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oder: Was macht(e) die Bundeswehr in Afghanistan

Gastbeitrag von Antimilitaristischen Gruppen aus Berlin

Dies ist kein Beitrag über die Bundeswehr im Auslandseinsatz generell. Die Bundeswehr sammelt seit spätestens 1993 in Somalia erste Kriegserfahrungen, mit dem Einsatz in Jugoslawien wurde 1999 erstmals wieder Krieg – wenn auch noch nicht so bezeichnet – von deutschem Boden aus geführt. Dies ist ein Text über den bislang längsten und umfangreichsten Bundeswehreinsatz, der 2001 begann und erst vor wenigen Wochen mit viel Ach und Krach beendet wurde.

Nach den Anschlägen 2001 in New York und Washington wurde als erste Vergeltungsmaßnahme der Nato-Bündnisfall ausgerufen. Die Anschläge wurden als Angriff auf ein Mitglied der Kriegsallianz gewertet und damit als Angriff auf alle verstanden. Dies stellte für die westliche Militärbündnisgeschichte eine Zäsur dar. Kurz darauf machten sich die westlichen Bündnismächte auf, Afghanistan – das als Hort des Terrorismus auserkoren wurde – mit Krieg und Besatzung zu überziehen. Ein ähnliches Szenario wiederholte sich 2003 im Irak. Nur diesmal nicht vom Nato-Bündnisfall gedeckt, sondern von einer „Koalition der Willigen“ vollzogen und ohne direkte deutsche Beteiligung.

Dass die Bundesrepublik als Nato-Mitglied ihre Bündnispflichten erfüllen musste, war nicht der Grund für die Beteiligung am Krieg in Afghanistan. Es war vielmehr eine willkommene Gelegenheit, die Bühne der global player auch im Tarnfleckoutfit zu betreten, um die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Deshalb schickte sich die Propagandamaschine an, die noch nicht vollends an Kriegseinsätze gewöhnte bundesdeutsche Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, dass Krieg führen ein gängiges Mittel deutscher Außenpolitik ist. Und wie schon 1999 begann der Kriegseinsatz der Bundeswehr 2001 mit einer Lüge. Anders als damals wurden aber nicht Hufeisenpläne und konzentrationslagerähnliche Zustände erfunden, sondern von einem humanitären Einsatz zum Schutz der Frauen und zum Bohren von Brunnen schwadroniert. Zehn Jahre nach Kriegsbeginn wurde zu diesem Zweck sogar die bundesdeutsche Entwicklungshilfe militarisiert. Ehemals zivilen Entwicklungshilfeeinrichtungen wurden zur GIZ GmbH – der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – fusioniert. Sie soll sicherstellen, dass bundesdeutsche Mittel nur dann vergeben werden, wenn damit eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr im Einsatz einhergeht. Dies alles nur, um die eigentlichen Kriegsgründe zu verschleiern: Die Freude darüber, die erste größere Nebenrolle mit Aussicht auf weitere Engagements im Theater der kriegsführenden Nationen zu spielen.  Gleichzeitig auch Bereitschaft dafür zu zeigen, zur Sicherung der eigenen Interessen auch militärisch einzustehen.

Wer anderes behauptet, dem konnte diese Behauptung Kopf und Kragen kosten – mustergültig durchexerziert am am Beispiel des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser hatte sich im Mai 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio erdreistet, eine Wahrheit gelassen auszusprechen. „[… E]in Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“ Kurz gesagt: Krieg führen, damit es der deutschen Wirtschaft gut geht. Für diese einfache Wahrheit schien die bundesdeutsche Öffentlichkeit noch nicht bereit, dafür die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten.

Doch bereits im März 2010 hatte der ehemalige Gebirgsjäger und damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg davon gesprochen, dass Mensch bei dem, was die Bundeswehr in Afghanistan mache, durchaus „umgangsprachlich“ von Krieg reden könne. Und das nachdem sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung zurückgetreten war. Grund für den Rücktritt war die Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kunduz. Auf Befehl von Oberst Klein wurden bei diesem ersten Kriegsverbrechen seit dem 2. Weltkrieg 142 Zivilisten ermordet.

Vielleicht läuteten nach diesem Tabubruch von zu Guttenberg bei Köhler die Glocken. Vielleicht dachte er sich, wenn jetzt schon in der Bundeswehr-Einsatz ein Stückchen weiter ins rechte Licht gerückt werden kann, wieso dann nicht auch gleich den eigentlichen Grund klar und deutlich benennen. Wir werden es nie erfahren. Wessen wir uns aber sicher sein können, ist, dass bei ähnlichen Fauxpas weiterhin Politiker*innen-Köpfe unter das Schafott der öffentlichen Meinung gelegt werden würden. Das Gegenteil kann gerne bewiesen werden: Als Anlässe schlagen wir z. B. die Entsendung der Fregatte Bayern ins Südchinesische Meer oder die seit zwei Jahren stattfindenden Defender-Europe-Manöver vor.

Dass aber auch der Kriegsminister zu Guttenberg bald ins Straucheln kam und letztendlich gefallen ist, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Das lag aber nicht an dem feinen Näschen des ehemaligen Elitesoldaten für kriegerische Angelegenheiten. Immerhin kam seine Äußerung nur wenige Tage vor dem sog. Karfreitagsgefecht 2010. Diese erste länger anhaltenden Kampfhandlung unter deutscher Beteiligung brachte der bundesdeutschen Öffentlichkeit bei, dass Bundeswehrsoldaten nicht nur in der Lage sind, andere zu töten, sondern auch, getötet zu werden. Zu Guttenberg ist darüber gestolpert, weil rauskam, dass er bei seiner Doktorarbeit beschissen hatte. Und ein Kriegsminister, der sich bei Lügen erwischen lässt, ist für den Job nicht zu gebrauchen. Es sei denn, er lügt im Sinne der politischen Propaganda

Aber lange Rede, kurzer Sinn: Aus bundesdeutscher Perspektive ging es in Afghanistan nie darum, Freiheit and democracy nach Afghanistan zu bringen. Spätestens nach der Halbzeit des Einsatzes war klar, dass sog. Entwicklungshilfe, Brunnenbohren und Schulen bauen und all die anderen Elemente dieser Aufstansbekämpungsstrategie in Afghanistan nicht fruchten würde. Deshalb wurde ab 2014 auch der ISAF-Einsatz beendet und von der Mission Resolute Support, die den Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte zum Ziel hatte, gestartet. Im April 2021 wurde bekannt, dass auch dieser Einsatz beendet wird und alle westlichen Truppen bis September abgezogen werden und das Land seinem Schicksal überlassen wird.

Dass durch den Abzug der Truppen kurz- bis mittelfristig die Taliban wieder an die Macht kommen würden, war allen klar. Denn niemand hat ernsthaft damit gerechnet, dass es gelungen wäre, eine Demokratie nach westlichem Vorbild in Afghanistan zu etablieren. Dies zeigen schon die verschiedensten Beispiele aus der Kolonialgeschichte, die bis heute auch die verschiedenen Geschichten von wirtschaftlicher Unsicherheit, kriegerischen Auseinandersetzungen, von Flucht und Vertreibung prägen. Ein Vorhaben wie in Afghanistan konnte nicht klappen. Und wir unterstellen den verantwortlichen Planer*innen, dass ihnen das auch sehr schnell bewusst gewesen sein muss. Deshalb offenbaren die Bilder der verzweifelten Menschen am Flughafen in Kabul, die in die Besatzer ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben gesetzt haben, die grausame Perfidie des Krieges aufs Neue. Es ging nie um die Interessen der Menschen in Afghanistan, sondern immer nur um die Interessen der verschiedenen Akteure im Theater dieses Krieges. Dass die Grausamkeit der westlichen Akteure nun tatsächlich soweit reicht, dass nur unter großem Murren und Bohei dazu bereit sind, Menschen, die während der Besatzungszeit mit ihnen kollaboriert haben, Asyl zu gewähren, ist dennoch erschreckend. Statt dessen droht die derzeitige Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer offen damit, künftige Einsätze in Afghanistan, sollte es sie jemals geben, nur noch aufs Brunnenbauen zu beschränken. Gleichzeitig wird aus dem Entwicklungshilfeministerium versprochen ihre Unterstützungsleistungen einzustellen. Wer jetzt denkt, wieder an den Anfang des Textes gerutscht zu sein, irrt sich. Wie die Geschichte weiterginge, sollte es tatsächlich soweit kommen wie angedroht, dürfte sich aber dennoch dort nachlesen lassen.

Aus dem Schock der Bilder vom Kabuler Flughafen heraus, ist es nur allzu verständlich, die sofortige Evakuierung aller Menschen zu fordern. Es ist der Ausdruck eines mitmenschlichen Gefühls, nach Möglichkeit andere Menschen aus lebensgefährlichen Situationen zu helfen. Es ist ein Appell an die Vernunft, die das Menschenrecht auf Asyl einräumt. Es ist aber auch ein Ausdruck der Verzweiflung, Forderungen an diejenigen zu richten, die die Misere maßgeblich verursacht haben.

