Beschäftigte des Wombat‘s City Hostel in Berlin gründeten 2015 gegen den erbitterten Widerstand des Managements einen Betriebsrat. 2018 erstreikte die gut organisierte Belegschaft dann sogar einen Tarifvertrag. Jetzt kämpft die Hotel-Belegschaft gegen die geplante Auslagerung des Reinigungsteams und gegen ein aggressives Management. Und dabei erfährt sie überraschend viel Solidarität. Denn Beschäftigte von Tochterfirmen und Subunternehmen der Berliner Verkehrsbetriebe, der Freien Universität und Charité fordern ebenfalls gleiches Geld für gleich Arbeit.
Zur Eröffnung der Internationalen Tourismusbörse (ITB) Anfang
März 2019 prangten am Berliner Wombat´s City Hostel, mitten in der
durchgetrifizierten Innenstadt, Sprühkreide-Schriftzüge auf dem
Asphalt. „Fuck U Betriebsrat“, „Cunt“ und „Start
Outsourcing“ war dort zu lesen. Das ganze verziert mit einem
übergroßen männlichen Geschlechtsteil mit dem Anhängsel-“tation“.
Das Wortspiel aus „Schwanz“ (engl. Dick) und „Diktator“ gibt
einen offenherzigen Einblick in die Allmachtsfantasien der
Hausmanager. Sie feierten just in der Nacht, als die Sprühereien
entstanden, im Hostel den Abschied einer Management-Kollegin, die in
ein neues Hostel der Kette nach Venedig wechseln soll.
Union Busting: geballte Unternehmer*innen-Agression
Die Behinderung von Betriebsratsarbeit und Bekämpfung von
gewerkschaftlicher Organisierung (kurz: Union
Busting) wird von Unternehmer*innen und ihren beratenden
Jurist*innen oft mit hoher krimineller Energie geführt.
Der öffentliche Aussetzer am Wombat‘s springt allerdings aus
dem Schema. Denn Union-Buster*innen versuchen eigentlich unter dem
Radar der Öffentlichkeit zu arbeiten, indem sie einzelne
Betriebsratsmitglieder in der Belegschaft diskreditieren und mittels
Zermürbung, Kündigung oder Abfindung aus dem Gremium brechen.
Um das zu erreichen, lassen sich Unternehmen von spezialisierten Dienstleistern beraten. Zu den bekanntesten gehören Rechtsanwalt Helmut Naujoks und die Kanzlei Schreiner + Partner. Ihre Methode: Beschäftigte werden mit konstruierten Abmahnungen, Kündigungen, oft auch strafrechtlich relevanten Anzeigen überzogen. Dazu kommen willkürliche Lohnkürzungen, Schikanen, Verleumdungen und Mobbing. Im Wombat‘s lassen Hausmanager zum Schichtdienst von Betriebsratsmitgliedern gerne Sidos „Der Chef“ oder den gut abgehangenen Hit „Ich find Dich Scheiße“ von Tic Tac Toe laufen.
Auslagerung als Vergeltung für Streiks
Das Management des Berliner Wombat‘s City Hostels setzt auf
Rechtsanwalt Tobias Grambow, Kanzlei Buse Heberer Fromm. Allerdings
greifen die üblichen Methoden nicht wie erwartet. Statt dessen
formiert sich Gegenwehr.
Die Betriebsratsmitglieder des Wombat´s haben längst verstanden,
dass die konstruierten Vorwürfe vor Gericht regelmäßig in sich
zusammen fallen und nur dazu dienen sollen, ihnen Stress zu
verursachen. Doch statt sich wie Opfer zu verhalten, nahmen sie das
Zepter selbst in die Hand.
Die geplante Auslagerung des Reinigungsteams werten sie als
Vergeltungsmaßnahme für die Durchsetzung eines Tarifvertrags. Sie
soll die Belegschaft spalten und den Betriebsrat schwächen. Die
Ausgelagerten würden sofort wieder aus dem gerade erst erkämpften
Tarifvertrag herausfallen
Startups und Klassenkonflikte
Vor 11 Jahren, im Februar 2008 öffnete das Berliner Wombat‘s Hostel. Die Ostberlinerin Margit G. war von Anfang an als Reinigungskraft dabei.
