Zerstörte sollte man nicht als Projekt ansehen. Denn das wäre eine gefährliche Haltung.

Kannst du das detaillierter erklären?

Die meisten „Dokumentarfilmer“ sind vor kurzem hierher gekommen, um ein Projekt aus Hasankeyf zu produzieren. Sie betrachten es als Projekt. Noch gefährlicher ist, dass einige wie ein hungriger Wolf darauf warten, dass die Stadt durch die Überflutung untertaucht, damit sie ein „großes Projekt“ erstellen können. Ich könnte sagen, dass sie sich fast freuen würden, denn denen geht es nicht um Werte, die vernichtet werden und für die man kämpfen sollte. Geschichte und Natur Hasankeyfs brauchen einen Kampf, kein Projekt.

Wer hat außer Ihnen an der Produktion mitgewirkt?

Der Dokumentarfilm ist Ergebnis einer kollektiven Arbeit. Hinter der Kamera stand Akif Özalp, Fiktion und Montage gehört Erhan Karahan, der Berater des Doku-Films ist Ali Ergül. Abgesehen von ihnen gibt es natürlich noch mehrere, die mich unterstützt und geholfen haben.

Wann ist die erste Vorführung? Und wird der Film auch in Europa gezeigt?

Die erste Vorführung findet am 16. Februar um 19:00 Uhr im Ahmet Güneştekin Kulturzentrum der Gemeinde Batman statt. Wir ziehen natürlich die europäischen Filmvorführungen in Betracht. Aber eigentlich ist es unsere Priorität, ihn in kurdischen Städten zu zeigen. Wir wollen Vorführungen von Rojava bis Hewler organisieren. Da der Damm auch Kurden in Südkurdistan betrifft, würden wir uns auf eine Einladung aus Südkurdistan besonders freuen.

Die Vorführungen sowohl in Europa als auch auf der ganzen Welt sind uns aber auch wichtig, da wir diese Grausamkeit der ganzen Welt zeigen wollen. Wir möchten die Stimme Hasankeyfs werden, damit wir es noch retten können.

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Ein Diskussionsbeitrag von kollektiv aus Bremen

Seit einigen Monaten flammt weltweit eine neue Welle von Massenprotesten auf: Ob im Sudan, Haiti, in Ecuador, Chile, Kolumbien, Guinea, dem Irak, Libanon, dem Iran, Frankreich oder anderswo. Überall gehen Massen von Menschen auf die Straßen. Sie kämpfen gegen ständig steigende Preise von Bustickets und Benzin, gegen die permanente Verteuerung von Grundnahrungsmitteln und das unaufhörliche Steigen der Mieten, sie protestieren gegen Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne und sie prangern die unzureichende Gesundheitsversorgung und die teuren Bildungssysteme an. Ihre Wut richtet sich dabei auch gegen eine korrupte politische Elite, die als verlängerter Arm von Unternehmen und einer kleinen Oberschicht agiert, an ihrer Macht unbeirrt festhält und in die eigene Tasche wirtschaftet, während die Masse der Menschen in Armut versinkt. Kurz gesagt: Die Proteste in den unterschiedlichen Ländern richten sich gegen die Auswirkungen von über 30 Jahren neoliberaler Politik der gezielten Verarmung der Massen, sie richten sich gegen Korruption und Unterdrückung. Hinzu kommen wachsende Mobilisierungen von Frauen*, zum Beispiel in der Türkei, die nicht nur gegen patriarchale Unterdrückung und Gewalt kämpfen, sondern häufig auch eine zentrale Rolle in den Massenprotesten einnehmen. Die Antwort der Regierungen auf die Proteste ist überall die selbe: Tränengas, Schlagstöcke, Massenverhaftungen, Folter, Vergewaltigung, das Verschwindenlassen bis hin zur gezielten Ermordung von Demonstrant*innen1.

Die Ähnlichkeit der Proteste ist kein Zufall, sondern macht deutlich, dass sich das gesamte kapitalistische System in einer tiefen Krise befindet, von der die Länder des Globalen Südens am stärksten betroffen sind. Aber nicht nur sie. Was bedeuten also die Proteste für linke Kräfte in den kapitalistischen Zentren?

Aktiver Internationalismus

Internationalismus ist über viele Jahre in der radikalen Linken – abgesehen von einigen Ausnahmen – eher in Vergessenheit geraten. Es schien als sei internationale Solidarität (als auch Anti-Imperialismus) ein Relikt aus alten Zeiten, das für die eigene Praxis kaum noch eine Rolle spielt. In den letzten Jahren hat sich dies erfreulicherweise verändert. Mit den Krisenprotesten von 2010/2011, dem sogenannten Arabischen Frühling, den Entwicklungen in Rojava und den jüngsten Massenaufständen richtet sich auch der Blick vieler Linksradikaler wieder stärker in die Welt.

Dabei stellt sich die Frage, was wir eigentlich unter Internationalismus und internationaler Solidarität verstehen. Und: Wie kann diese Solidarität hier praktisch gelebt und organisiert werden?

Wir denken, dass in der Gleichzeitigkeit und der Ähnlichkeit der aktuellen (oder zukünftiger) Massenproteste eine Möglichkeit liegt, hierzulande die Grundlagen für einen neuen lebendigen Internationalismus zu schaffen. Einen Internationalismus, der aus einer Dynamik von unten entsteht, der eine langfristige Perspektive entwickelt und der strategisch mit der Frage der Gesellschaftsveränderung verbunden ist. Dieser Internationalismus, den wir als „aktiven Internationalismus“ bezeichnen, umfasst vor allem zwei wesentliche Aspekte: die Solidaritätsarbeit mit emanzipatorischen Bewegungen und Massenprotesten weltweit einerseits2 und anderer seits die Entwicklung und Stärkung von internationalistisch geprägten Kämpfen von unten in den und gegen die imperialistischen Zentren selbst. Beide Aspekte sind dabei miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Was meinen wir damit?

Internationalismus als strategische Notwendigkeit

Die gängige internationale Solidaritätsarbeit erschöpft sich häufig in der bloßen Solidarität mit und der Unterstützung von emanzipatorischen Bewegungen oder Massenprotesten weltweit. Sie wird entweder von denjenigen getragen, die sich speziell als Solidaritätsgruppen einer bestimmten Bewegung verstehen, oder von Gruppen/Einzelpersonen, die sich anlassbezogen damit beschäftigen. Internationalismus wird jedoch häufig auf diese Form der Solidaritätsarbeit reduziert oder mit ihr gleich gesetzt. Fast immer wird sie lediglich als ein weiteres politisches Feld betrachtet, das relativ getrennt von der eigenen lokalen Praxis und den Kämpfen vor Ort steht.

Internationalismus ist aber mehr. Im zunehmend global organisierten Kapitalismus und vor dem Hintergrund der weltweit erlebbaren Auswirkungen imperialistischer Politik ist Internationalismus keine bloße ‚moralische‘ Verpflichtung oder ein zusätzliches politisches Prinzip oder Aktionsfeld, sondern vielmehr strategische Notwendigkeit für eine tägliche Praxis der Gesellschaftsveränderung. Denn die Lebensbedingungen in Ländern des Globalen Südens aber auch die Unterdrückung von emanzipatorischen Bewegungen und Massenprotesten kann nicht getrennt von der Politik der kapitalistischen Zentren und ihrer Interessen betrachtet werden3. Deshalb ist die Entwicklung von antikapitalistischen und internationalistischen Kämpfen innerhalb dieser Zentren selbst ein wichtiger Bestandteil einer globalen revolutionären Perspektive4.

Eine „aktive“ internationalistische Praxis sollte sich daher an der Frage orientieren, wie die potentiellen Subjekte in den Zentren selbst gegen die kapitalistische und imperialistische Herrschaft mobilisiert und damit entfaltet werden können. Wichtige potentielle Subjekte im Kampf für eine grundlegende Gesellschaftsveränderung sind in der BRD ebenjene Menschen, die aus anderen Ländern geflüchtet oder migriert sind und/oder in zweiter, dritter Generation hier leben. Sie sind strukturell am stärksten von prekären Arbeits- und Lebensbedingungen betroffen: sie stellen die Mehrheit derjenigen, die in Leiharbeit oder mit deregulierenden Werkverträgen schuften, in schlechten Wohnverhältnissen leben oder in abgehängten Stadtteilen wohnen, in denen es kaum noch öffentliche Infrastruktur gibt. Gleichzeitig sind sie vom zunehmenden Rassismus und Nationalismus der Dominanzgesellschaft betroffen und damit – alltäglich und strukturell – diversen Diskriminierungs- und Exkludierungserfahrungen ausgesetzt. Ihre Einbindung in den nationalen Klassenkompromiss ist daher schwieriger. Aus diesen Gründen sind (Post)Migrant*innen, Geflüchtete, (Black) Persons of Colour und andere Markierte/Exkludierte wichtige potentielle Subjekte in der Entwicklung von anti-imperialistisch, anti-rassistisch und internationalistisch ausgerichteten Kämpfen gegen die kapitalistische Herrschaft5.

Wenn wir davon ausgehen, dass für einen strategisch ausgerichteten Internationalismus beide Faktoren – die Solidaritätsarbeit und die Entwicklung von Kämpfen vor Ort – unerlässlich sind, stehen wir vor folgenden Fragen: Wie kann eine organische Verbindung von internationalistischer Solidaritätsarbeit auf der einen mit der Entwicklung von Kämpfen von unten in den/gegen die kapitalistischen Zentren selbst auf der anderen Seite aussehen? Was bedeutet eine solche Verbindung für die Form und Ausrichtung von Solidaritätsarbeit?

Klassische Solidaritätsarbeit

Klassische Solidaritätsarbeit folgt meist der auf- und wieder abflammenden Dynamik der weltweiten Proteste und Bewegungen. Breite Aufmerksamkeit und Beteiligung erfährt sie häufig vor allem dann, wenn die Situation an den jeweiligen Orten akut und die Repression hoch ist oder wird. Aus diesen Gründen umfasst klassische Solidaritätsarbeit vor allem öffentlichkeitswirksame Aktionen, die die Aufmerksamkeit – leider häufig nur für begrenzte Zeit – auf die so skandalisierten Verhältnisse in einem internationalen Kontext lenken. Diese sind wichtig und notwendig, um die von den Mainstream-Medien meist ignorierten oder verzerrt dargestellten Bewegungen sichtbar und verstehbar zu machen und Anknüpfungspunkte aufzuzeigen. Außerdem haben Solidaritätsaktionen das Potential, den konkret Kämpfenden vor Ort eine wichtige Stärkung zu sein.

In der gängigen Solidaritätsarbeit liegt der Fokus der Öffentlichkeitsarbeit jedoch häufig darin, bürgerliche und zivilgesellschaftliche Teile der Gesellschaft erreichen und zu einer Positionierung bewegen zu wollen, um so indirekten Druck auf die politisch Verantwortlichen auszuüben oder eine Diskursverschiebung „von oben“ zu erreichen6. Die Methoden sind daher dieselben, die auch in anderen politischen Aktionsbereichen der radikalen Linken verbreitet sind: Kampagnen, öffentlichkeitswirksame Aktionen und Bündnisse mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften etc. Das birgt zum einen die Gefahr, dass die Argumentationen und Begründungen an den bürgerlichen Diskurs angepasst werden, was klassischerweise zu dem Appell an die Bundesregierung führt, wahlweise die Menschenrechte, die Demokratie, das Völkerrecht etc. zu achten oder ihre NATO-Partner zur Räson zu bringen. Dabei wird die Rolle der Bundesregierung bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Ursachen weltweiter Missstände sowie der Unterdrückung von widerständigen Bewegungen verschleiert. Zudem werden falsche Hoffnungen an eine „richtige“, weil moralische Politik geweckt bzw. das Zerrbild der guten westlichen Demokratie verfestigt – gerne auch im Gegensatz zu den autoritären Regierungen in den Ländern, in denen die Proteste / Bewegungen stattfinden und unterdrückt werden. Zum anderen bleibt diese Form der Solidaritätsarbeit meist auf linksradikale und maximal intellektuell-bürgerliche oder zivilgesellschaftliche Kreise der Mehrheitsgesellschaft begrenzt.

Zwei Aspekte der Solidaritätsarbeit im Rahmen eines aktiven Internationalismus

Aus dieser Kritik lassen sich zwei Aspekte benennen, die für die Verbindung von konkreter Solidaritätsarbeit mit einer weiterreichenden internationalistischen Perspektive wichtig sind: 1) die kritische Vermittlung der Rolle der BRD im jeweiligen Kontext und 2) die Ausrichtung auf eine Solidaritätsbewegung „von unten“.

Anstatt Forderungen oder Appelle an politische Verantwortliche oder die Bunderegierung als Ganzer zu formulieren, halten wir es für zielführender in der Solidaritätsarbeit die Rolle der Bundesregierung bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der skandalisierten Verhältnisse sowie der erlebten Unterdrückung heraus zu arbeiten und zu vermitteln. Dadurch kann der Tendenz entgegen gewirkt werden, dass die jeweiligen Verhältnisse in anderen Ländern isoliert von der hiesigen Politik (der Metropolländer) betrachtet werden und das Entsetzen über die Verhältnisse „dort“, die Zufriedenheit mit der guten Demokratie „hier“ stärkt. Diese Tendenz besteht gleichermaßen bei Personen, die keinerlei Verbindungen zu anderen Ländern haben als auch bei Menschen, welche die Unterdrückung offen autoritärer Staaten selbst oder über Familienverbindungen erlebt haben oder noch miterleben. Denn nicht selten wird auch von „fortschrittlich“ denkenden Personen aus Ländern wie dem Irak, Iran, Äypten etc. die Errichtung einer bürgerliche Demokratie am Beispiel der Bundesrepublik als Ziel ihrer widerständigen Bestrebungen definiert. Um diese Illusionen zu zerstören und der bürgerlichen Demokratie ihre humanistische Maske zu entreißen, ist eine wichtige Aufgabe revolutionärer Kräfte in der internationalistischen Solidaritätsarbeit, die direkten Verbindungen zwischen der Politik/den Interessen der Bundesregierung und den unterdrückenden Verhältnissen andernorts aufzuzeigen. Darüberhinaus bietet sich insbesondere in Phasen weltweiter Massenproteste die Möglichkeit, die zugrundeliegenden politischen und wirtschafltichen Ursachen heraus zu arbeiten und Verbindungen zu den Folgen derselben Politik auch innerhalb der Bundesrepublik zu ziehen.