Einzelne Stimmen aus Afghanistan – die der RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans), der Solidaritätspartei und von Malalai Joya – haben immer gefordert, diese Besatzung sofort wieder zu beenden. Denn eine „Befreiung“ von Taliban und Warlords durch Krieg und Besatzung kann keine Befreiung sein, die ihren Namen verdient. Diese Einschätzung hat sich bewahrheitet. Gleichzeitig haben sie an uns gerichtet appelliert, den Krieg in Afghanistan dort zu beenden, wo er begann: vor unserer Haustür. Dieser Forderung sind wir bis dato nicht nachgekommen, sollten sie aber auch angesichts der Bilder aus Afghanistan nicht vergessen.

Die Grausamkeiten von Krieg, Flucht und Vertreibung lassen sich mittel- und langfristig nicht durch Evakuierungsmaßnahmen lösen. Schon gar nicht, wenn sich die Appelle an diejenigen richten, die die Lage verursacht haben. Einigen wenigen mag dadurch geholfen werden, das Problem als solches wird aber nicht gelöst. Die Kunst besteht darin, nicht so zynisch zu werden wie diejenigen, die für die Misere verantwortlich sind. Wir sollten aber aber auch nicht vergessen, dass es Dinge gibt, die wir tun können, die über kurzfristige Forderungskataloge hinausreichen.

Denn die Zeit wird kommen, in der Afghanistan nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Vielleicht ist es dann an der Zeit, die Evakuierung der Menschen aus Mali zu fordern. Oder aus Somalia. Oder aus dem Libanon. Oder von irgendwo sonst, wo die Bundeswehr prominent ihren Kriegseinsatz beendet.

Oder wir fassen uns ein Herz und packen das Übel an der Wurzel. Eine bessere Welt für Alle ist nur möglich ohne Bundeswehr. Sollte der verschobene Große Zapfenstreich zum Ende des Afghanistaneinsatzes noch nachgeholt werden, sind wir gefordert, dieses widerliche Militärspektakel nicht unkommentiert geschehen zu lassen. Aber auch darüber hinaus, sollten wir jede Angriffsfläche nutzen, die sich uns bietet, um der Bundeswehr ein für alle Mal den Gar aus zu machen. Vom Werbeplakat an an der Bahnhaltestelle über Niederlassungen von Kriegsgewinnlern wie Rüstungsunternehmen, Crossmedia und Castenow bis zu öffentlichen Bundeswehrauftritten in Jobcentern, Schulen und Gelöbnissen.

Beteiligt euch an den Antimilitaristischen Protesten:

23.09. 21| 18:00 Uhr  Kohlfurter Str.  41 | Kiez-Demo gegen “Crossmedia”
14.10. 21 | Ort: tba |  Antimilitaristische Demo gegen den großen Zapfenstreich der Bundeswehr

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20 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September und dem Krieg gegen den Terror bleiben Dschihadismus und Islamismus eine globale Gefahr. Gerade die aktuelle Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zeigt das nur all zu deutlich. Wie sich das Phänomen Dschihadismus in den letzten 20 Jahren entwickelt hat und warum Bezeichnungen wie „Steinzeit-Islam“ irreführend sind.

Der 20. Jahrestag der Anschläge von 9/11 geht schrecklicherweise mit der Etablierung eines islamistischen Emirats in Afghanistan einher. Der internationale Krieg gegen den Terror, der nach 9/11 begann und zu einem knapp 20 Jahre andauernden Krieg in Afghanistan führte, endete mit einem Sieg der Taliban. Seit 9/11 beschäftigten uns nun verstärkt die Themen Islamismus und islamistischer Terrorismus bzw. Dschihadismus und gerade jetzt suchen wir nach Antworten für die westliche Niederlage in einem der zentralen Schauplätze des Kriegs gegen den Terror. Zu häufig wird angenommen, dass Islamismus und Dschihadismus allein die Folgen eines archaischen, ultrakonservativen Islamverständnisses sind. Während erzkonservative Religiosität durchaus eine Rolle spielt, so ist diese Erklärung doch sehr kurz gedacht und vereinfacht. Wir reden hier von modernen Erscheinungen, deren Ursprungsgeschichte vor allem im letzten Jahrhundert liegt und wir reden von etwas, dass flexibel ist und sich neuen Umständen anpasst.

Eine kurze Geschichte des Dschihadismus:

Unter Dschihadismus lassen sich vereinfacht militante, islamistische Gruppierungen zusammenfassen. Viele islamistische Bewegungen versuchen ihre Ziele ohne direkt gewalttätige Mittel zu erreichen – was sie deswegen aber nicht ungefährlich macht. Dschihadisten hingegen sind per Definition militant und greifen primär auf Gewalt als politisches Mittel zurück. Einer der wichtigsten Vordenker des Dschihadismus war der Ägypter Sayyid Qutb. Der primäre Feind für Qutb und ähnliche Aktivisten, waren die Regime in der eigenen Heimat. Dieser Dschihadismus der 60er und 70er befasste sich primär mit den sozioökonomischen Problemen der jeweils eigenen Länder und plante eine islamische Revolution gegen die korrupten Regierungen. In den 80ern und 90ern wurden diese Ideen auch von nationalistisch-separatistischen Milizen übernommen. Dschihadismus spielte nun eine zentrale Rolle im Nahostkonflikt, in den Tschetschenienkriegen, innerhalb separatistischer Bewegungen in Kaschmir oder auf den Philippinen. Nun kämpfte man in und gegen gegen nicht-muslimische Staaten um die Unabhängigkeit einer bestimmten Region.

Diese Strategie wandelte sich abermals. Osama bin Laden und Ayman az-Zawahiri hingegen plädierten dafür, den Fokus weg von den nahen Feinden und hin zum fernen Feind zu lenken. Anstatt gegen lokale Regime zu kämpfen, sollte sich der Dschihad vor allem gegen die USA und deren Verbündete konzentrieren. Es ging also nicht länger um den Kampf über ein gewisses Gebiet oder den Sturz einer Regierung. Für die Ideologen al-Qa‘idas ging es um den Krieg gegen die globalen Besatzer der islamischen Welt. Bin Laden und az-Zawahiri sprachen von einer weltweiten Unterdrückung der Muslim*innen. Es war die Rede von einer jüdisch-kreuzfahrerischen Allianz, einem Bündnis aus Zionisten und Kreuzrittern. Als Beweis für diesen globalen Krieg, der angeblich von den USA angeführt wird, verwies Bin Laden auf amerikanische Militärpräsenz in Saudi-Arabien und Afghanistan. Er warf ihnen aber auch vor global die Unterdrückung von Muslim*innenen aktiv zu unterstützen. Er verwies hierzu auf die Rolle der USA in Konflikten wie in Palästina, Kaschmir, Somalia, Tschetschenien und den Philippinen. All diese Punkte galten als Beweggründe für die Anschläge vom 11. September.

Dschihadismus ist flexibel und anpassungsfähig

Al-Qa‘ida hat sich in den Jahren nach 9/11 sowohl ideologisch, als auch strukturell und strategisch weiterentwickelt. Während man sich anfangs noch allein an Muslime wendete, so wollte man nun eine breitere Masse ansprechen. Der spätere Anführer von Al-Qa‘ida, Ayman az-Zawahiri veröffentliche 2005 ein Essay in dem er gezielt versuchte u.a. Umweltaktivist:innen ansprechen. Al-Qa‘ida machte so primär die USA für die Erderwärmung verantwortlich.

Auch der anhaltende Rassismus in den USA wurde propagandistisch ausgenutzt. So versuchte Al-Qu‘aida neben amerikanischen Muslim:innenen auch Afroamerikaner:innen direkt an zu sprechen. Der Bürgerrechtler Malcolm X wurde von az-Zawahiri zum muslimischen Märtyrer stilisiert. Er zitierte X sogar direkt, indem er afroamerikanische Politiker*innen als Haussklaven bezeichnete.

Dieser ideologische Wandel zeigte sich auch in den neuen Strategien al-Qa‘idas. Moderne Medien waren nun fast genauso wichtig wie die Planung von Anschlägen und der bewaffnete Kampf. Mit 2002 nahm die Zahl von al-Qa‘ida kontrollierten Medien exponentiell zu. Mehr und mehr Magazine und Websites wurden veröffentlich. Während es 2002 noch ca. sechs zentrale al-Qa‘ida Medien gab, waren es 2007 bereits 97. Az-Zawahiri meinte selbst, dass mindestens die Hälfte des Kampfes über Medien stattfinden würde. Besagte Medien befassten sich auch nicht länger mit einfacher Propaganda oder religiösen Predigen. Ein komplett neues Genre von dschihadistischer Publikationen wurde eingeführt: Jihadi Strategic Studies (Dschihadistisch-Strategische Studien). An Stelle des Warums galt es nun das Wie zu beantworten. Wie führte man den Dschihad? Die Strategischen Studien befassten sich daher mit der Analyse von Schwächen – sowohl von Feinden, als auch der eigenen – und der Berücksichtigung sozialer, ökonomischer und politischer Faktoren.

Ein Beispiel dafür, wie solche Strategien in der Praxis umgesetzt lässt sich im englischsprachigen al-Qa‘ida-Magazin Inspire finden. Dort schrieb der amerikanisch-jemenitische Islamist Anwar al-Awlaki über Muslimfeindlichkeit in den USA. Koranverbrennungen und Proteste gegen den Bau von Moscheen dienten nun dazu, das Narrativ eines Kriegs gegen den Islam zu untermauern. Al-Qa‘ida hat somit den wachsenden Rassismus gegen Muslime, den 9/11 selbst explosionsartig entfacht hat, für ihre eigenen, propagandistischen Zwecke verwendet.

