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Am Sonntag den 24. Oktober erreichte die türkische Lira ein Rekordtief und mit Bange beobachtete die Bevölkerung des Landes wie ihre wirtschaftliche Situation sich wieder ein Stück weiter verschlimmerte. Aber nicht allen geht es so – für viele andere ist der politisch-mediale Apparat des faschistischen türkischen Staates nämlich wieder so effektiv, dass kaum eine Minute bleibt, um an Inflation und eine horrende Suizidrate aufgrund von Armut im Land zu denken, denn die weitere rechtsnationalistische Sau muss durch das Land gejagt werden. So wurden kürzlich beispielsweise Verfahren und sogar sofortige Abschiebebefehle gegen mehrere syrische Flüchtende ausgesprochen, die „provokativ“ Bananen auf social media aßen, nachdem sich ein türkischer Bürger auf Social Media darüber beschwerte, dass die durchschnittliche türkische Person sich diese im Gegensatz zu den Geflüchteten nicht leisten könne. In Denizli beging wieder einmal ein Mann einen Femizid an seiner Ex-Freundin und wieder einmal wird in den Kommentarspalten darüber diskutiert, was die Frau alles gemacht haben muss, um den Mann so provoziert zu haben. Und schließlich beschloss das türkische Parlament öffentlichkeitswirksam, dass sowohl die militärischen Einsätze in Syrien als auch im Irak um zwei Jahre verlängert werden sollen – gemeint ist natürlich der vermeintliche Krieg gegen die PKK. Wieso man sich Bananen nicht leisten können sollte, wieso FLINTA* Personen täglich sterben müssen, wieso das kurdische Volk bei jeder noch so kleinen Gelegenheit vernichtet werden muss, das fragen sich die wenigsten in einem Land, wo vor allem eins intersektional ist: Das Elend und die Krisen.

Es gibt viele Gründe anzunehmen, dass in Konsequenz dieser parlamentarischen Entscheidung eine größere neue Militäroffensive in Rojava von Seiten der Türkei ansteht. Genau wie bei den Operationen Euphrates Shield 2016/2017, Olive Branch 2018 (bekannter als der Krieg um Afrin) und Peace Spring (eine böswillige Untertreibung der ethnischen Säuberungskampagne zwischen Girespi und Serekaniye im Herbst 2019) werden sowohl türkische Luftkräfte, türkische Spezialkräfte am Boden und eine Horde an islamistischen Schergen der SNA (Syrian National Army, ehemals bekannt unter FSA/TFSA) mobilisiert. Dabei ist man sich nach wie vor nicht zu schade vormalige IS oder al-Kaida Kräfte mit einzubinden, wie der Sprecher des SDF Medienzentrums, Farhad Shami, feststellt.

Diesmal sieht es so aus, als würde die Türkei weiter ihrem Projekt nachkommen, die Verbindung zwischen den größeren Gebieten Rojavas zu kappen, wie auch schon zuvor geschehen. Afrin konnte die Türkei erfolgreich durch die Operation Euphrates Shield isolieren, um sich so auf die Einnahme des Gebiets vorzubereiten. Und auch der Vorstoß in Girespi und Serekaniye im Jahr 2019 lief vor allem darauf hinaus, das Gebiet bis zum M4 Highway (der Schnellstraße, die alle wichtigen Städte entlang der syrisch-türkischen Grenze verbindet) einzunehmen. Damals musste die türkische Armee den Highway nach einigen Wochen wieder freigeben, weil auch alle anderen Kräfte, unter anderem die russischen und US-amerikanischen, über diesen verkehrten. Doch ein strategisches Auge hat der NATO-Partner weiterhin darauf geworfen – besonders auf die am Highway gelegene Stadt Ain Issa, die südwestlich vom durch die Türkei besetzten Girespi (arabisch: Tel Abiyad) liegt.

In Ain Issa sammeln sich mitunter einige der wichtigsten Strukturen der Syrisch Demokratischen Kräfte (SDF) und wer etwa vom Nordosten also von Qamishlo oder Heseke nach Kobani will, muss durch diese Stadt hindurch. Man kann also davon ausgehen, dass die nächste größere türkische Operation genau dieses tendenziell abgehängte Glied Rojavas einnehmen und vor allem Kobani isolieren will – ein militärischer und vor allem symbolischer Vorstoß, der ohne Gleichen wäre. 

In der Region Kurdistan (KRI) im Irak, wo der türkische Drohnenkrieg gegen die kurdische Bevölkerung allerhöchstens zum Eklat von Gare führte, konnte hingegen noch kein symbolischer Sieg errungen werden, der ausreichend von den eigenen Krisen ablenken könnte. Während die Türkei mit allen Mitteln die gesamte Grenzregion zwischen dem Irak bzw. der KRI und der Türkei mit Drohnen und Giftgas bombardiert und ganze Waldflächen rodet, fliegt sie mittlerweile bis in das östlich von Kirkuk gelegene Chamchamal Drohnenangriffe gegen vermeintliche PKK-Stellungen. Besonders zugute kommt der Türkei eine schwache PUK – Jene Partei, welche im Osten der KRI das Sagen hat und durch interne Machtkonflikte enorm an Kraft verlor. Der bis dato mächtigste Mann der PUK, Lahur Sheikh Jangi, der als im weitesten Sinne als PKK-freundlich gilt, wurde infolge dieser Auseinandersetzungen seines Amtes enthoben. Zwischenzeitlich war sogar die Rede davon, ihn des Landes zu verweisen. Kurz nach diesen schicksalshaften Tagen hagelte es in der sonst sicheren und eher links eingestellten Stadt Sulaimaniya Kugeln. Mehrere PKK-Kader wurden getötet, darunter Yasin Bulut. Die türkischen NATO-Truppen bombardieren in Südkurdistan also weiterhin so gut wie alle Gebiete und dank dem erneuten Parlamentsmandat ist kein Ende dieser Kampfhandlungen in Sicht. Besonders makaber in diesem Kontext: Nur wenige Tage nach der Entscheidung des türkischen Parlaments postet die Twitter-Seite der NATO einen Ehrentweet an den NATO-Alliierten Türkei um mit ihnen den Nationalfeiertag zu zelebrieren. 

Wie gegen Ende des Jahres die Sicherheitslage der Kurd*innen im Irak aussehen wird, ist absolut unklar. Denn bis auf Weiteres sollen alle US-Truppen das Land verlassen, wie Präsident Biden schon im Juli nach Absprache mit Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi ankündigte. Das irakische politische Establishment hat wiederholt keinerlei Einspruch gegen das kilometerweite Eindringen der Türkei geäußert und mit einem Ende der US-Präsenz und somit einem Vorteil für den Iran und iranische Milizen gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Region Kurdistan von freundlichen Kräften umzingelt und besetzt sein wird. Ein Szenario, in dem die KRI weiter von türkischen NATO-Drohnen bombardiert und gleichzeitig von iranischen Raketen angegriffen wird, ist nicht besonders unwahrscheinlich. Es zeichnet sich ab, dass 2022 das Jahr des Überlebenskampfes der Region Kurdistan wird. Dafür sprechen nicht zuletzt die Rekordzahlen an flüchtenden Kurd*innen aus der KRI, die vor allem gerade an der polnisch-belarussischen Grenze feststecken. Denn zwischen der Korruption von KDP und PUK sowie dem fortwährenden Vernichtungskrieg der Türkei bleibt für die Zivilbevölkerung kaum eine Alternative. Und so nehmen viele eher den Tod auf der Fluchtroute in Kauf, als weiter dort im Elend zu leben.

An der vermutlich künftigen Koalition der Bundesregierung ist allerdings nur ihre Farbkombination pro-kurdisch, denn zum Thema Türkeipolitik hüllt man sich in Ampelkreisen in Schweigen. Nachdem Erdogan fast ohne Konsequenzen die Ausweisung verschiedener Botschafter*innen, unter anderem des Deutschen, verlangte und auch dies in Deutschland höchstens Mahnungen zur Besonnenheit hervorgerufen hat, gab es keinerlei weitere Statements zum Kameraden vom Bosporus. Gerade in bei SPD und Grünen begnügt man sich damit, politisch akzeptierte Oppositionelle wie Can Dündar oder Osman Kavala mit Phrasen  – oder mit einem netten Abendessen, wenn sie denn nun frei sind – zu beehren, anstatt sich wirklich zur Vernichtungspolitik der Türkei gegen Kurd*innen oder Armenier*innen zu positionieren. Man feiert 60 Jahre Gastarbeiter*innenabkommen, aber schweigt zur allgegenwärtigen Kriminalisierung kurdisch-linker und türkisch-linker Organisationen in Deutschland.

Vielleicht eint das Deutschland und die Türkei also am meisten: Während ökonomische Krisen, fundamentale Verteilungsfragen, tägliche Femizide und vieles mehr die Systemfrage hervorrufen sollten, vergnügt man sich lieber mit besonders emotionalisierten und symbolischen Debatten. So kann man leider davon ausgehen, dass die sich anbahnende neue Militäroffensive nicht die geringsten Reaktionen in den Kreisen des deutschen politischen Establishments auslösen wird. So wenig man mit diesen rechnen kann, so wenig sollten sie ein Standard politischen Handelns sein. Die nächsten Monate müssen vor allem dafür genutzt werden auf allen Ebenen Widerstand gegen den Vernichtungskrieg der NATO in Kurdistan – an allen Fronten – zu leisten. Sowohl in Südkurdistan als auch in Rojava geht es um nichts weniger, als um den Überlebenskampf der einzigen existierenden kurdischen Autonomieregionen – ihnen und vor allem ihrer Bevölkerung sollte nichts als grenzenlose Solidarität gelten.

#Bildquelle: ANF

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oder: Was macht(e) die Bundeswehr in Afghanistan

Gastbeitrag von Antimilitaristischen Gruppen aus Berlin

Dies ist kein Beitrag über die Bundeswehr im Auslandseinsatz generell. Die Bundeswehr sammelt seit spätestens 1993 in Somalia erste Kriegserfahrungen, mit dem Einsatz in Jugoslawien wurde 1999 erstmals wieder Krieg – wenn auch noch nicht so bezeichnet – von deutschem Boden aus geführt. Dies ist ein Text über den bislang längsten und umfangreichsten Bundeswehreinsatz, der 2001 begann und erst vor wenigen Wochen mit viel Ach und Krach beendet wurde.

Nach den Anschlägen 2001 in New York und Washington wurde als erste Vergeltungsmaßnahme der Nato-Bündnisfall ausgerufen. Die Anschläge wurden als Angriff auf ein Mitglied der Kriegsallianz gewertet und damit als Angriff auf alle verstanden. Dies stellte für die westliche Militärbündnisgeschichte eine Zäsur dar. Kurz darauf machten sich die westlichen Bündnismächte auf, Afghanistan – das als Hort des Terrorismus auserkoren wurde – mit Krieg und Besatzung zu überziehen. Ein ähnliches Szenario wiederholte sich 2003 im Irak. Nur diesmal nicht vom Nato-Bündnisfall gedeckt, sondern von einer „Koalition der Willigen“ vollzogen und ohne direkte deutsche Beteiligung.