Auf der anderen Seite erachten wir es als notwendig, die Solidaritätsarbeit in den „akuten“ Phasen (ebenso wie allgemein die eigene lokale Praxis7) darauf auszurichten, eine Dynamik „von unten“ zu erzeugen, anstatt primär auf zivilgesellschaftliche Bündnisse und die Intervention in den bürgerlichen Diskurs zu fokussieren. Das bedeutet konkret, vorwiegend („fortschrittlich“ denkende) Menschen aus den jeweiligen Communities zu mobilisieren und für die Solidaritätsarbeit zusammen zu bringen. Zeiten weltweiter Aufstände und Massenproteste bieten hierfür eine gute Möglichkeit. Denn durch die Flucht- und Migrationsbewegungen der letzten sieben Jahrzehnte leben in der Bundesrepublik eine Vielzahl von Menschen, die direkte Bezüge zu den jeweiligen Massenprotesten in Ländern wie Irak, Iran, Libanon, Chile, Ecuador, Kolumbien, Sudan, Guinea und möglichen zukünftigen Protesten haben und von deren Dynamiken beeinflusst werden. Viele von ihnen verfolgen die Entwicklungen vor Ort über soziale Medien und stehen in direktem Kontakt mit Angehörigen und Freund*innen, um deren Wohl und Leben sie fürchten (müssen). Die Dynamik der Proteste bewegt und politisiert also.

Gleichzeitig macht der herrschende alltägliche Rassismus und die strukturelle Ausgrenzung es Exil-Linken und politisch bewegten Einzelpersonen schwer, in der bundesdeutschen Dominanzgesellschaft politisch aktiv zu werden und so ihrer Solidarität mit den Aufständen in den Herkunftsländern – aber auch der eigenen Wut über die unhaltbaren Zustände – einen öffentlichen Ausdruck zu geben. Die wenigen Solidaritätsaktionen, die organisiert werden, bleiben meist auf die eigene Community beschränkt und werden darüber hinaus kaum wahrgenommen.

Aufbau internationalistischer Plattformen

Eine Möglichkeit, diese Isolation und Trennung aufzubrechen, sehen wir darin, gezielt Orte zu schaffen, an denen Aktivist*innen sowie politisch unorganisierte, aber bewegte Einzelpersonen aus den unterschiedlichen Communities zusammenkommen, ihre Erfahrungen mit den und Wissen über die jeweiligen Massenprotesten austauschen und gemeinsam Solidarität organisieren können. Diese Orte bezeichnen wir als internationalistische Plattformen.

Damit so eine internationalistische Plattform lebendig und dynamisch wird, reicht es nicht, ein Bündnis aus politischen Organisationen oder linken Gruppen ins Leben zu rufen. Dieses läuft Gefahr, sich in ideologischen Auseinandersetzungen zu verlieren und abstrakt oder hohl zu bleiben. Vielmehr geht es darum, innerhalb der einzelnen Communities zu mobilisieren und dadurch auch eine Vielzahl von Menschen zu erreichen, welche die Ereignisse erstmal „nur“ wegen der direkten oder indirekten Betroffenheit bewegen8. Das ist, was wir als Dynamik „von unten“ bezeichnen. Einen Ausgangspunkt hierfür kann zum Beispiel die Organisation einer internationalen Podiumsdiskussion bilden, auf der Menschen aus den unterschiedlichen Communities über die jeweiligen Proteste berichten. (In Bremen gelang es uns, Menschen aus oder mit Bezug zu Kolumbien, Chile, Irak, Iran und Guinea zu einer gemeinsamen Podiumsveranstaltung einzuladen. In den Vorträgen wurden die Ähnlichkeiten der Situation in den unterschiedlichen Ländern sichtbar gemacht – sowohl was die Zusammensetzung, die Methoden und die Forderungen der Massenproteste angeht, als auch die massive Repression und Unterdrückung.) Diese geteilte Erfahrung und erlebte Gemeinsamkeit kann als Bezugspunkt für einen weiteren Austausch und Kennenlernprozess genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Organisation von gemeinsamen Solidaritätsaktionen wie beispielsweise Kundgebungen oder Demonstrationen, bei der die unterschiedlichen Communities zusammen kommen. So kann ein gemeinsamer Raum gestaltet werden, an dem eine emotional-politische Verbindung zu den konkret Kämpfenden hergestellt, den Getöteten gedacht und dem Schmerz wie auch der Wut ein kollektiver, öffentlicher Ausdruck verliehen wird.

Der Aufbau einer internationalistischen Plattform ist ein langfristiger Prozess. Ziel ist es, einen kontinuierlichen Ort zu schaffen, der in der Lage ist Menschen aus verschiedenen Communities in einer Stadt zusammen zu bringen. Durch die gemeinsame Solidaritätsarbeit können Kontakte geknüpft, Verbindungen geschaffen und Vertrauen aufgebaut werden. Gleichzeitig entsteht dadurch ein Raum, in dem über die gemeinsamen Ursachen der unterschiedlichen Proteste diskutiert, Verbindungen zur eigenen Lebenssituation hergestellt und ein Verständnis über die Notwendigkeit gemeinsamer Kämpfe in der hiesigen Gesellschaft geschaffen werden kann. Im besten Fall wird die gemeinsam organisierte Solidaritätsarbeit dadurch zum Ausgangspunkt für eine weitergehende Beteiligung auch am Aufbau von kämpferischen Strukturen rund um Lohnarbeit, Wohnen, Reproduktion, Rassismus und so weiter. In diesem Sinne ist der Aufbau internationalistischer Plattformen strategisch und organisch mit revolutionärer Basisarbeit wie der im Stadtteil oder Betrieb als lokaler Praxis verbunden.

#Titelbild: ROAR Magazine/P2P Attribution-ConditionalNonCommercial-ShareAlikeLicense

1 Im Irak wurden in den ersten zwei Monaten der Proteste schätzungsweise über 450 Personen von Sicherheitskräften erschossen, über 20.000 teilweise schwer verletzt. Im Iran werden erst mit der Zeit die Ausmaße der Unterdrückung bekannt, Schätzungen reichen von 500 bis über 1000 Toten. In Chile verloren über 350 Menschen durch Tränengaskartuschen, die in die Demonstrationen gefeuert wurden, ihr Augenlicht. Mehr als 23 Menschen starben während der Proteste.

2 Sowie der Austausch und die konkrete Vernetzung

3 Sowohl die Durchsetzung und Verschärfung kapitalistischer Ausbeutungsbedingungen wird verstärkt von diversen imperialistischen Staaten vorangetrieben (wie z.B. über bi- oder multinationale Freihandelsabkommen, Aufrechterhaltung postkolonialer Abhängigkeitsstrukturen wie z.B. dem Franc CFA, Durchsetzung von günstigen Bedingungen der Rohstoffausbeutung sowie des Zugangs zu Rohstoffen etc) als auch die Durchsetzung direkter imperialistischer Methoden und Interessen (militärische Interventionen, direkte oder indirekte Kriegsführung, etc.). Auch die Unterdrückung wird zunehmend globalisiert (Polizeiabkommen, Ausbildungsprogramme, Transfer von Sicherheits- und Überwachungstechnologien, Rüstungsexporte etc.).

4 Diese Verbindung gilt selbst innerhalb der EU, in der die Bundesregierung eine zentrale Rolle einnimmt. So beeinflusst die Abwesenheit von größeren Kämpfen gegen die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft innerhalb der BRD direkt die Lebens-, Arbeits- und Kampfbedingungen in Ländern wie Griechenland und Frankreich.

5 Auch wenn natürlich der Einfluss nationalistischer und rassistischer Kräfte und Ideologien auch bei migrantischen Communities ein wichtiges Problem sind.

6 Obwohl die Erfahrung zeigt, dass selbst breite Mobilisierungen wie z.B. die Demonstrationen und vielfältigen Aktionen nach den Angriffen der türkischen Armee auf Rojava, den Kurs und die Politik der Bundesregierung nicht zu ändern vermögen.

7 Siehe ausführlicher dazu 11 Thesen über Kritik an linksradikaler Politik, Organisierung und revolutionäre Praxis von kollektiv aus Bremen, u.a. zu lesen bei https://de.indymedia.org/node/9708

8 Wenn es darum geht, Menschen zu solchen Plattformen einzuladen, gibt es dennoch Grenzen: So würden wir z.B. Personen mit starken nationalistischen oder politisch religiösen Einstellungen oder Verbindungen zu ebensolchen Organisationen nicht einladen.

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Im Norden und Osten Syriens hat sich in den vergangenen Jahren ein basisdemokratisches, sozialistisches Rätesystem etabliert. Die kurdische, arabische, christliche und assyrische Bevölkerung erkämpfte sich ein Zusammenleben auf demokratischen Prinzipien, Gleichberechtigung der Frauen und kooperativer Wirtschaft. Doch die Türkei, zusammen mit islamistischen Terrorgruppen bedroht dieses Zusammenleben. Felix Anton hat den Prozess im Norden Syriens lange begleitet. Derzeit lebt und arbeitet er in Til Temer. Wir haben mit ihm gesprochen und ihm Leser* innenfragen gestellt.

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Pünktlich zum derzeitigen vom türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan in Nordsyrien geführten Krieg gegen das selbstverwaltete Rojava zeigen deutsche Behörden, was sie dem Diktator aus Ankara noch anzubieten haben: die Kriminlisierung und Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung.

Am 25.10.2019 begann in Berlin Schöneberg der Prozess gegen eine feministische kurdische Politikerin, angeklagt wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129b, konkret der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Die ganze Nummer wirkt wie abgesprochen – als würde das BKA seine Verfolgung von Kurd*innen hierzulande direkt an die Bedürfnisse der AKP-Diktatur anpassen.

Getroffen hat es Yildiz Aktaş, eine 51jährige kurdische Aktivistin, welche schon in der Türkei und auch in Deutschland gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und für deren Recht auf Selbstbestimmung, Bildung und finanzielle Unabhängigkeit kämpfte. Dass sie den türkischen Repressionsbehörden deswegen ein Dorn im Auge war und ist, liegt auf der Hand. Deswegen wurde sie stetig verfolgt, saß das erste Mal mit 12 Jahren im Knast in Dyarbakir und wurde gefoltert. 2012 entschied sie sich deswegen, die Türkei zu verlassen und floh nach Deutschland. Sie erhielt Asyl, lebt seitdem in der BRD und führt die Kämpfe, welche sie in der Türkei führte, hier weiter.

Yildiz wurde wegen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt. Seit 1993 ist für die PKK in der BRD ein Betätigungsverbot verhängt. Jede*r, der*die innerhalb der PKK aktiv ist, macht sich dementsprechend nach deutschen Recht strafbar. Zusätzlich wird die PKK auf der EU-Terrorliste geführt. Die Grundlage für die Kriminalisierung von PKK-Aktivist*innen ist dementsprechend schon lange gegeben. Die Verfolgung betrifft vor allem angebliche Führungskader der PKK. Sie erstreckt sich aber beispielsweise auch auf Demonstrationen, wenn übermotivierte Bullen kurdische Aktivist*innen mit PKK Fahnen angreifen, verprügeln und manchmal auch in Knäste stecken. Der Prozessauftakt gegen Yildiz untermauerte diese Verfolgung und Kriminalisierung noch einmal mit einer anderen Intensität.

Am ersten Prozesstag beantragten die Verteidiger*innen eine Unterbrechung des Verfahrens. „Die Begründung hierfür liegt im ihrem an das Bundesjustizministerium gerichteten Brief, in dem sie darlegen, warum dieses die sogenannte Verfolgungsermächtigung gegen Yildiz zurücknehmen sollte. Erst diese Ermächtigung erlaubt es den Behörden, in solch einem 129b-Verfahren umfassend zu ermitteln, zu überwachen und zu verfolgen. Gegen die PKK gibt es eine generelle Verfolgungsermächtigung, in Yildiz´ Fall wurde noch eine ‚Einzelverfolgungsermächtigung` ausgestellt. Die Begründung der Verteidiger*innen bezieht sich auch auf den aktuellen Angriffskrieg der Türkei gegen die selbstverwalteten Gebiete in Nordost-Syrien (Rojava), sowie auf die Menschenrechtslage in der Türkei.“, so die Soligruppe von Yildiz. Die Beweisaufnahme solle „bis zur Entscheidung des Bundesjustizministeriums darüber, ob die von ihm erteilte Verfolgungsermächtigung gegen angebliche Führungskader der PKK, noch angemessen und politisch haltbar sei, unterbrochen werden“.

Reaktion des Gerichtes am 29.10.19? Antrag abgelehnt! Begründung: es wäre wohl unklar, ob solch ein Antrag gegen die Einzelverfolgungsermächtigung gegen Yildiz Erfolg haben könnte. Und bevor eine Entscheidung des Bundesjustizministeriums abgewartet wird, heißt es dann im Gerichtssaal: weitermachen mit der Verfolgung! Das bedeutet, dass der Prozess mindestens bis zur Entscheidung des Bundesjustizministeriums mit der gängigen antikurdischen und pro-türkisch-faschistischen Haltung geführt wird.

