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Thomas, 29 ist Mechaniker aus Berlin und Mitglied des Vorbereitungskreises des
internationalistischen Jugendfestivals, das am 28.05. in Lützerath stattfindet. Im Gespräch erzählt er vom Festival, Klimaschutz und warum und wie das mit der Revolution in Rojava zusammenhängt.


Als Initiative habt ihr euch mit einem offenen Brief an die Klimabewegung in Deutschland
gewendet und wollt am 28. Mai ein internationalistisches Jugend- und Kulturfestival im nordrheinwestphälischen Lützerath veranstalten. Stellt euch und die Idee dahinter zu Beginn doch einmal kurz vor. Was wollt ihr in Lützerath machen und warum genau dort?


Wir sind eine seit mehreren Monaten bestehende Initiative aus Aktivist*innen der
ökologischen Kampagne „Make Rojava Green Again“ und „Lützerath lebt“. Unser Festival steht
unter der Idee unsere Kämpfe zu verbinden, denn nur so kann dem Kapitalismus und der
ökologischen Katastrophe etwas entgegengesetzt werden. Es geht auch darum, die Revolution in
Kurdistan mit dem hier in Deutschland und überall auf der Welt stattfindenden Kampf der
Klimabewegung zu verbinden, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Kämpfe das gleiche Ziel
teilen. Das Festival soll ein Ort des Austausches, des gegenseitigen Kennenlernens und des
gemeinsamen Kampfes werden.
Lützerath ist ein Ort in Deutschland, in dem in den vergangenen Jahren der Kampf für das 1,5 Grad
Ziel besonders intensiv geführt wurde. Es ist ein kleines Dorf direkt an der Abrisskante eines
Braunkohletagebaus des Energiekonzerns RWE. Die Widersprüche der Ausbeutung und der
Zerstörung der Umwelt einerseits und das Verdrängen von Menschen aus ihren Lebensorten für die
Interessen eines Konzerns werden hier besonders deutlich. Überall auf der Welt sehen wir ähnliche
Mechanismen. Die Interessen von Menschen werden unter die von Konzernen untergeordnet, aber
in Deutschland treten diese Widersprüche nur im gewissen Maße zum Vorschein. Viel mehr sind es
nämlich die Länder des globalen Südens, in denen vornehmlich westliche Unternehmen Raubbau an
der Natur betreiben und die Lebensgrundlage der Menschen dort zerstören, um Profit zu generieren
und den schnelllebigen Konsuminteressen Futter zu liefern. Davon bekommen hier zu Lande viele
Menschen nichts mit, da die Lebensgrundlage von den sich verschärfenden Krisen größtenteils
unangetastet bleibt. Lüzerath ist dabei einer der Orte, an dem den Menschen auch in Deutschland
die Lebensgrundlage durch die Interessen großer Konzerne genommen wird und das für einen
Zweck, der in Zeiten der Klimakrise schlichtweg verantwortungslos ist.

Die Klimabewegung ist in den letzten Jahren wieder gewachsen, das Thema findet sich in
vielen Medien wieder, weltweit gibt es Widerstand gegen die mörderischen Folgen des Kapitalismus. Auch FridaysForFuture war ein großer Bezugspunkt. Welche Themenbereiche wollt ihr
konkret einbringen, welche Akzente wollt ihr innerhalb der Klimabewegung setzen?


In der Klimabewegung sehen wir eine der größten Bewegungen der jüngeren Vergangenheit, die vorrangig von Jugendlichen ausgeht. Darin liegt die wesentliche Stärke. Viele junge Menschen nehmen wahr, wie sich die Welt verändert und nehmen die kommenden Auswirkungen der Klimakrise ernst, da sie am stärksten davon betroffen sein werden.
In diesem Punkt ruht nun aber auch die Gefahr, sich durch vermeintliche Lösungen, welche der
Liberalismus predigt, vereinnahmen zu lassen. Und diese Muster sehen wir leider bei Teilen der
Klimabewegung, welche beispielsweise durch etablierte Parteien oder Stiftungen vereinnahmt
werden und von dort an Kompromiss statt Lösung predigen. Trotz dieser Tatsache ist es aber auch
kein Geheimnis, dass der staatliche Umgang mit der Klimakrise vielen Menschen die Augen
geöffnet und gezeigt hat, für welche Interessen der bürgerliche Staat in die Bresche springt.
Das sind dann eben nicht die Interessen von Menschen wie der in Lüzerath, sondern die der
Unternehmensvorstände und Großaktionäre von RWE und Co, die den Bagger lächelnd Richtung
Abgrund steuern.
Und eben darum, wie ihr es passend formuliert habt, beginnen viele Menschen die mörderischen
Folgen des Kapitalismus zu sehen und ihren Widerstand dahingehend zu organisieren. Um den
Diskurs aber weiter in die Richtung zu lenken, wie eine Alternative zu diesem System aussehen
kann, möchten wir auf die Errungenschaften der Revolution in Kurdistan verweisen. Denn eine
Kritik am Bestehenden kommt schlecht ohne die Entwicklung eigener Perspektiven auf die
Probleme aus. Insbesondere ein Blick auf den Nord-Osten Syriens, auch als Rojava bekannt, zeigt
dabei, wie eben jene Alternative aufgebaut sein könnte. In dieser Region jährt sich am 19. Juli
diesen Jahres das zehnjährige Bestehen der Revolution und damit der Kampf für ein
Gesellschaftssystems, das auf radikaler Demokratie, Geschlechterbefreiung und sozialer Ökologie
fußt. Eben in dem Vorschlag dieser Alternative und in der revolutionären Linie liegen die Aspekte,
die wir einbringen wollen.

Mit der neuen Ampelkoalition gibt es mit den Grünen erneut eine Partei innerhalb der
Regierung, die sich den Kampf gegen den Klimawandel als Hauptlosung auf die Fahnen
schreibt und die teilweise in der Klimabewegung viel Zuspruch und Hoffnung erfährt.

Wie seht ihr die Rolle dieser Partei?

Wenn wir uns die aktuelle Situation angucken, dann sehen wir, dass die Art der deutschen
Außenpolitik nicht davon abhängt, ob gelb, grün oder schwarz in den Ministerien sitzen. Trotz
zahlreicher Unterschiede zwischen den deutschen Parteien, eint sie die Außenpolitik im Bezug auf
die Türkei. Eine enge militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem türkischen Staat
dient nämlich dem Interesse jeder Kapitalfraktion. So ist es nicht verwunderlich, dass die jetzige
Außenministerin Annalena Baerbock zwar sämtliche russische Kriegsverbrechen anprangert, wenn
es aber um die eigenen Nato-Bündnispartner geht, kein Wort über die Kriegsverbrechen der zweit
größten Nato-Armee verliert. Seit Jahren ist bekannt, dass der türkische Staat in Südkurdistan
Giftgas einsetzt, durch unbemannte Drohnen Menschen hinrichtet und mit dem Abschneiden der
Wasserzufuhr Wasser als Waffe einsetzt. All das toleriert aktuell die grüne Außenpolitik, wie es
zuvor die der SPD getan hat. Wer also im Programm der Grünen nach Klimagerechtigkeit sucht,
wird enttäuscht werden. Im Grunde genommen hat es die grüne Partei in den letzten Jahren am
besten geschafft die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung mit Versprechungen einer ökologischen
Wende zu absorbieren. Jetzt stellt sich aber heraus, dass wirtschaftliche und militärische Interessen
den absoluten Vorrang vor ökologischer Politik besitzen.
Im Gegensatz dazu begrüßen wir die seit einigen Jahren vermehrt im Sinne der Klimagerechtigkeit
aufgekommenen gesellschaftlichen Debatten, in denen globale Ausbeutungsverhältnisse
thematisiert werden. Die Frage nach Klimagerechtigkeit ist nämlich eine internationale Frage, da
die Hauptverursacher der Krise international agieren. Ebenso wie unsere Perspektive auf politische
Probleme der heutigen Zeit eine ist, die durch den Begriff Internationalismus gekennzeichnet ist, so
trifft das auch auf auf unsere Perspektive auf die sich verschärfende Klimakrise zu. Eine solche
Politik der Klimagerechtigkeit die es braucht widerspricht vollends dem heutigen Charakter der
grünen Partei.