Dass die Bundesrepublik als Nato-Mitglied ihre Bündnispflichten erfüllen musste, war nicht der Grund für die Beteiligung am Krieg in Afghanistan. Es war vielmehr eine willkommene Gelegenheit, die Bühne der global player auch im Tarnfleckoutfit zu betreten, um die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Deshalb schickte sich die Propagandamaschine an, die noch nicht vollends an Kriegseinsätze gewöhnte bundesdeutsche Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, dass Krieg führen ein gängiges Mittel deutscher Außenpolitik ist. Und wie schon 1999 begann der Kriegseinsatz der Bundeswehr 2001 mit einer Lüge. Anders als damals wurden aber nicht Hufeisenpläne und konzentrationslagerähnliche Zustände erfunden, sondern von einem humanitären Einsatz zum Schutz der Frauen und zum Bohren von Brunnen schwadroniert. Zehn Jahre nach Kriegsbeginn wurde zu diesem Zweck sogar die bundesdeutsche Entwicklungshilfe militarisiert. Ehemals zivilen Entwicklungshilfeeinrichtungen wurden zur GIZ GmbH – der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – fusioniert. Sie soll sicherstellen, dass bundesdeutsche Mittel nur dann vergeben werden, wenn damit eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr im Einsatz einhergeht. Dies alles nur, um die eigentlichen Kriegsgründe zu verschleiern: Die Freude darüber, die erste größere Nebenrolle mit Aussicht auf weitere Engagements im Theater der kriegsführenden Nationen zu spielen.  Gleichzeitig auch Bereitschaft dafür zu zeigen, zur Sicherung der eigenen Interessen auch militärisch einzustehen.

Wer anderes behauptet, dem konnte diese Behauptung Kopf und Kragen kosten – mustergültig durchexerziert am am Beispiel des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser hatte sich im Mai 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio erdreistet, eine Wahrheit gelassen auszusprechen. „[… E]in Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“ Kurz gesagt: Krieg führen, damit es der deutschen Wirtschaft gut geht. Für diese einfache Wahrheit schien die bundesdeutsche Öffentlichkeit noch nicht bereit, dafür die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten.

Doch bereits im März 2010 hatte der ehemalige Gebirgsjäger und damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg davon gesprochen, dass Mensch bei dem, was die Bundeswehr in Afghanistan mache, durchaus „umgangsprachlich“ von Krieg reden könne. Und das nachdem sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung zurückgetreten war. Grund für den Rücktritt war die Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kunduz. Auf Befehl von Oberst Klein wurden bei diesem ersten Kriegsverbrechen seit dem 2. Weltkrieg 142 Zivilisten ermordet.

Vielleicht läuteten nach diesem Tabubruch von zu Guttenberg bei Köhler die Glocken. Vielleicht dachte er sich, wenn jetzt schon in der Bundeswehr-Einsatz ein Stückchen weiter ins rechte Licht gerückt werden kann, wieso dann nicht auch gleich den eigentlichen Grund klar und deutlich benennen. Wir werden es nie erfahren. Wessen wir uns aber sicher sein können, ist, dass bei ähnlichen Fauxpas weiterhin Politiker*innen-Köpfe unter das Schafott der öffentlichen Meinung gelegt werden würden. Das Gegenteil kann gerne bewiesen werden: Als Anlässe schlagen wir z. B. die Entsendung der Fregatte Bayern ins Südchinesische Meer oder die seit zwei Jahren stattfindenden Defender-Europe-Manöver vor.

Dass aber auch der Kriegsminister zu Guttenberg bald ins Straucheln kam und letztendlich gefallen ist, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Das lag aber nicht an dem feinen Näschen des ehemaligen Elitesoldaten für kriegerische Angelegenheiten. Immerhin kam seine Äußerung nur wenige Tage vor dem sog. Karfreitagsgefecht 2010. Diese erste länger anhaltenden Kampfhandlung unter deutscher Beteiligung brachte der bundesdeutschen Öffentlichkeit bei, dass Bundeswehrsoldaten nicht nur in der Lage sind, andere zu töten, sondern auch, getötet zu werden. Zu Guttenberg ist darüber gestolpert, weil rauskam, dass er bei seiner Doktorarbeit beschissen hatte. Und ein Kriegsminister, der sich bei Lügen erwischen lässt, ist für den Job nicht zu gebrauchen. Es sei denn, er lügt im Sinne der politischen Propaganda

Aber lange Rede, kurzer Sinn: Aus bundesdeutscher Perspektive ging es in Afghanistan nie darum, Freiheit and democracy nach Afghanistan zu bringen. Spätestens nach der Halbzeit des Einsatzes war klar, dass sog. Entwicklungshilfe, Brunnenbohren und Schulen bauen und all die anderen Elemente dieser Aufstansbekämpungsstrategie in Afghanistan nicht fruchten würde. Deshalb wurde ab 2014 auch der ISAF-Einsatz beendet und von der Mission Resolute Support, die den Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte zum Ziel hatte, gestartet. Im April 2021 wurde bekannt, dass auch dieser Einsatz beendet wird und alle westlichen Truppen bis September abgezogen werden und das Land seinem Schicksal überlassen wird.

Dass durch den Abzug der Truppen kurz- bis mittelfristig die Taliban wieder an die Macht kommen würden, war allen klar. Denn niemand hat ernsthaft damit gerechnet, dass es gelungen wäre, eine Demokratie nach westlichem Vorbild in Afghanistan zu etablieren. Dies zeigen schon die verschiedensten Beispiele aus der Kolonialgeschichte, die bis heute auch die verschiedenen Geschichten von wirtschaftlicher Unsicherheit, kriegerischen Auseinandersetzungen, von Flucht und Vertreibung prägen. Ein Vorhaben wie in Afghanistan konnte nicht klappen. Und wir unterstellen den verantwortlichen Planer*innen, dass ihnen das auch sehr schnell bewusst gewesen sein muss. Deshalb offenbaren die Bilder der verzweifelten Menschen am Flughafen in Kabul, die in die Besatzer ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben gesetzt haben, die grausame Perfidie des Krieges aufs Neue. Es ging nie um die Interessen der Menschen in Afghanistan, sondern immer nur um die Interessen der verschiedenen Akteure im Theater dieses Krieges. Dass die Grausamkeit der westlichen Akteure nun tatsächlich soweit reicht, dass nur unter großem Murren und Bohei dazu bereit sind, Menschen, die während der Besatzungszeit mit ihnen kollaboriert haben, Asyl zu gewähren, ist dennoch erschreckend. Statt dessen droht die derzeitige Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer offen damit, künftige Einsätze in Afghanistan, sollte es sie jemals geben, nur noch aufs Brunnenbauen zu beschränken. Gleichzeitig wird aus dem Entwicklungshilfeministerium versprochen ihre Unterstützungsleistungen einzustellen. Wer jetzt denkt, wieder an den Anfang des Textes gerutscht zu sein, irrt sich. Wie die Geschichte weiterginge, sollte es tatsächlich soweit kommen wie angedroht, dürfte sich aber dennoch dort nachlesen lassen.

Aus dem Schock der Bilder vom Kabuler Flughafen heraus, ist es nur allzu verständlich, die sofortige Evakuierung aller Menschen zu fordern. Es ist der Ausdruck eines mitmenschlichen Gefühls, nach Möglichkeit andere Menschen aus lebensgefährlichen Situationen zu helfen. Es ist ein Appell an die Vernunft, die das Menschenrecht auf Asyl einräumt. Es ist aber auch ein Ausdruck der Verzweiflung, Forderungen an diejenigen zu richten, die die Misere maßgeblich verursacht haben.

Einzelne Stimmen aus Afghanistan – die der RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans), der Solidaritätspartei und von Malalai Joya – haben immer gefordert, diese Besatzung sofort wieder zu beenden. Denn eine „Befreiung“ von Taliban und Warlords durch Krieg und Besatzung kann keine Befreiung sein, die ihren Namen verdient. Diese Einschätzung hat sich bewahrheitet. Gleichzeitig haben sie an uns gerichtet appelliert, den Krieg in Afghanistan dort zu beenden, wo er begann: vor unserer Haustür. Dieser Forderung sind wir bis dato nicht nachgekommen, sollten sie aber auch angesichts der Bilder aus Afghanistan nicht vergessen.

Die Grausamkeiten von Krieg, Flucht und Vertreibung lassen sich mittel- und langfristig nicht durch Evakuierungsmaßnahmen lösen. Schon gar nicht, wenn sich die Appelle an diejenigen richten, die die Lage verursacht haben. Einigen wenigen mag dadurch geholfen werden, das Problem als solches wird aber nicht gelöst. Die Kunst besteht darin, nicht so zynisch zu werden wie diejenigen, die für die Misere verantwortlich sind. Wir sollten aber aber auch nicht vergessen, dass es Dinge gibt, die wir tun können, die über kurzfristige Forderungskataloge hinausreichen.

Denn die Zeit wird kommen, in der Afghanistan nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Vielleicht ist es dann an der Zeit, die Evakuierung der Menschen aus Mali zu fordern. Oder aus Somalia. Oder aus dem Libanon. Oder von irgendwo sonst, wo die Bundeswehr prominent ihren Kriegseinsatz beendet.

Oder wir fassen uns ein Herz und packen das Übel an der Wurzel. Eine bessere Welt für Alle ist nur möglich ohne Bundeswehr. Sollte der verschobene Große Zapfenstreich zum Ende des Afghanistaneinsatzes noch nachgeholt werden, sind wir gefordert, dieses widerliche Militärspektakel nicht unkommentiert geschehen zu lassen. Aber auch darüber hinaus, sollten wir jede Angriffsfläche nutzen, die sich uns bietet, um der Bundeswehr ein für alle Mal den Gar aus zu machen. Vom Werbeplakat an an der Bahnhaltestelle über Niederlassungen von Kriegsgewinnlern wie Rüstungsunternehmen, Crossmedia und Castenow bis zu öffentlichen Bundeswehrauftritten in Jobcentern, Schulen und Gelöbnissen.

Beteiligt euch an den Antimilitaristischen Protesten:

23.09. 21| 18:00 Uhr  Kohlfurter Str.  41 | Kiez-Demo gegen „Crossmedia“
14.10. 21 | Ort: tba |  Antimilitaristische Demo gegen den großen Zapfenstreich der Bundeswehr

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Es ist ein Phänomen der kapitalistisch geprägten Medienwelt, dass der Scheinwerfer oft nur auf einen bestimmten Punkt und ein bestimmtes Thema gerichtet wird. Wenn irgendwo etwas Aufsehenerregendes geschieht, wird das Ereignis tage- und wochenlang durchgehechelt – allerdings meist ohne jedes Verständnis für historische Hintergründe, gesellschaftliche Prozesse und Ursachen. So geschieht es aktuell mit dem Thema Afghanistan. In der Aufregung um die verpatzten Evakuierungen gehen tiefer gehende Fragen verloren. Um die geht es im Interview mit Luca Heyer. Er ist Politikwissenschaftler und aktiv bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen

Nach 9/11 hat der Westen 20 Jahre unter US-amerikanischer Führung in Afghanistan vorgeblich den Terror bekämpft, was jetzt mit einem ebenso überraschenden wie schmählichen Finale seinen Abschluss fand. Wie fällt Deine Bilanz dieses Krieges aus?