Das zeigte sich dann am zweiten Prozesstag auch insofern, als kaum ein Wort über türkische und IS-Angriffe auf Gebiete der Kurd*innen und insbesondere Rojava fällt. Geladen ist Michaela Müller, Kriminalhauptkommissarin des BKA – eine alte Bekannte aus PKK-Prozessen.

Hier ist sie seit 1994 angestellt, seit 2008 für „politisch motivierte ausländische Kriminalität“ und deswegen auch für die Verfolgung vermeintlicher Mitglieder der PKK zuständig. 2012 – 2017 erstellte sie wohl eine Chronologie über die PKK, wobei sie wohl „Anschläge und Aktionen“ dokumentierte. Ihre selbsternannte „Recherche“ bezog sich dabei fast ausschließlich auf die Internetseite der HPG (Verteidigungskärfte der PKK). Von der Struktur der kurdischen Bewegung habe sie, selbstredend, keine Ahnung. Sie würde lediglich Anschläge zählen. Im Endeffekt kann man sich ihre Arbeit nach ihren Aussagen so vorstellen, dass sie 2013-2017 vorm Computer saß, Bekenner*innenschreiben las, übersetzen ließ und mit der Maus auf einer Homepage hoch und runter scrollte.

In dem dreistündigen Prozess wird dann ausschließlich von „Angriffen“ von Kurd*innen gesprochen. Zwar wird erwähnt, dass es in der Zeit von 2013-2017 auch „Gefechte“ gab, diese würden im Prozess aber wohl nicht einbezogen werden. Bei den sogenannten „Gefechten“ handelt es sich wohl um türkische Angriffe, bei welchen „sich die HPG verteidigte“ , so Müller.

Schon die Ablehnung des Antrages der Verteidigung durch das Gericht stand symbolisch für die deutsche Unterstützung und Legitimation des von Erdogan geführtes Krieges gegen die Kurd*innen, der Sprech der BKA Angestellten Müller verdeutlicht diese noch einmal mehr. Zur Erinnerung: im gesamten Zeitraum von 2013-2017 griffen der Islamische Staat und die Türkei immer wieder gezielt kurdische Gebiete an, um einen gemeinsamen Genozid an den Kurd*innen zu begehen. Inwiefern dementsprechend ein angeblicher „Angriff der Kurd*innen“ auch eine „Verteidigung gegen den Faschismus“ darstellt, wird natürlich nicht diskutiert. Im Gegenteil: durch die juristische Verdreherei eines realen Krieges wird Erdogan geschützt, kurdische Strukturen kriminalisiert.

Um natürlich aber auch die Hexenjagd nicht zu vergessen, fragt die Staatsanwaltschaft gezielt danach, ob sich Frauengruppen der HPG in der Zeit von 2013-2017 auch zu Anschlägen bekannt haben, was Müller bejaht.

Die gezielte faschistische Prozessführung seitens Richter, BKA-Beamtin und Staatsanwaltschaft gegen kurdische Frauengruppen der PKK wird dann schlussendlich mit der Aussage Müllers getoppt, dass laut ihrer Recherche die HPG mehr Verletzte und Getötete vorweisen könne als die türkische Regierung. Logisch ist das allemal: nach der Türkei wird ja auch nicht gefahndet, die Mordzahlen in ihrer Verantwortung also auch nicht gezählt.

Auch am vierten Prozesstag wurde ein Zeuge des BKA vernommen, Kriminalhauptkommisar Herr Becker. Er hat sich wohl jahrelang durch die Strukturakten der PKK gewühlt, aber auch er scheint „erstaunlich wenig Hintergrundwissen zu haben“, so die Soligruppe in einer Pressemitteilung. Von 2003 bis 2018 „schien er eigentlich nur zu wissen, wann sich welche Organisation wie umbenannt hatte und wie sie strukturiert war. In dem gesamten Zeitraum hat er sich weder mit der inhaltlichen Ausrichtung der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, (Stichwort Paradigmenwechsel) noch mit der politischen Einordnung in die Situation vor Ort beschäftigt.“ Bei der Frage, wer den Anschlag von Suruç 2015 verübt hat, überlegt er zunächst länger und antwortet dann nicht konkret mit den Verantwortlichen, sondern mit: „Die PKK vermutete eine Komplizenschaft der Türkei mit dem IS.“ Weiterhin sagen ihm die Begriffe „Zwangsumsiedlungen“ und „Verschwindenlassen“ nichts.

Und so wird auch an diesem Prozesstag verleugnet, dass die Türkei in Zusammenarbeit mit dem IS einen Krieg gegen die Kurd*innen führt, wieder wird die PKK verantwortlich für alles Übel gemacht.

Die Verleugnung eines von der Türkei geführten Krieges und gleichzeitiges absolutes Desinteresse für Betroffene, wie zum Beispiel Yildiz Aktaş, charakterisieren das gesamte Verfahren. Am dritten Prozesstag wird von den Verteidiger*innen der Angeklagten der erste Teil ihrer Prozesserklärung vorgelesen. In dieser schildert sie ihre Lebensgeschichte, welche „von Gewalt und Folter, Kriminalisierung als Kurdin und Unterdrückung als Frau durch die Familie geprägt ist – sowie von feministischen Kämpfen und Solidarität durch andere Frauen“, fasst die Soli-Gruppe zusammen. Was die Prozessbeobachter*innen berührt, erschüttert und bei ihnen Gänsehaut auslöst, lässt das Gericht offensichtlich eiskalt. „Die Richter*innen blicken zu Yildiz, schauen weg, schauen in die Luft, machen sich Notizen. Die Situation wirkt grotesk.“, so die Soligruppe.

Während Yildiz über die Grausamkeiten des Putschregimes, über ihre Inhaftierungen, Gewalterfahrungen, Folterungen und die feudal-patriarchale Gesellschaft in der Türkei der 1980er sowie der darauffolgenden Jahre bis zu ihrer Flucht nach Deutschland spricht, muss es den Beobachter*innen grotesk vorkommen, dass ausgerechnet sie die Angeklagte im Raum ist. „Für uns drängt sich die Frage auf: Wer sind hier eigentlich die Terrorist*innen, wer wird so bezeichnet und warum?, so die Soligruppe.

# Solidaritätsaktionen für Yildiz werden immer noch von viel zu wenigen Aktivist*innen besucht und getragen. Informiert euch hier über den Fortgang des Prozesses und Termine: https://freiheit-yildiz.com/

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Am 02.11.2019, dem -World Resistance Day- kamen tagsüber mehr als 10.000 Menschen zusammen, um in Berlin gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei auf Nordost-Syrien Widerstand zu leisten. Bei einer weiteren Demonstration am Abend, setzten rund 2.000 Menschen ein Zeichen gegen die Stadt der Reichen und den Erhalt von alternativen Wohn- und Kulturprojekten. Beide Demonstrationen bezogen sich klar auf Rojava und riefen zum Widerstand gegen Krieg und Faschismus.

#Titelbild: Po Ming Cheung

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Der 2. November ist World Resistance Day, der weltweite Tag des Widerstandes. In mehr als 16 Ländern werden insgesamt mehrere Hunderttausend Menschen in Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung und der Revolution in Rojava auf die Straße gehen. Das ist großartig. So wie der Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung großartig und schön ist. Und weil es um Widerstand und Rojava geht, will ich die Gelegenheit nutzen, um von ein paar zufällig ausgewählten Menschen zu erzählen, die ich in meiner Zeit dort kennenlernen durfte. Es sind keine berühmten Menschen. Ihre Namen und Gesichter kennt man nicht aus den Hochglanzmagazinen, den Zeitungen oder aus den Talkshows.

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Es sind Menschen wie Mussa Doschka, den ich Anfang 2017 im südkurdischen Suleymaniya traf. Ich war mit einer internationalistischen Gruppe auf dem Weg nach Rojava. Mussa wollte so gerne, aber konnte noch nicht rüber. Er hatte Arbeit zu tun, durfte nicht weg. Mussa sprach nur Kurdisch. Ich sprach noch kein Wort Kurdisch. Also mussten wir mit uns mit Händen und Gestiken verständigen.

Mussa mochte uns komische Ausländer sichtlich. Er kam immer an, drückte uns ganz fest. Dann zeigte er auf seinen Bauch und sagte: Doschka. Er zeigte auf mich und sagte: Tu jî Doschka. Doschkas, das sind die russischen DschK- Maschinengewehre, sehr schwer und mit viel Rückstoß, grauenhaft laut. Ich verstand: Mussa wollte sagen, wir zwei, er und ich, eignen uns wegen der Statur sehr gut zum Doschka-Schützen. Ein paar Tage blieben wir zusammen. Dann ging es für mich los, Mussa blieb. Und mit ihm sein Traum, hinter einer Doschka zu stehen, der er auch seinen Nachnamen verdankte. Zum Abschied schenkte er mir ein großes scharfes Klappmesser mit einer Gravur. Als bîranîn, Erinnerungsstück.

Als ich dann sieben Monate später, irgendwann am Ende des Sommers 2017 in Qamislo eine Freundin ins örtliche Krankenhaus fahren musste, hatte ich Mussa Doschka längst vergessen. Zu viele Dinge waren geschehen, zu viele Menschen hatten meinen Weg gekreuzt. Am Eingang zum Krankenhaus stand ein kräftiger junger Mann, starrte mich an und sein Mund verzog sich breit nach oben. Er lachte, so dass man alle Zähne sah. Ich begann schon reflexartig zu lachen und auf ihn zuzulaufen, bevor ich noch ganz begriffen hatte, wer das eigentlich ist. Es war Mussa. Er war Doschka-Schütze geworden, ganz wie er es sich gewünscht hatte. Und er hatte ein paar Schrapnells im Bauch, von Gefechten gegen den Islamischen Staat. Ich fragte ihn, wie es ihm gehe. Er sagte nur: tişt nabe, kein Ding, und lachte. Er wollte so schnell wie möglich wieder an die Front.

Ich konnte nur kurz mit Mussa reden, jetzt wo wir eine gemeinsame Sprache hatten. Er erzählte mir von seiner Verletzung und wie gut sie schon verheilt war. Ich erzählte ihm, was ich in der Zwischenzeit so getrieben hatte. Zehn Minuten, mehr hatten wir nicht. Aber obwohl wir vielleicht alles in allem drei, vier Tage miteinander zu tun hatten, war da eine große Verbundenheit. In der Revolution ist das eine der wunderbarsten Sachen: die Freundschaft entsteht oft ohne viele Worte. Ohne lange Debatten. Sie speist sich daraus, auf der selben Seite zu stehen. Man muss sich nicht viel erklären.

Das Messer von Mussa Doschka trat wie die meisten Erinnerungsstücke eine lange Reise an. Ich behielt es über meine gesamte Zeit in Rojava. Als ich nachhause fuhr, gab ich es meinem Genossen Paramaz, der es mit nach Afrin nahm. Und als er zurückkam, gab er es an einen anderen Genossen weiter. Und so hat es bis heute seinen Platz in der Revolution und manchmal überlege ich, wie witzig es wäre, wenn es irgendwann wieder bei Mussa Doschka landet.

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Im Sommer 2017 habe ich meine militärische Ausbildung im Jesdiengebiet Sengal bei einer Servanen Nû, einer Kriegsschule der Jesidischen Verteidigungseinheiten YBS gemacht. Zu irgendeiner Art Special-Forces-Soldat bin ich dabei nicht geworden, aber es war eine gute ideologische Schule und vor allem eine in der Kunst des Zusammenlebens in einer Revolution. Die Mischung unseres Lehrgangs war bunt. Zwei Deutsche – so sehr wir uns bemühten übermäßig privilegiert, weil in einem Land ohne Krieg und mit Schulen, mehr oder minder intakten Familien und der Sicherheit, nicht einfach auf der Straße erschossen zu werden, aufgewachsen. Und eine Handvoll jesidisch-kurdischer junger Männer aus feudalen Haushalten. Unser Kommandant, Sehid Mahir Sengali, hielt den Laden zusammen und brachte uns wirklich viel bei. In jeder Hinsicht war er wie ein großer Bruder für uns.

Einer der jesidischen Jugendlichen dort war Heval Renas. Gerade 18 Jahre alt, nie lesen oder schreiben gelernt, zuhause geprügelt worden, ohne eigentlichen Rückhalt in der Familie, bitter arm. Renas hatte völlig verlernt, sich selbst oder andere ernst zu nehmen, hatte keinerlei Ziele in diesem Leben. Er machte nur Blödsinn, sehr zum Ärgernis aller anderen. Er fuchtelte mit der Waffe, zeigte mit dem Lauf auf andere, redete andauernd wirres Zeug. Aber Mahir mochte ihn. Und wir anderen mochten ihn auch. Wenn er es uns auch schwer machte, weil er uns mehrmals beinahe aus Versehen umbrachte. Einmal, als er aus Unvorsichtigkeit unseren Wassertank mit dem dreckigen, öl- und metall- und gottweißwassonstverseuchten Wasser, das nur zum Waschen der Autos oder des Bodens taugte, angefüllt hatte und wir alle erst nach mehreren Gläsern bemerkten, dass doch nicht das normale Chlor so komisch schmeckt, wurde Renas zum Gegenstand einer Selbstkritik- und Kritiksitzung samt Strafe. Es war die schwerste Strafe, die in unserer Ausbildung vorkam: Zigarettenentzug, drei Tage. Renas war am Boden zerstört, er rauchte sehr gerne.