Ein anderes Beispiel für die Relevanz dieser strategischen Studien ist der Anschlag von Madrid 2004. Warum wurde ausgerechnet Spanien als erstes, europäisches Land, nach 9/11, angegriffen? Ziel war es, die Bündnisse zwischen den USA und anderen Ländern zu destabilisieren und Druck auf die Verbündeten Amerikas aus zu üben. Spanien wurde von al-Qa‘ida als politisch instabil eingestuft. Das der Anschlag am 11. März erfolgte, war dementsprechend kein Zufall. Er fand kurz vor den spanischen Parlamentswahlen statt und sollte eben jene beeinflussen.

Die Ereignisse nach 9/11 verwandelten al-Qa‘ida auch strukturell. Anfangs war es ein Netzwerk, dass primär von Afghanistan aus operierte und sich mit der Ausbildung dschihadistischer Kämpfer beschäftigte. Zum eigentlichen Kern der Organisation gehört daher nur wenige hunderte. Die Trainingslager allerdings wurden von weit mehr als 10.000 zukünftigen Kämpfern durchlaufen. Mit der amerikanischen Invasion von Afghanistan jedoch, war al-Qa‘ida gezwungen sich neu zu formieren. Die Führung verteilte sich an unterschiedliche Orte und die Kommunikation war stark eingeschränkt. Das sorgte dafür, dass die verschiedenen Unterorganisationen verstärk unabhängig agierten. Al-Qa‘ida wandelte sich daher von einem Netzwerk, hin zu einer globalen, dschihadistischen Bewegung. Die lokalen Bestrebungen der einzelnen Untergruppen gewannen somit wieder an Bedeutung. Dennoch blieben westliche Ziele relevant. Auch nationalistisch-separatistische Gruppen, betrachteten nun Angriffe im Ausland, als Teil ihres inländischen Kampfes.

Abschließend sollte die Rolle des Irakkrieges nicht unerwähnt bleiben. Mit der amerikanischen Invasion des Iraks, entwickelte sich die Region zum zentralen Schlachtfeld des globalen Dschihadismus. Der Irakkrieg galt als zentraler Beweis und Paradebeispiel für einen westlichen Krieg gegen Muslime, welcher von den USA angeführt wird. Die Bilder des Krieges und vor allem seiner zivilen Opfer, sollten eine enorme, symbolische Bedeutung erlangen. Bilder von Falluja, Abu Ghrayb, aber auch Guantanomo Bay sind bis heute Teil dschihadistischer Propagandavideos und sollen den westlichen Durst nach muslimischem Blut und Ressourcen belegen. Im Irak zeigten sich aber auch andere Folgen, der Dezentralisierung al-Qa‘idas. Das verstärkte, eigenständige Handeln der Unterorganisationen sorgte für internen Zwist und Uneinigkeit. Der Anführer al-Qa‘idas im Irak, Abu Mus’ab az-Zarqawi, war verantwortlich für eine Reihe von Angriffen gegen die schiitische Bevölkerung des Iraks. Etwas, dass der alten al-Qa‘ida-Führung missfiel, da sie eher auf eine pan-islamische Einheit auswahren. Az-Zarqawis Zweig sollte sich später komplett unabhängig machen und in den Islamischen Staat im Irak und der Levante kurz ISIL oder ISIS umbenennen.

Definitiv kein Steinzeit-Islam

Das gesellschaftliche Bild von Taliban, al-Qa‘ida und Co. ist durchweg patriarchal, totalitär und archaisch. Dennoch sind Bezeichnungen wie Steinzeit-Islam irreführend. Wie man unschwer an den Entwicklungen nach 9/11 erkennen kann, reden wir hier nicht einfach von blinden Fanatikern, die zurück ins Mittelalter wollen. Wir reden von intelligenten Ideologen, die anpassungsfähig sind und sich durchaus moderner Mittel bedienen, um ihre Ziele zu erreichen. Vor allem aber beschäftigt sich ihre totalitäre Ideologie stets mit zeitgenössischen Fragen. Al-Qa‘idas Kampf gegen ein angebliches Bündnis aus Zionisten und Kreuzrittern soll einen Schuldigen kreieren für die Probleme mehrheitlich muslimischer Gesellschaften. Islamismus entstand vor allem als eine Antwort auf den europäischen Imperialismus, sowie den Niedergang der sog. islamischen Welt. Es ist ein primär modernes Phänomen. Er basiert zum einen auf dem Vorwurf, dass Muslime sich von einem wahren und reinen Islam entfernt hätten und zum anderen auf dem Glauben an eine anti-islamische, globale Verschwörung.

Dschihadismus und Islamismus sind nicht einfach die Folge einer rückständigen Religiosität und erst Recht nicht einer angeblich essenziell antimodernen Kultur. Sondern sie sind vor allem das Resultat materieller Umstände. Sie sind Ergebnis historischer Entwicklungen und sozioökonomischer Probleme, mit welchen sie sich auch selbst befassen. Wer weiterhin glaubt, ihr handle es sich nur um fanatische, mittelalterliche Wilde, der hat diese Gefahr bis heute nicht verstanden.

Der sog. Krieg gegen den Terror hat dem Dschihadismus neue Türen geöffnet und der Sieg der Taliban in Afghanistan könnte es wieder tun. Islamisten schlachten das ganze bereits aus. „Der muslimische Widerstand hat gegen die Besatzung der Kreuzfahrer gewonnen“, so das derzeitige Narrativ. 20 Jahre 9/11, 20 Jahre Krieg gegen den Terror und die Niederlage könnte kaum bitterer sein.

# Titelbild: بدر الإسلام, CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons, Bewaffnete Aufständische im Irak, November 2006

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Es ist ein Phänomen der kapitalistisch geprägten Medienwelt, dass der Scheinwerfer oft nur auf einen bestimmten Punkt und ein bestimmtes Thema gerichtet wird. Wenn irgendwo etwas Aufsehenerregendes geschieht, wird das Ereignis tage- und wochenlang durchgehechelt – allerdings meist ohne jedes Verständnis für historische Hintergründe, gesellschaftliche Prozesse und Ursachen. So geschieht es aktuell mit dem Thema Afghanistan. In der Aufregung um die verpatzten Evakuierungen gehen tiefer gehende Fragen verloren. Um die geht es im Interview mit Luca Heyer. Er ist Politikwissenschaftler und aktiv bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen

Nach 9/11 hat der Westen 20 Jahre unter US-amerikanischer Führung in Afghanistan vorgeblich den Terror bekämpft, was jetzt mit einem ebenso überraschenden wie schmählichen Finale seinen Abschluss fand. Wie fällt Deine Bilanz dieses Krieges aus?

Dieser Krieg zeigt, was auch bereits andere Kriege zuvor zeigten: Frieden lässt sich nicht durch Krieg erzwingen, Menschenrechte und Demokratie ebenso wenig. Keines der Ziele wurde nachhaltig erfüllt. Der Preis dieses Krieges ist jedoch enorm hoch: Mehr als 200.000 Menschen verloren ihr Leben. Eine noch viel höhere Zahl von Menschen ist auf der Flucht. Insgesamt ist die Bilanz erschütternd.

Die Debatte über die Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung bei den Evakuierungen der sogenannten Ortskräfte haben verhindert, dass der Einsatz als Ganzes kritisch beleuchtet wurde. Siehst Du das auch so?

Ja. Die dramatischen Ereignisse im August gehen ja unmittelbar zurück auf politische Fehlentscheidungen, die zum Teil vor 20 Jahren, zum Teil während der letzten Monate getroffen wurden. Das betrifft zum einen die Entscheidung, überhaupt im Afghanistan-Krieg mitmischen zu wollen: Entgegen zahlreicher Warnungen und Proteste aus der Friedensbewegung gab man sich der Illusion hin, Menschenrechte und Demokratie könnten militärisch von außen quasi erzwungen werden. Im Laufe der Jahre trugen alle Parteien, die an der Regierung beteiligt waren, also SPD, Grüne, CDU/CSU und die FDP, diesen Einsatz mit – ein Fehler, wie man eigentlich spätestens jetzt einsehen müsste.

Andere Fehler, die zu der dramatischen Lage im August führten, lassen sich direkt der aktuellen Bundesregierung zuschreiben: Bereits vor einem halben Jahr gab es außerparlamentarische Appelle und parlamentarische Anträge der Linken und der Grünen, man müsse die afghanischen Ortskräfte schnell und unbürokratisch aufnehmen. Das wäre damals noch einfacher und ohne einen weiteren Militäreinsatz möglich gewesen. Seitens der Bundesregierung fehlte einfach der politische Wille. Stattdessen wurden sogar noch – wie im übrigen seit Jahren – Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Da wirkt der Militäreinsatz im August gleich doppelt heuchlerisch.

Wegen ihrer aktiven Rolle bei den Evakuierungen steht die Bundeswehr momentan in der bundesdeutschen Öffentlichkeit fast als Freund und Helfer dar, konnte das Ganze offensichtlich für die Aufbesserung ihres Images nutzen. Ist das nicht paradox?