Dieser Krieg zeigt, was auch bereits andere Kriege zuvor zeigten: Frieden lässt sich nicht durch Krieg erzwingen, Menschenrechte und Demokratie ebenso wenig. Keines der Ziele wurde nachhaltig erfüllt. Der Preis dieses Krieges ist jedoch enorm hoch: Mehr als 200.000 Menschen verloren ihr Leben. Eine noch viel höhere Zahl von Menschen ist auf der Flucht. Insgesamt ist die Bilanz erschütternd.

Die Debatte über die Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung bei den Evakuierungen der sogenannten Ortskräfte haben verhindert, dass der Einsatz als Ganzes kritisch beleuchtet wurde. Siehst Du das auch so?

Ja. Die dramatischen Ereignisse im August gehen ja unmittelbar zurück auf politische Fehlentscheidungen, die zum Teil vor 20 Jahren, zum Teil während der letzten Monate getroffen wurden. Das betrifft zum einen die Entscheidung, überhaupt im Afghanistan-Krieg mitmischen zu wollen: Entgegen zahlreicher Warnungen und Proteste aus der Friedensbewegung gab man sich der Illusion hin, Menschenrechte und Demokratie könnten militärisch von außen quasi erzwungen werden. Im Laufe der Jahre trugen alle Parteien, die an der Regierung beteiligt waren, also SPD, Grüne, CDU/CSU und die FDP, diesen Einsatz mit – ein Fehler, wie man eigentlich spätestens jetzt einsehen müsste.

Andere Fehler, die zu der dramatischen Lage im August führten, lassen sich direkt der aktuellen Bundesregierung zuschreiben: Bereits vor einem halben Jahr gab es außerparlamentarische Appelle und parlamentarische Anträge der Linken und der Grünen, man müsse die afghanischen Ortskräfte schnell und unbürokratisch aufnehmen. Das wäre damals noch einfacher und ohne einen weiteren Militäreinsatz möglich gewesen. Seitens der Bundesregierung fehlte einfach der politische Wille. Stattdessen wurden sogar noch – wie im übrigen seit Jahren – Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Da wirkt der Militäreinsatz im August gleich doppelt heuchlerisch.

Wegen ihrer aktiven Rolle bei den Evakuierungen steht die Bundeswehr momentan in der bundesdeutschen Öffentlichkeit fast als Freund und Helfer dar, konnte das Ganze offensichtlich für die Aufbesserung ihres Images nutzen. Ist das nicht paradox?

Definitiv. Dabei wäre der Einsatz gar nicht nötig gewesen, wenn man rechtzeitig für sichere Fluchtwege gesorgt hätte. Außerdem ist die Bundeswehr keineswegs Freund und Helfer. Sie hat nicht nur eine Menge Menschen, die mit ihr in den letzten 20 Jahren zusammengearbeitet haben, fallen gelassen, sondern ja selbst auch Unschuldige getötet in diesem Krieg. Exemplarisch wäre da der Luftangriff bei Kunduz zu nennen: 2009 starben dort nach einem Bombenabwurf, den der Bundeswehroberst Klein zu verantworten hat, mehr als 100 Menschen, darunter auch Zivilisten und Kinder. Das scheint aktuell leider in Vergessenheit zu geraten.

In Presse, Funk und Fernsehen sowie den sozialen Medien waren eine Menge Bilder von Soldaten zu sehen, vor allem von der US Army, die Kinder auf dem Arm haben. Die Fotos wirken natürlich durch den Kontrast. Ist hier nicht offenbar die Gelegenheit genutzt worden, die am Afghanistan-Desaster beteiligten Truppen von jeder Schuld reinzuwaschen?

Ja, dieser Eindruck entsteht zumindest. Medial wurde das auch so transportiert. Durch diese Bilder wurde auch eine vermeintliche Handlungsfähigkeit in diesem sinnlosen Krieg suggeriert, die so aber nie bestand. Die Nato-Präsenz am Flughafen diente daneben letztlich der Priorisierung der Flüchtenden. Während ehemalige Ortskräfte von Spezialkräften in den Flughafen geschleust wurden, hielten gleichzeitig andere Nato-Kräfte mit Schusswaffen und Tränengas in Kooperation mit den Taliban andere Flüchtende vom Betreten des Flughafens ab, wobei auch Menschen umkamen. Eigentlich eine weniger rühmliche Geschichte…

Die Bild-Zeitung nannte die bei den Evakuierungen eingesetzten Bundeswehr-Soldaten in den vergangenen Tagen nur noch „Helden“. Auch eine Aktion der umstrittenen Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Kabul wurde bejubelt. War der Einsatz eine willkommene Gelegenheit für das KSK, die Vorwürfe der letzten Monate vergessen zu machen?

Ja, das war auch schon im Juni zu beobachten. Damals wurde das KSK zum ersten mal wieder in den Einsatz geschickt und zwar nach Afghanistan, während die Aufarbeitung des gewaltigen Munitionsdiebstahls und die Verstrickung in rechte Netzwerke am laufenden Band neue Skandale zutage förderten, beispielsweise die Möglichkeit gestohlene Munition anonym und straffrei zurückzugeben oder Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben. All das ist bis heute nicht vollumfänglich aufgeklärt – insbesondere der Verbleib von zehntausenden Schuss Munition oder die Rolle des Sicherheitsunternehmens Ferox. Dennoch entschied die Bundesregierung, das KSK wieder in Einsätze zu schicken, vermutlich auch in der Hoffnung, den Ruf der Einheit durch Aktionen wie im August reinzuwaschen.

Dient die ganze Debatte um die Evakuierungen und die Ortskräfte am Ende nicht auch dazu, die Ursachen des Scheiterns in Afghanistan zu verdecken? Also etwa, dass der Einsatz auf das Militärische verengt worden ist und Militärs nicht dazu befähigt sind, wirklich irgendetwas aufzubauen.

Demokratie und gesellschaftlicher Fortschritt können nicht mit Kriegen von außen aufgezwungen werden. Das muss die Lehre aus diesem sinnlosen Krieg sein. Der Einsatz war nicht zu sehr auf das Militärische verengt. Ich würde da weiter gehen: Es war ein Fehler, die Probleme in Afghanistan überhaupt militärisch lösen zu wollen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und andere sehen den Einsatz nicht als gescheitert an und meinen, die Konsequenz müsse sein, die militärische Selbstständigkeit der EU zu stärken. Was meinst Du dazu?

Das ist gefährlicher Blödsinn, der früher oder später wieder zu einem ähnlichen Scheitern wie in Afghanistan führen wird. In Mali steuern wir zum Beispiel unter EU-Federführung – also ohne die USA – auf ein ähnliches militärisches Desaster zu. Die Ziele wurden bislang verfehlt, die Sicherheitslage verschlechtert sich zunehmend und die von EU-Militärs ausgebildete malische Armee hat seit 2020 zwei mal geputscht. Man sollte einfach einsehen, dass die militärischen, vermeintlich humanitären Auslandseinsätze, die seitens der EU und der Nato die letzten 25 Jahre verstärkt durchgeführt werden, an sich nicht für Stabilität, Demokratie und Menschenrechte sorgen – im Gegenteil. Sie verschlingen Unsummen und führen zu Flucht, Instabilität, wirtschaftlicher Armut und vielen Toten. Wir müssen diese Einsätze nicht ohne die USA durchführen oder um mehr zivile Komponenten ergänzen, sondern wir müssen solche Einsätze umgehend beenden.

# Titelbild: Artillerieeinsatz der US-Armee am 20. Dezember 2018, US-Department of Defense

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“Bosnia grave of the doomed.” Der Spruch, einer der wenigen auf Englisch, steht an der Wand eines Gebäudes in der Stadt Bihac im nördlichen Kanton Una-Sana, nur 10 km von der kroatischen Grenze entfernt.
Er macht deutlich, dass die Balkanroute nicht nur hier durchführt, sondern hier auch endet. Europa liegt dort drüben, jenseits der Berge, die den Blick nach Westen versperren und ein klaustrophobisches Gefühl vermitteln. Mit knapp über 60.000 Einwohner*innen ist Bihac zu einem Grenzaußenposten geworden.

Die Grenze davor ist eine der am meisten kontrollierten auf der Route. Anders als Ungarn, das eine unpopuläre Mauer errichten ließ, schützt sich Kroatien mit einer Hightech-Ausrüstung aus Drohnen, Bewegungsmeldern und Wärmebildkameras. Trotz moderner Technik sind die Methoden immer noch die alten: Es ist überall bekannt, dass die kroatische Grenzpolizei geflüchtete Menschen verprügelt und ihres Geldes, Handys, Schuhe und Kleidung beraubt, bevor sie sie zurück nach Bosnien abschiebt. All das mit Zustimmung der europäischen Institutionen, subventioniert aus Gledern der EU (108 Millionen für die Jahren 2014-2020, Ende 2018 noch um 6,8 Millionen aufgestockt) und unter Missachtung des internationalen Rechts, das eine Überprüfung der Asylanträge vorschreibt. Für Menschen, die illegal nach Europa einreisen müssen wird Bosnien immer mehr zu einer Sackgasse, in der sie Monate und Jahre ihres Lebens verlieren.
Gewissheit, wieder herauszukommen, haben sie nicht.

Viele kommen aus dem Iran, Irak und aus afrikanischen Ländern, die meisten jedoch aus Pakistan und Afghanistan. Wie Sakine, eine 36-jährige Afghanin, die der schiitischen Minderheit der Hazara angehört. Sie durchquerte den Iran, die Türkei, Griechenland, Albanien und Montenegro, aber seit Monaten sitzt sie an der kroatischen Grenze fest. „Wir versuchen es seit fast einem Jahr, wir sehen kein Ende”, sagt sie. Zusammen mit ihrem Mann Jawad und ihren 4- und 8-jährigen Töchtern haben sie mehr als 30 Mal versucht, Europa zu erreichen. Dort möchten sie den Mädchen eine Ausbildung ermöglichen. Das letzte Mal nahm die kroatische Polizei ihnen alles weg und drängte sie dann mit Schlagstöcken, Tasern und Hunden zurück über die Grenze.
“Gegenüber Kroatien verlieren wir gerade unsere Hoffnung“, gesteht die Frau.

Sakine und Jawad leben mit anderen afghanischen Familien in einem verlassenen Haus in der Nähe von Velika Kladusa, der anderen Stadt des Kantons, die nahe der Grenze liegt. In Bosnien sind solche Häuser mit freiliegenden roten Ziegeln überall zu sehen. Sie werden verlassen, bevor sie überhaupt fertig sind. Die Besitzer haben entweder kein Geld mehr oder wandern einfach aus, vielleicht nach Deutschland oder Österreich. Sie wollen einem Land ohne Perspektive entkommen, in dem Durchschnittslöhne knapp 400 Euro betragen und Jugendarbeitslosigkeit bei 60 % liegt. Dass in vielen dieser Häuser auf dem Weg zwischen Bihac und Velika Kladusa nun Menschen, die Europa erreichen wollen, Zuflucht gefunden haben, gibt einem zu denken. Es scheint so, als wären die Häuser eine Art Erbe – hinterlassen von diejenigen, die vor Jahren auf der Suche nach Hoffnungen und Träumen ausgewanderten, dieser neuen Generation von „Verdammten“, die Bosnien nicht verlassen können.