Aber er begann, sich Gedanken zu machen. Und Mahir gab ihn nie auf. Ich habe mich oft gefragt, wie unsere deutsche Linke wohl in der Lage wäre, Menschen wie Renas eine Perspektive zu geben. Die kurdische Bewegung jedenfalls konnte das. Renas wurde aufmerksamer, hörte gelegentlich auch mal bei den achtstündigen in 50 Grad Hitze abgehaltenen Schulungen zur Geschichte der Befreiungsbewegung zu.

Es ging bergauf mit ihm. Dennoch, als wir die Ausbildung abschlossen, hätte jeder gewettet, dass Renas den Weg vieler armer Jugendlicher geht: Schnell noch das Gewehr mitnehmen, um es zu verscherbeln und weg. Monate später, kurz vor unserer Rückreise nach Deutschland kamen wir zwei Deutschen wieder in den Sengal. Wir trafen natürlich unseren Kommandanten Mahir zu einem Anstandbesuch bei Tee und Sonnenblumenkernen. Und was war passiert: Zwei andere aus unserem Jahrgang waren abgehauen. Aber Renas stand auf seinem Posten und war jetzt zu einem der Verteidiger des Sengal geworden.

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Nach der militärischen Ausbildung ging ich zurück in zivile Arbeiten. Ich blieb zwei Monate in der Kommune in Rojava, bevor ich weiterzog nach Raqqa. Davor hatte ich eigentlich eine Heidenangst. Aber ich hatte viele Menschen getroffen, die mit so viel Mut und Entschlossenheit bei der Sache waren, dass ich mir selbst nicht mehr sagen konnte, es sei okay, nicht zu gehen. Sehr beeindruckt hatte mich zum Beispiel eine Internationalistinnen, die sich bei uns im Zentrum von ihren Verletzungen erholte.

Heval Dilan kam aus Kanada nach Rojava. Und sie arbeitete in der YPJ als Frontsanitäterin. Ein knochenharter Job. Ich kann mich noch an ein Gespräch mit einer anderen Genossin erinnern, die auch Frontsanitäterin war, bevor wir im Spätsommer nach Raqqa aufgebrochen sind. Sie wies uns notdürftig in erste lebenserhaltende Maßnahmen bei Schußwunden ein: „Wenn du Blut siehst, wenn einer einen Treffer hat, müsst ihr ihn von oben bis unten abtasten. Gebt euch nicht damit zufrieden, wenn ihr ein, zwei Löcher findet. Oft sind es mehrere. Und tastet wirklich alles ab, wir hatten oft große Löcher im Oberschenkel innen.“ Drei Stunden hörten wir uns die Fallbeispiele an: Menschen, denen der Kiefer fehlte, denen ein Stück Kieferknochen in der Luftröhre steckte; Bauchschüsse, bei denen Gedärme austreten; zur U-Form verkrüppelte Beine mit herausstehenden Knochen. Für die Frontsanitäterinnen war das Alltag.

Heval Dilan hatte genau diese Arbeit verrichtet. Und dann hatte sie einen schweren Autounfall. Als sie bei uns ankam, wirkte sie manchmal kaum ansprechbar. Dilan hatte eine schwere Gehirnerschütterung. Sie konnte kaum gehen, wenn sie aß, erbrach sie. Morgens sah sie aus wie aus einer Folge von walking dead. Ich dachte oft: Würde es mir so gehen, ich würde versuchen, so schnell wie möglich nachhause zu kommen. Doch Dilan dachte gar nicht daran. Sie wollten nach Raqqa, dann nach Deir ez-Zor. Am besten sofort. Und weil es so viele Menschen wie Dilan gab, wurde es auch für die ängstlicheren wie mich schwieriger, den eigenen Befindlichkeiten nachzugeben.

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Die drei – Mussa, Renas und Dilan – sind völlig zufällige Beispiele für den alltäglichen Heroismus der Revolution in Rojava. Geschichten wie die ihren sind Alltag in Rojava. Es ist eine Revolution, die nur deshalb solange bestehen konnte, weil tausende Menschen den Fortgang dieses Projekts über ihr eigenes Wohlergehen, über ihr persönliches Geschick stellten. Das aber ist letztlich die Bedeutung von Widerstand. Er hört nicht da auf, wo es unbequem zu werden droht. Er fängt dort erst an. Denn er speist sich aus der empfundenen Einsicht, dass ein Leben auf Knien kein Leben sein kann.

Die Revolution in Rojava und die kurdische Befreiungsbewegung haben vielen Menschen diese Einsicht wieder ins Gedächtnis gerufen. Und sie hat ihnen eine Heimat gegeben, die auf keinem Territorium, sondern in den eigenen Köpfen liegt. Wenn wir zum 2. November auf die Straßen gehen, um den World Resistance Day zu begehen, protestieren wir nicht nur gegen die Kriegsverbrechen und das vom Feind begangene Unrecht. Wir feiern auch die Schönheit dieses Widerstandes.

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Spiegel Online brachte heute einen ausführlichen Text über den Vorschlag von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, eine deutsch geführte „Sicherheitszone“ im Norden Syriens einzurichten. Der Artikel muss dann natürlich, so viel diktiert der journalistische Ethos, noch die Meinung eines Kurden einholen. Auftritt: Ali Ertan Toprak. Der Sprecher der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) findet den Vorschlag dufte. Soweit so gut.

Das kleine Problem: Ali Ertan Toprak ist zwar Kurde. Aber er ist kein Sprecher jener kurdischen Bewegung, die im Norden Syriens aktiv ist. Das erwähnt der Artikel nicht. Was Ali Ertan Toprak aber ist, ist Mitglied der CDU. Auch das erwähnt der Artikel nicht.

Toprak zählt, wenn es um irgendetwas mit Bezug auf Kurden geht, zu den beliebtesten Interviewpartnern großer Medien in Deutschland. Und das, obwohl seine KGD nur eine sehr kleine Minderheit der Kurd*innen in Deutschland repräsentiert, und noch dazu nicht für jene politische Bewegung sprechen kann, die den Befreiungskampf in Kurdistan selbst führt. Die haben hierzulande eigene Vertretungen, die noch dazu wesentlich mehr Menschen umfassen als die KGD: Kon-Med (früher Nav-Dem) heißt der Zusammenschluss dieser kurdischen Vereine, Civaka Azad heißt ihr Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Auch dort könnte man anrufen, die Telefonnummer steht im Internet. Aber: Diese Kurd*innen mag man nicht gern, denn sie sind weder in der CDU, noch machen sie andauernd Werbung für den deutschen Staat und seine Institutionen – schon weil dieser sie verfolgt.

Journalistisch ist die Dauerbeschallung mit Ali Ertan Toprak ein Taschenspielertrick – und dazu ein rassistischer. Man würde ja nie auf die Idee kommen, wenn man etwas von der SPD will, irgendeinen Deutschen, sagen wir Dieter Bohlen, einzuladen, weil eh alle Deutschen gleich sind. Oder wenn man die Position der syrischen Regierung erfahren will, den Sprecher irgendeiner irakischen Oppositionspartei – weil sind ja beide Araber und ist ja eh alles dasselbe.

Seit Jahren tun sich die deutschen Medien schwer zu verstehen, dass es auch bei Kurd*innen – welch´ Wunder – verschiedene Parteien gibt, verschiedene politische Einstellungen. Es gibt feudale Parteien wie die südkurdische KDP, sozialdemokratische wie PUK, und dutzende Parteien, die den Ideen Abdullah Öcalans anhängen. Sätze wie „Wir liefern Waffen an die Kurden“ – wenn man die KDP im Nordirak meint -, sind einfach absurd, schon weil diese Waffen dann gegen andere, jesidische Kurd*innen eingesetzt wurden.

Nach Jahren der Berichterstattung über diese Region müsste ein so einfacher Merksatz wie „Kurd*innen sind auch normale Menschen und es gibt bei ihnen unterschiedliche Parteien“ eigentlich in das letzte Redakteurshirn vorgedrungen sein. Insofern ist es einfach bewusste Irreführung der Leser*innenschaft, wenn man Ali Ertan Toprak andauernd kommentarlos als Sprecher für Angelegenheiten einlädt, in denen man eine*n Vertreter*in von Kon-Med interviewen müsste.

# Titelbild: wikipedia

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Vom 1. bis zum 9. September 2019 fand, in Unterlüß bei Celle, das zweite Rheinmetall Entwaffnen Camp statt. Mehrere hundert Menschen haben sich hier zusammengefunden um die Waffen- und Munitionsfabriken des Rüstungskonzerns Rheinmetall zu Blockieren. Erfolgreich wurden so, zwei Tage lang, die Abläufe gestört. Wir waren dabei und wollen unsere Eindrücke teilen.

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Die taz druckt viele schlechte Texte. Gerade unter ihren Kolumnen und Kommentaren findet sich so dermaßen viel Schmarren, dass man sich eigentlich schämen müsste, eines dieser Machwerke herauszugreifen und als besonders grauenvoll auszuzeichnen. Dennoch, ein Textchen hat es sich heute mal wieder verdient.

Der Auftakt einer neuen Kolumnenreihe der Autorinnen Cemile Sahin und Ronya Othmann beschäftigt sich mit (um es gleich zu sagen: erfundenen) Projektionen der deutschen Linken auf das Revolutionsprojekt in Nordsyrien, kurdisch: Rojava.

Das Fazit der Autorinnen am Ende des Textes: „Die Kurden sind keine kämpfende Folkloretanzgruppe, sondern eine politisch, religiös und gesellschaftlich heterogene Ethnie im Nahen Osten.“ Nein? Echt? Krasse, steile These. Dass nie irgendwelche deutsche Linken, die vor dieser bahnbrechenden Erkenntnis vierzig Zeilen lang beschimpft und gedemütigt werden, irgendwas anderes behauptet haben, stört die beiden renommierten Middle-East-Kennerinnen nicht. Im Gegenteil widerlegen sie sogar ihren eigenen Blödsinn in einem Nebensatz, wenn sie bemängeln, dass deutsche Linke eben Barzani-Kurdistan nicht mögen. Warum wohl? Ja, weil man eben nicht mit einer Ethnie, sondern mit einer politischen Bewegung solidarisch ist.

Aber derlei Kritik geht ohnehin fehl. Denn um kritische Bewertung von linker Politik geht es dergleichen taz-Kolumnen nicht. Das Beweisziel des ganzen Bla-Blas ist nicht die sensationelle Einsicht, dass Kurden eine „heterogene Ethnie im Nahen Osten sind“. Sondern dass „die deutsche Linke“ (e.V.) gar nicht wirklich solidarisch ist, weil sie sich nur wahlweise ein „Pfadfindercamp für Ferienkommunismus“ wünscht, „antiimperialistische Sehnsüchte“ hegt und eigentlich gar nicht anders ist als die AfD, die vom „wilden Kurdistan“ in Berlin fabuliert.

Das Geschreibsel ist so inhaltsleer wie überheblich. Der Platz zwischen den Werbeeinschaltungen wird gefüllt mit Knallerweisheiten aus dem postmodernen Intellello-Satzbaukasten: „Krieg ist nicht eindimensional lesbar“, man muss „zuallererst die festgeschriebenen Narrative verstehen“ und: „Zuschreibungen gibt es nicht nur von links, sondern auch von rechts.“

Man liest das, versteht, die beiden Autorinnen haben weder von Kurdistan, noch von der deutschen Linken irgendeine Ahnung (oder verstecken beides gekonnt) und merkt: Darum geht es auch nicht. Denn das arrogante Geraune hat zum einzigen Ziel, sich selbst durch die Konstruktion einer Popanz-Linken irgendwie als besonders cool zu inszenieren. Es geht nicht um eine Kurskorrektur eines tatsächlich vorhandenen Mangels. Es geht nicht darum, zu diskutieren oder zu streiten. Es geht darum, sich irgendeine eigene Projektionsfläche zu basteln, die Leute anklicken. Und „die deutsche Linke“ ist da ein so billiger wie willkommener Hans Wurst.

Bis dahin ist das alles Business as Usual im Hipster-Laden an der Dutschke-Straße. Und eigentlich nicht der Rede wert. Aber der Text ist leider nicht nur das übliche billige Linkenbashing, das zum Kerngeschäft der taz gehört. Er ist auch unterirdisch schäbig. Denn indem er die gesamte deutsche Linke über einen Kamm schert, greift er direkt auch jene an, die im Kampf für die Revolution in Rojava oder in den Bergen Kurdistans in den letzten Jahren gefallen sind: Ivana Hoffmann, Günter Hellstein, Kevin Jochim, Anton Lesek, Sarah Handelmann, Jakob Riemer, Michael Panser.

Sie alle waren keine Kurd*innen. Sie alle waren Teil dieser Revolution, die eben – auch wenn die kurdische Befreiungsbewegung in ihr eine Avantgarde-Rolle spielt – keine ethnische Angelegenheit ist. Was man auch lernen könnte, indem man gelegentlich Verlautbarungen aus der Region liest – wenn einem schon die Verpflichtungen am Deutschen Literaturinstitut Leipzig oder an der Akademie der Künste Berlin nicht die Zeit lassen, mal hinzureisen.

Ivana, Günter, Kevin, Anton, Sarah, Jakob und Michael sind Beispiele für einen Internationalismus, der das verstanden hat. Und sie sind nicht aus Spaß „durch die Berge gehoppelt“, wie die Design-Studentin aus Wiesbaden und die Dichterin aus Freising in der mittelmäßigen deutschen Scheißzeitung unken. Sondern sie sind mit der Waffe in der Hand in Verteidigung von etwas gefallen, was ihnen wichtig war. Sie für ein paar Clicks und eine Runde Aufmerksamkeit mit Zeilengeld zu beleidigen, ist ekelhaft.

#Titelbild: wikimedia commons

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Am 14. Dezember 2018 fiel der deutsche Internationalist Michael Panser, Kampfname Bager Nûjiyan, bei einem Bombardement der türkischen Luftwaffe gegen Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den Gebirgsregionen des Medya-Verteidigungsgebiets an der irakisch-türkischen Grenze.