8 Euro Stundenlohn waren damals vereinbart. Einen schriftlichen
Vertrag hat Margit erst Monate später bekommen. „Damals“, sagt
sie, „wurde im Wombats vieles noch ganz locker gehandhabt. Es gab
viele Parties, man konnte auch mal umsonst im Wombats schlafen. Aber
was soll das bringen? Meine Miete kann ich nicht davon bezahlen, dass
es Parties gibt.“
Lockerheit, das Kernversprechen von Start-Ups an ihr Personal, ist schon längst in Verruf gekommen. Legionen von Praktikant*innen, Volunteers und Freien haben begriffen, dass es bei Gehaltsverhandlungen eher unangenehm ist, den Chef zu duzen. Die ungeschönten Klassen-, Besitz- und Machtverhältnisse manifestieren sich eben immer genau dann, wenn es nicht um lockere Themen, sondern um handfeste Interessen geht.
Gestandene Frauen wie Margit, die in der DDR eine Ausbildung zur orthopädischen Schumacherin machte, kann man mit dem Anschein eines hippen Betriebsklima jedenfalls nicht aufs Kreuz legen. Sie hat sich von Anfang an über unbezahlte Arbeit beim Wombat´s geärgert. Während der Vorarbeiter gerne schon um 13.00 Uhr den Besen in die Ecke stellte und eher beim Kaffee auf der Terrasse zu finden war, haben die anderen fünf Reinigungskräfte sechs Etagen fertig gemacht. Und das ist bei rund 350 Betten verdammt viel Arbeit: auf jeder Etage gibt es 14 Zimmer, teils mit 2 oder 3 Stockbetten, die ab 14 Uhr entweder wieder sauber oder bezugsfertig für neue Gäste sein sollen. Dafür angesetzt ist die Zeit zwischen 10.00 Uhr 14.00 Uhr – pro Zimmer bleiben da gerade einmal 17 Minuten. Und das in einem Hotel-Segment, in dem junge Gäste gelegentlich über die Stränge schlagen.
Die Reinigungskräfte sind deshalb oft früher zur Arbeit
gekommen, um schon einmal die Etagenwagen zu packen und sind
regelmäßig unbezahlt länger geblieben.
Aber ohne Betriebsrat und auf sich alleine gestellt, hätte sie
lieber nichts sagen wollen. Schließlich habe sie auch in der DDR
schon die Erfahrung gemacht, wie schnell man alleine da steht, wenn
Gegenwind aufkommt.
Für die Wombat´s-Gründer Alexander Dimitriewicz und Marcus Praschinger indes hat sich die Masche schon jetzt gelohnt: Sie sind Dank Beschäftigten wie Margit längst Millionäre und im Ruhestand. Lediglich der Kampf gegen den Berliner Betriebsrat ist als ihr „Special Project“ übrig geblieben.
Umkämpfte Betriebsratswahlen
Einer der Initiator*innen zur Betriebsratsgründung ist Raphael. Auch er ist im Wombat‘s vom ersten Tag an dabei. 2015 hatten er und weitere Kolleg*innen allerdings die Nase voll von unternehmerischen Willkürentscheidungen. Sie beschlossen die Gründung eines Betriebsrat, um verbindliche Regeln festzulegen. Das Management wurde sofort aktiv.
Die Reinigungskraft Margit erzählt von Einzelgesprächen. Die
Hausmanager hätten Angst unter den Beschäftigten geschürt. Ein
Betriebsrat sei teuer und würde ihre Arbeitsplätze gefährden.
Mittlerweile ist Margit selbst Ersatzmitglied im Betriebsrat.
Betriebsvereinbarungen, zum Beispiel zu den Arbeitszeiten brachten
den Reinigungskräfte handfeste Vorteile: Rüstzeiten, in denen sich
umgezogen und der Wagen gepackt wird, gehören jetzt genauso zu den
Arbeitszeiten wie die Duschzeiten nach dem anstrengenden
Putz-Marathon auf den Etagen.
Gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter bekommen im Wombat‘s
mehr Stundenlohn als die nicht-organisierten Kolleg*innen. Margit
arbeitet 10 Jahre nach ihrem Einstieg jetzt wenigstens für mit 12,18
Euro Stundenlohn.
Manche Kollegin begreift allerdings gar nicht recht, dass die
Lohnerhöhungen und bessere Arbeitszeiten dem Betriebsrat zu
verdanken sind. So dankte eine der Reinigungskräfte mit
Migrationshintergrund einem der Wombats-Gründer euphorisch für alle
die Wohltaten und Verbesserungen, als dieser anlässlich der ITB im
Berliner Haus eincheckte.