Du bist schon auf die Bedeutung der Revolution in Kurdistan für die Kämpfe
in Deutschland eingegangen. Kannst du diese Ansicht noch einmal etwas detaillierter beschreiben? Was
hat der Kampf in Kurdistan mit uns hier, aber auch konkret mit unseren Kämpfen gegen den
Klimawandel zu tun?


Die Revolution in Kurdistan hat eine weltweite Bedeutung, da sie exemplarisch für den Kampf für
Klimagerechtigkeit und damit für den Kampf um Selbstbestimmung und gegen Kolonialismus
steht. Eben aus diesem Grund greifen verschiedenste Staaten die Revolution mit aller Härte an. In
der Revolution in Kurdistan liegt nämlich die Zuspitzung der Konflikte zwischen denjenigen, die
für eine lebenswerte Welt kämpfen und denen, deren Macht und Profit auf der Ausbeutung von
Mensch und Natur basiert. Um das Ruder herumzureißen und die verheerenden Folgen des
Klimawandels abwenden zu können, braucht es große Schritte und ein Umdenken und eben das
kann nur in revolutionären Prozessen verwirklicht werden. Die Frage nach ökologischer Politik ist
im großen und ganzen eine Systemfrage und im System des Kapitalismus kann diese nicht
gewährleistet werden. Wer innerhalb dieses Rahmens nach Lösungen sucht wird sich schnell den
Kopf stoßen oder landet eben bei den Grünen.

Als Initiative Make Rojava Green Again, seid ihr seit einigen Jahren in Deutschland präsent.
Was sind eure konkreten Ideen für die Klimabewegung in Deutschland und was ist in der aktuellen Situation zu tun?

Wir versuchen mit unsere Perspektive neue Denkanstöße zu geben. Bereits jetzt gibt es eine breite
Debatte in der Klimagerechtigkeitsbewegung, wie man weiter in die Zukunft gehen kann. Nach
Jahren des Protestes, der Aktionen und Kampagnen stellt sich in immer breiteren Kreisen die
Einsicht ein, dass nur eine grundlegende Veränderung des existierenden Systems eine Ausweg aus
der ökologischen Katastrophe aufzeigen kann. Die Revolution in Kurdistan und die Ideen Abdullah
Öcalans halten in dieser Frage sehr wichtige und aktuelle Vorschläge bereit. Wir möchten allen
nahe legen, sich mit diesem Kampf auseinanderzusetzen und zu sehen, was wir alles von diesem
Kampf lernen können. Am 17. April hat der türkische Staat auch einen erneuten Angriffskrieg gegen
die kurdischen Gebiete im Norden des Iraks begonnen. Im Schatten des Kriegs in der Ukraine
weitet die Türkei ihren Krieg auf immer weitere Gebiete aus. Ohne Rücksicht auf Verluste
bombardieren türkische Flugzeuge, Kampfdrohnen und Artillerie, zivile Wohngebiete und zum
Überleben notwendige Infrastruktur. Und aus den Bergen Südkurdistans erreichen uns Berichte,
dass die türkische Armee, wie schon im vergangenen Jahr, chemische Waffen und Giftgase gegen
die Guerilla einsetzt. Auch im Norden Syriens, in Westkurdistan, bombardieren türkische
Truppen jeden Tag Städte und Dörfer und terrorisieren die Zivilbevölkerung.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung sollte klar Stellung beziehen und sich an die Seite der Menschen in
Kurdistan und an die der revolutionären Kräfte stellen. Demonstrationen können unterstützt,
Stellungnahmen verfasst und kleine Solidaritätsbotschaften vorbereitet werden. Manchmal
können auch schon symbolische Gesten großes auslösen. Wichtig ist nur, dass wir es schaffen die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, auf diesen verschwiegenen Krieg zu lenken.

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„Fridays For Future“ hat ein Problem. Die Bewegung gehört einerseits zum Besten, was dieses Land zu bieten hat; zum anderen tun sich, je weiter die Bewegung sich als politischer Akteur konstituiert, Fallgruben auf, mit denen jede populäre Ein-Punkt-Bewegung konfrontiert ist. Stets steht ein solches Aufbegehren in der Gefahr, vom Gegner integriert zu werden – insbesondere dann, wenn die Protagonist*innen gar nicht in der Lage sind, zu sehen, wo der Gegner steht. Der Kapitalismus in entwickelten imperialistischen Ländern – davon können die nun 40 Jahre alt gewordenen Grünen ein Lied singen – muss auf Herausforderungen im Inland nur im äußersten Notfall mit offener Gewalt reagieren. Viel lieber kauft er sie ein, integriert sie, verwendet sie zu seiner eigenen Modernisierung.

Der Kapitalismus sei „kein fester Kristall, sondern ein umwandlungsfähiger und beständig im Prozeß der Umwandlung begriffener Organismus“, hat ein bärtiger Mann des 19. Jahrhunderts einmal betont. Und ein mit weniger Haarpracht gesegneter Russe fügte Anfang des 20. Jahrhunderts hinzu, dass das Kapital stets verschiedene Fraktionen hat, die sich in unterschiedlichen politischen Parteien ihren jeweiligen Interessenausdruck schaffen. Der heutige Kapitalismus steht mitten in einem solchen Modernisierungsprozess. Und während die Mehrheit der konservativen und sozialdemokratischen Parteien noch ganz traditionell die großen Fraktionen der Öl-, Gas-, Minen- und Autoindustrie favorisieren, setzte schon lange ein Umdenken in Richtung eines scheinbar „grünen“ Kapitalismus ein. Die Grünen sind jene Partei, die diese „moderneren“ Kapitalfraktionen am besten vertritt. Und dass das durchaus kompatibel mit den Interessen des jeweiligen Kapitalismus insgesamt sein kann, zeigt nicht nur die rechtspopulistisch-grüne Regierungskoalition in Österreich.

Was hat all das mit „Fridays For Future“ zu tun? Viel, denn in diesem Umfeld agiert die Bewegung. Und dementsprechend gibt es in ihr die Widersprüche, die eben in der Frage liegen, wie die rasant voranschreitende Umweltzerstörung aufzuhalten sei. Da gibt es Untergliederungen wie FFF-Frankfurt, die eine klar antikapitalistische Position vertreten, und sagen: Wenn wir das Ruder rumreißen wollen, dann müssen wir den Kapitalismus überwinden. Und dann gibt es Tendenzen, die meinen, mit etwas herzhafteren Reformen könne man die Inbrandsetzung dieses Planeten noch verhindern, ohne groß an die Grundlagen von Macht und Produktion zu gehen.

