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Nach den erneuten wilden Streiks beim Lieferdienst Gorillas Anfang Oktober, folgte eine Welle der Entlassungen. Diese werden mittlerweile größtenteils als widerrechtlich angesehen. Über diese illegalen Kündigungen, die schlechte Einstellung der Unternehmensführung gegenüber ihren Arbeiter:innen, sowie die Notwendigkeit zur Organisierung und die Frage nach der Legalität wilder Streiks in Deutschland haben wir uns mit Felix unterhalten.

Hallo. Kannst du dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Felix. Ich wurde unrechtmäßig von Gorillas entlassen und habe im Schöneberger Warehouse gearbeitet, das ist eines der Lager, in denen wir gestreikt haben. Und ich bin auch im Gorillas Workers Collective.

Seit wann bist du Teil davon? 

Ähm, seit April.

Seitdem ist eine Menge passiert, es gab neue Streiks, erst kürzlich.

Ja, wir scherzen, dass dies die dritte Welle ist.

Kannst du uns etwas mehr darüber erzählen, was momentan bei Gorillas passiert?

Bei den letzten Streiks hat das Unternehmen seine eigene Darstellung der Ereignisse veröffentlicht und im Grunde genommen davon gesprochen, dass die streikenden Arbeitnehmer:innen „nicht glücklich“ seien. Dabei bedienen sie sich der immer gleichen Sprache, die in solchen Start ups verwendet wird. Und uns wurde versucht uns Angst zu machen. Einige der streikenden Arbeiter:innen wurden entlassen, andere nicht. Es ist verwirrend, wenn nicht alle Arbeiter:innen, die entlassen wurden, gestreikt haben. Einige von ihnen waren sogar krankgeschrieben. Und andere Kolleg:innen, die gestreikt haben, wurden wiederum nicht entlassen oder illegal gekündigt. Gorillas macht weiter wie bisher und versucht, bei den anstehenden Betriebsratswahlen in den Wahlvorstand einzugreifen. Einige Arbeiter:innen, die wieder eingestellt wurden, mussten dafür sozusagen vor dem Unternehmen in die Knie gehen.

Was ist die Strategie des Workers Collective oder, sagen wir, der organisierten Arbeiter:innen im Allgemeinen, um sich gegen die Maßnahmen des Unternehmens oder auch gegen diese Narrative zu wehren?

Das Kollektiv hat die Aktionen unterstützt und es gab Leute, die Teil des Kollektivs waren, die auch gestreikt haben, aber ich würde eher über die Strategie der Arbeiter:innen in diesen Warehouses reden. Ich kann über Schöneberg und ein bisschen auch das Warehouse im Bergmannkiez sprechen. Wir müssen die Verbindung zu diesen Arbeiter:innen aufrechterhalten, auch wenn einige von ihnen das Unternehmen verlassen haben. Ich meine, viele Leute haben jetzt Angst, (illegal) entlassen zu werden, deshalb ist es ein bisschen schwieriger, sich zu organisieren. Ich denke, es gibt einen Punkt, an dem die Angst in gewisser Weise auch die Wut darüber überwiegt, dass das Unternehmen eine Reihe von Kolleg:innen gefeuert hat. Es gab auch Forderungen innerhalb der Streiks. Bei Gesprächen mit der Geschäftsführung wurde gesagt, dass diese bald erfüllt werden würden. Aber wir haben immer gesagt, dass das falsche Versprechungen sind. Gorillas hat monatelang Dinge versprochen. Seit dem letzten Streik und seit den Streiks davor. Sie haben uns Dinge versprochen, die nicht eingetroffen sind, stattdessen ist es nur noch schlimmer geworden. 

Inwiefern schlimmer?

Es ging unter anderem um die Qualität der Fahrräder und der Rucksäcke. Die Arbeiter:innen bekommen durch das Gewicht der Taschen chronische Rückenschmerzen. Die Manager haben uns – neben anderen Versprechungen – auch gesagt, dass wir bald neue Fahrräder bekommen und dass diese angeblich nur für die Lagerhäuser bestimmt sind. Es ist schon zu diversen Unfällen gekommen: Die Fahrräder gehen kaputt oder funktionieren nicht, so dass die Arbeiter:innen gefährdet sind. Und ich spreche aus der Sicht eines Riders. Diese Dinger kommen in das Warehouse und funktionieren nicht, dadurch passieren immer wieder Unfälle und es wird trotzdem nichts für die Sicherheit der Arbeiter:innen getan. 
Auch verschiedene Dinge bei der Schichtplanung, die sich ändern sollten, sind immer noch nicht umgesetzt.

Im Grunde wurden also keine eurer Forderungen erfüllt.

Nein. 

Du hast eben bereits über illegale Kündigungen gesprochen. Kannst du uns erklären, warum diese aus deiner Sicht illegal sind?