Fatale Auswirkungen
Mit der Auslagerung würden die Reinigungskräfte jedoch aus dem
Tarifvertrag fallen, Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeiten wären
ungültig. Die Reinigungskräfte würden auch den vollen
Kündigungsschutz verlieren. Die EAK GmbH, ein Ableger der Münchener
Gebäuderreinigungsfirma Thalhammer, die bisher keine Beschäftigten
hat, wäre mit unter 10 Beschäftigten ein Kleinbetrieb. Thalhammer
ist laut Auskunft der IG BAU am Stammsitz München nicht
tarifgebunden.
Das Reinigungsteam würde auch aus der Zuständigkeit des
Wombat‘s-Betriebsrats herausfallen. Niemand kann Margit und ihren
Kolleg*innen garantieren, dass sie nicht auch an anderen Orten
eingesetzt würden. Sie würden nach dem Tarifvertrag für
Reinigungskräfte bezahlt, der oftmals unterlaufen wird, indem
Zeitvorgaben für Flure, Etagen und Zimmer gemacht werden, die nicht
einzuhalten sind.
Einsatz von Leiharbeiter*innen im Wombat’s
Eine weitere Zersplitterung der Belegschaft und ihrer Kampfkraft
erfolgt durch den Einsatz von Leiharbeiter*innen der Firma
Euroclean. Sie springen ein, wenn Engpässe entstehen, weil Verträge
systematisch befristet sind und auslaufen. Den Leiharbeiter*innen
verspricht das Management zum Teil Festanstellungen beim
Sub-Unternehmen .
Auch aufgrund erheblicher Sprachbarrieren, in denen selbst
Englisch als gemeinsamer Nenner fehlt, ist es schwer zu vermitteln,
dass der Betriebsrats feste Einstellung für alle im Hostel
Beschäftigen direkt beim Hostel-Betreiber selbst fordert.
Krebsgeschwür
Auslagerung
Auslagerungen fallen in den Bereich unternehmerischer Willkürentscheidungen. Die „unternehmerische Freiheit“ darf neben dem Privateigentum als heilige Kuh der Bundesrepublik gelten. Kostensparend oder betriebswirtschaftlich sinnvoll ist das System des Sub- und Sub-Sub-Unternehmertums allerdings nicht.
Denn jedes Sub-Unternehmen leistet sich eine eigene Verwaltung und
vor allem eine eigene Geschäftsführung, die von der Belegschaft
durchgefüttert werden muss. Eigene Versicherungen müssen
abgeschlossen, eigene Logos entworfen, Autos beschriftet, Räume
gemietet werden. Für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und
Berater*innen entsteht ein lukratives Feld hochbezahlter
Dienstleistungen und Bullshit-Jobs .
Dafür entledigen sich Unternehmender Verantwortung für Beschäftigte und auch der Verantwortung für das Gelingen des Projekts. Es ist eine Grundprinzip der neoliberalen Wirtschaftsform nach McKinsey („Optimierung der Wertschöpfungskette“): Je mehr Sub-Unternehmen mitmischen, desto weniger ist letztlich feststellbar, wer für Fehler, Missmanagement und Katastrophen eigentlich verantwortlich ist. Zumal eine dringend erforderliche Kontrolle und straffes Projektmanagement mangels staatlicher Kapazitäten zumeist wegfallen. (1)
Kurzum: Auslagerungen werden nur dadurch profitabel, dass das
Management den Arbeitsdruck erhöht und die Arbeitsbedingungen
ständig verschlechtert.
Der nach Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) „beste
Niedriglohnsektor Europas“ hat eine hochgradig sozialschädliche
Wirkung. Nicht nur Belegschaften, auch die Gesellschaft wird durch
Entsolidarisierung und Vereinzelung gespalten.
Berliner Solidarität gegen Auslagerung
Die widerständige Wombat´s-Belegschaft ist inzwischen gut
vernetzt. Zu einer Protest-Aktion gegen Auslagerung am 19.03.19
riefen neben der Berliner Gruppe der aktion ./. arbeitsunrecht die
DGB-Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), der
Gewerkschaftliche Aktionsausschuss (GA), die Basisgewerkschaftsgruppe
ver.di aktiv berlin, die sozialistische Frauengruppe Brot und Rosen,
die Hochschulgruppe organize:strike, die Berliner Aktion gegen
Arbeitgeberunrecht (BAGA), Klasse gegen Klasse, Critical workers und
die Landesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft der Partei
Die Linke auf.