Gleichermaßen erinnern die Namen der alten und neuen besetzten Gebäude in Bihac, in denen Geflüchtete in absoluter Not und ohne staatliche Unterstützung leben, an wilde Privatisierungen und Bankrotte, die nach Ende des jugoslawischen Sozialismus stattfanden: Kombitex, wo noch etwa 100 Menschen leben, war ein Textilunternehmen; Dom Penzionera, wo 300 Menschen lebten, war ein Altenheim, das aufgrund eines Korruptionsskandals nie eröffnet wurde; Krajina Metal, wo kürzlich 200 Menschen Unterkunft fanden, war eine ehemalige Fabrik für Metallteile; selbst im ehemaligen Lager von Bira, das letztes Jahr infolge von Bürgerprotesten geschlossen wurde, wurden einst Kühlschränke hergestellt. Das frühere Scheitern der produktiven Infrastruktur, die ausverkauft und zum Zusammenbruch geführt wurde, überschneidet sich nun mit dem Scheitern des Empfangssystems – wenn man es überhaupt als Empfang bezeichnen kann.

Ein Junge aus Afghanistan in der Nähe der Grenze zwischen Bosnien und Kroatien

Denn während die EU darauf beharrt, geflüchtete Menschen außerhalb ihrer Grenzen zu halten, tut die bosnische Regierung ihrerseits alles, um die Lage im Kanton Una-Sana unerträglich zu machen. Der Plan ist, Regierungslager als einzige Alternative vorzuschreiben. Ins Lager von Lipa wollen aber viele Menschen nicht. Es liegt total isoliert auf einer Hochebene 28 km von Bihac entfernt, zu weit von der Grenze entfernt, die sie überqueren wollen und zu Fuß erreichen müssen. Der Lager untersteht der SFA (Service for Foreigner’s Affairs) und wird nach einem Brand im vergangenen Dezember weiter ausgebaut. Untergebracht sind in ihm derzeit 600 Personen, bei einer Kapazität von 900 Personen hat die Regierung 30 Militärzelte, eine gleiche Anzahl von chemischen Toiletten und einige medizinische Container aufgestellt, in denen hauptsächlich Schmerzmittel verteilt werden. Als Mitte Juli die Touristensaison begann und die Räumung einiger großer von Geflüchteten besetzen Gebäude – darunter auch Krajina Metal – stattfand, machten sich Menschen, die in das Lager deportiert worden waren, auf den Weg nach Bihac zurück. Sie gingen wieder in informelle Unterkünfte: Gebäude und Zeltlager ohne Strom und Wasser und mit kritischen hygienischen Bedingungen. Verschärft wird diese Lage durch das Verbot von Hilfeleistungen (einschließlich medizinischer Versorgung) und der Verteilung grundlegender Güter außerhalb der Regierungslager, so dass internationale NGOs und Gruppen gezwungen sind, im Verborgenen zu arbeiten.

Der Versuch, die Grenze zu überqueren, scheint so als einzige Möglichkeit. Selbst für diejenigen, die erschöpft einen Asylantrag in Bosnien stellen möchten, sind die Fristen so lang, dass sie davon abgeschreckt werden: 300 Tage für die Formalisierung des Antrags, 400 Tage für die erste Anhörung, die einen aus der Illegalität holen könnte. Es gibt nur “the game”, wie Geflüchtete die Grenzüberquerung nennen: Gewinnt man, ist man in Europa; verliert man, verliert man alles, manchmal sogar sein Leben – wie der fünfjährige afghanische Junge, der am 30. Juli im Fluss Una ertrank, als er mit seiner Familie versuchte, Kroatien zu erreichen. Der Anteil von denen, die es schaffen, ist sehr gering, die Verzweiflung und Zähigkeit aber so groß, dass sie als letzte Form des Widerstands erscheint. An dieser Grenze kämpfen Menschen nur mit ihrem eigenen Körper, gegen Müdigkeit, Schläge, Wunden. Eine Chance haben hier, wie anderswo auch, nur diejenigen mit Geld: 3.500 Euro kostet ein “taxi game”, damit kann man mit dem Auto Italien erreichen. Allen anderen bleibt nichts anderes übrig, als sich zu Fuß auf den Weg zu machen, nachts, manchmal über Felder, die noch vom Krieg vermint sind. Von hier bis Triest sind es zwölf Tage Fußmarsch und drei Grenzen, an denen man geschlagen, abgeschoben und zum Ausgangspunkt zurückgebracht werden kann, zurück nach Bosnien, dem Grab der Verdammten.

#Text und Bilder: Elisa Scorzelli und Fabio Angelelli

Ursprünglich erschienen auf italienisch in il manifesto unter dem Titel „Benvenuti in Bosnia, la tomba dei dannati“

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Die Massenproteste gegen die Zwangsräumungen von Palästinenser:innen in Sheikh Jarrah und die weltweiten Solidaritätsdemonstrationen haben auch im internationalen Diskurs eine Verschiebung eingeleitet – nur Deutschland und Österreich hinken hinterher, meint unser Gastautor Marik Ratoun.

Viel läuft schief in der hiesigen Diskussion über die aktuellen Entwicklungen in Palästina-Israel: In den letzten Wochen hat das hochgerüstete israelische Militär in Gaza gezielt dichtbevölkerte Wohnviertel bombardiert, kritische Infrastruktur zerstört (darunter das einzige Corona Testzentrum in Gaza, Mediengebäude, Schulen, Straßen, die zu Krankenhäusern führten etc.) und 219 Menschen, darunter 63 Kinder, ermordet. In deutschen Medien – zwischen linken und bürgerlichen Medien waren hier oft kaum Unterschiede zu verzeichnen – standen allerdings nicht diese Kriegsverbrechen im Vordergrund, sondern der Raketenbeschuss des bewaffneten Arms der Hamas auf israelische Städte, bei dem 28 Menschen ums Leben gekommen sind. Daneben waren antisemitische Geschehnisse vor Synagogen Thema sowie die vielen Demonstrationen gegen die koloniale Gewalt in Palästina am Tag der Nakba (15.05). Gezielt wurden die fortschrittlichen Demonstrationen, deren Organisator*innen sich zuvor eindeutig von Antisemitismus und Faschismus distanziert hatten, unter die antisemitischen Geschehnisse subsumiert.

Was wir in der deutschen Berichterstattung und den apologetischen Reflexen der meisten bürgerlichen Politiker*innen beobachten können, ist eine Weigerung die Realität der Apartheid und der siedlerkolonialen Gewalt in Palästina-Israel anzuerkennen. Die bedingungslose „Solidarität mit Israel“ scheint ein verzweifeltes Aufbäumen zu sein gegen diese Realität und gegen den fortschreitenden Wandel im weltweiten Blick auf die Situation, der sich verschiebt. Überall hat es große Demonstrationen in Solidarität mit den Palästinenser*innen gegeben. In Berlin waren mehr als 15.000 auf der Straße, in London waren es gar 180.000 Menschen. Und sogar in den US-amerikanischen Leitmedien kamen Aktivist*innen zu Wort, die vor laufender Kamera sagen können, was ist. So erklärte der palästinensische Aktivist Mohammed El-Kurd bei einem Interview beim MSNBC am 11. Mai über die Entwicklungen im Jerusalemer Stadtviertel Sheikh Jarrah: „Das ist ethnische Säuberung“. Ein MSNBC Kolumnist analysierte: „Wir müssen in der Lage sein zu sagen, dass Israels Behandlung der Palästinenser Apartheid ist. Punkt.“ Dies war bei den früheren Gewaltausbrüchen unvorstellbar. Auch einige Politiker*innen der demokratischen Partei verurteilten die israelischen Angriffe weit schärfer, als es bisher toleriert wurde. Diese Sag- und Hörbarkeit palästinensischer antikolonaler Perspektiven ist eine Folge der jahrelangen Organisierung palästinensischer und solidarischer jüdischer Aktivist*innen in den USA.

In Deutschland sind wir scheinbar noch weit entfernt, einen derartigen Wandel in der allgemeinen und linken Berichterstattung zu spüren. Der Verlust der Überzeugungskraft des israelischen Regierungsnarrativs, wonach Israel sich stets angemessen gegen Angriffe von außen selbst verteidige und „beide Seiten an der Eskalation schuld seien“ ist nach wie vor dominant.

Deshalb sollten wir daran arbeiten, dass sich das ändert. Gerade aus linksradikaler Sicht ist es unsere Aufgabe, die Analyse der Palästinenser*innen populär zu machen und nach außen zu tragen. Denn sie haben vor allem in Deutschland keine großen Lobbyorganisationen oder kraftvollen politischen Kanäle, die ihre Sicht auf die Dinge hörbar machen könnten. Aber sie haben die Bewegung, sie haben uns. Umso wichtiger ist es, dass wir ihre Stimmen verstärken und unterstützen: Es ist Zeit, dass wir beginnen, das anhaltende Schweigen der deutschen Linken im Angesicht der mehr als 70 Jahre andauernden Unterdrückung der Palästinenser*innen zu beenden. Es ist Zeit, dass wir uns eine kritische und sachkundige Analyse und Beschreibung von den Entwicklungen in Palästina-Israel aneignen, statt untätig im Paradigma der „beiden Streithähne aus Nahost“ und der „Selbstverteidigung Israels“ zu verharren. Die Wörter, die wir benutzen, um die Entwicklungen zu beschreiben, haben in diesem Befreiungskampf eine herausgehobene Stellung: Weil die Palästinenser*innen sich angesichts der israelischen Gegenmacht nicht selbst befreien können, appellieren sie an die Welt, sie nicht im Stich zu lassen. Und hierzu gehört auch, sich vehement gegen die fabrizierte Verteidigung der andauernden Kolonisierung palästinensischen Lands zu stellen.

Nicht erst der Bericht von Human-Rights-Watch vom 27. April 2021 hat gezeigt, dass es in Palästina-Israel nicht einfach um ein bisschen Diskriminierung, sondern glasklare Apartheid, d.h. strukturelle ethnische Separation, geht. Seit Jahrzehnten sprechen palästinensische Aktivist*innen im Angesicht von Mauern, Checkpoints, ethnischer Säuberung und Vertreibung, rassistischen Gesetzesregimes (für Palästinenser*innen in Israel gilt israelisches Zivilrecht, für Palästinenser*innen unter Besatzung Militärrecht) und der Einkreisung der arabischen Städte in der Westbank von Apartheid, ohne jedoch Gehör zu finden. Genauso ist inzwischen den meisten progressiven Kreisen (außerhalb von Deutschland und Österreich) klar, dass die Natur des Konflikts keine religiöse, sondern eine siedlerkoloniale ist. Die Pogrome gegen Palästinenser*innen innerhalb von Israel durch zionistische Siedler*innen, mit Rückendeckung der Polizei, die regelmäßigen Angriffskriege auf Gaza, die Militärgewalt in der Westbank, all das ist Teil der siedlerkolonialen Gewalt. Diese Gewalt hat die Funktion, den Zugriff auf Land und Territorium für die Siedlergesellschaft zu ermöglichen, indem das Land von der indigenen Bevölkerung zur Siedlergesellschaft übergeht („ethnische Säuberung“).

Und schließlich wird es Zeit, dass wir die Tragweite der letzten Wochen für die palästinensische Befreiungsbewegung anerkennen. Sowohl die palästinensischen Fraktionen als auch die Israelis und internationale Beobachter*innen waren vor allem überrascht von einem Aspekt: der Einheit der Palästinenser*innen. Auch nach mehr als 100 Jahren „teile und herrsche“ und nach jahrelanger politischer Separation demonstrierten Menschen in Gaza für Sheikh Jarrah (Jerusalem) und Menschen in Haifa für Gaza. Die Palästinenser*innen organisierten Demonstrationen unabhängig von den korrupten politischen Eliten und riefen zu einem massiven Generalstreik im ganzen historischen Palästina am 18.05 auf.