Auf kurdisch gibt es viele Namen für den Wind. Bager ist einer davon und es ist der Wind, der um sich selbst wirbelt, der Tornado. Der Wind, der sich scheinbar aus dem Nichts seine Form gibt und sich auflösen und neu zusammensetzen kann. „Nûjiyan“ heißt „neues Leben“.

Beide Namen sind sicher kein Zufall. Ich durfte mit Bager Nûjiyan im Frühling und Sommer 2017 einige Monate in Westkurdistan, Rojava, gemeinsam verbringen. Und eine der Eigenschaften, die ich mit ihm verbinde, ist genau dieser Wunsch, sich selbst neu zu erschaffen. Und am besten alle anderen gleich mit. Xêlil, wie Bagers Kampfname damals noch lautete, war, als ich mit anderen neuen Freund*innen in Rojava ankam, einer von denen, die uns begrüßt, eingewiesen und aufgefangen haben.

Er gehörte zu jenen Menschen, die ständig von den ganz großen Fragen umgetrieben werden. Und er war, wie das Abdullah Öcalan mal über sich selbst sagte, ein „Wahrheitssucher“. Einer der ständig liest, sich überlegt, was an dem gelesenen dran ist und es dann anderen weitererzählt. Er war ein ausgezeichneter Kenner der Geschichte politischer und philosophischer Theorien und fest davon überzeugt, dass diejenige, die Abdullah Öcalan in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, eine echte Perspektive für gelingendes gesellschaftliches Leben bieten. Und wie das so ist mit jemandem von diesem Schlag konnte man ausgezeichnet und bis an die Grenze des Wutausbruchs mit ihm streiten. Aber Streiten in jenem Sinn, der heute schon viel zu oft verloren ist und bei dem es nicht um irgendwelche kleinlichen persönlichen Vorlieben, irgendwelche Kränkungen kleinbürgerlicher Eitelkeiten geht. Sondern um Sachen, die eben wichtig sind und bei denen man deshalb verbissen argumentiert, weil man das noch erkennt.

Ich erinnere mich an eine auf den ersten Blick schräge Kombination an Literaturtipps, die er mir gab. Von buddhistischen Schriften über harten Politkram bis Sci-Fi und Märchen war alles dabei. Ich verdanke Xelil so nicht nur meine im Vergleich zu seinen beschämenden Kurdischkenntnisse, sondern auch eine seit damals anhaltende Liebe zu Douglas Adams. Er erklärte die Philosophie Abdullah Öcalans mit Zitaten aus Winnie Puh, riet mir, unbedingt und unverzüglich die Lektüre des „Hitchhiker‘s Guide to Galaxy“ nachzuholen, die ich sträflich vernachlässigt hatte, und ließ keine Gelegenheit aus, Walter Moers zu loben, dem wir unser gesamtes Wissen über Zwergpiraten, Wolperdinger und Eydeeten verdanken. Jack London‘s „Iron Heel“ stand genauso auf Xelîls Empfehlungsliste dringlich zu verschlingender Werke wie „Herland“ von Charlotte Perkins Gilman.

Das mag vielleicht alles irgendwie komisch wirken – denn wer fährt schon in ein Kriegsgebiet, um sich dann fünf Bände „Hitchhiker‘s Guide to Galaxy“ oder die Abenteuer von Walter Moers‘ Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz auf einem E-Reader reinzuziehen? Aber es ist bei genauerer Betrachtung eigentlich recht logisch. Die Revolution weitet den Blick auf das Zukünftige, das Noch-Nicht-Seiende, Utopische in einem guten Sinn. Auf die tausenden unrealisierten Möglichkeiten in diesem und den parallelen Universen.

Im übrigen passt dann am Ende doch immer alles zusammen und so kann auch der Lindwurm Hildegunst ganz gut etwas dazu beisteuern, um uns zu verdeutlichen, was Menschen wie Xelîl antreibt. „Diese Geschichte handelt von einem Ort, an dem das Leben noch ein Abenteuer ist“, kündigt der heranwachsende Hildegunst zu Beginn der „Stadt der träumenden Bücher“ an. Er warnt die Leser: Die Kamillenteetrinker, die das Risiko nicht eingehen wollen, für eine gute Geschichte ihr Leben zu verlieren, sollen erst gar nicht weiter lesen. Ihnen wünscht Hildegunst ein langes und sterbenslangweiliges Dasein. „Jede Reise hat ihren Anlaß, und meiner hat mit dem Wunsch zu tun, aus den gewohnten Verhältnissen auszubrechen“, sagt der angehende Dichter trotzig und macht sich auf den Weg, um sich mit überdimensionalen Würmern, menschenfressenden Spinnen und allerhand sonstigen Fabelwesen zu messen. Hildegunst sucht das Orm, die Kraft der Kreativität der begnadeten Dichter, jene Inspiration, „die einen die ganze Nacht wie im Fieber schreiben und einen tagelang an einem einzigen Satz feilen lässt.“

Und auch Xelîl war kein Kamillenteetrinker. Er wusste um das Risiko des Lebens, das er gewählt hatte und er hat es dennoch gewählt, weil ihm die Dauer des Hierverweilens nicht so wichtig schien wie das Herausfinden dessen, warum und zu welchem Zweck man eigentlich hier verweilen soll.

Und weil er aus eben den gewohnten Verhältnissen ausbrechen wollte, in denen wir als deutsche Linke immer noch dahintümpeln. Er wollte das nicht für sich, individuell. Sondern in der festen Überzeugung, dass nur durch den Austausch und das Zusammenkommen mit einer wirklich revolutionären Bewegung auch in der westlichen Linken irgendetwas vorangehen kann.

Er fiel im Krieg gegen die menschenfressenden Spinnen. Gewonnen haben die aber dennoch nicht, denn er hatte ja sein Orm schon lange vorher gefunden und sie sind halt nichts als Spinnen. Wer weiß, wie gerne und wie bewusst er genau da war, wo er war, der wird nicht traurig darüber sein. Traurig kann man über die sein, die das Abenteuer der Suche nach dem Orm nie anfangen.

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Im Nordirak und in der Südtürkei greift die türkische Armee kurdische Gebiete an. Erdogans Feldzug könnte sich auch auf das nordsyrische Rojava ausweiten.

Die Kamera zeigt einen steinigen Hügel. Langsam kriecht ein LKW die enge Schotterstraße hinauf. „Hazir bê“, mach dich bereit, sagt eine Stimme auf kurdisch. Und wenig später: „Bitaqine“, lass es explodieren. Der LKW verschwindet in einer Wolke aus Feuer und Staub. Die Erklärung der kurdischen Volksverteidigungskräfte HPG im Abspann des Videos bilanziert: Drei türkische Soldaten sind bei der Aktion getötet worden.

Anschläge wie diesen in der kurdischen, im Südosten der Türkei gelegenen Provinz Hakkari (Colemêrg) sind derzeit häufig. Die Guerillakräfte der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) veröffentlichen fast täglich die Ergebnisse der Aktionen und Gefechte: Am 16. Juli griff die Frauenguerilla YJA-Star einen Wachposten einer Militärbasis bei Bajêrgan an; am 18. Juli wurden im Gebiet Dola Çingene türkische Soldaten von zwei Seiten angegriffen, die von Transporthubschraubern im Gelände abgesetzt werden sollten; am 19. Juli starben bei einer Sabotageaktion in Şirnex eine ungeklärte Anzahl an Besatzungsoldaten.

Die Schwerpunkte der aktuellen Kämpfe erstrecken sich rund um das türkisch-irakische Grenzgebiet, von den Provinzen Şirnex und Colemêrg bis weit in den Süden, auf irakisches Territorium. Dort versucht Ankara sich seit mehreren Monaten festzusetzen und – ähnlich wie seit Anfang 2018 in der nordsyrischen Kurdenprovinz Afrin – ein Terrorregime gegen die lokale Bevölkerung zu errichten.

Operation Klaue“

Ende Mai begann, so ist türkischen Regimezeitungen zu entnehmen, die Militäroperation „Klaue“, deren Ziel die „Auslöschung“ der kurdischen Befreiungsbewegung in den gebirgigen Regionen zwischen dem Irak und der Türkei ist. Dort liegen die sogenannten „Medya-Verteidigungsgebiete“, die als Hauptquartier der seit 40 Jahren gegen NATO und türkischen Kolonialismus kämpfenden kurdischen Befreiungsbewegung. „Diese Gebiete sind Stützpunktgebiete der Guerilla, aber sie sind vor allem das ideologische Herz der Partei“, erklärt Özgür Pirr Tirpe, ein Vertreter der kurdischen Revolutionären Jugendbewegung „Tevgera Ciwanên Şoreşger“ (TCS) gegenüber dem LCM. „Hier werden die Kader*innen ausgebildet. Strategische Zentren sind hier ebenfalls angesiedelt. Seit mehr als 30 Jahren nutzt die Bewegung diese Berge in Südkurdistan als Hauptquartier und Rückzugsgebiet zugleich.“

Irakisch-türkisches Grenzgebiet auf einer Karte der türkischen Propagandamedien – Gare, Metina, Zap, Xakurke zählen zu den von der PKK gehaltenen Gebieten

Die türkische Regierung weiß: Wenn sie diese Berge nicht knacken kann, kann sie die militärische, letztlich genozidale „Lösung“ der Kurdenfrage nicht umsetzen, die sie zum eigenen Machterhalt braucht. Deshalb steht dieses Gebiet seit Jahren unter Dauerbombardement der Luftwaffe. Doch allein durch Drohnen und Kampfjets ist den Guerillakämpfern nicht beizukommen. Ein weit verzweigtes Höhlensystem und jahrzehntelange Erfahrung im Konflikt mit der NATO-Armee garantieren die Sicherheit der PKK-Kämpfer*innen.

Deshalb verheizt die Türkei in regelmäßigen Abständen Soldaten beim Versuch, auch am Boden in die Medya-Verteidigungsgebiete einzudringen. „Die Region ist schwer zugänglich und äußerst bergig. Dementsprechend war es für die türkische Armee auch nie möglich, hier vollständig einzudringen. Es war immer nur möglich einzelne Hügel zu besetzen, aber unter dem Druck der HPG-Gerila mussten sie sich immer wieder zurückziehen“, sagt Özgür Pirr Tirpe.

Dementsprechend setzt sich auch die Strategie der derzeit laufenden, direkt im Anschluss an „Operation Klaue“ begonnenen „Operation Klaue 2“ aus verschiedenen Elementen zusammen. Der Luftraum wird andauernd mit Drohnen überwacht, Kampfjets bombardieren alles, was sich bewegt – meistens Zivilist*innen aus den Dörfern rund um die umkämpften Regionen. Gleichzeitig versuchen Hubschrauber Spezialeinheiten auf Hügeln abzusetzen, die dort Stützpunkte errichten sollen. Die allerdings haben oft eine relativ kurze Halbwertszeit, bevor die Guerilla sie wieder einreißt oder sprengt.

Kurdische Kollaborateure

Hauptschauplatz dieses Kampfes ist die Region Xakurke (Hakurk) im Nordirak. Und hier kommt eine weitere Kraft ins Spiel: Die „Demokratische Partei Kurdistans“ (KDP). Die eng mit Deutschland, den USA und der Türkei verbundene Gruppe herrscht in Teilen der Kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak. Basierend auf einem feudalen Clansystem lebt sie vom Ausverkauf der Ressourcen des Landes, stets bereit den ausländischen „Partnern“ jeden Dienst zu erweisen, der ihr die Macht über die eigene Bevölkerung sichert.

„Die KDP beschreibt sich selbst als patriotisch-nationalistische Partei die für die Freiheit Kurdistans kämpfen würde“, lacht Özgür Pirr Tirpe. „Tatsache aber ist, dass diese Partei in den letzten 16 Jahren der Herrschaft des Barzani-Clans nichts anderes war, als ein die Bevölkerung ausbeutendes Machtinstrument. Das gesamte Ölgeschäft, welches einen Großteil des Reichtums Südkurdistans darstellt, ist in den Händen dieser Familie zentralisiert. Auch sämtliche Posten innerhalb der KDP bleiben innerhalb der Familie Barzani.“

Der Barzani-Clan unterhält indes enge ökonomische Beziehungen zum Erdogan-Regime in der Türkei. Die Sprösslinge des Clans sind häufig in Ankara zu Gast. Und im Gegenzug für die Gunst der AKP-Diktatur hilft die KDP, wann immer sie kann, bei den Angriffen auf andere kurdische Parteien, insbesondere jenen, die der PKK nahe stehen. Derzeit stellt die KDP Stützpunkte ihrer Peschmerga-Truppen der türkischen Armee zur Verfügung, lässt türkische Soldaten frei in den Städten der Kurdischen Autonomieregion operieren und deckt den türkischen Geheimdienst MIT.

Unter der Ägide der KDP wurde in den vergangenen Jahren der Nordirak zu einem Gebiet, in dem es keine eigenen Hoheitsrechte mehr gibt. Die Türkei kann – auf dem Boden wie in der Luft – kommen und gehen, wie es ihr beliebt. Genau das dürfte ohnehin eines der Ziele der Besatzungsoperation sein: Das Erdogan-Regime hat mehr als einmal erklärt, es möchte sich Gebiete des früheren osmanischen Reichs wieder angliedern. Und dazu gehört eben auch die heute umkämpfte Region.

Ausweitung auf Nordsyrien?