Andere Lohnabhängige solidarisierten sich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Kämpfe: Der Botanischen Garten der Freien Universität Berlin (FU) lagerte das Reinigungsteam aus, als die Beschäftigten 2016 für einen Tarifvertrag kämpften. Hier, wie in anderen Einrichtung der Freien Universität Berlin putzt nun die Firma Gegenbauer.
Die Freie Universität Berlin hatte zuvor auch andere Beschäftigte
des Botanischen Gartens in die eigene Betreibergesellschaft ZE BGBM
ausgegliedert. Die Belegschaft konnte in einem jahrelangen Kampf zum
01.01.2018 die Wiedereingliederung durchsetzen. Aber immer noch
arbeitet das Managment der Freien Universität mit Schikanen gegen
den früheren Betriebsratsvorsitzenden der ZE BGBM Lukas S.
Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG lagerten bereits im Jahr 2000 Fahrer in die Tochter Berlin Transport GmbH BT aus. Die Reinigungsteams arbeiten dagegen für die Gebäude- und Verkehrsmittelreinigung GVR GmbH & Co KG. Die Zeit berichtete 2018 über systematisches Lohndumping. Einen Betriebsrat gibt es in der GVR GmbH & Co KG nicht.
Viel Aufmerksamkeit erregte der Kampf von Beschäftigten, die das
Charité-Management in das Konstrukt „Charité Facility
Managment“ (CFM) auslagerte. Aktuell kämpfen Therapeuten des
Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum GmbH (CPPZ) um
gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Sie verdienen monatlich
zwischen 500,- und 800,- Euro weniger als die Kolleg*innen, die
bei der Charité direkt angestellt sind.
Beschäftigte dieser und anderer Betriebe haben sich unter anderem
über die Basisgruppe verdi aktiv und die Critical Workers vernetzt.
Dazu sind die studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen
gestoßen, die im Januar 2019 endlich einen neuen Tarifvertrag
unterschreiben konnten. Vorausgegangen waren 14 Jahre Stillstand ohne
Lohnsteigerungen.
Die Wombat´s-Reinigungskraft Margit ist ihrerseits auch schon zu
einer Solidaritäts-Veranstaltung für die Beschäftigten des
Anne-Frank-Zentrums in Berlin gegangen. Die Beschäftigten dort
fordern unbefristete Beschäftigungsverhältnisse und Bezahlung nach
Tarifvertrag. „Das hat mir gut gefallen da“, sagt Margit. „Nicht
nur wegen der Band und dem Kuchen. Das sind feine Menschen da.
Irgendwie kultiviert. Auch die Unterstützer von den anderen Gruppen,
die jetzt zu uns kommen. Die haben ein höheres Niveau als manche
Führungskräfte beim Wombats.“
Es tut sich etwas in Berlin.
#Jessica Reisner ist Campaignerin bei aktion./.arbeitsunrecht.
#Die aktion ./. arbeitsunrecht bittet Unterstützer*innen der Wombats-Belegschaft eine Protest-Email an den Geschäftsführer Mustafa Yalcinkaya der Münchner Firma Thalhammer/EKA GmbH zu senden. Die Petition gibt es auf deutsch und türkisch https://arbeitsunrecht.de/die-wombats-fordern_mustafa-bleib-in-bayern/
#Alle Fotos aktion./.arbeitsunrecht
Anmerkung
(1) Eines der bekanntesten Beispiele für die kaskadierende
Verantwortungslosigkeit der „optimierten Wertschöpfungskette“
ist der Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. 3. 2009 aufgrund von
Tunnelgrabungen für eine Nord-Süd-U-Bahn. Alle 90 Personen
[https://www.derwesten.de/panorama/90-verdaechtige-nach-einsturz-von-stadtarchiv-in-koeln-id8888863.html),
gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelte, konnten die
Verantwortung nach unten durchreichen, bis im Dickicht der
Sub-Unternehmen nicht mehr feststellbar war, wer den Bau hätte
überwachen müssen. Am Ende des Unglücks mit zwei Toten, einem
späteren Selbstmord und Massen an vernichtetem historischem Material
des wertvollsten historischen Archivs nördlich der Alpen steht eine
einzige Verteilung zu acht Monaten auf Bewährung.