Diese Proteste, die vereinzelt und womöglich verfrüht als „Intifada der Einheit“ beschrieben werden, sind eine historische Zäsur. Die neue Generation der Palästinenser*innen, die nur die Stagnation seit Oslo und die brutale Zerschlagung der palästinensischen Gesellschaft während der zweiten Intifada kennt, diese Generation, die nur das regelmäßige vernichtende Bombardement von Gaza und die zerstörten Flüchtlingslager kennt, beginnt sich vom Jordan bis zum Mittelmeer zu erheben gegen ihre koloniale Unterdrückung und für die Dekolonisierung in Palästina-Israel zu kämpfen. Und wir sollten uns endlich konsequent an ihre Seite stellen. Denn wie der berühmte palästinensische Schriftsteller und Revolutionär Ghassan Kanafani einmal gesagt hat: “Die palästinensische Sache ist nicht nur eine Sache für Palästinenser, sondern eine Sache für jeden Revolutionär, wo immer er sich befindet, als Sache der ausgebeuteten und unterdrückten Massen in unserer Zeit.”

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Kristian Stemmler

Es war ein heißer Sommertag in den späten 80ern, ich kann mich noch gut erinnern. Die Heidefläche vor dem Haus meiner Oma in der Lüneburger Heide war knochentrocken. Wie es genau zu dem Feuer kam, weiß ich nicht mehr genau. Ich meine, mein Bruder und ich wollten die trockenen Pflanzen kontrolliert abfackeln, was natürlich extrem leichtsinnig war. Jedenfalls stand eine Ecke der Fläche plötzlich in Flammen und ein Feuerring breitete sich in rasender Geschwindigkeit in alle Richtungen aus. Wir, mein Bruder, ein herbeigeeilter Freund und ich, versuchten das Feuer auszutreten oder mit Decken auszuschlagen – doch wenn es an einer Stelle eingedämmt war, flammte es an einer anderen Stelle wieder auf.

Warum ich das erzähle? Weil mir diese Episode aus jungen Jahren in den Sinn kam, als ich zum Jahreswechsel – bekanntlich die Zeit, in der man gern Bilanz zieht und leicht ins Philosophieren kommt – über die Lage der Linken nachdachte. Wenn ich mir das Fortschreiten der unterschiedlichen Kämpfe im abgelaufenen Jahr 2020 ansehe, dann erscheinen mir unsere verzweifelten Versuche von damals, das Feuer einzufangen, als eine passende Analogie. Wo man heutzutage auch hinschaut, in allen gesellschaftlichen Bereichen schlagen Flammen hoch oder sind zumindest Glutnester auszumachen. Wenn man meint, man habe das Feuer an einer Stelle eingedämmt, flammt es anderer Stelle wieder auf. Es ist ein Flächenbrand.

Kaum verwunderlich ist daher, dass viele radikale Linke an einer gewissen Überforderung leiden. Schon die Beurteilung der Frage, wo es am meisten brennt, wirft Probleme auf. Und von der Antwort hängt nicht zuletzt ab, worauf man seinen Blick richtet und für welches Engagement man die begrenzte Zeit und Kraft einsetzt.

Unterstütze ich zum Beispiel Seebrücke, weil ich was gegen die katastrophale Situation der Geflüchteten auf den griechischen Inseln tun will und gegen das Ertrinken auf dem Mittelmeer? Oder blockiere ich mit einer Friedensgruppe die Zufahrt zu einem Werk von Rheinmetall? Oder solidarisiere ich mich mit Baumbesetzern? Oder schließe ich mich doch einer Antifa-Gruppe an, um Nazistrukturen aufzudecken und Nazis zu bekämpfen?

Natürlich ist das jetzt etwas konstruiert, da eine solche rationale Abwägung auch im Leben von Linken eher selten vorkommt. Man kommt doch oft eher durch Freunde oder Bekannte zu einer politischen Gruppe und damit auch zu einem Thema oder auch durch ein bestimmtes Ereignis, das einen umtreibt. Nichtsdestotrotz interessiert man sich als politischer Mensch ja auch für andere Themenbereiche und versucht sich ein Bild von der Gesamtlage zu machen. Dabei kommt man leicht zu der Frage, wo die Probleme und Gefahren die größten sind, wo es „am meisten brennt“.

Das ist, kaum überraschend, nicht endgültig zu beantworten. Jede Bewegung, jeder Kampf beansprucht für sich wichtig zu sein – und das durchaus zu recht. Die Friedensbewegung kann darauf verweisen, dass von der Zivilisation nicht viel übrig bleiben wird, wenn der Frieden nicht bewahrt wird. Die Klimabewegung kann wiederum konstatieren, dass wir vom Frieden nicht viel haben, wenn die Natur zum Teufel geht. Die Antifa kann argumentieren, dass der Frieden und eine gerettete Umwelt wenig bringen, wenn die Faschisten wieder ans Ruder kommen. Und wer sich gegen Repression engagiert, kann allen drei Bewegungen entgegenhalten, dass sie eines Tages nicht mehr effektiv gegen Krieg, den Klimawandel und Nazis protestieren und kämpfen können, wenn das Versammlungsrecht weiter eingeschränkt wird und immer mehr radikale Linke im Knast sitzen.

Mit anderen Worten: Jeder Kampf hat seine Berechtigung und jeder ist wichtig. Das gilt auch für die Kämpfe, die hier noch gar nicht erwähnt wurden, also etwa in den Betrieben, gegen Rassismus, gegen den Mietenwahnsinn und die Gentrifizierung, für Hartz-IV-Empfänger*innen, Drogensüchtige, Obdachlose. Für radikale Linke gibt es alle Hände voll zu tun, es wird nicht weniger und es ist letztlich egal, an welcher Stelle sie versuchen, Flammen auszutreten, um an die Analogie vom Anfang anzuschließen. Es gibt aber folglich auch keinen Grund, die eigene Bewegung, den eigenen Kampf für bedeutsamer zu halten als andere.

Vielleicht kann man das als Wunsch fürs neue Jahr formulieren: dass sich diese Einsicht noch mehr durchsetzt. Denn noch zu oft sind die Kämpfe der Linken zu unverbunden, geradezu isoliert voneinander. Es kann und muss hier noch viel mehr zusammengeführt werden.

Eine gelingende Verbindung von Kämpfen kann aber nur da stattfinden, wo sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass es in dieser Gesellschaft zwar viele Brandnester gibt, aber nur einen Brandherd, nur eine Brandursache: den Kapitalismus. Alle in diesem Beitrag geschilderten Krisenphänomene sind auf dieses System zurückzuführen und ein gemeinsamer Kampf setzt voraus, dass man sich zuerst auf eine Agenda einig:
Der Kapitalismus muss weg, mit Stumpf und Stiel!

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Ihre Anführer scheuen oft das Licht der Öffentlichkeit, doch sie besitzen immense Macht. Konten gefüllt mit Milliarden aus Geschäften, die in aller Herren Länder verrichtet werden; tausende Untergebene, die auf Gedeih und Verderb dem Richterspruch der Männer und Frauen an der Spitze ausgeliefert sind; sie blicken oft auf eine mehr als hundertjährige Geschichte krimineller Machenschaften zurück, sind für Millionen Tote mitverantwortlich: Deutsche Kapitalisten-Clans.

Diese Reihe widmet sich den Superreichen der Bundesrepublik, die den traditionsreichen „Familienunternehmen“ vorstehen, von der Politik jeder Couleur hofiert werden und so gut wie nie zum Gegenstand wutbürgerlichen Aufbegehrens werden. Teil eins der Serie widmete sich der Familie Quandt/Klatten, Teil zwei drehte sich um das Schaeffler-Imperium. Im vorliegenden dritten Teil geht es um die Brose Fahrzeugteile SE & Co. KG.

Die Toleranz der Polit-Elite gegenüber NS-Verbrechen hat in Deutschland eine eigene Ökonomie. Wenn ein paar hundert Glatzköpfe sich mit Fahnen und Lautsprecherwagen die Springerstiefel in den Bauch stehen und unter der Losung „Opa war ein Held“ ein gebührendes Andenken an die Kriegsverbrechergeneration fordern, kommt so gut wie niemand auf die Idee, eine Straße nach den jeweiligen Großvätern zu benennen.

Nun ist aber Michael Stoschek kein Hängengebliebener ohne Haupthaar, sondern einer der reichsten Deutschen. Und auch der Milliardär Stoschek hat einen deutschen Opa. Der hieß Max Brose. Und auch den wollte der Coburger Stadtrat zunächst nicht ehren, weil der Herr Großpapa typisch für seine soziale Schicht am großen deutschen Konjunkturprogramm von 1933 bis 1945 ganz reichlich teilgenommen hatte. Aber das wiederum beleidigte den Michael Stoschek. Nur weil der Opa an Zwangsarbeit verdiente, Rüstung für Hitlers Weltmachtstreben produzierte, NSDAP-Mitglied und „Wehrwirtschaftsführer“ war, konnte ihm doch keiner die Straße verwehren. Wo kämen wir da hin?

Der Herr Stoschek entschloss sich also, nunmehr weniger von dem Geld, das er aus dem Betrieb des Nazi-Opas geschlagen hatte, an die Stadt Coburg weiterzugeben. Und nach einiger Zeit sah man dann auch im Stadtrat ein: Non olet. Und wenn das Geld nicht stinkt, wie kann dann der stinken, der einst begann, es zu akkumulieren? Also kam 2015 doch die Ehrung und so hat die Stadt Coburg – gebührend für die „erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“, wie sie sich ab 1939 stolz nannte – nun eine Max-Brose-Straße.

Humanitätserscheinungen sind keineswegs am Platze!“

Woher kommt so viel Patte, dass man in der Lage ist, eine Stadt zu erpressen, eine Straße nach dem eigenen Nazi-Opa zu benennen? Die Antwort ist: Letztinstanzlich von eben jenem Nazi-Opa. Denn Max Brose begründete eine Unternehmensdynastie und der gehört eben auch noch sein Enkel Michael Stoschek sowie dessen Schwester Christine Volkmann an.

Die ersten Anfänge sind nicht genau rekonstruiert, aber insgesamt geht der Reichtum des Clans auf die Gründung eines Unternehmens für Automobilausrüstung zurück, das der da 24-jährige Max Brose 1908 in Berlin eintragen ließ. 1919 tut sich Brose mit seinem langjährigen Geschäftspartner Ernst Jühling zusammen, und beide schlängeln sich mal erfolgreicher, mal weniger erfolgreich durch die entstehende Auto-Industrie der Weimarer Republik. Sie werden reich, aber natürlich gibt es auch Krisen.