Der Feldzug Erdogans könnte sich in naher Zukunft erneut ausweiten. Das erklärte Ziel der türkischen Regierung ist es, die Selbstverwaltungszone im Norden Syriens, die unter dem Namen Rojava internationale Bekanntheit erlangte, zu vernichten. Mit der seit 2018 andauernden Besatzung in einem Teil dieses Gebiets, dem nordwestsyrischen Afrin, begann dieser Angriff. Doch auch die verbleibenden Provinzen zwischen Kobane und Derik möchte die Türkei besetzen. Dass sie das bislang nicht konnte, liegt an den internationalen Konstellationen in Syrien: Die Interessen der USA und Russlands, von Damaskus und dem Iran ergaben bisher keinen Spielraum für einen Einmarsch.

Die Türkei beschießt zwar regelmäßig über die Grenze kurdische Dörfer und Städte, rüstet Islamisten auf, die Terroranschläge durchführen und setzt Felder in Brand, um die Bevölkerung zu vertreiben. Doch ihr Wunsch, einzumarschieren und sich das Gebiet einzuverleiben, blieb bislang ohne Genehmigung aus Russland oder den USA.

Dennoch könnte, so sind sich die kurdischen Verbände in Syrien einig, bald ein Vorstoß aus dem Norden drohen. Die Volksverteidigungseinheiten YPG und die Frauenverteidigungseinheiten YPJ bereiten sich auf den Krieg vor. Und das multiethnische Militärbündnis SDF (Demokratische Kräfte Syriens), das der Selbstverwaltung in Nordsyrien unterstellt ist, kündigte an, im gesamten Grenzgebiet der Türkei zu Syrien zurückschlagen zu wollen, sollte Ankara angreifen.

Auch Özgür Pirr Tirpe hält das Szenario nicht für allzu unwahrscheinlich: „Derzeit sieht es so aus, als könnte sich der bisherige Krieg niederer Intensität zu einem Krieg hoher Intensität entwickeln.“

Autoren: Peter Schaber und Hubert Maulhofer

Bildquelle: ANF

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Ji bo bîranîna Şehîd Şiyar Gabar

Der deutsche Internationalist Jakob Riemer (Şiyar Gabar) aus Hamburg ist vor fast genau einem Jahr, am 9. Juli 2018, in Çarçella, einer Region des Zagros-Gebirges, bei einem Luftangriff der türkischen Armee gefallen. Zu seinem Gedenken fanden zum 1. Todestag Gedenkveranstaltungen und Plakataktionen statt. Berliner Aktivistinnen des Widerstandkomitees nahmen seinen Todestag zum Anlass, ihm in Form eines Wandbildes zu gedenken. Wir haben sie dabei begleitet.

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Das Konterfei des kurdischen Revolutionärs Abdullah Öcalan dürfte mittlerweile weiten Kreisen der politischen Linken in der Bundesrepublik bekannt sein. Und das obwohl deutsche Behörden verbieten, es in der Öffentlichkeit zu zeigen. Deswegen kommt es regelmäßig zu Gerichtsprozessen, weil Genoss*innen sich nicht untersagen lassen wollen, das Bild des seit 1999 in Isolationshaft sitzenden schnauzbärtigen Mannes auf Demonstrationen zu tragen.

Der Genosse hat nun allerdings nicht nur ein Gesicht, sondern auch einen Kopf und zwei Hände. Und mit diesen schreibt er seit Jahrzehnten Bücher, die hierzulande immer noch viel zu wenig gelesen werden. Einige von diesen Büchern sind jetzt neu erschienen, nachdem vorherige Auflagen von der Polizei beschlagnahmt wurden und der sie herausgebende Mesopotamienverlag gleich komplett verboten wurde. Der Münsteraner Unrast-Verlag hat in den vergangenen Monaten Werke neu herausgegeben und der zweite Band des »Manifest der demokratischen Zivilisation« erscheint gerade zum ersten Mal in deutscher Sprache.

Theorie um der Praxis willen

Man kann nur sagen: Holt euch diese Bücher und lest sie! Gründe dafür gibt es viele, aber einer der wichtigsten ist, dass sie Theorie im Handgemenge sind. Es gibt Bücher, die werden geschrieben, damit der*die Autor*in etwas auf den Büchermarkt werfen kann, weil irgendein Jahrestag droht, jemand seine Uni-Karriere vorantreiben oder sich Anerkennung verschaffen will.

Und es gibt Bücher, die sollen Orientierung in einem Kampf geben, in einer wirklichen Auseinandersetzung. Zu letzterer Kategorie gehören eigentlich alle Klassiker. Rosa Luxemburg oder Kwame Nkrumah, Lenin oder Võ Nguyên Giáp schrieben nicht, weil sie sich einen geilen Vertrag bei Suhrkamp erhofften oder um bei einer Cocktailparty die eigene Publikationsliste vorzutragen. Sie schrieben, um einzugreifen. Sie schrieben als Teil einer Bewegung und vergegenwärtigten deren politische Praxis. Und sie schrieben für die Popularisierung von deren ideologischer Linie.

Öcalan gehört in diese zweite Kategorie revolutionärer Schriftsteller*innen. Seine Schriften waren vom Beginn seines Lebens als Revolutionär der Versuch, seiner Bewegung eine theoretische Grundlage zu geben. Diese Überlegungen fanden immer in konkreten historischen Situationen statt. Und weil spätestens mit den beginnenden 1990er-Jahren zu dieser Wirklichkeit auch das Scheitern des mit der Oktoberrevolution begonnenen sozialistischen Versuchs gehörte, formulierte er sie nach seiner Verhaftung 1999 auch zunehmend als Kritik am Staatssozialismus und den traditionellen antikolonialen Bewegungen.

Öcalans These ist: Sozialdemokratie, Sozialismus/Kommunismus und auch die verschiedenen antikolonialen Bewegungen haben im 21. Jahrhundert eine „klare Niederlage“ gegen Kapitalismus und Liberalismus erlitten. Und wer nicht in der Lage ist, diese Niederlage wirklich zu begreifen, werde auch in der nächsten Runde gegen Staat und Kapital K.O. gehen.

Was Öcalan schreibt, ist für jede*n, der*die aus irgendeiner dieser Traditionen kommt, zunächst einmal ärgerlich. Und es ist manchmal ungerecht. Einige von Öcalans Kritiken an Marx etwa sind selbst mit größten Sympathien schwer nachzuvollziehen. Andere dafür gehen ans Eingemachte. Lässt man sich darauf ein seine Überlegungen verstehen zu wollen, öffnet sich eine Welt anregender Gedanken. Das Ärgernis wird produktiv für den eigenen Versuch, Revolution neu zu denken.

Und das gerade auch, weil sein Neuanfang einer von der Wurzel an ist. Er sagt nicht einfach, der Sozialismus ist gescheitert, weil diese oder jene taktische Entscheidung falsch war oder man in der Industrieplanung zwei Tonnen Stahl zu viel verbaut hat. Die Niederlage hat ein Fundament in der historisch-philosophischen Basis. Sogar die radikalste Kritik des Kapitalismus, die von Marx ausgehende Tradition, sei – so seine These – noch viel zu sehr in der Denkweise kapitalistischer Theoriebildung verfangen gewesen.

Auch sie sei dem „Positivismus“ verhaftet gewesen, jener „szientistischen Religion“, die auch dem Fortschrittsglauben, der im Kapitalismus herrschenden Ideologie, zugrunde liegt. Der „Positivismus“ trennt die Welt in Subjekt und Objekt, vergegenständlicht letzteres und entmachtet damit auch ersteres. Der Positivismus ist, so Öcalan, der „vulgärste Materialismus“ und „Götzenreligion“ der kapitalistischen Moderne zugleich. Und auch, wenn Marx wie Lenin fundamentale Kritiken an diesem Vulgärmaterialismus ablieferten, ganz los wurden sie ihn – zumindest Öcalan zufolge – nicht. Selbst wenn man diese Kritik an den beiden Klassikern nicht teilt, ist spätestens nach der Kodifizierung ihres Denkens im beginnenden 20. Jahrhundert ihre Richtigkeit offenkundig.

Kritik am Determinismus

Das positivistische Erbe, das im Marxismus-Leninismus fortwirkte, hatte eine Reihe von Konsequenzen. Eine ist, dass zu kritiklos das im Kapitalismus Entwickelte als Grundlage für den Sozialismus angesehen wurde. Öcalan wendet ein, dass z.B. der Staat nicht einfach unter geänderten Vorzeichen zum Arbeiter-und-Bauernstaat werden könne, weil schon seiner Form die Klassenherrschaft und patriarchale Unterdrückung eingeschrieben sei. Aber auch etwa Lenins These, dass die Monopole und Trusts übernommen und nunmehr im Volkseigentum weiter geführt werden können, fällt in diesen Bereich.

Eine weitere wichtige Auswirkung des positivistischen Erbes sieht Öcalan im deterministische Fortschrittsdenken. Die in zahllosen Lehrbüchern zum historischen und dialektischen Materialismus ausgebreitete Geschichtsphilosophie sieht grob so aus: Geschichte entwickelt sich von primitiven urkommunistischen Gesellschaften über Sklavenhalter- und Feudalsysteme bis zum Kapitalismus, der dann vom Sozialismus und später Kommunismus abgelöst wird. Die früheren Formationen sind den späteren unterlegen, ihre Abfolge ist die einer Entwicklung von niedrigeren zu höheren.

Diese Abfolge ist so notwendig wie unabhängig vom Wollen der gesellschaftlichen Subjekte. Allenfalls kann noch der Komplettzusammenbruch eintreten, aber ansonsten ist der Fahrplan durch die Entwicklung der Widersprüche von Produktivkraft und Produktionsverhältnissen bestimmt. Die Revolutionen kommen dabei natürlich nicht von alleine und ohne den Klassenkampf, aber auch der ist ein fast mathematisch vorhersehbares Produkt objektiver Entwicklungen.

Diese Geschichtssicht hat zweifellos auch positive Resultate gezeitigt. Sie verschob den Fokus von idealistischen oder gar religiösen Geschichtsphilosophien zur Welt der Produktion des materiellen Lebens; sie gab den unterdrückten Klassen ihren Platz in der Geschichte; und sie erlaubte, den Kapitalismus nicht als alternativlos oder das Ende der Geschichte zu betrachten, als das er sich so gerne inszeniert.

Doch, wendet Öcalan ein, sie ignorierte nicht nur die Eigendynamik, die mythologische, religiöse, philosophische und wissenschaftliche Gedankengebilde im gesellschaftlichen Leben hatten und haben. Sie reduziert auch das Subjekt, die menschliche Gesellschaft auf ein ausführendes Organ von Widersprüchen in der Produktionsweise. Und sie legitimiert die Klassengesellschaften, indem sie ihnen attestiert, notwendig für den Fortschritt zum Besseren zu sein. Praktisch führt sie zu Passivität, die sich bei vielen traditionellen kommunistischen Parteien auch heute beobachten lässt: eine abwartende Haltung, die jede Initiative als Abenteurertum oder Voluntarismus abtut.

Wer sich vergegenwärtigen will, wie sehr diese Kritik zumindest für einen Teil der sozialistischen Bewegung zutrifft, der kann das an der Frage der Kolonien nachvollziehen. Diese galten einem Gutteil der damals noch marxistischen Sozialdemokratie der „entwickelten“ kapitalistischen Nationen als unterentwickelte, primitive Gegenden, die zur Not mit Gewalt zu modernisieren seien. Auf dem Kongress der Internationalen im Jahr 1907 sprach etwa Eduard Bernstein für das „Recht der Völker höherer Kultur, über die niederer Kultur Vormundschaft auszuüben“ – und argumentierte diese These mit Marx und Engels. „Denn früher oder später tritt es unvermeidlich ein, daß höhere und niedere Kultur auf einander stoßen, und in Hinblick auf diesen Zusammenstoß, diesen Kampf ums Dasein der Kulturen ist die Kolonialpolitik der Kulturvölker als geschichtlicher Vorgang zu werten.“

Geschichte als Kampf

Öcalan bricht mit diesem Determinismus, wirft aber keineswegs alles über Bord, was der Marxismus an Erkenntnissen zutage gefördert hat. Auch für den PKK-Gründer ist Geschichte geprägt durch das Ringen zwischen den Unterdrückten und den Unterdrückern. Auch für ihn hat sie maßgeblich damit zu tun, wer sich wie das gesellschaftliche Mehrprodukt aneignen kann und wie dieses produziert wird. Und auch für ihn fängt sie nicht erst mit der schriftlich überlieferten Geschichte staatlich verfasster Gesellschaften an.

Vielmehr sieht er im Beginn der (stadt-)staatlich verfassten Linie von Klassengesellschaft, die mit Sumer im Mittleren Osten beginnt und letztlich im heutigen Finanzkapitalismus endet, die Niederlage jener zuvor für Jahrtausende bestehenden „natürlichen“ Gesellschaft (die im Marxismus „urkommunistische“ genannt wird). Diese sei geprägt von Kollektivität in der Reproduktion der menschlichen Gesellschaft gewesen, die Rolle der Frau war zentral in den Gemeinschaften. Das Verhältnis zur Natur sei nicht das von Verobjektivierung, Inwertsetzung und Zerstörung gewesen, vielmehr habe sich der Mensch als integraler Teil der Natur verstanden.

Die durch Patriarchat, Urbanität, Staatlichkeit und Klassentrennung gekennzeichneten Herrschaftssysteme eignen sich von Sumer über Rom bis in den heutigen Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium den gesellschaftlichen Reichtum an, unterwerfen die Frau und machen sich die Natur zum Untertan. Dieser Strang, der, der staatlich verfassten und letztendlich „kapitalistischen Zivilisation“ ist aber an keinem Punkt der Geschichte ohne Gegner*in. Auch die Werte und Prinzipien der „natürlichen Gesellschaften“ leben weiter: z.B. in Bauernaufständen, bei den als Hexen verfolgten Frauen des Mittelalters, in den anarchistischen, antikolonialen und kommunistischen Bewegungen der Gegenwart.