Dieser weltanschaulicher Unterschied ist kein kleiner. Er drückt sich letztlich in allen noch so tagespolitischen Entscheidungen aus. Glaubt man, Plastikbecher verbieten oder Flugreisen shamen, wuchtet die Umwelt aus der Defensive? Oder muss man langfristig und entschieden eine revolutionäre Bewegung gegen den Kapitalismus aufbauen? Ist die eigene Oma oder Siemens-Chef Joe Käser die größere Umweltsau? Mietet man für ein paar Millionen Euro das Olympiastadium für Bettelpetitionen an die Regierung? Trifft man sich mit Konzernchefs und verschafft denen die Möglichkeit zum Greenwashing? Oder begreift man Konzerne und bürgerliche Regierungen als Formen von Politik und Wirtschaft, die es zugunsten einer anderen Form von Demokratie und einer anderen Form von Ökonomie abzuschaffen gilt?

Erschwert wird die Herausbildung eines gemeinsamen Bewusstseins davon, was notwendig wäre, durch die immensen Integrationsmechanismen, die ein entwickeltes kapitalistisches Land zur Verfügung stellt. Den prominentesten unter den Gegner*innen reicht man gerne die Hand und lädt sie ein: Kommt, gestaltet doch mit! Das „Mitgestalten“ ist dabei ein Synonym für Elendsmanagement, für das grüne, pinke oder rote Anstreichen eines auf dem gesamten Globus unter Menschen wie in der Natur verheerende Schandtaten verrichtenden Systems.

„Fridays For Future“ scheint gegen diese tödlichen Umarmungsversuche kaum Verteidigungsmechanismen zu haben. Das Label FFF – wirkmächtig und von großer Reichweite – wurde geschaffen von Abertausenden, die sich beteiligten, und hunderten, die organisierten. Sie alle haben gemeinsam, dass sie die Zerstörung dieses Planeten verhindern wollen. Aber darüber hinaus gibt es weder einen funktionierenden demokratischen Willensbildungsmechanismus in FFF, noch ein klares Programm. Die Bewegung ist eben eine Bewegung und keine Organisation.

Das aber öffnet die Möglichkeit, dass die gemeinsam erwirkte Diskursmacht von einer kleinen Schicht mittlerweile prominent gewordener Führungsfiguren uneingeschränkt genutzt werden kann. Während die regionalen FFF-Accounts kaum Aufmerksamkeit bekommen, sind die Statements und Gesichter der Auserkorenen in allen Medien präsent. Sie sprechen im Namen aller, die sich als FFF verstehen – ob sie das wollen oder nicht. Die Mechanismen, die dabei wirken, sind keine demokratischen. Es setzt sich durch, wer medienaffin, gut vernetzt und kompatibel mit den gängigen Inhalten bürgerlicher Umweltbewegtheit ist.

Was dabei herauskommen kann, zeigen die jüngsten Entwicklungen deutlich: Eine Spendenkampagne wie die zur Anmietung des Olympiastadiums wäre ohne das Label FFF nicht auf diesen Millionenbetrag gekommen; und für Siemens bietet sich durch die wechselseitige Gesprächsbereitschaft eine willkommene Chance zur medialen Selbstinszenierung. Die Olympia-Sache steht dabei sinnbildlich für das Defizit im Verständnis von bürgerlicher Politik: Man braucht nur Petitionen, dann regeln das die Herrschenden für uns. Und die Siemens-Kampagne illustriert das Missverständnis darüber, was global agierende Konzerne eigentlich sind: Die werden durch die Ablehnung eines einzelnen Projekts – wie aktuell eben der Unterstützung Adani-Mine in Australien – nicht mit einem Mal „Partner“ in der Umgestaltung der Welt zum Besseren.

Der Kapitalismus und die politischen, kulturellen, ideologischen Mechanismen, die ihn aufrechterhalten, sind nicht zu unterschätzen – sonst gäbe es ihn wohl kaum noch. Die Geschichte der Grünen – bei denen ja einige der prominenten FFF-Vertreter*innen Mitglied sind – sollte eigentlich Mahnung genug sein. Angetreten um alles zu ändern, änderten sie vor allem sich selbst. Nüchtern betrachtet blieb in den vier Jahrzehnten nichts übrig, was nicht im Rahmen eines „Kompromisses“ aufgegeben worden wäre. Die Grünen ermöglichten Hartz-IV; sie stimmten einer Reihe von Kriegen zu; sie segneten Waffenexporte, auch in mörderische Diktaturen ab; sie machten bei der Aushöhlung des Asylrechts mit. Von der Idee, dass man den Kapitalismus abschaffen muss, blieb sowieso nichts.

Ist das Verrat? Natürlich. Aber psychologisch funktioniert der in den meisten Fällen, wo es sich nicht um ganz abgeklärte Zocker handelt, ja auch nur, wenn man sich selber erklären kann, warum das, was man gerade tut, genau das richtige zur Weltverbesserung ist. Joschka Fischer, als er mit der Zerschlagung Jugoslawiens zum ersten Mal seit 1945 doch wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen ließ, inszenierte diesen Tabubruch als logische Konsequenz seines „Antifaschismus“. Der Inhalt mag ein anderer sein, der Mechanismus ist gleich: links besetzte Inhalte können zur Aufrechterhaltung des schlechten Bestehenden transformiert werden, wenn man nicht aufpasst. Es wäre immens frustrierend, wenn die nächste Generation den gleichen Weg wieder geht. Und wenn man das verhindern will, sollte man bei „Fridays For Future“ zumindest mal anfangen, über diese Gefahren zu reden.

#Bild: Joschka Fischers Turnschuhe, in welchen er den Amtseid als erster Grüner Minister in Deutschland leistete. Aufgenommen im Ledermuseum Offenbach (wikimedia.commons)

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Am 22. November traten Sarah (FFF Frankfurt/Main) und Carlos (FFF Berlin) in einen befristeten Hungerstreik, der am 29. November zu Ende ging. Im Rahmen ihrer Aktion stellten die beiden Aktivist*innen drei Hauptforderungen an die Bundesregierung: Die Rücknahme des Klimapakets und Umsetzung der Forderungen von Fridays For Future (inklusive der Forderungen an der Basis); ein politisches Streikrecht für alle; und die offene Verurteilung des Krieges der Türkei in Rojava und der Aufstandsbekämpfung in Chile, sowie eine umfassende Einstellung sämtlicher Rüstungsexporte in die Türkei.

Für Lower Class Magazine werten die beiden Young-Struggle- und FFF-Aktivist*innen nun ihre Aktion aus und formulieren Überlegungen, wie es mit der Bewegung weiter gehen kann.

Wie kamen wir dahin, wo wir sind?

Vergangenen Freitag, am 13.12., war das einjährige Jubiläum von Fridays For Future Deutschland. Seit einem Jahr nun wird in zahlreichen Städten Deutschlands ununterbrochen jede Woche von Jugendlichen für einen Wandel in der Klimapolitik gestreikt; am größten Streiktag in unserer Geschichte, dem 20. September, sind wir in Deutschland mit 1,4 Millionen Menschen gemeinsam auf der Straße gewesen. Innerhalb dieses einen Jahres hat sich eine Bewegung von einer Größe entwickelt, wie sie Deutschland seit Jahren nicht gesehen hat – und die international noch in einem viel riesigeren Zusammenhang steht; eine Bewegung von Jugendlichen, denen das Recht und die Fähigkeit, politisch zu sein und mitzubestimmen, immer abgesprochen wird – genau wir „unreifen“ Jugendlichen haben eine Kraft geschaffen, die die politische Elite sprachlos und verwirrt zurücklässt wie ein Kind, dessen Playmobil-Figuren plötzlich wirklich lebendig werden und nicht mehr schweigend da sitzen bleiben, wo es sie hingesetzt hat.