Definitiv. Dabei wäre der Einsatz gar nicht nötig gewesen, wenn man rechtzeitig für sichere Fluchtwege gesorgt hätte. Außerdem ist die Bundeswehr keineswegs Freund und Helfer. Sie hat nicht nur eine Menge Menschen, die mit ihr in den letzten 20 Jahren zusammengearbeitet haben, fallen gelassen, sondern ja selbst auch Unschuldige getötet in diesem Krieg. Exemplarisch wäre da der Luftangriff bei Kunduz zu nennen: 2009 starben dort nach einem Bombenabwurf, den der Bundeswehroberst Klein zu verantworten hat, mehr als 100 Menschen, darunter auch Zivilisten und Kinder. Das scheint aktuell leider in Vergessenheit zu geraten.

In Presse, Funk und Fernsehen sowie den sozialen Medien waren eine Menge Bilder von Soldaten zu sehen, vor allem von der US Army, die Kinder auf dem Arm haben. Die Fotos wirken natürlich durch den Kontrast. Ist hier nicht offenbar die Gelegenheit genutzt worden, die am Afghanistan-Desaster beteiligten Truppen von jeder Schuld reinzuwaschen?

Ja, dieser Eindruck entsteht zumindest. Medial wurde das auch so transportiert. Durch diese Bilder wurde auch eine vermeintliche Handlungsfähigkeit in diesem sinnlosen Krieg suggeriert, die so aber nie bestand. Die Nato-Präsenz am Flughafen diente daneben letztlich der Priorisierung der Flüchtenden. Während ehemalige Ortskräfte von Spezialkräften in den Flughafen geschleust wurden, hielten gleichzeitig andere Nato-Kräfte mit Schusswaffen und Tränengas in Kooperation mit den Taliban andere Flüchtende vom Betreten des Flughafens ab, wobei auch Menschen umkamen. Eigentlich eine weniger rühmliche Geschichte…

Die Bild-Zeitung nannte die bei den Evakuierungen eingesetzten Bundeswehr-Soldaten in den vergangenen Tagen nur noch „Helden“. Auch eine Aktion der umstrittenen Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Kabul wurde bejubelt. War der Einsatz eine willkommene Gelegenheit für das KSK, die Vorwürfe der letzten Monate vergessen zu machen?

Ja, das war auch schon im Juni zu beobachten. Damals wurde das KSK zum ersten mal wieder in den Einsatz geschickt und zwar nach Afghanistan, während die Aufarbeitung des gewaltigen Munitionsdiebstahls und die Verstrickung in rechte Netzwerke am laufenden Band neue Skandale zutage förderten, beispielsweise die Möglichkeit gestohlene Munition anonym und straffrei zurückzugeben oder Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben. All das ist bis heute nicht vollumfänglich aufgeklärt – insbesondere der Verbleib von zehntausenden Schuss Munition oder die Rolle des Sicherheitsunternehmens Ferox. Dennoch entschied die Bundesregierung, das KSK wieder in Einsätze zu schicken, vermutlich auch in der Hoffnung, den Ruf der Einheit durch Aktionen wie im August reinzuwaschen.

Dient die ganze Debatte um die Evakuierungen und die Ortskräfte am Ende nicht auch dazu, die Ursachen des Scheiterns in Afghanistan zu verdecken? Also etwa, dass der Einsatz auf das Militärische verengt worden ist und Militärs nicht dazu befähigt sind, wirklich irgendetwas aufzubauen.

Demokratie und gesellschaftlicher Fortschritt können nicht mit Kriegen von außen aufgezwungen werden. Das muss die Lehre aus diesem sinnlosen Krieg sein. Der Einsatz war nicht zu sehr auf das Militärische verengt. Ich würde da weiter gehen: Es war ein Fehler, die Probleme in Afghanistan überhaupt militärisch lösen zu wollen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und andere sehen den Einsatz nicht als gescheitert an und meinen, die Konsequenz müsse sein, die militärische Selbstständigkeit der EU zu stärken. Was meinst Du dazu?

Das ist gefährlicher Blödsinn, der früher oder später wieder zu einem ähnlichen Scheitern wie in Afghanistan führen wird. In Mali steuern wir zum Beispiel unter EU-Federführung – also ohne die USA – auf ein ähnliches militärisches Desaster zu. Die Ziele wurden bislang verfehlt, die Sicherheitslage verschlechtert sich zunehmend und die von EU-Militärs ausgebildete malische Armee hat seit 2020 zwei mal geputscht. Man sollte einfach einsehen, dass die militärischen, vermeintlich humanitären Auslandseinsätze, die seitens der EU und der Nato die letzten 25 Jahre verstärkt durchgeführt werden, an sich nicht für Stabilität, Demokratie und Menschenrechte sorgen – im Gegenteil. Sie verschlingen Unsummen und führen zu Flucht, Instabilität, wirtschaftlicher Armut und vielen Toten. Wir müssen diese Einsätze nicht ohne die USA durchführen oder um mehr zivile Komponenten ergänzen, sondern wir müssen solche Einsätze umgehend beenden.

# Titelbild: Artillerieeinsatz der US-Armee am 20. Dezember 2018, US-Department of Defense

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“Bosnia grave of the doomed.” Der Spruch, einer der wenigen auf Englisch, steht an der Wand eines Gebäudes in der Stadt Bihac im nördlichen Kanton Una-Sana, nur 10 km von der kroatischen Grenze entfernt.
Er macht deutlich, dass die Balkanroute nicht nur hier durchführt, sondern hier auch endet. Europa liegt dort drüben, jenseits der Berge, die den Blick nach Westen versperren und ein klaustrophobisches Gefühl vermitteln. Mit knapp über 60.000 Einwohner*innen ist Bihac zu einem Grenzaußenposten geworden.

Die Grenze davor ist eine der am meisten kontrollierten auf der Route. Anders als Ungarn, das eine unpopuläre Mauer errichten ließ, schützt sich Kroatien mit einer Hightech-Ausrüstung aus Drohnen, Bewegungsmeldern und Wärmebildkameras. Trotz moderner Technik sind die Methoden immer noch die alten: Es ist überall bekannt, dass die kroatische Grenzpolizei geflüchtete Menschen verprügelt und ihres Geldes, Handys, Schuhe und Kleidung beraubt, bevor sie sie zurück nach Bosnien abschiebt. All das mit Zustimmung der europäischen Institutionen, subventioniert aus Gledern der EU (108 Millionen für die Jahren 2014-2020, Ende 2018 noch um 6,8 Millionen aufgestockt) und unter Missachtung des internationalen Rechts, das eine Überprüfung der Asylanträge vorschreibt. Für Menschen, die illegal nach Europa einreisen müssen wird Bosnien immer mehr zu einer Sackgasse, in der sie Monate und Jahre ihres Lebens verlieren.
Gewissheit, wieder herauszukommen, haben sie nicht.

Viele kommen aus dem Iran, Irak und aus afrikanischen Ländern, die meisten jedoch aus Pakistan und Afghanistan. Wie Sakine, eine 36-jährige Afghanin, die der schiitischen Minderheit der Hazara angehört. Sie durchquerte den Iran, die Türkei, Griechenland, Albanien und Montenegro, aber seit Monaten sitzt sie an der kroatischen Grenze fest. “Wir versuchen es seit fast einem Jahr, wir sehen kein Ende”, sagt sie. Zusammen mit ihrem Mann Jawad und ihren 4- und 8-jährigen Töchtern haben sie mehr als 30 Mal versucht, Europa zu erreichen. Dort möchten sie den Mädchen eine Ausbildung ermöglichen. Das letzte Mal nahm die kroatische Polizei ihnen alles weg und drängte sie dann mit Schlagstöcken, Tasern und Hunden zurück über die Grenze.
“Gegenüber Kroatien verlieren wir gerade unsere Hoffnung”, gesteht die Frau.

Sakine und Jawad leben mit anderen afghanischen Familien in einem verlassenen Haus in der Nähe von Velika Kladusa, der anderen Stadt des Kantons, die nahe der Grenze liegt. In Bosnien sind solche Häuser mit freiliegenden roten Ziegeln überall zu sehen. Sie werden verlassen, bevor sie überhaupt fertig sind. Die Besitzer haben entweder kein Geld mehr oder wandern einfach aus, vielleicht nach Deutschland oder Österreich. Sie wollen einem Land ohne Perspektive entkommen, in dem Durchschnittslöhne knapp 400 Euro betragen und Jugendarbeitslosigkeit bei 60 % liegt. Dass in vielen dieser Häuser auf dem Weg zwischen Bihac und Velika Kladusa nun Menschen, die Europa erreichen wollen, Zuflucht gefunden haben, gibt einem zu denken. Es scheint so, als wären die Häuser eine Art Erbe – hinterlassen von diejenigen, die vor Jahren auf der Suche nach Hoffnungen und Träumen ausgewanderten, dieser neuen Generation von “Verdammten”, die Bosnien nicht verlassen können.

Gleichermaßen erinnern die Namen der alten und neuen besetzten Gebäude in Bihac, in denen Geflüchtete in absoluter Not und ohne staatliche Unterstützung leben, an wilde Privatisierungen und Bankrotte, die nach Ende des jugoslawischen Sozialismus stattfanden: Kombitex, wo noch etwa 100 Menschen leben, war ein Textilunternehmen; Dom Penzionera, wo 300 Menschen lebten, war ein Altenheim, das aufgrund eines Korruptionsskandals nie eröffnet wurde; Krajina Metal, wo kürzlich 200 Menschen Unterkunft fanden, war eine ehemalige Fabrik für Metallteile; selbst im ehemaligen Lager von Bira, das letztes Jahr infolge von Bürgerprotesten geschlossen wurde, wurden einst Kühlschränke hergestellt. Das frühere Scheitern der produktiven Infrastruktur, die ausverkauft und zum Zusammenbruch geführt wurde, überschneidet sich nun mit dem Scheitern des Empfangssystems – wenn man es überhaupt als Empfang bezeichnen kann.