Die natürliche Gesellschaft habe „nie aufgehört zu existieren“, schreibt Öcalan in „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“. „Obwohl die hierarchische und etatistische Gesellschaft von ihr gezehrt haben, wurde sie nicht aufgebraucht. Sie hat sich immer gehalten. Ob als Bezugspunkt für ethnische Gruppen, Sklaven und Leibeigene oder als Fundament der neuen Gesellschaft, mit der die Proletarisierung überwunden wird, ob in nomadischen Gemeinschaften in Wüsten oder Urwäldern, ob in Form von freien Bauern oder als matrizentrische Familie – als lebendige Moral der Gesellschaft war sie trotz aller Zerstörung stets präsent.“

Sozialismus aus der Gesellschaft

Die von Staat, Kapital, Patriarchat unterdrückte und ausgebeutete Gesellschaft lebt als „demokratische Zivilisation“ – wie gebrochen auch immer – weiter und leistet Widerstand gegen die „staatliche Zivilisation“. Der Aufbau einer neuen Gesellschaft kann an die fortbestehenden Selbstorganisierungsmechanismen der demokratischen Zivilisation anknüpfen, sie entwickeln, umgestalten und ausbauen. Marx übrigens dachte – zum Beispiel in seinen Briefentwürfen an die russische Sozialistin Wera Sassulitsch – gelegentlich in eine ähnliche Richtung.

Wie dabei der Aufbau des Sozialismus aussieht, hängt damit bis zu einem gewissen Grad von den jeweiligen lokalen Traditionslinien ab: Eine Entwicklung und Umgestaltung jesidischer Dorfgemeinden im Sengal wird sicher andere Züge tragen als die Revolution in Westeuropa. Für Öcalan sind diese lokalen Unterschiede aber nicht einfach zugunsten eines einheitlichen Entwicklungsmodells plattzumachen, sondern in demokratisch-konföderalen Gebilden miteinander auszutarieren – bis hin zum „Globalen Demokratischen Konföderalismus“, der „regionale demokratische Konföderalismen für Asien, Afrika, Europa und Australien“ einschließen könnte – wie er im Zweiten Band seiner Verteidigungsschriften mutmaßt.

Wie die begonnene Umsetzung dieses Konzepts im Norden Syriens zeigt, bedeutet das entgegen häufiger Missverständnisse nicht die Ablehnung jeglicher zentraler Instanz. Die Devise dürfte eher sein: So viel wie möglich dezentral, so viel wie nötig zentral. Die verschiedenen Ebenen – von der Kommune bis zum Rat des „Globalen Demokratischen Konföderalismus“ sind dabei durch ein engmaschiges Netz rätedemokratischer Institutionen miteinander vermittelt, an die Kultur- und Produktionskooperativen angegliedert sind. Diese Überlegungen sind dabei heute längst keine Gedankenspiele eines Intellektuellen mehr: Innerhalb des sogenannten KCK-Systems, der Millionen Menschen umfassenden „Union der Gemeinschaften Kurdistans“ ist sie gesellschaftliche Realität geworden – und damit ein Konzept, das seinerseits in einem stetigen Wandel begriffen ist.

Der neue Mensch

Das Sozialismus-Konzept Öcalans wäre aber nur sehr unzureichend beschrieben, würde man es auf Debatten um Institutionen reduzieren. Ein bedeutender Teil der Überlegungen Öcalans, schon lange vor seiner Inhaftierung 1999, richten sich auf ein anderes Problem: den in Kapitalismus, Kolonialismus, Feudalismus, Patriarchat geformten Menschen selbst.

Praktisch stellte sich die Frage ab den 1980er-Jahren so, dass eine Menge junger Menschen aus unterschiedlichen Schichten – von dörflich-feudal bis urban-intellektuell – in die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eintraten. Die Partei musste also Mechanismen finden, um die Eigenschaften, die diese neuen Genoss*innen mitbrachten, zu überwinden. Öcalan war es, der den Fokus nun auf die kollektive Persönlichkeitsentwicklung legte. Er erklärte den „Aufstand“ gegen die „vom Feind entwickelte Welt der Sozialisation, Beziehungen, Gefühle und Triebe“. So wie der Aufbau der institutionalisierten Formen des Sozialismus – Kommune, Rat, jede Form von organisierter Gegenmacht – schon innerhalb der noch bestehenden Staatlichkeit und kapitalistischen Verhältnisse beginnt, fängt für Öcalan auch die Schaffung des „neuen Menschen“ nicht erst in einer fernen Zukunft nach der Revolution an.

Die Rede von der Schaffung eines „neuen Menschen“ klingt für die hiesige Linke sicher ungewöhnlich, aber man kann sich das zugrunde liegende Problem auch unabhängig von dem Kontext der kurdischen Bewegung vergegenwärtigen. Die kapitalistische Zivilisation, so beschreibt Öcalan im Band II des „Manifest der demokratischen Zivilisation“, hält sich nicht allein durch den blutigen Repressionsapparat. Sie hält sich vor allem dadurch, dass sie ihre Werte und Prinzipien in das Bewusstsein der Menschen einschreibt und diese durch eine Reihe von Mechanismen der Machtausübung an sich bindet: Konkurrenzdenken, Individualismus und Egoismus, die Vermarktung und Entfremdung von Sexualität, Sucht und Eskapismus, liberale und patriarchale Zurichtung – eine lange Reihe von Phänomenen gehören hier hin. Wer Kapitalismus und Staat überwinden will, so zumindest die These Öcalans, kann das nicht, ohne schon während des Kampfes die Ketten zu kappen, die einen an die sterbende Gesellschaftsordnung binden.

Das „qutbûn“, die Abtrennung von der staatlichen Zivilisation, bedeutet, sich neue Werte, neue Prinzipien im Leben zu geben. Die zentrale Frage ist: Wie soll eine Gesellschaft und in ihr das Individuum leben? Was gibt einem Leben Bedeutung, was sind die Maßstäbe von Entwicklung – wenn es denn nicht mehr diejenigen sind, die die kapitalistische, staatliche, patriarchale Zivilisation setzt. Die Frage nach einer solchen Umwertung der Werte stellt sich im Kleinen wie im Großen: Denn weder bietet der Kapitalismus in seinen entfremdeten Arbeitsverhältnissen, seinen repressiven Mann-Frau-Beziehungen, noch in seinem Hedonismus oder Konsumismus irgendwelche Perspektiven für die individuelle Weiterentwicklung; noch kann die Gesellschaft insgesamt sich tatsächlich entwickeln, wenn Sozialismus einfach darin bestehen soll, dass man quantitativ mehr davon macht, was im Kapitalismus gemacht wird, und es dann anders verteilt. Ein neuer Sozialismus-Entwurf braucht, das betont Öcalan immer wieder, nicht nur eine ökonomische und politische Basis. Er braucht auch die Entwicklung von anderen Werten und einer eigenen Ethik.

Kaderpartei und Gesellschaft

Der Aufbau sowohl der revolutionären Ethik wie der Institutionen der Gegenmacht funktioniert aber nicht als spontaner Prozess von selbst – und hier liegt vielleicht das größte Missverständnis westlich-anarchistischer Lesarten der Revolution in Kurdistan.

So sehr die demokratischen Institutionen in der Gesellschaft von unten nach oben funktionieren sollen, die organisierte Kraft der Revolutionäre, die jene anstößt und aufbaut, ist eine – mehr oder weniger – klassisch leninistische Kaderorganisation. Öcalan selbst lässt daran keine Zweifel: „Die gesamte Geschichte über ist kein parteiförmiger Zusammenschluss ohne Kader mit fester Überzeugung und Entschlossenheit ausgekommen. Viele Gruppen, die keine Kader besitzen, verschwinden unweigerlich in den Tiefen der Geschichte und geraten in Vergessenheit“, schreibt er in „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“. Die Kader sind die „Stabsorganisation der gesellschaftlichen Veränderung“, also jene Genoss*innen, die „die Mentalität und die programmatischen Grundlagen der Partei am besten verinnerlichen und begeistert versuchen, sie in die Praxis umzusetzen.“

Es ist dabei kein Zufall, dass hier nicht nur vom Verinnerlichen des Programms, sondern eben auch einer bestimmten „Mentalität“ die Rede ist. Die Partei der Kader ist nichts anderes als der Zusammenschluss jener Teile des Volks, die das „qutbûn“ von der alten Gesellschaft am konsequentesten vollziehen, ihre Freiheit in der Aufgabe ihrer früheren Persönlichkeit für die Revolution finden und sich ihrer Umsetzung verschreiben.

Deshalb ist die eigentliche Basis der Kaderpartei nicht das im Statut niedergeschriebene Regelwerk (das ebenfalls unerlässlich und wichtig ist), sondern die Schaffung von „hevaltî“, von gelingenden genossenschaftlichen Beziehungen. „Die genossenschaftliche Bindung muss von Geld, Hab und Gut, Eigentum und Besitz, Hausfrau und Macho-sein, Wunsch nach Konsumgütern, hinter seinen Sehnsüchten und Lüsten hinterher laufen, Machtbesessenheit, blindem Mut oder Furcht und allen ähnlichen Beziehungen, Gedanken, Aussagen und Taten, die vom Weg der Wahrheitssuche abbringen, fernbleiben“, schreibt Öcalan in »nasil yasamali«.

Der eigentliche Zweck der Kader ist nicht, die Gesellschaft zu etwas zu zwingen. Sondern ihr ihre eigenen Potentiale, ihr ihre eigene Kraft deutlich zu machen, sie anzuleiten, sich selbst zu finden. Kader haben die Aufgabe, sich im Aufbau der gesellschaftlichen Demokratie – der umfassenden, die auch Produktion und Reproduktion einschließt – selbst überflüssig zu machen.

Solange sie aber nicht überflüssig sind, ist die Kaderpartei als „Stabsorganisation“ der Revolution keine Freizeitveranstaltung. Sie folgt strengen Regeln und wer sich ihr aus freiem Entschluss anschließt, gibt seine individuelle Freiheit zugunsten der kollektiven auf. Um es in für Europa verständlichen Beispielen auszudrücken: Ein*e Kader*in kann nicht das Wochenende durchsaufen, eine Uni-Karriere verfolgen oder acht Wochen Strandurlaub einlegen. Letztlich geht damit aber auch kaum etwas verloren. Denn die Sinnstiftung, das manêdayîn, funktioniert über andere Mechanismen. Das eigene Leben als Berufssrevolutionär*in ist ja keine von außen auferlegte Einschränkung, sondern eine eigene Entscheidung darüber, was dem Leben Bedeutung gibt.

Wer macht Geschichte?

An diesem Punkt schließt sich der Kreis zur nicht-deterministischen Geschichtsauffassung. Denn für Öcalan vollzieht sich Geschichte nicht an uns vorbei. Welche Kraft sich in krisenhaften Chaos-Situationen durchsetzt, hängt davon ab, wer wie gut organisiert ist. Das Chaos ist zugleich ein offener Raum der Möglichkeiten, die ergriffen werden können.

Die Kader sind es zwar nicht, die alleine und ohne das Volk Geschichte machen können. Aber sie entwickeln die Gesellschaft, die Klasse zu sich selbst und damit zur Organisiertheit. Und die organisierte Klasse, das organisierte Volk kann in den historischen Chaos-Situationen den Gang der Geschichte bestimmen.

Öcalan und mit ihm die gesamte kurdische Bewegung machen uns durch ihre reale Praxis einen sehr konkreten Vorschlag: Ihr könnt Revolution machen, ist die frohe Botschaft. Geschichte ist gestaltbar.

Aber sie ist nur gestaltbar, wenn wir die Gesellschaften, in denen wir leben, analysieren, verstehen und zugleich in der Lage sind, uns Organisationen zu schaffen, die handlungsfähig in den Krisen der kapitalistischen Moderne sind.

Die aber wiederum können wir uns nicht schaffen, wenn wir nicht vor allem zu einem in der Lage sind. Zu jener „rücksichtslosen, grausamen, bis auf den Grund der Dinge gehenden Selbstkritik“, die Rosa Luxemburg einst als die „Lebensluft“ der proletarischen Bewegung bezeichnete. Und zwar zu einer Selbstkritik in unseren Organisationen, an unseren Traditionen – ob sie anarchistisch oder kommunistisch sein mögen – und an unseren einzelnen Persönlichkeiten.

Diese Selbstkritik können wir nicht dadurch ersetzen, dass wir nun einfach Öcalan an die Stelle setzen, an der vorher Marx, Bakunin oder sonst jemand standen. Sondern indem wir als Revolutionär*innen im Prozess der Entwicklung unserer eigenen revolutionären Organisationen die Theorie schaffen, die unsere Praxis auf ihr Ziel ausrichtet. Dabei helfen die Klassiker*innen, denn genau das haben sie getan. Und dabei hilft Öcalan, denn er ist ein Klassiker einer noch existierenden, kämpfenden Bewegung.

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Am Freitag den 12. April 2019 begannen sechs Internationalist*innen in Berlin einen dreitägigen Solidaritätshungerstreik mit der kurdischen HDP-Politikerin Leyla Güven, welche sich seit letztem Jahr im Hungerstreik befindet.

Es ist kalt, es schneit und es ist mitten im April 2019. Auf dem Kreuzberger Heinrichplatz, mitten in SO36, wird ein Zelt aufgebaut. In diesem begann am Freitag den 12. April der dreitägige Hungerstreik von Internationalist*innen in Solidarität mit dem Massenhungerstreik politischer Gefangenen in der Türkei. Sechs Aktivist*innen, alle organisiert im Berliner Widerstandskomitee – einem Zusammenschluss linker und revolutionärer Gruppen – nehmen Teil.