Ein Jahr Streik und nichts passiert

Obwohl Aktivist*innen von Fridays For Future mit etlichen Politiker*innen geredet und alle betont haben, wie toll sie es doch finden, dass wir Jugendlichen so politisch werden, sind faktisch keine politischen Veränderungen geliefert worden.

Es war ein Schlag ins Gesicht von uns allen, als am Tag des bisher größten Klimastreiks am 20. September die Ergebnisse des Klimapakets veröffentlicht wurden: Die beschlossenen Maßnahmen sind allenfalls Tropfen auf den heißen Stein und die Erkenntnis, dass die bürgerliche Politik sich unbeeindruckt zeigt nach einem Jahr des Protests, hat sich in den Reihen unserer Bewegung breit gemacht. Mit dieser Erkenntnis ging jedoch an vielen Orten auch eine Desillusionierung, eine Frustration einher. Immer mehr Diskussionen gingen in eine Richtung von Perspektivlosigkeit; das Gefühl, machtlos zu sein gegenüber einer Politik, die die Klimakrise weiterhin bereitwillig in Kauf nimmt.

Neben dieser Kopf-in-den-Sand-Stimmung nahm jedoch auch eine Diskussion um Strategien der Klimagerechtigkeitsbewegung an Fahrt auf. Und genauso wie sich am 13.12. der Geburtstag von Fridays For Future Deutschland jährte, war es auch der Tag, an dem Köln und Berlin die letzte wöchentliche Demo gemacht haben. Denn in praktisch allen Städten sehen wir, dass nach einem Jahr der ununterbrochenen Streiks die Teilnehmer*innenzahlen immer niedriger werden.

Der Hungerstreik als Aktionsform

Hungerstreiks haben immer, noch mehr als viele andere Aktionen, Ziele in zwei Richtungen: du zielst nicht nur auf deine*n Unterdrücker*in, sondern besonders auch auf die eigene Bewegung. Wenn wir zum Beispiel den Hungerstreik von Leyla Güven in Nordkurdistan betrachten, dann sehen wir, dass der wichtigste Erfolg der Hungerstreikphase nicht die Aufhebung der Isolation war, sondern das Aufbrechen der Angst und die neue Mobilisierung der Bewegung.

In dieser Phase aufkommender Frustration, aber auch strategischen Diskussionen in Fridays For Future hatten wir mit dem Hungerstreik das Ziel, die Frustration zu bekämpfen und die Diskussion voranzubringen. Wir wollten erreichen, dass die Aktivist*innen sich noch einmal neu hinterfragen: haben wir wirklich schon alles in unserer Macht Stehende getan, indem wir Freitags die Schule bestreikt haben? Sind Appelle an die bürgerliche Politik wirklich die richtige Herangehensweise an die Lösung der Klimakrise, welche bis jetzt von ebenjener Politik nicht nur geduldet, sondern mit Hilfe von Subventionen von fossilen Brennträgern und vielen anderen Mitteln weiterhin aktiv gefördert wird?

Mit dieser Perspektive haben wir die Aktion zeitlich befristet. Wir wollten die Frage, wohin wir wollen und was dafür nötig ist, noch einmal mit neuem Nachdruck in unsere Bewegung hineintragen und der Strategiedebatte eine neue Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit geben. Wir sind der Überzeugung, dass bei dieser Debatte noch einmal klarer werden wird, dass ein ökologischer Kapitalismus unmöglich ist und dass wir die nötige Wende nicht durch wöchentliche Latschdemos erkämpfen werden. Wir sind der Überzeugung, dass wir in der Zeit nach dem 29. November einen Schritt weiter gehen werden, in der Theorie wie in der Praxis – denn davon hängen das Überleben und besonders der Erfolg unserer Bewegung ab. Wir wollten klarmachen: gerade haben wir, durch einen Hungerstreik, einen der letzten Schritte der Symbolpolitik erreicht. Ab jetzt werden wir gänzlich neue Schritte wagen müssen, wenn wir erkennen müssen, dass Symbole – egal, ob es Millionen Menschen auf den Straßen oder Jugendliche mit leerem Magen sind – ignoriert werden.

Kämpfe vereinen!

Eine der strategischen Aufgaben von Fridays For Future und auch von der gesamten Klimagerechtigkeitsbewegung ist die Verbindung von unterschiedlichen Kämpfen. Das Bewusstsein, dass unsere Feind*innen, aber auch unsere Ziele – ein solidarisches Leben ohne Unterdrückung als Teil eines funktionierenden Ökosystems – dieselben sind, verbreitet sich immer weiter. Unsere Bewegung hat in der letzten Zeit auch bedeutende Schritte hin zu einem gemeinsamen Kampf gemacht: dabei wären vor allem die Bündnisse im Vorfeld des 20. Septembers zu nennen, insbesondere mit den Gewerkschaften, genauso aber auch die internationalistischen Arbeiten, die sich in Fridays For Future am stärksten mit der Solidaritätserklärung für Rojava und dem #fridaysforpeace-Aktionstag gezeigt haben.

Bei der Vereinigung verschiedener Kämpfe und Bewegungen geht es bei weitem nicht nur darum, noch mehr Menschen für die gemeinsame Sache auf die Straße zu bringen. Die Beschäftigung mit Rojava, die vielen Jugendlichen bei FFF zum ersten Mal eine revolutionäre Perspektive eröffnet hat, ist ein Beispiel dafür, was wir alles von anderen Bewegungen lernen können und was für einen gigantischen politischen Wert das Zusammenkommen hat.

Der Schulterschluss mit Arbeiter*innen und Bewegungen von unterdrückten Gruppen wie Migrant*innen, FLINT, etc., ist eine entscheidende Herausforderung der Klimagerechtigkeitsbewegung, um eine revolutionäre, antikapitalistische Perspektive wirklich in Praxis zu verwandeln. Diese strategische Aufgabe haben wir in der zweiten und dritten Forderung des Hungerstreiks sowie in den Solidaritätsnachrichten nach Chile, Bolivien und Rojava konkretisiert.

Generalstreik und ziviler Ungehorsam

Seit einem Jahr führen wir, bewusst oder unbewusst, einen Kampf für das politische Streikrecht, indem wir es uns in den Schulen praktisch nehmen. Der 20. September hat den Generalstreik nach Jahren der Stille wieder auf die Tagesordnung gebracht. Mit der Klimagerechtigkeitsbewegung gemeinsam mit den organisierten Arbeiter*innen das politische Streikrecht zu erkämpfen, wäre ein unglaublicher Erfolg und eine weitere Eskalationsstufe, die nicht unterschätzt werden kann.