Ein Junge aus Afghanistan in der Nähe der Grenze zwischen Bosnien und Kroatien

Denn während die EU darauf beharrt, geflüchtete Menschen außerhalb ihrer Grenzen zu halten, tut die bosnische Regierung ihrerseits alles, um die Lage im Kanton Una-Sana unerträglich zu machen. Der Plan ist, Regierungslager als einzige Alternative vorzuschreiben. Ins Lager von Lipa wollen aber viele Menschen nicht. Es liegt total isoliert auf einer Hochebene 28 km von Bihac entfernt, zu weit von der Grenze entfernt, die sie überqueren wollen und zu Fuß erreichen müssen. Der Lager untersteht der SFA (Service for Foreigner’s Affairs) und wird nach einem Brand im vergangenen Dezember weiter ausgebaut. Untergebracht sind in ihm derzeit 600 Personen, bei einer Kapazität von 900 Personen hat die Regierung 30 Militärzelte, eine gleiche Anzahl von chemischen Toiletten und einige medizinische Container aufgestellt, in denen hauptsächlich Schmerzmittel verteilt werden. Als Mitte Juli die Touristensaison begann und die Räumung einiger großer von Geflüchteten besetzen Gebäude – darunter auch Krajina Metal – stattfand, machten sich Menschen, die in das Lager deportiert worden waren, auf den Weg nach Bihac zurück. Sie gingen wieder in informelle Unterkünfte: Gebäude und Zeltlager ohne Strom und Wasser und mit kritischen hygienischen Bedingungen. Verschärft wird diese Lage durch das Verbot von Hilfeleistungen (einschließlich medizinischer Versorgung) und der Verteilung grundlegender Güter außerhalb der Regierungslager, so dass internationale NGOs und Gruppen gezwungen sind, im Verborgenen zu arbeiten.

Der Versuch, die Grenze zu überqueren, scheint so als einzige Möglichkeit. Selbst für diejenigen, die erschöpft einen Asylantrag in Bosnien stellen möchten, sind die Fristen so lang, dass sie davon abgeschreckt werden: 300 Tage für die Formalisierung des Antrags, 400 Tage für die erste Anhörung, die einen aus der Illegalität holen könnte. Es gibt nur “the game”, wie Geflüchtete die Grenzüberquerung nennen: Gewinnt man, ist man in Europa; verliert man, verliert man alles, manchmal sogar sein Leben – wie der fünfjährige afghanische Junge, der am 30. Juli im Fluss Una ertrank, als er mit seiner Familie versuchte, Kroatien zu erreichen. Der Anteil von denen, die es schaffen, ist sehr gering, die Verzweiflung und Zähigkeit aber so groß, dass sie als letzte Form des Widerstands erscheint. An dieser Grenze kämpfen Menschen nur mit ihrem eigenen Körper, gegen Müdigkeit, Schläge, Wunden. Eine Chance haben hier, wie anderswo auch, nur diejenigen mit Geld: 3.500 Euro kostet ein “taxi game”, damit kann man mit dem Auto Italien erreichen. Allen anderen bleibt nichts anderes übrig, als sich zu Fuß auf den Weg zu machen, nachts, manchmal über Felder, die noch vom Krieg vermint sind. Von hier bis Triest sind es zwölf Tage Fußmarsch und drei Grenzen, an denen man geschlagen, abgeschoben und zum Ausgangspunkt zurückgebracht werden kann, zurück nach Bosnien, dem Grab der Verdammten.

#Text und Bilder: Elisa Scorzelli und Fabio Angelelli

Ursprünglich erschienen auf italienisch in il manifesto unter dem Titel “Benvenuti in Bosnia, la tomba dei dannati”

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„Kabul: KSK-Helden retten Münchener Familie aus Taliban-Hölle“, titelte Bild am 23. August. Für das Boulevard- und Hetzblatt aus dem Hause Springer ist die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ein wahres Geschenk. Endlich kann sie wieder das tun, was sie am liebsten tut: eine Art Kriegsberichterstattung im Landser-Stil aufziehen und die Soldat*innen der Bundeswehr Tag für Tag als Helden bejubeln – auch das in faschistische Netzwerke verstrickte Kommando Spezialkräfte (KSK). Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner harfte unter der Überschrift „Unsere Soldaten, unsere Helden“: „Es gibt wenig in Deutschland, auf das wir stolz sein können. Auf euch Soldaten in Kabul bin ich stolz. Ihr rettet Leben und setzt euer eigenes Leben dafür ein. So viele Medaillen gibt es nicht, die ich euch verleihen möchte.“

Das ist halt Bild, könnte man diese durchgeknallte Heldenprosa abtun. Aber es sind auch andere bürgerliche Medien, die die Gelegenheit nutzen, um die Bundeswehr und ihre Verbündeten in Afghanistan aus der Schusslinie zu nehmen. Die Zustände am Flughafen von Kabul, die schlimme Lage der noch im Lande verbliebenen „Ortskräfte“ und die Evakuierungsaktionen der westlichen Allianz werden genutzt, um die Militärs von jeder Verantwortung für die von Anfang an verfehlte Besetzung Afghanistans reinzuwaschen. Nicht nur in Boulevardmedien werden uns Soldaten plötzlich als barmherzige Samariter präsentiert. Berichte zum Thema wurden zuletzt allenthalben mit Fotos von Soldaten bebildert, die Babys oder Kleinkinder im Arm halten. Bei Twitter sorgte das Foto eines norwegischen Soldaten, der einen schlafenden Säugling auf dem Schoß hat, für Furore.

Man kann das einen gelungenen PR-Coup nennen. Irgendwie erscheint manches in der momentanen Medieninszenierung wie eine moderne Version der Dolchstoßlegende, mit der es der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches nach dem 1918 verlorenen Ersten Weltkrieg gelang, die Schuld auf andere abzuwälzen. „Unsere Soldaten“ kehren „im Felde unbesiegt“ nach Hause zurück, an der Katastrophe sind allein die unfähigen Politiker*innen in der Heimat schuld. Ganz so wird das heute natürlich nicht mehr formuliert. Heute sagt man: Die Bundeswehr hat einen „guten Job“ gemacht. Sie müsse jetzt in Kabul ausbaden, dass die Bundesregierung das Ausfliegen der Ortskräfte behindert und verzögert hat.

Als bemitleidens- und unterstützenswert werden uns Soldat*innen von den Medien derzeit auch in vielen Beiträgen über psychische Probleme der „Veteranen“ präsentiert. Sogar die Ärztezeitung griff das Thema auf, befragte einen Psychiater und Psychotherapeut, der als Oberstarzt der Reserve zweimal in Afghanistan im Einsatz war. Im Vorspann zu dem Interview heißt es, die aktuellen Bilder von der Machtübernahme der Taliban ließen „bei manchem alte Traumata wieder aufleben“. Es stelle sich auch „die Sinnfrage: War alles umsonst? Der Einsatz, die Lebensgefahr, in die man sich begeben hat, das alles für nichts?“ Im Deutschlandfunk barmte ein Soldat, der siebenmal am Hindukusch im Einsatz war: „Dieser Einsatz war umsonst, unsere Toten waren umsonst. Unser Engagement der letzten 20 Jahre war damit sinnlos. Umsonst in dem Sinne, dass ich nicht erkennen kann, dass die Ziele, die wir uns gesetzt hatten – Stabilität und Sicherheit reinzubringen – erreicht wurden.“

Für solche Äußerungen gibt es aus linker Sicht eigentlich nur eine Antwort: Wer den Beteuerungen geglaubt hat, dem Westen sei es mit dem Einsatz in Afghanistan ums Brunnen bohren, die Rechte der dort lebenden Frauen und den Aufbau eines demokratischen Staates – Nation building, wie man das heute nennt – gegangen, der ist einfach nur grenzenlos naiv. Oder noch drastischer formuliert: So blöd kann doch heute eigentlich keiner und keine mehr sein, zu glauben, bei den Kriegen und militärischen Interventionen des von den USA angeführten kapitalistischen Westens gehe es im Kern um Menschenrechte und „unsere Werte“. Natürlich geht es – zuletzt etwa im Kosovo, im Irak, in Libyen und Syrien – immer nur um geostrategische und wirtschaftliche Vorteile, um Rohstoffe, um Profit- und Machtzuwachs für den militärisch-industriellen Komplex.

Darum gibt es nicht den geringsten Grund, angesichts der Situation in Kabul die Bundeswehr oder Soldaten anderer Staaten zu bejubeln. Das Militär und die Verengung auf das Militärische sind Teil, wenn nicht Kern des Problems. Es gibt auch keinen Grund, der Bundeswehr dafür zu danken, dass sie Ortskräfte und ihre Angehörigen ausfliegt, selbst wenn das richtig und wichtig ist. Die deutsche Bundesregierung und ihre Behörden, das schließt die Bundeswehr ein, gehören zu denen, die für die Katastrophe am Hindukusch verantwortlich sind. Wenn sie jetzt Afghanen helfen, die für deutsche Stellen in den vergangenen Jahren gearbeitet haben oder noch arbeiten, ist das nur recht und billig.

