Frank Magnitz und die Kantholzlegende

22. Januar 2019

Ein geschubster Rechtsradikaler und viel Sorge um die herrschende Ordnung

Am 7. Januar 2019 wurde Frank Magnitz, Sprecher des Landesverbandes der AfD Bremen, in der Bremer Innenstadt von hinten angesprungen, worauf hin er ungebremst zu Boden stürzte. Nachdem seine Partei kurz darauf ein Foto seines blutüberströmten Gesichts auf Facebook teilte, begann eine ausgiebige Debatte über den Vorfall in der Öffentlichkeit.

Unmittelbar nach dem Vorfall hatte die AfD behauptet, Magnitz wäre mit einem Kantholz niedergeschlagen und noch getreten worden, als er bereits am Boden lag. Bereits am Folgetag gab allerdings die Staatsanwaltschaft bekannt, dass es auf dem begutachteten Video der Tat keine Hinweise auf den Einsatz einer Schlagwaffe gegeben hätte. Auch sei zu erkennen, dass die Täter*innen direkt nach dem Sturz des Politikers flohen.

Über die nächste Tage entbrannte eine Debatte, in der viele Medien und Politiker*innen zunächst die Aussagen der AfD zum Hergang der Tat übernahmen. Dies änderte sich, nachdem Staatsanwaltschaft und Polizei die Behauptungen in Zweifel zogen. Wie genau der Ablauf der Dinge in der Bremer Innenstadt war, soll jedoch nicht weiter Gegenstand dieses Artikels sein. Denn weitaus aufschlussreicher ist die Verarbeitung des Vorfalls.

Mediale Betroffenheit erzeugen

Die AfD versuchte schnell den Angriff für sich zu nutzen. Wie Magnitz später in einem internen Rundbrief erklärte, entschied er sich für die Verbreitung des Fotos seines blutverschmierten Gesichts, um „Aufmerksamkeit“ und „mediale Betroffenheit“ zu erzeugen. Dies sei geschehen, da die vorherige Pressemitteilung seiner Partei zu wenig berücksichtigt worden wäre und um eine breitere Resonanz zu erzeugen. Dies ist eindeutig gelungen, wie die ausführliche Berichterstattung der darauf folgenden Tage zeigt.

Kurz nach der Tat äußersten sich mehrere AfD-Politiker*innen. Sie machten die etablierten Medien und die Politik mitverantwortlich. Grüne, SPD und Die Linke hätten mir ihrer „Hetze“ gegen rechts Vorarbeit für den Angriff geleistet. So schrieb Alice Weidel auf Facebook, dass die Rhetorik der SPD den Boden bereitet hätte, auf dem „die beispiellose Welle politischer Gewalt gedeiht, die jetzt in dem Mordanschlag auf den Bremer AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz gipfelte. Die geistigen Brandstifter sind links.“ Jörg Meuthen wiederum kritisierten die Medien, welche mit zweierlei Maß messen würden, wenn es um die AfD ginge. Durch die Thematisierung der Falschinformation seitens der AfD, anstatt den brutalen Angriff in den Mittelpunkt zu stellen, würde der Vorfall verharmlost. Zudem fehle von den Parteien bislang eine klare Distanzierung von linker Gewalt. Er forderte den Rechtsstaat zum harten Durchgreifen gegen die Täter auf.

Liest man die Aussagen der Führungsfiguren der rechtsradikalen Partei, könnte man meinen in Deutschland würden allerorts marodierende Banden von Linken und Ausländer*innen, umherziehen. Die Realität sieht freilich anders aus. Jedoch sollten die hier ausgemalten Szenarien nicht allein mit einem Verweis ihre Unhaltbarkeit abgetan werden. Eine genauere Beschäftigung lohnt sich, weil hier ein zentrales Moment rechter Ideologie zutage tritt.

Sicherheit und Ordnung – Innenpolitik von rechts

Magnitz nutzte den Angriff auf sich, um das für ihn eigentliche Problem ins Zentrum der Berichterstattung zu rücken: Feinde des Volkes verüben einen Mordanschlag auf einen patriotischen Politiker. Dass Menschen, die sich voll und ganz der „Volksgemeinschaft“ verschrieben haben, attackiert werden, ist für die AfD ein Skandal und Zeugnis der schlimmen Zustände im Land. Die Lügen über das Maß der Gewalt gegen Magnitz passen dabei zum einen in das Bild, welches sich Rechte von den Zuständen in der BRD machen. Wer die „Volksgemeinschaft“ in der Krise sieht, weil nicht alle sich benehmen, wie es sich für Deutsche gehöre, wer sich als Verfechter*in der wahren Ordnung gegen die ‚linksgrün-versifften Volksfeinde‘ sieht, der glaubt jede Geschichte von Brutalität gegen die Retter*innen von Volk und Staat. Oder setzt sie gleich selbst in die Welt. Denn zum Anderen dient die Ausmalung und Übertreibung der Gewalt, um gerade den Menschen aus dem eigenen Spektrum, noch einmal zu verdeutlichen, wie schlimm die Lage sei und wo die Feind*innen zu finden sind. Und dafür kann auch schon mal ein Diskurs emotionalisiert, ein Ereignis aufgebauscht werden.