Sie sind illegal, weil viele von uns, mich eingeschlossen, nur Anrufe bekommen haben. Und technisch gesehen ist man erst entlassen, wenn man eine schriftliche Kündigung erhält. So lange kann man weiter arbeiten. Aber viele von uns haben diesen Anruf bekommen und dann wurden im Grunde alle unsere Schichten aus der App gelöscht, die wir benutzen, um uns ein- und auszutragen oder um zu wissen, wann unsere nächsten Schichten sind. Außerdem gab es verschiedene Dinge in den Kündigungen selbst, die nicht korrekt waren – sei es, dass sie nicht richtig unterschrieben oder Namen falsch geschrieben waren. 
Ich denke aber, das ist nicht unbedingt die Antwort auf deine Frage. Es gibt auch eine Menge Diskussionen, ob wilde Streiks legal oder illegal sind. Aber es ist eigentlich eine Grauzone. Es ist nicht legal, denn es gibt kein Gesetz darüber. Aber es ist auch nicht illegal. In Deutschland hat man das Recht zu streiken, wenn eine Gewerkschaft zum Streik aufruft. Aber im EU-Recht heißt es, dass die Arbeitnehmer:innen auch ein Streikrecht haben, wenn das nicht der Fall ist. Es geht also auch um die Frage, ob man das deutsche Recht dem EU-Recht unter- oder überordnet. 
Deshalb bereiten einige Arbeiter:innen wie ich Gerichtsprozesse vor, um wilde Streiks in Deutschland zu legalisieren. Wir wollen das bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen. 

Wir haben gerade über die rechtlichen Strategien gesprochen, um mit diesen Kündigungen umzugehen. Was sind die politischen Strategien?

Es gibt Wut und Frustration und es gibt auch diese Angst, die ich schon angesprochen hatte. Wir sprechen über prekäre Arbeitnehmer:innen. Nicht nur wegen des Jobs an sich, sondern auch, weil viele von ihnen Angst haben, ihn zu verlieren. Sie müssen für ihre eigene Unterkunft und Verpflegung aufkommen und manchmal auch noch Geld nach Hause schicken. Und vielleicht ist der Job bei Gorillas nicht ihr Einziger. Auch die Beziehungen der Menschen zu Leuten in Machtpositionen sind verschieden, weil wir aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Man kann die Leute nicht dazu zwingen, zu streiken oder weiter zu streiken, aber es gibt immer noch die Möglichkeit, sich zu organisieren. So läuft das immer. Es gibt Streiks und dann werden die Probleme nicht gelöst. Deshalb ist es so wichtig, dass die Beschäftigten zusammenhalten und sich weiter organisieren. Auch wenn es auf einer kleineren Ebene ist als das, was Anfang Oktober in meinem Warehouse passiert ist. 
Aber mit dem kommenden Winter und wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, wird sich das fortsetzen und wiederholen, und die Beschäftigten organisieren sich immer mehr, wie man sehen kann. Vor zwei Wochen wurden mindestens vier Warehouses zu verschiedenen Zeiten bestreikt. Es breitet sich aus. 

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

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Während sich die Gilets Jaunes in Frankreich seit vier Monaten jeden Samstag die Straße nehmen und die Regierung in eine Krise gestürzt haben, war die Bewegung in Belgien zwar heftig, aber nur kurz. Nach starken Mobilisierungen ab dem 30. November, dauerte sie noch bis ins neue Jahr im kleineren Maßstab an. Sascha Donati vom Revolutionärem Aufbau Schweiz hat im Januar ein Interview mit einem Genossen der Roten Hilfe International aus Brüssel zu seinen Erfahrungen mit der Bewegung geführt. Dabei sprachen sie über die allgemeine Situation in Belgien, faschistische Mobilisierungen, Polizeirepression und eine revolutionäre Perspektive auf die Gilets Jaunes.

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Nicolás ist Student und militanter Anarchist in Paris. Seit dem 8. Dezember nimmt er an den Protesten der »Gilets Jaunes« teil und ist über Unterstützungsgruppen aktiv an der Mobilisierung der Universitäten beteiligt.

Online findet man eine Liste von 42 Forderungen der »Gilets Jaunes«. Gefordert werden unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns, der Rücktritt von Präsident Emanuel Macron und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer »ISF«, welche Macron zu Beginn seiner Amtszeit außer Kraft setzte. Die »Gilets Jaunes« sind eine breite Massenbewegung. Wer spricht für die Bewegung und wie ist sie organisiert?

Die sogenannten Rädelsführer sind schwierig zu definieren: viele von ihnen wurden von den »Gilets Jaunes« denunziert, da sie keine Mandate hatten um für die Bewegung zu sprechen, andere weil sie extrem rechts sind. Es gibt keine politische Koordinierung auf nationaler Ebene. Die Demonstrationen werden über die sozialen Medien, vor allem Facebook, angekündigt. Dort finden sich je nachdem wo man sucht verschiedenste soziale Forderungen. Allerdings gibt es durch die Heterogenität der Bewegung auch Forderungen die kritisch zu betrachten sind – einige sind pro Migration zum Beispiel, andere aber auch rassistisch. (mehr …)

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