Dass das Bundesinnenministerium und andere Ministerien wochenlang mit bürokratischen Tricks eine schnelle und unkomplizierte Ausreise der Ortskräfte behindert haben, ist natürlich ein Skandal. Er bestätigt aber nur aufs Neue den bodenlosen Zynismus bürgerlicher Politiker hierzulande. So hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) auch diesmal wieder gezeigt, wie er wirklich tickt, und damit unfreiwillig seine Charakterisierung in diesem Beitrag voll und ganz bestätigt.

Auch der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und andere CDU-Politiker wie der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl haben in den vergangenen Tagen gezeigt, wes Geistes Kind sie sind. Keine 24 Stunden nachdem die Taliban in Kabul einmarschiert waren, diktierten sie der Presse schon – jeweils nur leicht variiert – den Satz in die Blöcke, mit dem die Reaktion in diesem Land am liebsten die Bevölkerung in Angst versetzt: „2015 darf sich nicht wiederholen.“ Auch die AfD argumentierte übrigens so. Ob die CDU mit einer solchen Angstkampagne im Bundestagswahlkampf noch das Ruder herumreißen kann, sei dahin gestellt. Eine Aussage, wie sich das Thema Afghanistan, das die Themen Corona und Hochwasserkatastrophe ansatzlos aus den Schlagzeilen verdrängt hat, auf die Wahl am 26. September auswirkt, lässt sich nicht zuverlässig treffen.

Feststellen lässt sich dagegen, dass wir in sehr unruhigen Zeiten leben. Wenn die Wähler*innen demnächst wirklich begreifen, dass Angela Merkel nicht mehr zur Wahl steht und endgültig die Brücke verlässt, sind alle möglichen Reaktionen und Konstellationen vorstellbar. Denn „Mutti“ hat es immer meisterhaft verstanden, eine Zuverlässigkeit und Kontinuität zu simulieren, die es in dieser spätkapitalistischen Endzeit tatsächlich gar nicht geben kann. Wohin die Menschen sich flüchten, wenn sie anfangen, das zu ahnen, ist völlig offen.

#Titelbild: Bundeswehr/Marc Tessensohn

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Über die Frauenbewegung in Afghanistan, die Rolle der Besatzungsmächte und die Abhängigkeit der internationalistischen Linken von Mainstreammedien. Ein Gespräch mit Mehmooda von der Revolutionären Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) .

Kannst du unseren Leser*innen einen kurzen Überblick über die Geschichte und Gegenwart deiner Organisation RAWA geben?

RAWA steht für “Revolutionary Association of Women in Afghanistan”. Die Organisation wurde 1977 von Meena Keshwar Kamal und einer Gruppe intellektueller Frauen in Afghanistan gegründet. Es handelt sich um eine unabhängige Organisation von Frauen. Wir kämpfen für Frauenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Das war von Anfang an unser Ziel.

Ein Jahr nach der Gründung, 1978, wurde Afghanistan von sowjetischen Soldaten besetzt. Das war eine große Veränderung, denn wir denken, dass, wenn ein ganzes Land nicht frei ist, wir nicht nur über die Befreiung der Frau sprechen können. Also sind wir Teil des Widerstands geworden. Denn wie leider nicht alle wissen, begann der Widerstand gegen die russische Besatzung von demokratischer Seite, nicht von fundamentalistischer. Der Widerstand hat friedlich begonnen, und die Regierung hat viele Studierende und Lehrende der Universitäten festgenommen, viele Intellektuelle und Linke. Sie haben sie in ihre Gefängnisse gesteckt, sie haben sie gefoltert und sie haben sie getötet.

So wurden in dieser Zeit auch einige RAWA-Mitglieder von der Regierung verhaftet, da Meena, die Vorsitzende von RAWA, und andere Frauen Demonstrationen in Kabul und verschiedenen anderen Städten organisiert haben. Da die Situation für die Menschen, die gegen das Regime waren, zu dieser Zeit sehr schlecht war, flohen viele Menschen nach Pakistan und Indien. Auch RAWA hat sich dafür entschieden, nach Pakistan zu gehen. Also haben wir begonnen, mit den geflüchteten Menschen in Pakistan zu arbeiten, vor allem in Quetta und Peschawar [in Ostpakistan nahe der Grenze zu Afghanistan, d. Red.]. Das Problem war, dass unmittelbar nach der russischen Besatzung die USA und andere westliche Länder damit begonnen haben, Fundamentalisten zu unterstützen.

Und diese Fundamentalisten waren noch gefährlicher als das russische Regime. Somit waren wir in Pakistan mit großen Problemen konfrontiert, weil die pakistanische Regierung und der ISI [pakistanischer Geheimdienst] fundamentalistische Gruppen wie Abu Sajaf unterstützt hat. Wir kämpften also nicht nur gegen das russische Regime, sondern auch gegen die Fundamentalisten. Unsere Vorsitzende Meena hat erkannt, dass, wenn die Fundamentalisten die Kontrolle in Afghanistan übernehmen, die Situation noch schlechter sein würde als unter russischer Besatzung. Und weil RAWA die einzige Stimme gegen diese Fundamentalisten war, und Meena die Stimme von RAWA, haben sie beschlossen, diese Stimme verstummen zu lassen, und haben unsere Vorsitzende Meena 1987 in Pakistan ermordet.

Als wir nach Pakistan gegangen sind, haben wir in zwei Bereichen gearbeitet: im Politischen und im Sozialen. Von Anfang an war RAWA eine politische Organisation von Frauen. Denn die anderen Frauenverbände und Organisationen, die es 1977 in Afghanistan gab, drehten sich lediglich um solche Dinge, wie wie werde ich eine gute Frau, eine gute Ehefrau und Mutter, und es wurde vor allem darüber gesprochen, wie man das Haus zu putzen und zu kochen hat und wie man Kinder am besten erzieht. RAWA war die erste Organisation, die damit angefangen hat, über mehr als das zu sprechen; zu sagen, dass Frauen Teil von politischen Prozessen und Entscheidungen in Afghanistan sein können. Also sind wir eine politische Organisation, denn wir denken, dass, um die Situation der Frauen in Afghanistan zu ändern, die politische Struktur geändert werden muss.

Doch als wir in Pakistan waren, haben wir angefangen, in beiden Bereichen zu arbeiten. Denn geflüchtete Frauen brauchten vor allem soziale Aktivitäten, Schulen, Waisenhäuser, Krankenhäuser. Durch diese Projekte konnten wir in Kontakt mit Frauen treten.

Nach der Ermordung unserer Vorsitzenden haben wir nicht aufgehört, ihrem Weg zu folgen. Denn RAWA war nicht Meena, RAWA war und ist eine Organisation. Sie hat sie angeführt, doch andere Mitglieder hatten auch etwas zu sagen und wollten weitermachen. Und trotz all der Schwierigkeiten haben wir auch weitergemacht, auch in Afghanistan waren wir aktiv. Hier jedoch waren wir von der ersten Minute an nur im Untergrund tätig. Selbst während der Zeit der Taliban, als die Fundamentalisten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 die Kontrolle in Afghanistan übernahmen, war RAWA die einzige Organisation, die Berichte und Bilder aus den Städten schickte. Denn während dieser Zeit haben sämtlichen Medien und internationale Organisationen das Land verlassen. Afghanistan war vergessen. Aber wir haben dort weitergearbeitet, wir haben die Verbrechen der Taliban dokumentiert und weiterhin Frauen organisiert. Alle Schulen für Frauen waren geschlossen; also hat RAWA im Untergrund Bildung organisiert, überall im Land. Das war unsere Form des Kampfes, so haben wir uns am Leben erhalten.

Wir waren erneut mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, denn die Taliban und auch die Jihaddisten, die anderen Fundamentalisten, wussten, dass RAWA als einzige Organisation sehr klar und sehr stark gegen sie agiert. Außerdem war es für sie kaum zu verstehen, dass ausgerechnet Frauen Widerstand leisten. Also haben sie immer wieder versucht, uns zu stoppen, indem sie uns verfolgten und unsere Mitglieder verhaften ließen.

Desweiteren war RAWA nach dem Kollaps des Taliban-Regimes mit vielleicht ein paar anderen demokratischen Parteien die einzige Organisation, die klar gesagt hat, dass mit US-amerikanischer Besatzung nichts verändert werden wird. Denn die USA sind Imperialisten, und Imperialisten werden einer Nation nicht zur Freiheit verhelfen. Natürlich sind die Taliban ein diktatorisches Regime gewesen und sie mussten entmachtet werden. Aber das muss in der Hand der afghanischen Bevölkerung liegen, nicht in der der USA oder der anderer westlicher Staaten. Es ist nicht ihre Aufgabe, uns Demokratie und Frauenrechte zu geben.

Seitdem und bis heute arbeiten wir in Afghanistan, wegen der Situation, leider immer noch im Untergrund. Als wir noch in Pakistan waren, konnten wir offener arbeiten und zum Beispiel Demonstrationen veranstalten.

Unsere politische Arbeit besteht vor allem aus der Bildung von Mädchen und jungen Frauen – aber immer im Untergrund. Auch machen wir Veranstaltungen, feiern zum Beispiel Frauen- und Menschenrechte. Diese Veranstaltungen müssen wir mit anderen demokratischen Organisationen zusammen machen, die offen arbeiten können. Wir arbeiten mit ihnen, wenn sie beispielsweise Demonstrationen organisieren, aber nicht unter dem Namen RAWA. Dasselbe gilt aus Sicherheitsgründen für unsere Arbeit im Sozialen Bereich.

