Männlichkeit und Konkurrenz: Pumpen, Boxen, Weinen

3. März 2021

Autor*in

Bafta

Vor ein paar Monaten erzeugte ein deutscher Rapper namens Cashmo mit seinem Lied „Alman“ viel Erregung. In dem Song beklagt der Künstler, wie schwer er es als Deutscher in einem migrantisch dominierten Viertel hatte. Das Lied wurde vor allem unter dem Thema „rechtsoffener Diskurse“ verhandelt und die Kritik an dem Song kam eher aus dem Hip-Hop-Journalismus, der trotz des Selbstverständnisses von Hip-Hop als einer Subkultur von unten, in Deutschland häufig aus Martins und Laras mit Eigenheim besteht. Also verfehlte sie auch die eigentliche Pointe: Auf der Straße zählen anderen Werte, nämlich Härte. Während Cashmo sich in seinem Musikvideo zweifelsohne rechter Bildsprache bedient, ist etwas anderes präsenter: Über die nationale Identität wird Männlichkeitskonkurrenz verhandelt.

Cashmo sagt, während migrantische Jungs sich vielleicht einmal hauen müssen, um sich zu beweisen, habe er zehnmal ran müssen. Er hat sich so bewiesen, deshalb bekommt er von den meisten migrantischen Rappern in der Hip-Hop Szene auch die Anerkennung als “ein Mann, der sich grade macht”, unabhängig von seinen nationalistischen Anspielungen.

Jede Person, die in einem migrantisch-proletarischen Viertel aufgewachsen ist, weiß, dass das, was er beschreibt, real ist: Deutsche Männer gelten als Lauchs, über die man sich lustig macht und diejenigen, die sich bewiesen haben, mussten das durch übermäßige Zurschaustellung von Gewalt und Körperlichkeit tun. Diese Stereotype über deutsche Männer werden nicht besser dadurch, dass es in der Regel gestimmt hat: die Deutschen haben sich weniger für Pumpen oder Kampfsport interessiert und migrantische Männer können sich trotz einer strukturell rassistischen Gesellschaft zumindest hierin überlegen fühlen. Die Ethnisierung von Männlichkeit lässt sich nur in diesem Zusammenhang verstehen.

Das ist bei alternativem Rap oft nicht anders. Wenn man sich die Videos von Rappern wie Taktikka anschaut, kommen da rechtsoffene deutsche Kampfsportler zusammen mit deutschen Linken, sowie Kurden und Arabern aus den entsprechenden Vierteln vor. Was verbindet diese Jungs? Das gleiche Männlichkeitsideal, nämlich ein soldatisches. Ein arbeitsloser migrantischer Mann sagte mal in einem Interview, indem er so viel trainiert, möchte er nach außen repräsentieren, dass er diszipliniert ist und ausgleichen, dass er dies eben nicht durch Lohnarbeit beweisen kann. Die Diskriminierung und den gesellschaftlichen Ausschluss gleicht er aus, indem er über seinen Körper transportiert, was ihm sonst verwehrt wird, und zwar Macht, nicht nur (obwohl sicher auch) im Sinne von Dominanz, sondern auch im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe. Männlichkeitskonkurrenz hat dabei unterschiedliche Ausprägungen und die vermischen sich gelegentlich mit nationalen oder ethnischen Unterscheidungen.

Der Rapper B-Lash, der nicht müde wird, zu betonen, dass er ein „heterosexueller Kanacke“ ist und Donald Trump verehrt, fiel schon 2013 auf, als er sich über die Geflüchteten am O-Platz beschwerte: die Afghanen seien ja noch ok, die seien kulturell nah an einem dran, aber die Afrikaner die sind fremd, außerdem kommen die ja, um sich die Frauen zu nehmen.

Ein anderer Hip-Hop-Skandal letztes Jahr trifft ein ähnliches Thema. Der „Rapper“ Jamule ist auf einem Konzert des nigerianischen Künstlers Burna Boy und beschwert sich darüber, dass „nur Schwarze“ da sind. In geleakten DMs an seine Ex-Verlobte, die nun einen Schwarzen datet, sieht man, wie er seinen Penisneid nicht zurückhalten kann. (Antischwarzer) Rassismus und Männlichkeitskonkurrenz hängen zusammen.