Aber es ging immer wieder bergauf. So etwa, als 1932 ein richtig mieses Jahr war, dann aber zum Glück der deutschen Bourgeoisie Hitler kam und ab 1933 ordentlich das Business ankurbelte. Selbst der den von ihm porträtierten Unternehmerfamilien stets sehr wohlwollend gesonnene Historiker Gregor Schöllgen schreibt in seiner Unternehmensgeschichte „Brose. Ein deutsches Familienunternehmen 1908 – 2008“: „Es ist erstaunlich, wie schnell die deutsche Automobilindustrie aus dem Tief des Jahres 1932 herausfindet. […] Hinter diesem Erfolg steckt ein Name: Am 11. Februar 1933 hat erstmals ein Reichskanzler die Internationale Automobil- und Motorradausstellung in Berlin eröffnet. Es ist zugleich die erste öffentliche Amtshandlung Adolf Hitlers in seiner neuen Funktion.“

Im Juni 1933 stellt Max Brose seinen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP. Er wird auch noch Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, in der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation, im Nationalsozialistischen Kraftfahr-Korps“, im „NS-Reichsbund für Leibesübungen“, in der Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ sowie in der „Deutschen Arbeitsfront“. Er ist hochrangiger Funktionär der Industrie- und Handelskammer Coburg und „Wehrwirtschaftsführer“. Vom Sicherheitsdienst des Reichsführers SS wird Brose als „national, ohne weitere Bindungen“ eingestuft. 1935 attestierte ihm Obersturmbannführer Linke in der Führerbeurteilung des Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps: „Weltanschauliche Festigung: Guter Nationalsozialist“.

Kurz: ein klassischer unbelasteter und nur durch äußeren Druck sich anpassender deutscher Unternehmer, wie wir sie nur allzu gut kennen.

Brose leidet immens unter dem Nationalsozialismus: 1935 macht er sich an einen Neubau einer standesgemäßen Villa. Zuvor im Eigentum des von Nazis gefolterten und vertriebenen Juden Abraham Friedmann, wird man nach dem Krieg aber gottseidank feststellen, dass der Kauf seitens Broses voll und ganz ordnungsgemäß war. Welcher Ordnung er gemäß war, diese Frage verbot sich schon unmittelbar nach Kriegsende.

Broses Umsatz – so Schöllgen – erreicht bis 1944 „ungebremst nicht gekannte Dimensionen“. Ab 1939 beginnt Brose mit der Fertigung von Rüstungsgütern, der Krieg steht ja vor der Tür. Die Firma Brose blüht in dem Maße auf, in dem faschistische Aggressionsarmee voranschreitet. Das Repertoire: Der Klassiker, der Brose 20-Liter-Kanister; Aufschlagzünder; Panzergeschosse; Sprenggranaten. Alles mögliche, bis hin zur Luftfahrtausrüstung.

Wer produziert nun? Viele Frauen, denn Arbeiter wurden massenhaft eingezogen. Und Zwangsarbeiter:innen. Für 1942 nennt Schöllgen 200 sowjetische Kriegsgefangene, 60 Kroaten und etwa 20 Franzosen. In Broses Werk gab es von der Wehrmacht vereidigte „Hilfswachleute“ und Geschäftspartner Jühling forderte die Gestapo auf, flüchtige kroatische Fremdarbeiter:innen wieder einzufangen. In der Firma hängt nun aus: „Allen Nichtbefugten ist jeglicher Verkehr mit den kriegsgefangenen Sowjetrussen verboten!“ Und in einem namentlich von Brose gezeichneten Schreiben heisst es zum Umgang mit den Gefangenen: „Humanitätserscheinungen sind keineswegs am Platze!“

Broses Umsatz explodiert bis 1944. Dann geht‘s mit dem Hitler-Faschismus zu Ende. Aber glücklicherweise hatte Max Brose ja mit dem Faschismus gar nichts zu tun, also hört die Unternehmensgeschichte der Broses hier nicht auf.

Alles nur Mitläufer

Der stets wohlgesonnene Auftragshistoriker Schöllgen trifft ungewollt den Punkt: Nach der Niederlage des Hitler-Faschismus war klar, dass Coburg „nicht unter sowjetische, sondern unter westliche, unter amerikanische Herrschaft gerät, und das wiederum erklärt, dass Max Brose, soweit das unter den gegebenen Umständen möglich ist, der kommenden Entwicklung gelassen entgegensieht.“

Brose hat, das sollte die weitere Geschichte zeigen, allen Grund dazu, denn in der heraufziehenden Systemkonkurrenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus machte sich der Westen prompt an die Wiederverwendung noch nahezu jedes Nazi-Verbrechers. Es folgte zwar eine Episode, in der Brose und seinem Kumpan Jühling von den US-Behörden die Firmenleitung entzogen worden war. Die endete aber rasch. Jühling wird als „Mitläufer“ eingestuft, Brose zunächst als „Minderbelasteter“, dann ebenfalls als „Mitläufer“. Wohl bekomm‘s und weiter gehts.

1948 kehrt Brose zurück an die Firmenspitze und es geht ab ins Wirtschaftswunder, denn das – ja von wem eigentlich? – in Ruinen zurückgelassene Land will wieder aufgebaut werden. Dazu kommt, dass nach dem Krieg ja bekanntlich vor dem Krieg ist – in diesem Fall des Koreakriegs, bei dem die USA rund 5 Millionen Menschen umbrachten und der in der Bundesrepublik eine wirtschaftliche Boom-Phase auslöste.

Brose positioniert sich voll und ganz auf dem Markt für Automobil-Zulieferer und kann bald expandieren. Arbeitskraft ist genügend vorhanden, Absatz auch. Und so wird die Firma Brose das, was sie heute ist, eines der Aushängeschilder der deutschen Automobilindustrie.

Billige Lohnkosten im Ausland

1968 stirbt Max Brose. Seine Tochter Gisela führt das Unternehmen einige Jahre, dann übernimmt Michael Stoschek, der heute amtierende Erbe der Familiendynastie. Damals nimmt das Unternehmen rund 1000 Arbeiter:innen aus und erwirtschaftet 50 Millionen D-Mark. Heute sind es nach Unternehmensangaben 25 000 bei einem Umsatz von 6,2 Milliarden Euro (Stand 2019).

Einen Einblick in den Arbeitsalltag dieser Beschäftigten zu gewinnen, ist nicht einfach – gibt es doch gerade für die Produktionsanlagen im Ausland kaum Quellen. Wer subjektive Eindrücke aus deutschen Werken lesen will, kann das auf der Plattform kununu, auf der anonym Erfahrungen mit Unternehmen eingestellt werden können – allerdings selten von Produktionsarbeiter:innen genutzt. Wiederkehrende Themen sind: Eine auf extremem Druck basierende Arbeitskultur, miese Kommunikation, Arbeitsplatzunsicherheit durch Stellenstreichungen und Leiharbeitsverhältnisse, die den „untersten“ Teil der Arbeiterklasse bei Brose in Deutschland bilden.

Die Löhne – ist man nicht gerade Leiharbeiter – sind, wie bei allen deutschen Unternehmen von Welt, so ausgerichtet, dass es im Mutterland keinen Aufstand gibt, dafür aber eine Reihe von Fabriken in Niedriglohnländern existieren. Auch Brose hat die seit den 1970er-Jahren andauernde allgemeine Tendenz zur Verlagerung von Produktionstätigkeiten und Wertschöpfung ins Ausland mitgemacht.

1988 beginnt Brose in Großbritannien und Spanien zu produzieren. Schon damals hat die Internationalisierung klare Gründe: In Großbritannien werden „im Jahresdurchschnitt fast 110 Stunden mehr gearbeitet als in der Bundesrepublik, und das bei deutlich günstigeren Lohnkosten und einer Nutzung der Maschinen im Dreischichtbetrieb“, schreibt Schöllgen.

Und wenn das schon in Großbritannien so viel günstiger ist, wie wird es erst in Slowenien, Brasilien, Indien, China sein? Von den späten 1980ern an baut Brose sich insgesamt 64 Standorte in 24 Ländern auf. Die Mehrheit der Beschäftigten des „deutschen“ Unternehmens arbeitet heute nicht in Deutschland und nicht zu den mit der IG Metall ausgehandelten Bedingungen (auch wenn Brose selbst im Inland gelegentlich versucht, den Tarif zu untergraben).

Und was bekommt man im Ausland so? Ein Inserat für Produktionsarbeiter:innen im slowakischen Prievidza verspricht „742 bis 1000 Euro“ Brutto fürs Malochen im Dreischichtbetrieb. In Mexiko, dem Eldorado für Billigproduktion und Union-Busting, verdienen die Brose-Arbeiter:innen so wenig, dass es für den Konzern günstiger war, auf eine weitergehende Automatisierung der Produktion zu verzichten. Für einen ganzen Tag Arbeit gibt es um die 30 US-Dollar, schreibt die Wirtschaftswoche. Kein Wunder, dass dann gilt: Die Arbeiter:innen sind „durchweg Mexikaner bis auf den Werksleiter“ – der ist natürlich Deutscher.

Dieser Prozess der Verlagerung ins Ausland ist keineswegs abgeschlossen. Die Standorte in Niedriglohnländern, die zudem oft keine oder kaum gewerkschaftliche Organisation kennen, wird durch die sogenannte Corona-Krise beschleunigt. Während das Unternehmen bereits vor Covid-19 ankündigte, etwa 2000 Stellen in der Bundesrepublik abzubauen, meldete es in den vergangenen Jahren den Ausbau der Produktionskapazitäten etwa in China oder Mexiko.

Hilflose Gewerkschaften

Die Antwort der zuständigen IG Metall ist dürftig. Als Brose in Coburg kurzfristig Stellen abbauen will, heisst es nur: Die Gewerkschaft „beobachtet“ die Situation sorgfältig, aber man habe ja eine Betriebsvereinbarung, die bis 2024 betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Und dann? Bei anderer Gelegenheit kritisierten IG-Metall-Gewerkschafter zwar die „Steinzeitmethoden“ von Brose und ähnlichen Betrieben in der Corona-Krise, aber mehr als ein Appell an einen anderen „Unternehmergeist“ war dann auch nicht drin. Im Oktober 2020 wurde kurz symbolisch gestreikt – aber auch das bleibt völlig wirkungslos.

Am Ende geht es der IG Metall um die Aushandlung von „sozial verträglichem“ Arbeitsplatzabbau, Abfindungen und langsamen Kündigungen. Brose bezahlt die für die Abwicklung nötigen Summen aus der Porto-Kasse. Und wer erwirtschaftet die? Na die Arbeiter:innen in Produktionsstandorten irgendwo anders, die fortan für deutlich niedrigere Lohnkosten produzieren.

Michael Stoschek kann den Gewerkschafts“widerstand“ jedenfalls gelassen sehen. Während die IG Metall Pressemitteilungen ohne erkennbare Wirkung schreibt, sammelt der Brose-Erbe Sportwagen und lässt sich auf Ferrari-Modellen basierende Unikate anfertigen. Seine Tochter Julia verwirklicht sich als Kunstsammlerin, Sohn Maximilian gönnt sich neben dem Brose-Anteil eine Helikopter-Charter-Firma.

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Die Grünen veranstalten derzeit ihren Parteitag. Auf dem geht es um ein „Grundsatzprogramm“. Man könnte nun die Allerweltsphrasen dieses Programms analysieren, aber es lohnt nicht. Mehr über diese Partei und wie sie mit ihren eigenen Grundsätzen umzugehen pflegt, sagt die Rückschau auf vergangene Programme. Was schrieben die Grünen – und was taten sie dann wirklich?