Ihr arbeitet nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land. Wie gestaltet sich diese Arbeit und wie weit ist die Bevölkerung dort vom Fundamentalismus geprägt?

In den Städten arbeiten wir eher mit intellektuellen Frauen wie zum Beispiel Studentinnen und Lehrerinnen, Frauen, die lesen und schreiben können. Wir versuchen, sie für Aktionen und Demonstrationen gegen die Besatzung der USA und gegen die Fundamentalisten zu mobilisieren. In den Dörfern haben wir mehr soziale Projekte. Unsere Projekte sind anders als die von anderen Organisationen, die vor allem Geld damit machen wollen. Wir dagegen arbeiten mit sehr wenig Geld, und worum es uns geht ist, mit den Menschen gemeinsam zu arbeiten. In den Dörfern ist es sehr wichtig, unter den Leuten zu sein. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass es zu Zeiten der russischen Besatzung eine große linke Bewegung gab. Da diese stark verfolgt wurde, sind viele dieser Menschen nach Europa geflohen. Dort sind sie einfach verschwunden. Aber der Grund, dass RAWA weiterhin existiert, ist, dass wir nicht versuchen, aus dem Land zu fliehen. Wir wollen mit und unter den Menschen sein. Wenn du kämpfen willst, musst du in der Bevölkerung sein, und der beste Ort für eine revolutionäre Organisierung sind die Dörfer; in den Dörfern vertrauen dir die Leute, und du kannst den Leuten ebenfalls vertrauen. Wenn du das Vertrauen der dörflichen Bevölkerung erst einmal gewonnen hast, werden diese Menschen dich um jeden Preis verteidigen. Außerdem wollen wir genau diese Menschen mobilisieren, denn die soziale Ungleichheit betrifft vor allem die Leute in den Dörfern. Heute sind die meisten Dörfer unter der Kontrolle der Taliban, ISIS oder anderer Jihaddisten – wir wollen genau dort sein, mit diesen Frauen arbeiten und sie gegen diese Kontrolle mobilisieren. Die Menschen haben weniger Möglichkeiten und weniger Zugang, also brauchen sie auch mehr Unterstützung. Das ist gut für sie, und das ist gut für uns. Mit diesen Menschen können wir die Revolution machen. Wir dürfen uns nicht nur auf die Städte konzentrieren. Auch ist es so, dass es in den Städten viele Spione gibt, die dich innerhalb kürzester Zeit fertig machen können. In den Dörfern jedoch ist es einfacher, zu überleben – auch deswegen sind wir dort.

Du hast gesagt, dass ihr auch politischen Unterricht organisiert und dass RAWA eine explizit politische Organisation ist. Was unterrichtet ihr?

RAWA ist eine demokratische, säkulare Organisation. Offiziell sind wir keine Marxistinnen, dennoch arbeiten wir mit Marxistinnen zusammen, die sehr willkommen sind. Wir sind nicht anti-marxistisch, wir haben keine Angst vor dem Marxismus und denken auch nicht, er könne in Afghanistan nicht funktionieren. Aber die Situation in Afghanistan bedingt, dass wir erst einmal eine demokratische Veränderung brauchen. Das ist für uns im Moment das Wichtigste. In unseren Klassen sprechen wir über verschiedene Dinge, vor allem über die aktuelle Situation. Denn leider ist die afghanische Bevölkerung, mit diesen Medien und der imperialistischen Besatzung, beinahe apolitisch geworden. Die Menschen versuchen erst mal, nach sich selbst zu schauen, oder sie sind stark beeinflusst von den Medien. Unser Versuch ist es, den Menschen vor allem zwei Dinge nahezubringen; erstens, dass diese „Friedensgespräche“ nicht wirklich solche sind. Wir sprechen über die imperialistischen Pläne für unser Land und versuchen, die Menschen für den Widerstand zu organisieren, sie für Demonstrationen zu mobilisieren und sie dazu zu bringen, ihre Stimmen zu erheben. Aber natürlich lesen wir auch manchmal marxistische Bücher, denn es handelt sich um eine Ideologie, die in manchen Ländern funktionieren kann und manche Menschen, auch manche unserer Mitglieder, denken, der Marxismus sei der einzige Weg, uns zu befreien. Auch lesen wir Bücher über den Iran, zum Beispiel Bücher von Frauen in den dortigen Gefängnissen, schauen Filme oder sprechen über die Politik in Kobanê und Afrin. Denn in einem Land wie Afghanistan müssen wir uns auch Beispiele aus anderen Ländern anschauen. Wenn du mit einer Kultur aufwächst, die dir beibringt, dass Frauen die Hausarbeit machen müssen, dass sie Mutter, Schwester oder gute Ehefrau sein müssen, dann ist es wichtig, Frauen zu ermutigen und ihnen andere Perspektiven beizubringen. Vielleicht macht das für europäische Länder nicht so viel Sinn, aber in unserer Situation funktioniert das sehr gut. Andere Bildung zu erhalten, in einer Gesellschaft, die dir erzählt, Frauen können nur diese kleinen Dinge tun, und sie könnten nur Lehrerinnen, Mutter oder Gynäkologin werden. Wir müssen ihnen eine andere Bildung verschaffen. Das Hauptthema unserer Bildung ist also genau das.

Wie ist eure Selbstverteidigungsstruktur, wie verteidigt ihr euch gegen all die Schwierigkeiten, mit denen ihr konfrontiert seid?

Das Einzige ist, dass wir im Untergrund arbeiten. Natürlich hat diese Untergrundarbeit ihre eigenen Regeln; wir können nicht offen darüber sprechen, was wir tun. Wir ändern unsere Namen, unseren Wohnort regelmäßig. RAWA-Mitglieder ziehen oft in andere Städte, Provinzen oder gehen eine Weile komplett in den Untergrund. Auch können wir elektronische Kommunikationsmittel wie Handys und das Internet nicht für unseren Austausch nutzen. Und vielleicht ist die Burka für Frauen nicht wirklich gut, aber in unserem Fall können wir sie nutzen, um uns selbst zu schützen, vor allem wenn wir in die Dörfer gehen. Wenn du dort eine Burka anziehst, werden dich die Menschen nicht erkennen. Wichtig sind vor allem unsere Verbündeten, Menschen, denen wir vertrauen können und umgekehrt. Diese Beziehungen helfen enorm, dich zu schützen.

Wie schafft ihr es Demonstrationen nur von Frauen zu organisieren, während zur selben Zeit Bombardierungen stattfinden.

Diese Demonstrationen finden nicht unter dem Name RAWA statt und werden nicht von RAWA, sondern von anderen demokratischen Gruppen organisiert. Sie werden dann bei der Regierung registriert, die diese dann auch schützen muss, aber natürlich vertraut niemand der Polizei. Es gibt zwar auch einzelne Verbindungen zu ihnen, die helfen können, aber natürlich haben RAWA und andere demokratische Organisationen in Afghanistan ihre eigenen Verteidigungsstrukturen.

Vielleicht siehst du sie nicht sofort, aber wenn etwas passiert, sind sie da. Wenn wir zum Beispiel zu Demonstrationen gehen, wird das Gelände ein paar Tage vorher angeguckt, mit den Leuten in den Läden gesprochen, zu denen es gute Verbindungen gibt, und durch sie können dann Informationen gesammelt werden. So arbeiten wir also in etwa, aus Sicherheitsgründen kann ich da leider nicht weiter ins Detail gehen.

Könntest du vielleicht noch ein bisschen mehr über die Situation der US-Besatzung und der Verbindung zu den Fundamentalisten erzählen?

Wie ich bereits gesagt habe, sind all diese fundamentalistischen Gruppen nichts als die Söhne der USA. Denn wir wissen, dass die Vereinigten Staaten sie in den 80er-Jahren unterstützt und bewaffnet haben, um gegen die Sowjetunion zu kämpfen. Aber jetzt gibt es andere Pläne für die Region. Afghanistan ist für alle diese Kräfte aus Gründen der strategischen Lage sehr wichtig. Aber auch aus anderen Gründen, wie Opium oder Waffenhandel und den natürlichen Ressourcen. All die Großmächte, die USA, Russland und jetzt auch China, kämpfen um ihre Vormachtstellung. Die Fundamentalisten sind die Söhne der USA. Sie wurden von ihnen etabliert und sie wurden und werden von ihnen unterstützt. Nach dem Kollaps der Taliban, waren die Jihaddisten nicht gerade mächtig. Aber die USA haben 2001, als sie eine sogenannte demokratische Regierung in Afghanistan errichten wollten, die Jihaddisten an die Macht gebracht.