Das kolonial-rassistische Bild des Wilden, der sich die weiße Frau nehmen will, kennt man und es wird nicht besser dadurch, dass es quasi willkürlich ideologisch einsetzbar ist. Mal trifft es die Juden, mal die Türken, mal die Geflüchteten. Die berühmte Silvesternacht in Köln belebte dieses Bild, durch das weit verbreitete Narrativ der “Nafris”, die Frauen angrabschen. Verstärkt wurde die Debatte vor allem durch einen bürgerlichen Feminismus, der sich in den Dienst der deutschen Männlichkeit stellt und diese als unproblematisch markiert. Ähnliches fand sich bis hin zum linken Szeneclub Conne Island in Leipzig, der nach Fällen von sexueller Übergriffigkeit – die bei Geflüchteten und „jungen Männern mit Migratioshintergrund“ ausgemacht worden war – den vorher ermäßigten Eintritt für Geflüchtete nur noch nach vorheriger Anmeldung ermöglichte.

Auch die in linken Kreisen verbreitete sogenannte „kritische Männlichkeit“ ist kein Ausweg aus auf Männlichkeitsbildern basierenden Konkurrenzverhältnissen. Vielmehr bezieht hier eine „weichere“ kleinbürgerliche Männlichkeit Stellung gegen die vermeintlich oder tatsächlich proletarische. Der „kritisch-männliche“ Mann findet „Macker“ selbst sehr belastend. Er leidet auch unterm Patriarchat und braucht deinen Zuspruch und deinen Support, um in der harten Welt der anderen Männer zu überleben. Der „kritisch-männliche“ Mann setzt auf Softness und nicht auf die Hantelbank und wenn er dich betrügt, dann nur, weil Monogamie ohnehin ein patriarchales Ding ist. Wenn du ihm die Wäsche waschen, sein Zimmer putzen oder Essen kochen sollst, dann nicht, weil so die Ordnung der Dinge ist, sondern weil es ihm grade emotional nicht so gut geht und er es einfach nicht schafft gerade.

„Kritisch-männliche“ Männer haben sehr gut gelernt, wie sie ihre Männlichkeit als feministisches Verhalten umerklären können. Das kalkuliert-lauchige Auftreten des „kritischen“ Mannes mag anders erscheinen als das Muskelflexen des proletarisch-migrantischen, aber der Zweck bleibt.

Eine spanische Feministin sagte mal, sie mag diesen neuen Feminismus nicht, bei dem Männer immer noch ständig über sich selbst reden, aber jetzt weinen sie dabei. Ich kann dem nichts hinzufügen, außer, dass das Problem natürlich nicht ist, dass Männer weinen oder Gefühle zeigen, sondern dass sie sich nicht gezwungen sehen, sich mit irgendetwas auseinanderzusetzen, das unbequem sein könnte, sondern ihr (weibliches) Umfeld mit ihrem verantwortungslosen Verhalten belasten.

Ich kann aus dieser Männlichkeitskonkurrenz nichts gewinnen. Alle Männlichkeiten, egal wie sie zueinander stehen, funktionieren letztlich über die Abwertung von Frauen und Queers. Es gibt keine „coole Männlichkeit“ und die schlimmsten Männer sind für mich tatsächlich diejenigen, die behaupten ~anders~ als andere Männer zu sein und genau dasselbe missbräuchliche Verhalten, was wir von anderen Männern kennen verschleiern können. Sie kommen mit ihrem missbräuchlichen Verhalten davon, weil wir in unserer liberalen Gesellschaft nicht gelernt haben, Männlichkeit zu problematisieren, die nicht proletarisch oder migrantisch auftritt. Aber eine Männlichkeitskritik, die ohne Machtkritik auskommt, ist nichts anderes als Sozialchauvinismus.