Im Jahr 1999 gültig war das programmatische Dokument „Politische Grundsätze“, verabschiedet 1993. In dem geduldigen Papier heisst es, man strebe eine Welt an, „in der jeder Militarismus geächtet wird und in der die erforderlichen Grundlagen für zivile, nichtmilitärische Formen der Konfliktbewältigung, der Rechtswahrung und Friedenssicherung gegeben sind.“

Auf dieser Grundlage führte der grüne Außenminister Joseph Fischer die Grünen in den ersten von deutschem Boden ausgehenden Angriffskrieg seit 1945. Er tat dies ganz „emanzipatorisch“, indem er den Holocaust instrumentalisierte, um zu rechtfertigen, dass deutsche Soldaten sich am Zerbomben Jugoslawiens beteiligten.

2002 trat ein neues Papier mit dem Titel „Die Zukunft ist grün“ in Kraft. Dort steht geschrieben:„Die gerechte Verteilung der wichtigen gesellschaftlichen Güter ist Kernbestandteil bündnisgrüner Politik. Unsere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität gehen weiter als die klassische Umverteilungspolitik. Vorrangiges Ziel unserer Politik ist es, Armut und soziale Ausgrenzung zu vermeiden und die soziale Lage der am schlechtesten Gestellten zu verbessern.“

Kaum hatten die Mittelschichtsschlurfis diese Sätze abgenickt, setzten die Grünen zusammen mit der SPD im Gruselkabinett Schröder II die sogenannten Hartz-Reformen durch, bauten den Niedriglohnsektor in bislang ungeahnte Dimensionen aus, „liberalisierten“ die Arbeitsverhältnisse und warfen Millionen Menschen in jenes Zwangssystem aus Armut und Sanktionen, von dem sie heute vollmundig versprechen, es wieder abschaffen zu wollen.

Auch in dem Müllpapier von 2002 steht der Schenkelklopfer: „Staaten, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, dürfen keine Rüstungsexporte und keine Militär- und Ausstattungshilfe erhalten.“ Die Tinte war noch nicht trocken, da erhielt die Türkei schon Leopard-Panzer zum Kurdenmorden aus deutsch-grünen Händen.

Grüne Grundsatzprogramme haben eine Halbwertszeit, die genau so lange hält, wie man nirgendwo mitzureden hat. In dem Moment, wo Grüne regieren, lösen sich die Programme magisch in nichts auf. Man schreibt von Frieden und zieht an den Hindukusch. Man schreibt von demokratischer Kontrolle und stärkt den intransparenten, mörderischen Verfassungsschutz. Man schreibt von Aufklärung und verhindert Untersuchungsausschüsse zum NSU-Rechtsterror oder dem Mord an Oury Jalloh. Man schreibt von sozialer Gerechtigkeit und spuckt Arbeiter:innen und Erwerbslosen ins Gesicht. Man schreibt refugees welcome und verschärft Asylgesetzgebungen. Man schreibt von offenen Grenzen und schiebt ab. Man schreibt von Umweltschutz und meint damit die Ansiedlung von Elon Musks Lithium-Autos. Man schreibt von Artenvielfalt und lässt den Hambi roden.

Die Bastschuh-CDU ist heute eine der wichtigsten Herrschaftsoptionen des Kapitals. Der technologische Umbau wichtiger Schlüsselindustrien ist notwendig – nicht für die Natur, die kann der Kapitalismus nur zugrunde richten. Aber um im internationalen Konkurrenzkampf nicht zu weit zurückzufallen und die Stellung des deutschen Monopolkapitals abzusichern. Die Grünen sind jene Partei, die den bunten Anstrich für diesen Prozess liefern. Und sie sind flexibel genug, um jederzeit mitregieren zu können. Sie biegen sich bis zur Unkenntlichkeit, ohne zu brechen. Denn den meisten ihrer „kritischen“ Mitglieder reichen Worte zur Befriedigung. Schön reden muss man, der Rest ist dann Sachzwang, was kann man schon machen.

Die aktuelle Programmdebatte hat zwei Funktionen: Sie muss diese Mitglieder zufriedenstellen, die vielleicht aus irgendwelchen humanistischen Illusionen in diese Partei eingetreten sind. Man schenkt ihnen die eine oder andere Formulierung im Parteiprogramm, auf dass sie beim Chai Latte im Prenzlberg den anderen Eltern aus der Krabbelgruppe die eigene moralische Überlegenheit vermitteln können.

Und sie muss dem deutschen Kapital und seinen Parteien „Regierungsfähigkeit“ signalisieren, also den unbedingten Willen, alles zu verkaufen, was man irgendjemandem versprochen hat, um dem heiligen Standort Deutschland die Opfer darzubringen, die er verlangt.

Das ist gelungen und insofern ist der Grünen-Parteitag ein voller Erfolg gewesen. Nicht für die Arbeiter:innen in In- und Ausland. Nicht für die Erwerbslosen. Nicht für die am Überleben des Planeten, der Aufhebung des Patriarchats oder der Überwindung von Rassismus und Polizeigewalt Interessierten. Auch nicht für die Geflüchteten oder die Menschen in von Kriegen heimgesuchten Nationen. Aber für die Grünen und ihre Funktionärsriege.

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In den frühen Morgenstunden des 27. Septembers hat die aserbaidschanische Armee die armenisch kontrollierte Region Karabach mit Artillerie und Bomben angegriffen. Armenien hat den Kriegszustand ausgerufen und eine Generalmobilmachung angekündigt. Ein nicht unwesentlicher Grund für das Aufflammen dieses Jahrzehnte andauernden Konflikts ist die neo-osmanische Großmachtpolitik der Türkei.

In den frühen Morgenstunden des 27. September griff die aserbaidschanische Armee mit schwerer Artillerie und Bombenangriffen die armenisch kontrollierte Region Karabach an. Armenien rief infolge dessen den Kriegszustand ausund kündigte eine Generalmobilmachung an. Die Erinnerung an den Krieg zwischen 1988-1994, in dem 30.000 bis 50.000 Menschen starben und Armenien nicht nur Karabach selbst, sondern auch einige umliegende Provinzen unter seine Kontrolle brachte, ist frisch

Armenien und Aserbaidschan wurden Anfang der 1920er Teil der neu geschaffenen Sowjetunion und es war kein geringerer als Josef Stalin, der 1921 das Gebiet Karabach der Aserbaidschanischen Unionsrepublik zuteilte, obwohl zu dem Zeitpunkt über 90 Prozent der Bewohner*innen Armenier*innen waren. Infolge des Zerfalls der UdSSR ab dem Ende der 1980er Jahre kam es auch in Karabach zu einer Unabhängigkeitsbewegung. Bei einem Volksentscheid 1991 sprach sich eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit von Aserbaidschan aus.. Da Baku diesen Entscheid ignorierte, intensivierte sich der Krieg um das Gebiet, das die Armenier*innen Arzach nennen, ehe am 12. Mai 1994 ein brüchiges Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde.

Seitdem gibt es immer wieder Scharmützel an der Grenze, wobei im April 2016 Aserbaidschan einen größeren Anlauf tätigte, das Gebiet zurückzuerobern. Der Angriff wurde seitens Armeniens zurückgeschlagen, aber innerhalb von nur vier Tagen gab es über 200 Tote. Armenien und Aserbaidschan pflegen bis heute keine diplomatischen Beziehungen, die Grenzen untereinander sind geschlossen.

Die Türkei stilisiert sich dabei als Schutzmacht Aserbaidschans und hält die Grenze zu Armenien ebenfalls geschlossen. Armenien selbst zählt Russland zu seinen engsten Verbündeten. Moskau hat in Armenien sogar einen eigenen Militärstützpunkt und großen Einfluss auf die armenische Wirtschaft, besonders im Energiesektor mit dem teilstaatlichen Konzern Gazprom. In gewisser Weise ist der Konflikt auch ein Stellvertreterkrieg zwischen Moskau und Ankara. Der russische Außenminister Sergej Lawrow führt mit beiden Seiten intensive Gespräche und forderte zur Einhaltung des Waffenstillstands auf, während die türkische Regierung einmal mehr versicherte, fest an der Seite Aserbaidschans zu stehen.

Kriegstreiberin Türkei

Eine der Ursachen für das Wiederaufflammen des Krieges sind der innenpolitischen Schwäche des Erdogan-Regimes geschuldet. Geschwächt von dem Niedergang der heimischen Wirtschaft, reagiert die türkische Regierung nach außen hin immer aggressiver und heizt seit Wochen den Konflikt immer weiter an. Als es im Juli dieses Jahres zu militärischen Auseinandersetzungen in der nordarmenischen Provinz Tavush kam, gab es besonders schrille bellizistische Töne seitens des türkischen Verteidigungsministers, Hulusi Akar: “Armenien wird unter seiner eigenen Verschwörung begraben werden, darin ertrinken und für seine Taten auf jeden Fall bezahlen”.

Diese Intervention der Türkei im Nachbarland ist nichts Neues. Schon die Regierung unter Turgut Özal (1989 -1993) spekulierte öffentlich, an der Seite Aserbaidschans zu intervenieren und Armenien zu bombardieren. Mitten im Krieg 1993 drohte er offen damit,“für den Fall, dass Armenien die Lektion von 1915 nicht verstanden” hätte – eine unmißverständliche Anspielung auf den von der damaligen jungtürkischen Regierung verübten Genozid, dem Schätzungen zufolge mehr als 1,5 Millionen Menschen zu Tode kamen, hauptsächlich Armenier*innen, aber auch Assyrer*innen und Mitglieder anderer christlicher Minderheiten. Heute ist es Reçep Tayyip Erdogan, der bei der jüngsten kurzzeitigen militärischen Eskalation zwischen Armenien und Aserbaidschan im Juli 2020 offen mit weiteren Massenmorden drohte: “Wir werden die Mission fortführen, die unsere Großväter seit Jahrhunderten im Kaukasus angeführt haben.”

Wie Erdogan sich die“Fortführung der Mission” vorstellt, kann mensch darin sehen, dass er am 25. September rund 1000 dschihadistische Kämpfer nach Baku schickte, die fortan gegen Armenien kämpfen.. Dass die Türkei islamistische Söldner einsetzt ist dabei weder neu, noch überraschend:Der kurdische YPG-Kämpfer Azad Cudibeschreibt beispielsweise in senem Buch wie er in Kobanê die Herkunft der verstorbenen IS-Kämpfer recherchierte. Er stellte fest, dass nicht wenige der dschihadistischen Mörder gar keine Syrer oder Iraker waren, sondern ausländische Söldner aus Tschetschenien oder Turkmenistan. Die gleiche Erfahrung machte 20 Jahre vorher schon Monte Melkonian, als er im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan die Pässe der getöteten Kämpfer aufseiten Bakus untersuchte: Viele kamen aus der Türkei, aus Tschetschenien oder Turkmenistan. Sie waren bezahlte Söldner, unter anderem Graue Wölfe, deren Kämpfer von der türkischen Regierung nach Karabach geschickt wurden, um Armenier*innen zu ermorden und ihrerseits den Genozid von 1915 fortzusetzen.

