Schrankenlose Ausbeutung – zur „imperialen Lebensweise“ (IV)

8. Juli 2017

Grüner Kapitalismus als Alternative?

Häufig wird eine grüne Ökonomie oder ein grüner Kapitalismus als Lösung der ökologischen Probleme des modernen Kapitalismus angesehen. Einerseits soll es sich hierbei um den Versuch handeln, die Elite in ein „nachhaltiges“ Gesellschaftsprojekt einzubeziehen statt ihre Privilegien und ihre Macht in Frage zu stellen. Andererseits wird eine „Ökologisierung“ des Kapitalismus als neue Wachstumsmaschine angesehen, soll Mittel sein, um einen Investitionszyklus in Gang zu setzten und die gegenwärtige Krise zu überwinden.

Die imperiale Lebensweise wird in diesem Zusammenhang nicht in Frage gestellt. Ganz im Gegenteil, das „Versprechen, die vorherrschende Produktions- und Konsumnorm ökologisch zu modernisieren, anstatt sie grundlegend zu transformieren … [suggeriert ihre] Normalität“.1 Durch eine Bepreisung von Natur sollen lediglich die externen Kosten internalisiert werden, um Anreize zu schaffen, den Ressourcenverbrauch und die Belastung der Senken absolut zu reduzieren. Derartige Ablasszahlungen für produktions- und konsumbedingte Umweltschäden erwecken jedoch den Eindruck, dass Natur prinzipiell substituierbar ist, dass man umweltschädigendes Verhalten mit Geldleistungen ausgleichen kann.

Hat Natur einen Preis?

Weiterhin wird auf effiziente Marktmechanismen vertraut, staatliche Regelungen soll es nur gegen deren schlimmste Auswüchse oder Krisen geben. „Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass es sich bei Markt und Staat nicht um neutrale Institutionen handelt.“2 Missachtet wird auch, dass die Produktion sozial-ökologischer Externalitäten systematisch in der kapitalistischen Produktion und der imperialen Lebensweise verankert ist. Vernachlässigt wird weiters, dass es sich bei der Natur um ein komplexes System handelt und die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Natur meist nicht in Preisen ausgedrückt werden können.

Die Kostenseite des grünen Kapitalismus

Findet kein grundsätzliches Umdenken statt und beschränken sich die Problemlösungsansätze auf eine reine „Ökologisierung“ des Kapitalismus, werden die sozial-ökologischen Kosten der imperialen Lebensweise nur verlagert. Beispielsweise würde die Energiewende zwar die fossilen Ressourcen und CO2-Senken entlasten, bei unverändertem oder gar steigendem Energieverbrauch allerdings andere Ressourcen wie Kupfer oder Seltene Erden (über)beanspruchen. Jedenfalls sind bislang alle Hoffnungen auf eine absolute Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Naturverbrauch aufgrund gestiegener Ressourcenproduktivität (Ökoeffizienz) – sprich trotz Wirtschaftswachstums absolut sinkenden Naturverbrauch – ins Land der Träume zu verbannen. In den meisten OECD-Ländern ist unter Beachtung der Auslagerung ressourcenintensiver Produktionsprozesse der Naturverbrauch in den konsumierten Endprodukten im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandsprodukt gewachsen.

So bleiben auch in der Diskussion über die Wende im motorisierten Individualverkehr die ökologischen Kosten der Herstellung unterbelichtet. Gleichzeitig werden mit der Fokussierung auf Elektroautomobilität kollektive Formen der Elektromobilität (Bahn oder Bus) in den Hintergrund gedrängt. Das Problem der funktionsorientierten Stadtentwicklung, der räumlichen Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort, die sich mit der Verallgemeinerung der automobilen Lebensweise durchgesetzt hat und sich wechselseitig bedingt, wird nicht thematisiert. Ebenso werden die für das Verkehrsaufkommen entscheidenden Fragen weitgehend ausgeblendet: „Wie ließen sich Verkehrswege vermeiden beziehungsweise verkürzen, und wie können die wirklich nötigen Verkehrswege möglichst sozial- und umweltverträglich zurückgelegt werden?“3

Kampf um Ressourcen

Dass die für die Energie- oder Mobilitätswende notwendigen Metalle zum Großteil im globalen Süden abgebaut und überwiegend im globalen Norden verbaut werden, prolongiert das ungleiche Kosten-Nutzen-Verhältnis der imperialen Lebensweise. Die „Ökologisierung“ des Kapitalismus ist damit, neben dem Versuch Wachstum hervorzurufen oder die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, Bestandteil eines Versuchs, dem globalen Norden in einer Welt mit endlichen Ressourcen und wachsender Bevölkerungszahl sein „gutes Leben“, seinen Wohlstand zu sichern. Daraus entstehen auch geostrategische Spannungen innerhalb des globalen Nordens, zwischen dem globalen Norden und den Schwellenländern, sowie beiden Blöcken und dem Rest der Welt, die auch militärisches Konfliktpotenzial in sich tragen.

– Benedicto Pacifico

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Ulrich Brand und Markus Wissen: Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus. oekom verlag 2017. 224 S., € 14,95,-

Anmerkungen:

1 Brand, Wissen, S 161.

2 Brand, Wissen, S 153.

3 Brand, Wissen, S 145.

Fotos: Max Pixel

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