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8 Kommentare

    TG 4. März 2021 - 17:27

    Meine Leipziger Hörensagen-Bubble sagt mir, dass es im Conne Island lediglich darum ging, dass Geflüchteten der bislang übliche kostenlose Eintritt verwehrt wurde, nicht aber Eintritt generell. Ich kann das nicht belegen, aber wenn das der Fall wäre, wäre die Darstellung im Artikel irreführend.

    Myri 5. März 2021 - 12:13

    TG hat recht. Die Passage über das Island ist falsch. Nachdem Geflüchtete anfangs 0,50€ für Veranstaltungen bezahlten, wurde der Eintrittspreis nach teils sexualisierten Übergriffen durch geflüchtete Männer auf FLINT an den Normalpreis angepasst. Geflüchtete hatten jedoch die Möglichkeit sich vor Veranstaltungen auf einer Liste einzutragen und dann wieder 0,50 zu zahlen. Der Prozess, der zu dieser Entscheidung geführt hat, ist übrigens in einem offenen Brief, einsehbar für alle (1 Minute Google-Suche), dokumentiert. Ungeachtet dessen, ob man den Umgang des Islands jetzt für richtig oder falsch hält, stimmt das Geschriebene nicht und sollte abgeändert werden. Die Polemisierung des Tatsächlichen mag hier vielleicht dem Artikel als gut gemeinter Zweck dienen, verschleiert aber ernsthafte Bemühungen (meist) linker Strukturen sich mit dem keineswegs einfachen oder eindeutigen Komplex auseinanderzusetzen. Vor allem dem Island, aber auch eurem Artikel und damit der Thematik an sich wird es nicht gerecht, wenn man hier (falsche) Abkürzungen nimmt.
    Hier der Link zu dem Statement: https://www.conne-island.de/news/191.html

    Rafael Ramón 5. März 2021 - 18:32

    Haben das mit dem Conne Island nach Absprache mit der Autorin geändert und den Link zu dem Statement eingefügt. Ändert aber nichts an der Argumentation, bestätigt sie viel eher.

    Timo Henning 5. März 2021 - 19:05

    Spannender Artikel. Kritische Männlichkeiten als bildungsbürgerliche Variante patriarchaler Ausbeutung von Frauen? Mit Robert Connells Worten vielleicht nur die aktuell legitimierte Version des Patriarchats, also Profeministischer Emo-Gestus von Männern als die derzeit angesagte Aufmachung, Rhetorik und Oberflächenkosmetik, aus der heraus Männer ungestört Frauen und ihre Ressourcen verbrauchen können? Oder wird von der Autorin nur die alte reaktionäre „Softie“-Keule aus der Mottenkiste gekramt? Kritische Männlichkeit wird nach ur alter Manier – ich glaube es waren die 80ger – mit dem „Softie“-Stereotyp angegriffen und entwertet. Wenn Männer dem toxisch soldatischen Selbstzwang entrinnen, entdecken sie unter anderem den vormals kulturell als rein weiblich oder „schwul“ konnotierten Fluchtpunkt von Emotionalität, Verletzbarkeit und Ohnmacht für sich und bringen den in Auseinandersetzungen in Beziehungen ein, das ist nervig, unbequem, aber legitim und nicht das Gleiche wie Unterdrückung von Frauen auf Basis von macht und gewalt. Es kommt mir vor, als möchte die Autorin unübersichtlich gewordene Frontlinien wieder zurück in Frauen gegen Männer Blockbildung zurückverfrachten. Hier mischt jemand evtl. Gesellschaftskritik mit persönlichen Ressentiments aus Beziehungskonflikten. Soldatische bzw. ritterlich patriarchale Männlichkeit hatte auch Vorteile für Frauen, die von diesen ungern aufgegeben werden. aber irgendwo find ich die Kritik auch interessant, kern patriarchaler beziehungsdynamik im bürgerlichen Alltag ist weniger gewalt und drohgebärde, (das passiert eher bei Fluchtversuch)sondern die „Vermutterung“ der Frau, ein ehemännlicher Lebensstil in der seligen Verantwortungslosigkeit eines Kleinkindes, allseits umsorgt, umputzt umplant von Mutti Hannelore. davon trifft die Autorin ja durchaus was. Die Versuchung durch eigene Zurichtung jnd zugerichtete zuvorkommende Aktionen von Frauen kann auch profeministen immer wieder dazu verführen, schweinefaul zu werden, dafür ist einer aufs Maul hilfreich und in Ordnung. 😉 besten Dank auch

    Götz 9. März 2021 - 8:12

    „Das kalkuliert-lauchige Auftreten“ – schick, wieder was gelernt! Aber was bitte ist damit gemeint?