Wenn wir das jedoch wirklich schaffen wollen, müssen wir noch viele Engstirnigkeiten und rückschrittliche Tendenzen in unserer Bewegung überwinden: Wir müssen wegkommen von einem antisozialen Begriff von Klimaschutz, der eine neoliberale CO2-Steuer als Lösung für alles sieht, während die Arbeiter*innen in Frankreich mit der Gelbwestenbewegung im Kampf gegen genau solche Maßnahmen – mit jeder Berechtigung – das ganze Land auseinander nehmen. An Stelle der Gewerkschaftschef*innen müssen wir viel mehr in mühseliger Basisarbeit mit den Gewerkschaftsmitgliedern und Arbeiter*innen ins Gespräch kommen. Wichtig ist aber auch, uns über die Gegenseite klar zu werden: Wir müssen alles daran geben, um uns durchzusetzen gegen Integrationsversuche von Gruppen wie „Entrepreneurs For Future“, die vor dem 20. September Rechtsgutachten machen und betonen, dass es doch viel sinnvoller wäre, auf Unternehmen, die ihren Angestellten freistellen als auf einen wirklichen Streik zu setzen.

Wir dürfen jedoch nicht auf den Irrweg tappen, Generalstreik und Revolution zu verwechseln. Ein Streik, an dessen Ende alle mit ruhigem Gewissen nach Hause und am nächsten Tag wieder auf die Arbeit und in die Schule gehen, hält sich in engen Grenzen. Nach einem Jahr des Streiks setzt sich an immer mehr Orten die Erkenntnis durch, dass das Aktionsrepertoire auf irgendeine Weise, die die Widersprüche stärker zuspitzt, ausgebaut werden muss.

„Ende Gelände“ führt unsere Bewegung langsam zu einem militanteren Bewusstsein und zu der Erkenntnis, dass das Fortlaufen des zerstörerischen Systems in unseren Händen liegt. Wir dürfen dabei jedoch niemals vergessen, dass ziviler Ungehorsam zwar an vielen Stellen seine Berechtigung haben mag, aber auf lange Sicht keinen ausreichenden Aktionsrahmen für eine Bewegung, die sich revolutionär nennen möchte, bietet. Wir als Klimagerechtigkeitsbewegung, als unterdrückte Jugend, wie alle anderen Unterdrückten und Ausgebeuteten, können uns einer breiten Palette an militanten Aktionsformen bedienen, die auch heute in Deutschland schon praktisch machbar und politisch legitim sind. Es liegt an uns, alle verschiedenen Mittel, die unserer Bewegung zur Verfügung stehen, auf eine revolutionäre Weise zusammenzubringen.

Es stehen viele Aufgaben vor uns. Viele Herausforderungen und viele Möglichkeiten. Ein Jahr Fridays For Future hat unsere Gesellschaft nachhaltig verändert – ob wir sie auch wirklich revolutionieren werden, wird sich in Zukunft zeigen.

#Titelbild, Quelle: https://www.fridaysforfutureffm.de/

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Fridays for Future ruft zum Massenevent im Berliner Olympiastadion auf

29,95 € kostet der Spaß: Fridays for Future Berlin und Scientists For Future wollen am 12. Juni 2020 ein Event im Olympiastadion veranstalten. Das ganze ist aber kein Konzert: Bis zu 90.000 zahlende Zuschauer*innen sollen Vorträgen von Expert*innen zuhören und Petitionen unterschreiben. Man könnte die Veranstaltung damit als eine aufgrund des Eintrittspreises etwas elitäre Informationsveranstaltung betrachten. Die den Aufruf begleitenden Videos, Texte und Statements der Veranstalter halten sie aber für viel wichtiger, wichtig „für die Zukunft der Zivilisation“. Daher ist es nötig sich mit den Gedanken der Initiatoren, der gewählten Sprache und der Bedeutung der Veranstaltung 12062020olympia zu beschäftigen.

Vorbild Menstruationssteuer

Das vierminütige Video begründet die von den Initiator*innen gewählte Strategie, Petitionen zu unterschreiben, um dadurch Veränderungen zu erzwingen. Folgendes Beispiel dient zu Beginn des Videos als Beweis für den Erfolg einer Petition: „Es ging um die Senkung der Mehrwertsteuer auf Menstruationsprodukte. Sie wollten die Steuer von 19 auf 7 Prozent senken. Sie waren erfolgreich.“ Menstruationsprodukte gelten nun (natürlich gerechterweise) als Grundbedarf und könnten aufgrund der sinkenden Produktionskosten günstiger verkauft werden. Aber nur, falls sich die Unternehmen entschließen, die Preise tatsächlich für Konsument*innen zu senken; auf jeden Fall profitieren aber natürlich die Produzent*innen, die nun weniger Knete an den Staat abdrücken müssen. Zwei dieser Profiteure sind Philip Siefer und Waldemar Zeiler, Gründer des Startups Einhorn für nachhaltige Kondome und Menstruationsprodukte. Diese zwei sind nun auch als Mitinitiatoren des Videoaufrufs für 12062020olympia im Video zu sehen, außerdem Charlotte Roche, Elisa Naranjo und Luisa Neubauer, letztere die vielleicht bekannteste Vertreterin von Fridays for Future in Deutschland. Trotzdem, die positive Erfahrung des revolutionären Schritts der Senkung der Steuer führt bei den Macher*innen des Videos zur Erkenntnis: „Wir spürten die geballte Power des geilen Systems Demokratie.“

Und an diese Demokratie wird ein wichtiges Anliegen herangetragen: „Es geht um die Zukunft unserer Zivilisation. Wie wir zusammen die größte Krise der Menschheit lösen können. Die Lösung gibt es jetzt bei Startnext zu kaufen. Für nur 29,95€ könnt ihr euer Ticket zur größten Krisensitzung Deutschlands kaufen. So billig war die Weltrettung noch nie. Und das pünktlich zu Weihnachten. Bitteschön.“ Scheinbar ironisch entlarven diese Sätze das Denkmuster der Veranstalter*innen. Sie zeigen, dass aus Sicht von Roche, Naranjo, Neubauer und Co. die Lösung der größten Krise der Menschheit ausdrücklich nicht in einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft und ihrer Verhältnisse zu finden ist – sondern in einem konsumierbaren Event. .

Weltrettung im Sonderangebot

Das Video ist ein Werbevideo für eine Ware. Zum Produktkauf soll der Konsument zum psychologisch gebrochenen Preis von 29,95 Euro gebracht werden und das Produkt selbst ist ein sehr beliebtes, wenn auch nicht genauer benanntes Produkt, nämlich die „Weltrettung“. Ein marxistischer Kulturkritiker könnte dies wohl als wahrhaft letzte Stufe des Kapitalismus interpretieren, indem auch die das System überwindende Revolution der Vermarktungs- und Konsumsphäre einverleibt wird. Dass es der Kapitalismus und sein auf grenzenloses Wachstum ausgelegter Charakter ist, der die Welt überhaupt erst an die Grenzen der Zerstörung gebracht hat, scheint egal. Die Veranstalter haben damit kein Problem, in Sachen Weihnachtsgeschenkeindustrie reihen sie sich bereitwillig in den Wettbewerb ein, der in dieser Hinsicht nicht von einem Media-Markt-Werbespot zu unterscheiden ist.