Und wir sagen immer, dass diese Regierung sogar noch terroristischer ist als die Taliban. Ihre Mentalität, ihre Gedanken sind genau dieselben. Aber die USA hat sie zu Demokraten erklärt. Sie wollen eine demokratische Regierung mit diesen undemokratischen Menschen errichten, mit Frauenfeinden. Diese Jihaddisten sind also nun an der Macht in Afghanistan. Alle von ihnen haben Kriegsverbrechen begangen, aber ohne jegliches Verfahren, ohne Fragen gestellt zu bekommen, kamen sie durch die USA an die Macht. Das, was 2001 mit den Jihaddisten passiert ist, passiert nun mit den Taliban. Sie sprechen mit den Taliban und sie nennen es Friedensverhandlungen, aber das sind keine Friedensverhandlungen, das sind politische Deals. Über die Opfer wird nicht gesprochen. Die Taliban attackiert Menschen, sie haben Tausende Unschuldige getötet. Gerade einmal vor ein paar Tagen gab es einen Anschlag, zwei Tage später wieder, kurz darauf ein neuer. Bei jeder Attacke ermorden sie über hundert Menschen. Und zu dieser Zeit werden dann solche Friedensverhandlungen geführt, und dort wird über alles gesprochen, nur nicht über Kriegsverbrechen. Und befragt man sie dazu, antworten sie, naja, in Afghanistan sind eben alle Menschen Kriminelle. Die Taliban sind ebenfalls Kriminelle, also können sie eben auch regieren. Aber die Wahrheit ist, dass die USA eine Marionettenregierung konstituieren will – mit all diesen Verbrechern. Das Einzige, was ihnen wichtig ist, ist die Wirtschaft und ihre strategischen Interessen. Die Menschen in Afghanistan spielen keine Rolle.

Wir sehen, dass es eine große Verbindung gibt zwischen den USA und den Fundamentalisten. Also sagen wir, dass der einzige Weg, diese Krise zu beenden, der ist, beide Akteure zu bekämpfen; sowohl die Besatzung Afghanistans durch die USA und die NATO als auch die Taliban, die Jihaddisten, ISIS und all die anderen.

Am Anfang der Besatzung Afghanistans, als Deutschland Teil der Besatzung war, gab es eine Rede im Deutschen Parlament, und einer der Abgeordneten sagte, dass die deutsche Freiheit auch in Afghanistan verteidigt werden würde. Haben die deutschen Truppen eine besondere Rolle im Krieg eingenommen?

Wie du bereits gesagt hast, war Deutschland zu Beginn des Krieges in Afghanistan involviert. Deutsche Truppen waren vor allem im Norden des Landes aktiv. Es ist offensichtlich, dass auch sie Verbrechen begangen haben – es gab beispielsweise Bombardierungen, bei denen Unschuldige getötet wurden. Aber seit etwa einem Jahr ist Deutschland nicht mehr so sehr involviert, sowie andere europäische Staaten auch. Nun sind es vor allem die USA; sie sagen zwar, es handele sich um die NATO, aber eigentlich sind es vor allem US-Amerikanische Truppen. Das liegt aber nicht daran, dass Deutschland so besonders friedlich ist. Es geht um imperialistische Interessenkonflikte.

Jeder der Beteiligten will mehr – und die USA lässt das nicht zu. Also sind sie heute nicht mehr so aktiv in Afghanistan, denn es passt ihnen nicht, dass sie nicht mehr Macht abbekommen. Trotzdem unterstützt die deutsche Regierung weiterhin die korrupte afghanische Regierung.

Wir können uns die Situation der geflüchteten Menschen hier anschauen. Viele fliehen vor dem Krieg, und sie landen hier in Deutschland, vor allem junge Menschen. Aber sie werden zurück nach Afghanistan abgeschoben und es wird als „sicheres Herkunftsland“ benannt. Es ist absurd, Afghanistan als einen sicheren Ort zu bezeichnen. Nur muss Deutschland das tun, da sie die afghanische Regierung unterstützen. Sie unterstützen damit aber eine der korruptesten Regierungen der Welt, geben ihnen Geld und lassen die Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, im Stich.

Kannst du uns noch mehr über die Situation der Frauen in Afghanistan erzählen und darüber, wie die Organisierung von Frauen eine Basis für eine Veränderung darstellt?

Leider wird die Situation der Frauen jeden Tag schlechter. Einer der Gründe des Krieges, den die USA begonnen hat, war, dass sie gesagt haben, sie müssten die Frauen befreien. Für uns, als eine Organisation von Frauen, war von Anfang an klar, dass das nur eine Ausrede war, um den Krieg zu beginnen. Sie haben die Situation der Frauen missbraucht.

Aber wie ich vorher sagte, haben sie selbst die Frauenfeinde an die Macht gebracht, sie selbst haben diese Regierung kreiert. Du kannst nicht Frauenfeinde in eine Regierung setzen und dann erwarten, dass sie Frauenrechte respektieren und etablieren, das ist nicht möglich. Manchmal propagieren sie auch, dass sich die Dinge in Afghanistan ändern, und listen ein paar Beispiele auf. Diese Beispiele sind aber wenige, und sie zeigen sie nur zu Legitimationszwecken.

Aber die reale Situation ist eine andere, insbesondere in den Dörfern. Die Lage der Frauen dort ist sehr hart, da die fundamentalistischen Gruppen vor allem in den Dörfern viel Macht haben. Sie sind involviert in viele Verbrechen und Gewalt gegen Frauen; es gibt viele Fälle von Vergewaltigung, sexualisierter Gewalt, Zwangsheirat. Aber niemand redet darüber, denn die, die diese Verbrechen begehen, sind die, die Geld, Waffen und Macht von der US-Regierung erhalten, um gegen die Taliban zu kämpfen. Wir sagen, dass es unmöglich ist, die Frauen eines Landes mit fremder Besatzung zu befreien, mit Bombardierungen. Es liegt in der Verantwortung afghanischer Frauen, für ihre Befreiung selber zu kämpfen. Heute sagen sie, sie hätten Angst, dass die Errungenschaften für Frauen in Afghanistan wieder verschwinden könnten. Und ja, warum werden sie wieder verschwinden? Weil sie einfach so aus dem Nichts gebracht wurden. Afghanische Frauen werden nicht für diese Errungenschaften kämpfen. Wenn die Menschen für etwas gekämpft haben, ist es schwierig, das Erkämpfte wieder zu verlieren. Doch wenn etwas nur etabliert wurde, obwohl niemand dafür gekämpft hat, ist es ganz schnell auch wieder verloren. Also werden sie Deals mit der Taliban machen, und sie werden die Rechte der Frauen opfern, denn für sie sind Dinge wie ihre Interessen, strategisch sowie ökonomisch, wichtiger als die Rechte der Frauen und Menschenrechte allgemein.

Gibt es eine internationalistische Bewegung in Afghanistan oder bekommt ihr Unterstützung von Internationalist*innen, sowohl heute als auch in der Geschichte?

Leider ist Afghanistan so etwas wie ein vergessener Fleck auf der Landkarte. Die USA unterstützen die Fundamentalist*innen, ebenso wie Saudi-Arabien, Pakistan, Iran. Die demokratischen Gruppen bekommen solche Unterstützung nicht.

RAWA als Organisation steht zur Zeit vielen Problemen gegenüber, zum Beispiel was die Sicherheit, aber auch das Finanzielle angeht, ebenfalls wegen der geringen Unterstützung von Internationalist*innen. Wir haben ein paar Soli-Gruppen in den USA, Italien, Japan und Deutschland, aber die Menschen in Europa und den USA, allgemein in westlichen Staaten, sind stark beeinflusst von den Medien. Wenn die Medien nicht über eine Sache sprechen, dann gibt es auch keinerlei Interesse dafür. Selbst Linke sind stark beeinflusst von diesen Medien.

Heutzutage werden die Medien dieser Länder nicht über Afghanistan berichten, denn es heißt, mit Afghanistan ist jetzt alles in Ordnung, die Frauen sind frei oder wenn sie es noch nicht sind, dann wollen sie es wohl auch nicht anders. Deswegen versuchen selbst die Linken nicht, mehr über die Situation dieses Landes zu erfahren. Aber gerade Unterstützung aus anderen Ländern ist sehr wichtig für eine Bewegung. Ich rede gar nicht über die finanzielle Unterstützung, ich rede von der politischen Unterstützung. Insbesondere in europäischen Ländern könnte der Bewegung eine Stimme gegeben werden; aber wir haben in den letzten Jahren keine Demonstrationen zu Afghanistan gesehen. Die USA haben Afghanistan 2001 bombardiert. In diesem Jahr gab es ein paar Demonstrationen; aber nicht im Ansatz so viele wie während des Irakkriegs. Sie legitimieren ihre Kriege und teilen ein in Gut und Böse, selbst die Linken tun das. Sie sagen, das ist ein guter Krieg, denn wir kämpfen schließlich gegen das Böse, die Taliban. Aber es gibt keinen guten und schlechten Krieg. Alle Kriege sind imperialistische Kriege, die wegen finanzieller und ökonomischer Interessen geführt werden.

Wir sagen also unseren Genoss*innen hier in Deutschland und anderen Ländern: Denkt nach, versucht die Realität in anderen Ländern zu sehen und nutzt andere als die Mainstream-Medien. Denn die vertreten nur die Interessen der Imperialisten und Großmächte.

# Interview: Hubert Maulhofer

# Übersetzt aus dem Englischen

# Titelbild: Eine RAWA-Frauendemonstration in Afghanistan

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“Bosnia grave of the doomed.” Der Spruch, einer der wenigen auf Englisch, steht an der Wand eines Gebäudes in der Stadt Bihac im nördlichen Kanton Una-Sana, nur 10 km von der kroatischen Grenze entfernt.
Er macht deutlich, dass die Balkanroute nicht nur hier durchführt, sondern hier auch endet. Europa liegt dort drüben, jenseits der Berge, die den Blick nach Westen versperren und ein klaustrophobisches Gefühl vermitteln. Mit knapp über 60.000 Einwohner*innen ist Bihac zu einem Grenzaußenposten geworden.

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