Azerbaidschan intensiviert die Angriffe

Während der aserbaidschanische Angriff auf Tavush im Juli dieses Jahres eher unkoordiniert und schlecht vorbereitet war, gab es seitdem gemeinsame Militärübungen mit der Türkei in der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan, die an Armenien, die Türkei und den Iran grenzt, aber nicht an Aserbaidschan. In dieser Autonomen Republik Nachitschewan hat die Türkei einen Militärstützpunkt aufgebaut. Es gibt keine Zweifel daran, dass der jetzige Angriff besser vorbereitet ist und großflächiger ausgeführt wird. Über Wochen hinweg wurde Aserbaidschan von der türkischen, aber auch der israelischen Regierung massiv hochgerüstet, sodass es nur eine Frage der Zeit war, wann es zu diesem Angriff kommen würde.. Die Türkei versucht mit Aserbaidschan eine panturkistische Allianz aufzubauen und es ist kein Zufall, dass Erdogan auf diese Karte setzt. Da die muslimische Bevölkerung Aserbaidschans zu 85 Prozent schiitisch ist, passt das eigentlichnicht in das Bild des sunnitischen Islamisten Erdogan. Aber es passt ins Bild der nationalistisch-kemalistischen CHP, deren Vorsitzender Muharrem Ince sagte: “Mein Herz, meine Seele, meine Gebete sind bei Aserbaidschan und verurteilen die Aggression Armeniens, die die Stabilität der Region bedroht.” Das sind fast die gleichen Worte, die auch Erdogan benutzte. Es zeigt sich, dass die bürgerlichen Parteien in der Türkei felsenfest zu jeglicher Kriegshandlung Erdogans stehen — in den Fällen der Angriffe auf Rojava war das schließlich nicht anders.

Die Reaktion Armeniens mit der Generalmobilmachung, sowie der Ausrufung des Kriegsrechts deutet darauf hin, dass ein langanhaltender Krieg zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Die aufkommende patriotische Stimmung soll sicherlich auch innenpolitischen Zwecken dienen. Der Krieg um Arzach ist ein Teil der nationalen armenischen Identität und gehört zum Gründungsmythos der jungen Republik. Auf der anderen Seite leben in Aserbaidschan mehr als 700.000 Vertriebene des Krieges, die seit Jahren vom Präsidenten Ilham Aliyev nichts anderes hören, als dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann Karabach “befreit” werden würde. Aliyevs Erklärungen waren dementsprechend auch wenig überraschend oder neu: “Die aserbaidschanische Armee führt gegenwärtig Schläge gegen die militärischen Stellungen des Gegners aus.“ In mehreren Städten wurde zudem eine Ausgangssperre verhängt.

Es ist eher eine Tat der Verzweiflung, dass der eigentlich säkular eingestellte aserbaidschanische Diktator nun islamistische Söldner braucht, um seinen Krieg zu führen und von den innenpolitischen Probleme abzulenken: Ilham Aliyev, der 2003 das Amt von seinem Vater Heydar Aliyev übernommen hatte, ist alles andere als beliebt im Land und geht schonungslos gegen jegliche Opposition vor. Das Land, das enorm vom Ölexport abhängig ist, macht eine tiefe wirtschaftliche Krise durch, weswegen dieser Angriff wie das Ausspielen der letzten Karte eines in die Ecke gedrängten Diktators erscheint. Mit Erdogan hat er dabei einen fähigen und willigen Unterstützer.

# Titelbild: Armenian Ministry of Defence, Beschuss von Azerbaidschanischem Kriegsgerät

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Traditionell wird auch in Rojava der 1. Mai mit Demonstrationen und Kundgebungen begangen. Das Thema der Arbeiter*innenrechte ist seit Beginn der kurdischen Befreiungsbewegung ein Kernthema. Dieses Jahr ist jedoch vieles anders. Nachdem im März schon Newroz – das kurdische Neujahrs- und Frühlingsfest – wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, sind nun auch die Feierlichkeiten zum 1. Mai verboten. Es herrscht Quarantäne, es wird Mundschutz getragen, die Straßen sind leer, die meisten Geschäfte haben geschlossen, ebenso die Universitäten und Schulen; Fahrzeuge werden überprüft ob die Insassen eine Genehmigung haben.

Doch die Kämpfe für Freiheit und Gerechtigkeit gehen weiter – die Revolution kennt keine Quarantäne. Die Pandemie ist nur eins der allgegenwärtigen Themen: die ökonomische Krise, die Folgen der türkischen Invasion, die anhaltenden militärischen Angriffe und last but not least: der Ramadan bilden den Kontext des täglichen Lebens.

Corona-Krise im Kontext des andauernden Krieges

Bisher ist der große COVID-19-Ausbruch ausgeblieben, in dieser Woche allerdings gab es die ersten beiden bestätigten Fälle und die Stimmung ist angespannt. Ein Ausbruch kann hier katastrophale Folgen für die gesamte Gesellschaft haben: das Gesundheitssystem ist nach neun Jahren Krieg erschüttert und nicht tragfähig. Der Aufbau neuer Gesundheitsstrukturen läuft, wird aber immer wieder durch militärische Angriffe der Türkei aufgehalten. Es mangelt an Geld für Equipment und Medikamente, vor allem aber an qualifiziertem ärztlichen Personal und solider medizinischer Ausbildung.

Dazu kommt, dass an Orten wie Al Hol, einem Flüchtlingscamp mit knap 70.000 Bewohner*innen – viele von ihnen IS-Anhängerinnen –, die Menschen dicht beieinander leben, es keine Möglichkeiten für Isolierung und nur wenige medizinsiche Einrichtungen gibt. Käme es hier zu einem Ausbruch, wäre eine Versorgung der Kranken nicht möglich sein. Aber nicht nur die Situation in den Flüchtlingscamps ist besorgniserregend. Auch die durch Krieg vertriebenen Menschen, die nicht in einem der Camps leben, sind stark von der Krise betroht. Momentan befinden sich ca. 80 000 Menschen im Nordosten Syriens auf der Flucht, sie alle haben kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung und leben dicht gedrängt und ohne Isolierungsmöglichkeiten.

Aber bereits vor dem drohenden Ausbruch ist die Bevölkerung durch die Corona-Krise unmittelbar betroffen: die Quarantäne-Maßnahmen führen dazu, dass Menschen nicht arbeiten können und kein Einkomen mehr haben, dazu kommen Preissteigerung von Lebensmitteln und durch die Schließung der Grenzen kommt es zu Lieferengpässe für Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente, medizinische Materialien.

Offiziell gilt eine Waffenruhe, doch die Türkei und ihre verbündeten Milizen führen weiterhin Angriffe in Afrin, Kobane und Sehba durch und besetzen zentrale Landesstraßen, sodass Lieferungen nicht mehr in den Westen des Landes gebracht werden können. Internationale Aufrufe verurteilen die Türkei und verbündete Milizen für die Unterbrechung der Waffenruhe. Diese Aufrufe bleiben aber ohne spürbare Konsequenzen.

Die Revolution der Frauen

Soweit die aktuelle Lage hier. Nun ein Blick auf die Situation der Frauen. Wir können auf 40 Jahre kurdische Frauenbewegung, acht Jahre Selbstverwaltung in Rojava und beeindruckende Schritte von der ambitionierten Theorie in Richtung Praxis zurückblicken. Die kurdische Frauenbewegung hat viele Erfolge in ihrem Kampf gegen die Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu feiern: Frauen sind mittlerweile in allen Bereichen der Gesellschaft und des Berufslebens präsent: sie sind Juristinnen, Journalistinnen, Ärztinnen, Studentinnen, und sie stellen einen wichtiger Teil der Selbstverdeitigungskräfte Rojavas, mit ihrer eigenen Armee YPJ (Yekîneyên Parastina Jin, Frauenverteidigungseinheiten). Durch die Frauengesetze von 2014 wurden Gesetze zur Gleichberechtigung und Abschaffung von Unrecht erlassen. Die wichtigsten darunter sind die Abschaffung der Kinderehe und der Polygamie, ein Verbot von Sexismus und Gewalt gegen Frauen sowie das Recht auf gleiche Chancen und gleichen Lohn in der Lohnarbeit. Die Einführung des Co-Vorsitzeslegt fest, dass in allen wichtigen Ämtern eine Frau und ein Mann gemeinsam entscheiden, sowohl in militärischen wie in zivilen Strukturen. Doch alle diese Änderungen brauchen Zeit, um sich in der Gesellschaft durchzusetzen und ihren Weg von der Theorie in die Praxis zu finden. Vor allem in der arabischen Bevölkerung führen viele Frauen noch immer ein Leben in Unterdrückung und Ungerechtigkeit.

In Zeiten der Corona-Pandemie macht sich dies zum Beispiel in den Zahlen für häusliche Gewalt bemerkbar. Frauen, die ihr Haus nicht verlassen können und deren frustrierter, gestresster Ehemann nun rund um die Uhr zu Hause ist, werden noch mehr als sonst geschlagen und misshandelt – psychisch und physisch. Für den Monat März wurde ein deutlicher Anstieg häuslicher Gewalt gegenüber dem Vorjahr erfasst – ganz zu schweigen von der Dunkelziffer. Und das gilt nicht nur für Nordostsyrien. Weitere Pobleme, mit denen Frauen konfrontiert sind, sind die Versorgung der Kinder, die den ganzen Tag zu Hause sind, und die durch die Krise entstandenen finanziellen Einbußen.

Widersprüche überwinden, eine andere Gesellschaft aufbauen

Angesichts dieser schwierigen Gesamtsituation und des Lebens in Widersprüchen beeindruckt und inspiriert die Entschlossenheit der kurdischen Revolutionsbewegung, sich nicht von der Realität, vom temporären Scheitern oder von Angriffen von außen aufhalten zu lassen, sondern weiterzumachen. An vielen Fronten gleichzeitig für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen: der realen militärischen Front, aber auch in den Familien, Schulen, Frauenhäusern, Rehablitationshäusern der Kriegsverletzten, den Gerichten und vielen anderen Orten. Ich wünsche mir, dass wir davon etwas lernen können. Nämlich das Ganze zu sehen, nicht aufzugeben, sich der Realität anzupassen aber nicht von ihr erdrücken zu lassen, kreativ zu sein und vor allem: sich zusammenzutun und gemeinsam zu kämpfen!

Wenn wir nicht anfangen, Gemeinsamkeiten statt Unterschiede zu finden, unsere Kämpfe als verschiedene Ausdrücke des gleichen Problems zu sehen und unsere persönlichen Differenzen zu überbrücken, dann werden wir nicht zu einer Bewegung, die stark genug ist, die Gesellschaft und irgendwann auch „das System“ zu verändern. Und wenn nicht jetzt, in diesen Zeiten der Krise und des Ausnahmezustands, wann dann?

Und wer, wenn nicht wir als Frauen, wir als arbeitende Frauen – und dazu zählt jede Mutter, jede Frau, die eine Familie versorgt, ebenso wie jede Frau, die einem Beruf nachgeht – kann hierbei vorangehen und Vorbild sein? Frauen, Arbeiterinnen dieser Welt: bildet Banden, steht auf für eine bessere Welt und lasst euch nicht aufhalten!

JIN JIYAN AZADI

# Text: Evin Azad, Aktivistin und Ärztin aus Berlin. Seit Anfang des Jahres zum zweiten Mal als Internationalistin in Rojava . Schwerpunkte: medizinischer Support, Aufbau des Gesundheitssystems und medizinischer Bildung, Frauenrevolution, Frauenrechte, Feminismus, Jineoloji, Widerstand, Berichterstattung.

# Titelbild: Corona-Ausgangssperre: Leerer Markt von Souk, Evin Azad

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