Aber, wenn man so will unterscheidet sich die Sache ja von einem reinen Konsumprodukt und die Veranstalter*innen wollen ja auch keinen Mehrwert generieren, sondern nur die Kosten decken: „Wir haben alles ready bis auf eine Kleinigkeit. Das Stadion kostet Miete. Wir müssen mindestens 60.000 Tickets verkaufen, um die Kosten von circa 1,8 Millionen Euro zu decken. Wir brauchen ne Bühne, Security, Technik, ich hab nie gedacht dass das alles soviel kostet.“ Anstatt sich eigene Strukturen jenseits des Marktes zu erkämpfen, dafür zu kämpfen dass 60 oder 90 Tausend Leute auf einem Ort zusammen kommen, ohne dass man fremde Unternehmen dafür bezahlen muss, werden die Mechanismen des Systems durch den ganzen Ablauf der Veranstaltung einfach reproduziert. Denn wenn man keine 30€ bezahlen will oder kann um an der historischen Veränderung teilzunehmen, ist man von der Güte der Spender*innen abhängig, die freiwillig einen höheren Preis bezahlen, um ein paar Tickets umsonst unter den Armen verlosen zu können. Nur auf dem rein organisatorischen Teil ist die Veranstaltung daher ein absolut unbeispielhaftes Vorgehen für eine Protestbewegung.

Mittel zum Zweck: Petition

In der zweiten Hälfte des Videos geht es kurz um die Themen der Veranstaltung: „Klimakrise, Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Diskriminierung und all die Probleme, die uns so auf der Seele liegen.“ Die benannten Probleme sind nicht tatsächliche Probleme, sondern werden moralisch aufgeladen zu einem persönlichen Problem, dass die hehren Weltretter*innen umtreibt. Ein Satz in Missachtung der täglichen Realität, dass oft noch vor der Seele der Magen der Antrieb für den Menschen ist, der Hunger, der Zwang Geld zu verdienen. Überhaupt ist die Frage, wofür genau die Veranstaltung stehen soll, welche Petitionen unterschrieben werden sollen, offen.

Bei 12062020olympia beschränkt sich die demokratische Mitbestimmung bisher darauf eine Petition unterschreiben zu dürfen, von deren Inhalt man noch gar nichts weiß. Vor Ort sollen dann also 90.000 Menschen darum betteln, dass die Herrschenden gegen ihre eigenen Interessen gegen die „Klimakrise“ vorgehen. Aber für die Unterschrift unter der ominösen Petition gibt es auch eine Gegenleistung: Auf der Homepage wird angekündigt, dass die Reden „großartig“, die „Persönlichkeiten“ „spannend“ und die „Experten“ „renommiert“ sein werden. Die Show wird angepriesen, die Inhalte sind unklar.

Insofern wäre es spannend zu sehen, was für Petitionen eingereicht werden sollen und welche Chancen diese dann wiederum auf eine positive Abstimmung haben. Denn zumindest von den Verlautbarungen her spricht sich schon jetzt eine Mehrheit im Bundestag gegen die Klimakrise, Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus usw. aus. Und der Druck der Straße wird durch die Kanalisierung in abgezählte 90.000 zahlende Kund*innen nicht da sein, außerhalb der Ortsgruppe Berlin haben sich viele Fridays for Future Gruppen anderer Städte von der Veranstaltung distanziert und das offenbar so geschätzte Mittel der direkten Demokratie, der gleichberechtigten Abstimmung hat zumindest unter dem Youtube-Video schon sein Urteil gefällt. Ein paar Tage nach Veröffentlichung wurde das Video magere 20.000 mal angeklickt, 200 Daumen hoch stehen 800 Daumen runter entgegen, das meiste Geld wurde von ein paar Großspendern generiert und von den regulären Tickets wurden bisher nur rund 2000 verkauft (auf der Homepage kann man sich die aktuellen Verkaufszahlen ansehen). Innerhalb der Klimabewegung scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass man große gesellschaftliche Veränderungen nicht ins Olympiastadion buchen und einsperren kann, sondern dass sie in der richtigen Welt passieren. Vielleicht sickert das ja bis zu den Veranstalter*innen durch.

Luisa Neubauer von FFF-Berlin, der Gruppe die im ursprünglichen Aufruf explizit als Veranstalter stand, meint nun plötzlich „wir sind weder Initiator*innen noch Organisator*innen, wir begleiten das Projekt unterstützend, kritisch und beratend“ und für das Video sei sie nur „eingesprungen“. Das hört sich nicht mehr nach dem „wir“ und „alle“ von vor ein paar Tagen an, sondern ziemlich unsolidarisch. Während die Basis die Problematik solcher Veranstaltungen also schon erkannt hat, rudern die Veranstalter*innen nun in bester Politikermanier zurück.

# dirtyboots97

#Titelbild: Collage: LCM, Olympiastadium: Thomas Wolf, CC BY-SA 3.0 DE

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Interview mit Fridolin vom antikapitalistischen Block bei der zentralen “Fridays-For-Future”-Demo am 21. Juni in Aachen

Die Schüler*innenbewegung „Fridays For Future“ hat in den vergangenen Monaten weltweit Bekanntheit erlangt. Alles begann mit der damals 15-jährigen Greta Thunberg, die beschloss, jeden Freitag die Schule zu bestreiken, um ihren Widerstand gegen die Zerstörung unserer Umwelt auszudrücken. Schneller als man ahnen konnte, wurde aus diesem Streik eine Bewegung; „Fridays For Future“ war geboren. Hunderttausende Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt begannen, auf die Straße zu gehen – für ihre und unsere Zukunft und gegen die Zurichtung dieser Welt.

Immer wieder wird versucht, solche Proteste zu befrieden und zu entradikalisieren. Eine der Besonderheiten an der Initiatorin Greta Thunberg ist, dass sie sich beharrlich gegen diese Befriedungs- und Vereinnahmungsversuche wehrt, indem sie zum Beispiel mit einer bewundernswerten Geduld die meist dümmlichen und diffamierenden Fragen von Journalist_innen immer wieder auf ihre zentralen Forderungen umlenkt: Wir brauchen eine radikale Veränderung; wir brauchen sie jetzt und so schnell und umfassend wie möglich. Und wenn sie nicht innerhalb des Bestehenden umsetzbar ist, dann schaffen wir das Bestehende eben ab und machen es neu.

Wichtig ist jedoch: „Fridays For Future“ hat zwar mit Greta Thunberg angefangen, aber sie ist weder ‘Führerin’ noch alleinige Repräsentantin all der jungen Menschen, die sich Woche für Woche lautstark für ihre Zukunft einsetzen. Genauso wenig sind es allerdings die meist selbsternannten Sprecher_innen der Bewegung; diese Bewegung ist genauso divers wie die Menschen, die sie tragen.

So kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, wenn es um die Protestformen und die Radikalität der Forderungen geht. Ein solcher Kampf wird auch in Aachen ausgetragen; hier sind Teile der örtlichen „Fridays-For-Future“-Gruppe mit linksradikalen Strukturen gut vernetzt und formulieren eine antikapitalistische Perspektive.

Am 21.06.2019 findet eine internationale Großdemonstration von Fridays For Future genau dort statt, Zehntausende Teilnehmer_innen werden erwartet. Wir haben uns mit Fridolin, einem Genossen unterhalten, der an der Vorbereitung des antikapitalistischen Blocks beteiligt ist.

Bevor wir zu der Demo kommen, lass uns einen allgemeinen Blick auf „Fridays For Future“ und Ökologie aus linksradikaler Perspektive werfen. Wie schätzt du die Bewegung ein?

Als ich die Proteste das erste Mal mitbekommen habe, war ich begeistert. So etwas habe ich in der rasanten Entwicklung noch nicht gesehen; dass vor allem junge Menschen sich so sehr für das Leben in dieser Gesellschaft interessieren und Probleme erkennen und benennen – und nicht ausschließlich konsumieren, was ja den Jugendlichen oft vorgeworfen wird. Das, was die Generationen davor jahrzehntelang verkackt haben, kommt jetzt von 16-jährigen auf den Tisch, und das find’ ich super.