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Der IS kontrolliert keine Gebiete in Syrien mehr. Das ist ein Grund zur Freude. Doch der Krieg ist keineswegs vorüber.

Im Spätherbst 2014 standen Milizionäre der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der nordsyrischen Kurdenmetropole Kobanê. Es sah schlecht aus. Dschihadisten twitterten schon, man werde die Stadt von den ungläubigen Kommunisten säubern. Der IS kontrollierte damals ein riesiges Gebiet, sowohl auf dem Territorium des Irak, wie auch in Syrien.

Doch der Jubel der islamistischen Mörder war verfrüht. Sie hatten die Rechnung ohne jene Bewegung gemacht, die seit über 40 Jahren im Kampf gegen die NATO, insbesondere den türkischen Staat, im Mittleren Osten überlebt. Knapp fünf Jahre später sieht die Karte Syriens und des Iraks vollständig anders aus. Der IS hat die letzten Gebiete, die er verbissen hielt, verloren. Viele seiner in- wie ausländischen Anführer sind tot oder in Gefangenschaft der Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF), des Bündnisses zwischen kurdischen, assyrischen, arabischen Milizen zur Verteidigung des Aufbaus eines Rätesystems im Norden Syriens.

Nicht nur Syrien kann aufatmen. Der blutige Krieg, das haben die Sprecher*innen der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG und YPJ) immer wieder betont, war einer für die gesamte Menschheit. Sein Resultat ist die Zurückdrängung einer politischen Kraft, deren Herrschaft für Millionen Menschen, insbesondere für Frauen, im Mittleren Osten nichts als Unterdrückung, Tod und Erniedrigung bedeutete. Man muss es so deutlich sagen: Die immer noch in den USA wie Europa verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat zusammen mit ihren syrischen Verbündeten von YPG und YPJ weitere Genozide etwa im irakischen Jesidengebiet genauso verhindert wie Terroranschläge in Europa oder den Vereinigten Staaten.

Wie kam dieser Sieg zustande? Klar, eine kluge Bündnispolitik spielte eine Rolle; und klar, viel Diplomatie mit denen, die nur darauf warten, das demokratische Projekt in Nordsyrien auszulöschen, wurde betrieben.

Aber all dies wäre nichtig gewesen ohne die hunderttausenden Menschen, die im zivilen politischen Aufbau und in den militärischen Selbstverteidigungseinheiten tagtäglich ihr Bestes gaben. Und viele von ihnen gaben das letzte, was ihnen noch geblieben war: Ihr Leben. Der Preis für diesen Sieg war hoch. Alle, die in diesem Krieg oder im zivilen Aufbau im Norden Syriens einen Beitrag leisteten, haben Menschen verloren, die ihnen sehr nahe standen. Es gibt keine Mutter im Norden Syriens, die nicht eine Tochter oder einen Sohn beweint; keine Schwester, die nicht ihren gefallenen Bruder vermisst und kein Kind, das nicht seinen Onkel oder seine Tante in den Krieg ziehen und nicht mehr wiederkommen sah. Und es gibt unter den Internationalist*innen niemanden, der/die nicht Trauer und Wut über den Verlust von Anna Campbell, Kevin Jochim oder Lorenzo Orsetti fühlt.

Die Trumps und Macrons dieser Welt können sich den Sieg auf die Fahnen schreiben, errungen haben nicht sie ihn, sondern die tausenden Genoss*innen, die in den Schützengräben und Stellungen, auf den Häuserdächern und in den verschachtelten Straßen im Häuserkampf fielen. Dieser Sieg ist ein Sieg der Şehîds, der Gefallenen. An sie sollten wir denken, wenn wir in diesen Tagen jubeln und feiern.

Und wenn wir an sie denken, merken wir auch: Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber der Krieg geht weiter. Denn das, wofür sie starben und wofür wir anderen überlebten, ist nicht nur die Zerschlagung einer besonders grausamen Miliz. Sie fielen im Kampf für eine bessere Welt, eine Welt jenseits der kapitalistischen Moderne und jenseits staatlicher, imperialistischer und kolonialer Unterdrückung.

Dieser Krieg geht weiter. Im Mittleren Osten lauern diejenigen, die das kleine befreite Gebiet im Norden und Osten Syriens auslöschen wollen: Das Erdogan-Regime, das es militärisch überrennen will; die Trump-Administration, die es in die Knie zwingen und entpolitisieren will; Moskau und Damaskus, die es dem Assad-Regime unterwerfen wollen. Die Phase, die nun beginnt, wird eine der Neuordnung der Bündnissysteme sein. Die USA wollen ihren Krieg gegen den Iran, die Türkei streben nach der Expansion des von ihr kontrollierten Territoriums. Die Karten werden, wieder einmal, neu gemischt.

Doch der Krieg geht nicht nur irgendwo weit weg, jenseits der Empörungsschwelle der Bevölkerungen der reichen westlichen Nationen weiter. Er geht auch hier weiter. Auch in Deutschland wird der Staat erneut ausholen, um die Kurdinnen und Kurden, die türkische Exilopposition und alle, die mit ihnen zusammenarbeiten, anzugreifen, zu verfolgen und einzusperren.

Wenn es soweit sein wird, dann sollten wir daran denken: Wir alle haben eine Schuld abzutragen. Wir als revolutionäre Linke sowieso, denn es war die kurdische Bewegung, die uns auf einen gangbaren Weg zurückführte, auf dem wir heute unsere ersten kindlichen Schritte gehen können. Aber auch alle anderen stehen in der Schuld der Gefallenen der Syrisch-Demokratischen Kräfte. Es wird genügend Gelegenheiten geben, um zumindest anzufangen, diese abzutragen.

#Titelbild Rodi Said/Reuters

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Der Hungerstreik kurdischer Gefangener ist auch eine Kritik an den Unzulänglichkeiten unseres Internationalismus

„Warum kommen denn die Deutschen nicht mehr?“, sagt ein Demonstrant zu den Umstehenden. Es regnet, es ist eiskalt und die kurdischen Flaggen kleben an den Fahnenstangen fest, weil sie so nass sind. Es ist der Abend des 18. März auf dem Berliner Hermannplatz und vor wenigen Stunden hat Zülküf Gezen sein Leben verloren. Gezen war einer der hunderten kurdischen Aktivist*innen, die sich derzeit im Hungerstreik befinden. Seit 12 Jahren saß er in einem türkischen Gefängnis, nach über 60 Tagen ohne Nahrung nahm er sich am 17. März 2019 aus Protest das Leben.

„Warum kommen denn die ganzen Deutschen nicht mehr?“ Die Frage steht. In den Jahren nach 2014 haben viele deutsche Linke einen Bezug zur Revolution in Rojava und zur gesamten kurdischen Befreiungsbewegung gefunden, aber die Solidarität hatte Konjunkturen. Salopp gesagt ist es so: Ein großer Teil der Linken kommt, wenn das Thema in irgendeiner Weise in den Massenmedien präsent ist. In jenen Phasen, in denen Spiegel&Co. die Kämpfe und Massaker, die Siege und Niederlagen ignorieren, sucht man das Gros der deutschen Linken vergeblich auf den Kundgebungen, Hungerstreiks, Demonstrationen und Aktionen der kurdischen Genoss*innen. Persönliche, gar genossenschaftliche Beziehungen zu den Kurd*innen haben nur wenige aufgebaut.

Das ist in der aktuellen Phase besonders spürbar, denn der Hungerstreik, den die HDP-Politikerin Leyla Güven begann und dem sich tausende Menschen weltweit anschlossen, richtet sich nicht nur gegen die Isolation des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Das ist zwar klar die Hauptforderung. Aber, so formulierte es kürzlich die Vorsitzende des Kurdischen Nationalkongresses (KNK) Nilüfer Koc auf einem Treffen in Berlin: „Die Hungerstreikenden kritisieren mit ihrer Aktionen auch uns alle. Und sie tun das unter Einsatz ihres Lebens.“

Man muss diesen Satz ernst nehmen. Gerade wir als Internationalist*innen, deren Komfortzonen doch sehr viel ausgedehnter sind, als jene der kurdischen Freund*innen. Wir haben die „Freiheit“, uns zu sagen: „Ach, es regnet, es ist kalt, heute gehe ich mal nicht auf die Demo, mache mir nen schönen Abend.“ Oder: „Uff, so viele Aktionen, ich fühle mich wirklich überlastet.“ Wir haben die „Freiheit“, wegzusehen, uns zu ducken und dann, wann es uns passt, die Fahne auszukramen und von Solidarität zu reden.

Die Freundinnen und Freunde, die in der Türkei und in Syrien kämpfen, haben diese „Freiheit“ nicht. Sie müssen Widerstand leisten, wenn sie es nicht tun, ist es ihr Untergang. Unsere Pflicht ist es, wenigstens über die Bedeutung, die das für uns hat, nachzudenken. Tausende Menschen, laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF sind es mittlerweile 7000, haben aufgehört, Nahrung zu sich zu nehmen, um ein politisches Ziel zu erreichen. Sie sind bereit, mit ihrem Leben dafür einzustehen. Es drängt sich doch die Frage auf: Wann sind wir denn eigentlich bereit, für unsere eigenen Ziele, die wir so oft und so laut in die Welt hinaus schreien, etwas einzusetzen? Auch, wenn es mal anstrengend wird. Und auch, wenn man mal andere Dinge, die einem Spaß machen oder die man für Sachzwänge hält, zurückstellen muss?

Am selben Tag, an dem Zülküf Gezen sein Leben verlor, wurde die Nachricht des Todes eines weiteren Genossen öffentlich. Der Internationalist Tekoşer Piling, fiel im Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien. Er hatte sich der Rojava-Revolution schon vor längerem angeschlossen, kämpfte in Afrin gegen die Türkei. Für den Fall, dass er sterben würde, hat er seinen Freund*innen einen Brief hinterlassen. „Ach, seid nicht traurig, mir geht es gut so. Ich bereue nichts und bin gestorben, während ich das getan habe, was ich für richtig halte“, schreibt er. Und: „Ich wünsche euch das Beste von allem und hoffe, dass auch ihr eines Tages – falls ihr es nicht schon getan habt – die Entscheidung trefft, euer Leben für die zu geben, die nach uns kommen. Nur so können wir die Welt verändern. Wir können nur etwas ändern, wenn wir den Individualismus und den Egoismus besiegen, den wir alle in uns tragen.“

Heval Tekoşer und Leyla Güven formulieren dieselbe Kritik an uns: Unser Individualismus und Egoismus, die Dauergönnung, die wir uns geben können, weil wir (noch) die Option haben, den Kampf unserem Wohlfühlfaktor unterzuordnen, steht uns im Weg. Wir müssen uns eingestehen, auch wenn es ein schmerzvoller Prozess ist: Wir können uns nicht Revolutionär*innen oder Internationalist*innen nennen, wenn wir diese Kritik nicht hören. Wenn wir unsere Augen und Ohren vor dem verschließen, was unsere Genoss*innen uns mit ihrem Leben sagen wollen.

Die Botschaft der Revolutionär*innen ist zugleich keine der Askese und der Freudlosigkeit. Sie sagen auch: Das, was ihr im Hedonismus, in der bürgerlichen Karriere, in der Bequemlichkeit finden wollt, findet ihr dort nicht. Bedeutung und Sinnstiftung, Freude und Freundschaft findet ihr im gemeinsamen Kampf für eine bessere Welt. „Vielleicht sterben wir am Ende dieser Aktion“, sagt Ilhan Şiş, ein weiterer Hungerstreikender, der bereits in Lebensgefahr ist. „Aber was wir uns wirklich fragen müssen, ist, ob wir wirklich ein freies und gleiches Leben führen. Wir lieben dieses Leben so sehr, dass wir für es sterben würden.“ Und Heval Tekoşer schreibt in seinem Abschiedsbrief: „Trotz meines frühen Abgangs bin ich ziemlich sicher, dass mein Leben erfolgreich war und ich mit einem Lächeln auf den Lippen gegangen bin. Etwas Besseres hätte ich mir nicht wünschen können.“

Viele dieser Worte mögen uns, die wir hier politisch sozialisiert wurden, verstörend vorkommen. Und viele werden vielleicht unmittelbar mit einer Abwehrhaltung auf sie reagieren. Aber vielleicht sollte man zumindest über sie nachdenken. Das zumindest, ist der letzte Wunsch von unserem gefallenen Freund Tekoşer: „Ich liebe euch alle und hoffe, dass ihr meine Worte zu schätzen wisst. Serkeftin!“

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Cemil Bayik ist Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und Co-Vorsitzender des Exekutivrats der Koma Civakên Kurdistan (KCK). Im zweiten Teil des Interviews spricht er über die drohende Invasion Rojavas durch die Türkei, den Stand der Verhandlungen zwischen der Demokratischen Konföderation Nord- und Ostsyriens und der syrischen Regierung und die Transformation der HPG und YJA-Star zur „Siegesguerilla“.
Teil 1 des Interviews kann hier nachgelesen werden. (mehr …)

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Cemil Bayik ist Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und Co-Vorsitzender des Exekutivrats der Koma Civakên Kurdistan (KCK). Im ersten Teil des Interviews spricht er über den Abzug der US-Truppen aus Syrien, das Kopfgeld der USA, das auf Murat Karayilan, Duran Kalkan und ihn ausgesetzt wurde, und die Eskalation der Iranpolitik der USA.
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12. September 2019 | Peter Schaber

Durchs wilde Taz-istan

Die taz druckt viele schlechte Texte. Gerade unter ihren Kolumnen und Kommentaren findet sich so dermaßen viel Schmarren, dass man […]

Am 14. Dezember 2018 fiel der deutsche Internationalist Michael Panser, Kampfname Bager Nûjiyan, bei einem Bombardement der türkischen Luftwaffe gegen […]