    Struppi 14. März 2021 - 8:54

    Was mich immer an dieser Diskussion wundert ist diese Fixierung auf das Verhalten von einigen Männern. Zunächst ist die Frage ob solche Darstellungen hilfreich sind? Auf mich wirkt das wie die Sichtweise vieler Rechter auf Migranten. Man sucht sich ein paar besonders abschreckende Beispiele und erklärt damit eine ganze Gruppe zu den Bösen.
    Die andere Seite ist das Verhalten von Frauen. Darüber wird selten gesprochen und oft nur aus der schwachen und unterdrückten Position. D.h. es wird ein unterwürfige Stellung manifestiert.
    Ob so irgendwelche Veränderungen erreicht werden erscheint mir zweifelhaft. Und ob so wirklich etwas gemeinsam erfolgreiches geschaffen wird, ist unwahrscheinlich. Es geht letztlich allen Seiten nur noch darum, darzustellen wer die bessere moralische Haltung hat. Und wer glaubt sie zu haben fühlt sich gut.
    Es würde einer linken Politik gut tun, auch die Positionen des gegenüber erst zu verstehen und nicht zuerst zu bewerten.

    Tak 21. März 2021 - 21:05

    Gute geschriebener Artikel mit interessanter Perspektive, wobei auch ein bisschen die Ausweglosigkeit der gegenwärtigen Situation klar wird: was soll der Cis genau machen am besten? Kein Soldat und Macker, okay – easy. Erstmal Zugang zu den eigenen Emotionen bekommen und erlernen. Aber irgendwie bleibt er ja am Ende auch Mensch, der acuh Hilfe brauchen kann. Ist jegliche Hilfe einer Frau* für einen Cismann auch gleichzeitig Unterdrückung? Ich kann mich auch nicht ganz der Ansicht erwehren, dass hier Blockbildung insofern betrieben wird, als das nur das fertige Ergebnis des profeministischen, psychisch aufgeräumten und komplett unbelastenden Mannes akzeptabel ist – und damit dann irgendwie auch fernab der Realität?
    Unterm Patriarchat leiden ja nicht nur die, die es erkannt haben, und auch nicht erst ab dem Moment. Eine komplette Ablehnung aller (also egal wem), die versuchen, sich aus ihren Rollen zu befreien, führt doch dann zur Stagnation. Wie also machen?

    Der Kommisar 15. Juli 2021 - 20:58

    In der ganzen Debatte um (toxische) Männlichkeit kommt mir das gegeseitige Verständnis zu kurz. In diesem Artikel wird jegliche Männlichkeit als pauschal schlecht dargestellt – Während in (auch linken) Kreisen zunehmend das Ausleben der Weiblichkeit zelebriert wird. Weiblichkeit bekommt positive Attribute zugeschrieben, Mann sein wird zum Problem gemacht. Ich hab keinerlei Motivation mein Verhalten nach der Kategorie „Männlichkeit“ zu bewerten und einzuordnen, werde trotzdem in irgendeine Schublade einsortiert. Weinerlicher antimännlicher Mann oder pumpender Macho – das beschreibt zwei Extreme in die die meisten Männer nicht einsortiert gehören.
    Frauen haben es sicherlich nicht leicht, aber eine Lösung und neue Spielregeln müssen im Dialog ausgearbeitet werden.
    Diese Debatte stößt Mitstreiter vor den Kopf und spaltet Bewegungen die sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen.
    Es ist mit keinerlei Argumentation möglich einen anderen Standpunkt einzunehmen, man ist direkt Maskulinist, nuancierte Betrachtung ist unmöglich.