Findest du, dass linskradikale Kräfte sich dabei genug und richtig einbringen?

Teils, teils. Ich glaube, dass schon viele Leute in linksradikalen Kreisen die Proteste befürworten – aber auch, dass viele da zu hochnäsig rangehen, in der typisch deutsch-linken Art meinen, dass man selbst alles viel besser macht. Die Toleranzschwelle für Widersprüche und Dinge, die nicht hundertprozentig in die eigene Agenda passen, ist da sehr gering. Statt sich den Debatten zu stellen, wird lieber ganz geschwiegen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Leute, die das unterstützen und auch zu den Demos gehen, und das hat auch schon sehr viel gefruchtet. Ich habe selten bei vermeintlich bürgerlichen Protesten so viele Aufnäher mit irgendwelchen Antifa-Emblemen oder ähnlichem gesehen wie bei „Fridays For Future“ in Aachen. So oder so sollte aber in der linksradikalen Bewegung das Ganze noch ernster genommen werden.

Was hat denn Antikapitalismus überhaupt mit Ökologie zu tun?

Sehr viel. Wenn man sich die Wirtschaft anguckt, also was und wofür produziert wird, wird man feststellen, dass viele dieser Produkte eigentlich völlig überflüssig sind und nur produziert werden, um vermeintlichen Luxus zu schaffen und Profite zu maximieren. Die Wirtschaft ist nicht bedürfnisorientiert. Es gibt viel zu viele Autos, viel zu viele Handys, viel zu viel Essen, das schlecht verteilt wird.

Und man kann sich ja anschauen, wie rasant die CO2-Emissionen steigen, was eben mit Überproduktion, mit schlechter Landwirtschaft und einem vermeintlichen Luxusangebot für Menschen insbesondere in Nordeuropa zu tun hat. Derartiges Wachstum funktioniert aber eben nicht auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen. Klimawandel und Ungleichverteilung sind zwingend mit Kapitalismus verbunden. Und die Abschaffung des Kapitalismus ist die einzige Möglichkeit, den Klimawandel zwar nicht mehr zu stoppen – weil das wahrscheinlich gar nicht mehr geht -, aber wenigstens einzudämmen.

Wie schätzt du das linksradikale und antikapitalistische Potential der Bewegung? Wie ist die Stimmung auf den Demos?

Ich treffe viele Leute, die sich über „Fridays For Future“ politisieren. Die eben nicht dabei stehenbleiben, zu sagen, Klimawandel sei böse und andere Probleme dann ausklammern – sondern Aspekte wie Ausbeutung, Diskriminierung und dergleichen mitdenken. Die Schlussfolgerung, dass der Kapitalismus das Problem ist, ist vielleicht noch nicht bei allen angekommen. Aber in Anbetracht der kurzen Zeit, in der es die Bewegung gibt, wird sich das mit Sicherheit noch verbreitern. Das Spannende an dem Thema ist ja: Es geht alle etwas an, und wir brauchen einen radikalen Wandel, um diesen Planeten nicht innerhalb kürzester Zeit unbewohnbar zu machen. Das sagen nicht nur wir, sondern sehr viele Expert*innen.

Gleichzeitig gibt’s aber natürlich diese typischen ‘Grünen’; die immer noch meinen, dass mit der richtigen Stimmabgabe der Kapitalismus schöner gemacht werden könnte. Die sind aber meiner Wahrnehmung nach in der Unterzahl.

Trotzdem sind ja gerade die reformistischen Stimmen relativ laut, vor allem in der bürgerlichen Presse – die, die sich distanzieren von radikaleren Protestformen und antikapitalistischer Positionierung. Was sagst du zu diesen Distanzierungen?

Ich glaube, eines der Probleme von „Fridays For Future“ sind diese vermeintlichen Führungspersonen, die sich in die Öffentlichkeit drängen. Das hat man natürlich weniger von Leuten, die antihierarchisch geprägt sind, als von eher bürgerlichen Leuten, die ihre Meinung überall herausposaunen wollen. Distanzierungen gibt’s ja bei vielen Protestbewegungen nach einer Weile. Aber es ist so, dass FFF auch teilweise dazu aufruft, sich beispielsweise bei „Ende Gelände“ zu beteiligen, um verschiedene Aktionsformen zu vereinen.

In Aachen gibt es jetzt auch Versuche von Staat und Polizei, „Ende Gelände“ zu kriminalisieren. Es wurden Flyer an Schulen geschickt mit der Info, dass man sich doch bloß nicht an deren Aktionen beteiligen dürfe, weil die – Zitat – „gewaltbereit“ seien. Ich denke aber, dass diese Kriminalisierungsversuche nicht sonderlich weit führen werden, und ich kann mir gut vorstellen, dass es klappen wird, verschiedene Protestformen zu vereinen. Hoffe ich zumindest.

Wie würdest du die gesamtgesellschaftliche Perspektive von „Fridays For Future“ einschätzen?

Ich denke, dass FFF das Potential hat, wirklich in die Gesellschaft hineinzuwirken. Was es ja auch schon tut; Klimawandel ist Top-Thema überall im Moment. Ich vergleiche das manchmal mit dem Rechtsruck, den wir die letzten Jahre hatten; die Klimabewegung als progressive Antwort von jungen Menschen, die nicht damit einverstanden sind, wie seit Jahrzehnten regiert wird. Und ich denke, dass das durchaus die Perspektive bietet, für solidarische Werte und eine solidarische Gesellschaft zu werben. Und auch ältere Generationen zu überzeugen, dass es im Moment einfach scheiße läuft und der Kapitalismus ein rasendes Monster ist, das sich von selbst natürlich nicht abschaffen wird oder abbremsen lässt.

Die Stadt Aachen fällt ja immer mal wieder auf durch Umwelt- und Ökologiethemen; Überall hängen Tihange-Plakate, und der Hambacher Forst befindet sich auch in unmittelbarer Nähe. Eine gute Ausgangslage für die Großdemonstration?

Ich glaube, dass in Aachen ein besonderes Bewusstsein entstanden ist durch die kaputten AKW in Belgien, Tihange und Doel, die bei einer Explosion die Stadt auch direkt betreffen werden – und natürlich auch durch den Hambacher Forst. Jede*r in Aachen weiß, was der Hambacher Forst ist. Und „Fridays For Future“ ist hier auch ein großes Thema; Aachen hat die größten FFF-Demos in ganz NRW – gehabt, zumindest, bis Köln uns dann überholt hat.

Dann kommen wir mal zu dem antikapitalistischen Block. Wer hat das angestoßen? Warum gibt es diesen Block?

Bei den Freitagsdemos haben wir in den letzten zwei Monaten mehrfach einen eigenen kleinen Block gemacht, also dazu aufgerufen, mit eigenen Transpis, Schildern, Fahnen was auch immer, dahin zu kommen und das Thema gesamtgesellschaftlich-kritisch zu betrachten. Als wir dann gehört haben, dass es diese internationale Demo geben wird, war klar, dass wir da eine antikapitalistische Position beziehen sollten. Wir haben auch sehr schnell sehr viel Zuspruch bekommen. Die Aachener „Fridays For Future“ Gruppe selber trägt ja auch im Vergleich zu vielen anderen Städten deutlich progressivere Inhalte mit, hat zum Beispiel ein eigenes Transpi mit klaren antikapitalistischen Positionen.

Wir finden „Fridays For Future“ an sich schon super, aber oft fehlt eben einfach noch ein bisschen; nämlich die Systemanalyse, wo die wirklichen Ursachen liegen, warum die Leute überhaupt auf die Straße müssen.

Auch wenn bei euch lokal diese Vernetzung funktioniert, wird es ja bei der Gesamtstruktur „Fridays For Future“ um diesen Block doch Diskussionen geben …

Natürlich gibt es innere und auch öffentliche Debatten. Ich denke, dass es nicht wenig Leute gibt, die sich eine etwas radikalere Form der Proteste und der Forderungen wünschen, und sich in den Ortsgruppen selber einbringen und dafür werben, gegen den Kapitalismus vorzugehen. Zu den Auseinandersetzungen bezüglich dieses Blocks: Was ich sagen kann ist, dass es durchaus Kritik daran gibt und teilweise offene Ablehnung. Das ist aber auf jeden Fall nicht die Mehrheit. Die radikaleren Kräfte wachsen stetig, und ich denke, dass die Leute, die zum Beispiel Mitglied bei den Grünen sind, nach und nach verstehen werden, dass auch die Grünen das Problem nicht lösen werden, weil sie sich eben an die Profitlogik des Marktes halten.

#Informationen zum antikapitalistischen Block: https://antikap2106.noblogs.org/

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Wenn Elfjährige auf öffentlichen Plätzen selbst gebastelte Pappschilder mit der Aufschrift „System change, not climate change!“ hoch halten, schrillen bei den Mächtigen die Alarmglocken. Der plötzliche Aufstieg der Schülerbewegung Fridays for Future (FFF) hat die Bourgeoisie offenbar aufgeschreckt. Hektisch wird an Strategien gebastelt, die Bewegung so zu kanalisieren, dass die jungen Leuten nicht anfangen, nach den tieferen Ursachen der Klimakrise zu forschen. Mit dabei der Verfassungsschutz.

Dass FFF ausgebremst werden soll, lässt sich nicht übersehen. Zu erfolgreich ist die Bewegung. Und auch wenn sie in weiten Teilen noch eher grün dominiert und damit systemkonform erscheint, so trägt sie doch ein für die Herrschenden nicht ungefährliches Potential in sich. Hunderttausende Jugendliche, die frühzeitig anpolitisiert werden und sich vielleicht irgendwann fragen, ob es der Kapitalismus ist, der das Klima zerstört – das kann das System nicht gebrauchen.

So wird das erprobte Arsenal bürgerlicher Manipulationstechniken aufgeboten. Das reicht von vergiftetem Lob zum Zwecke der Eingemeindung über altväterliches Genörgel an den „Schulschwänzern“ bis zu Spaltungsversuchen. Wie man Spaltung in die Bewegung trägt, führte das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz Mitte April vor. Mit einem länglichen Text auf seiner Homepage, der Einblicke in das kranke Denken der Schlappenhüte erlaubt.

Schon die Überschrift ist an Dämlichkeit schwer zu übertreffen: „Gewaltorientierte Linksextremisten setzen strategisch auf populäre Themen – Wie die Interventionistische Linke demokratische Initiativen instrumentalisieren will“. Der in pseudowissenschaftlichem Tonfall vorgetragene Text behauptet, die IL Hamburg versuche „im Rahmen ihrer Entgrenzungsstrategie“, Protestbewegungen zu „vereinnahmen und zu steuern“.

Mit dem Wort „Entgrenzung“ glaubt der Geheimdienst offenbar so etwas wie den Stein der Weisen gefunden zu haben. Mit diesem Begriff, so belehren uns die Hüter der Verfassung, sei die „gezielte strategische und taktische Besetzung gesellschaftlich breit diskutierter oder akzeptierter Themen“ gemeint. Dies diene dazu, „verfassungsfeindliche Positionen“ in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und Anhänger zu gewinnen.

Und genau mit dieser Strategie, deliriert das LfV, versuche die IL Hamburg die Klimaproteste der Schüler zu instrumentalisieren. Als ein Beleg wird ein Vorfall vom 15. März erwähnt. Da hätten „von der IL beeinflusste Organisationen“ versucht, sich mit einer Zubringerdemo an die Schülerproteste „anzuhängen“ und hätten sich „eine eindeutige Absage“ eingehandelt. Tatsächlich hatte es damals im Anschluss an die FFF-Demo eine zweite Demo (Motto: „Klima-Revolution ins Rollen bringen“) gegeben, von der sich FFF Hamburg bedauerlicherweise auf Facebook distanzierte. Schwamm drüber.

Das mit der „Entgrenzung“ ist ganz offenbar eine fixe Idee von Torsten Voß, dem Chef des Hamburg Verfassungsschutzes. Jedenfalls legt das ein langes Porträt im Hamburger Abendblatt nahe, eine peinliche Lobhudelei, die interessanterweise kurz nach dem Vorstoß der Schlapphüte auf ihrer eigenen Homepage erschien. Voß wird in dem Beitrag als „bundesweit anerkannt, sehr gut vernetzt, loyal seinem Dienstherrn gegenüber“ bejubelt. Der gelernte Polizist sei „Geheimfavorit“ für das Amt des Chefs des Bundesamtes nach dem Rücktritt von Hans-Georg Maaßen gewesen.

Nach unerträglichem Geschwafel über die Karriere des Herrn Voß und den schweren Dienst seiner rund 200 Angestellten im LfV, kommt der Text am Ende zum Kern der Botschaft. „Die aktuell größte Bedrohung für die freiheitliche Demokratie ist die ,Entgrenzung‘“, wird Voß da zitiert. Der Begriff sei „eines seiner Lieblingswörter“. Er spreche davon, „wenn sich die Grenzen zwischen berechtigtem politischen Protest und Gewalt vermengen, wenn Extremisten mehrheitsfähige Themen besetzen und missbrauchen“. Natürlich wird auch das Beispiel der Hamburger IL noch mal herangezogen, die versuche sich bei FFF „anzudocken“.

Dieses Gerede von der „Entgrenzung“ und der Gefährlichkeit „linksextremistischer“ Gruppen ist schon deshalb grotesk, weil es von einem hochrangiger Funktionär ausgerechnet der Organisation kommt, die so freiheitlich-demokratische Nachbarschaftsvereine wie den NSU gesponsert hat. Der Vorstoß des Herrn Voß belegt vor allem eines: Die Herrschenden haben Fracksausen, dass immer mehr junge Leute auf die Idee kommen, dass Ökologie und Kapitalismus ungefähr so gut zusammen gehen wie Verfassungsschutz und Demokratie. Dass der Kapitalismus die historisch einzige Wirtschaftsform ist, die es tatsächlich geschafft hat, unseren Planeten an den Rande einer Klimakatastrophe zu führen.

Linke Organisationen „vereinnahmen“ also nicht etwa die Klimaproteste, da das Thema ja ein originär linkes ist. Wenn die Klimaproteste eine antikapitalistische Richtung einschlagen, ist das nur folgerichtig und konsequent. Und schließlich hier noch ein Denkanstoß für CDU-Mitglied Voß und Konsorten: Was ist Politik bitteschön denn anderes, als immer wieder zu versuchen, Themen zu besetzen und Menschen für die eigene Überzeugung zu gewinnen?

Titelbild: RubyImages/B. Niehaus

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