Bekanntlich trat die AfD auch an, um dem ‚Establishment‘ in Politik und Medien den Kampf anzusagen. In ihnen sieht sie jene linksliberale Elite, die sich mindestens dem Einsatz fürs Vaterland versage, wenn nicht gar aktiv dagegen arbeite. In erster Linie wird dies nach wie vor an Merkels vermeintlicher ‚Grenzöffnung‘ von 2015 festgemacht. Daneben wird aber auch immer wieder eine angebliche Nähe einiger Parteien zu Linksradikalen thematisiert. Wer solche Leute, durch unzureichende Distanzierung von ihnen und Hetze gegen die Volksretter*innen unterstütze, mache sich mitschuldig am „Mordanschlag“. Dass etwa die SPD kaum eine Möglichkeit auslässt sich vom linken Rand zu distanzieren und dennoch derart angegangen wird (siehe Aussagen von Weidel und Meuthen), zeigt nur, dass der Kampf gegen links für die AfD keine Grenzen kennt. Dass die bürgerliche Presse es zudem wagte, die Falschaussagen der AfD zu kritisieren, anstatt weiter nur über den Angriff und die Täter*innensuche zu berichten, ist für die Rechten ein weiterer Beleg der unpatriotischen Gesinnung der Eliten.

Neben den Volksfeind*innen von Innen wurde mit der Sorge um die öffentliche Sicherheit ein weiteres zentrales Thema der AfD deutlich. Um die Ordnung im Land zu gewährleisten, wird ein erheblicher Einsatz staatlicher Repression eingefordert. Dieser ist auch nötig, damit hier trotz aller ökonomischen Gegensätze und unterschiedlichsten Lebensrealitäten ein Funktionieren der angeblich quasi-natürlichen Gemeinschaft der Deutschen gewährleistet ist. Vermutlich würde niemand für einen Mindestlohn arbeiten gehen, wenn Diebstahl ohne Konsequenzen blieb; ohne Polizei und Justiz käme kaum eine*r auf den Gedanken Miete zu zahlen. Die AfD radikalisiert den Ruf nach Repression, hält noch mehr Staatsgewalt für geboten. Gleichzeitig wird die Zugehörigkeit zur Nation als das verbindende und Gemeinschaft-schaffende Element aller Deutschen angesehen.

Dabei könnte es auch die Rechten irritieren, wie viele ‚Asoziale‘ und politische Feind*innen es auch unter Deutschen gibt. Dieser Widerspruch lässt sie jedoch in keiner Weise von ihrem Standpunkt abrücken. Im Gegenteil, die rigorose Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihres Ideals der Volksgemeinschaft bleibt ein zentrales Anliegen. Und wird dabei als Dienst am guten Deutschen verkauft, etwa wenn vom „‚sicherheitspolitischen Befreiungsschlag‘“, um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen“ die Rede ist.

Mehr Gewalt, damit alle sich für ihr Land verdingen können (bzw. müssen) und niemand auf dumme Gedanken kommt. Angesicht solcher Drohung wirkt die Skandalisierung linker Gewalt besonders absurd. Nur ist eben nicht das Mittel das Problem, sondern der Zweck. Gewalt darf nur von den „Richtigen“ ausgeübt werden und muss die „Richtigen“ treffen. Ziel ist die freiwillige Unterordnung der Bürger*innen unter den staatlichen Gewaltapparat. Wer da nicht mitmacht, erhält die entsprechende Quittung. In dieser Haltung ist sich die AfD mit vielen ihrer Kritiker*innen aus den anderen Parteien ziemlich einig.

Die anderen Parteien

Nachdem die AfD durch das Posten des Fotos viel Aufmerksamkeit erzeugte, reagierten bereits am Dienstagmorgen viele Politiker*innen der Mitte. Und in einem waren sie sich alle einig: Gewalt darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung in einem Rechtsstaat sein. Oder wie Cem Özdemir auf Twitter verlautbarte: „In der Demokratie streiten wir mit Worten offen, fair und gewaltfrei. #nazisraus aber mit den Methoden unseres Rechtsstaates!Johannes Kars (SPD) schrieb salopp: „gewalt geht garnicht. gegen niemanden. extremismus jeder art ist mist. ich wünsche gute besserung!“

Nicht nur die Genesungswünsche für einen Rechtsradikalen stören an den Aussagen. Auch Özdemir und Kars kommt es sehr darauf an, wer hier praktisch tätig werden darf – und wer nicht. Die Bürger*innen dürfen alles denken und vieles sagen, auch dürfen sie Konsequenzen für Aussagen und Taten einfordern. Sie dürfen aber keine Selbstjustiz verüben. Die Vollstreckung obliegt allein der Exekutive im Staat.

Gerade angesichts der aktuellen politischen Lage kann man durchaus froh sein, dass die Bevölkerung das Recht nicht umfassend selbst in die Hand nehmen kann. Gleichzeitig wird hier aber auch die Rolle als Bittsteller*in deutlich, in der man sich als Staatsbürger*in befindet und einfügen soll. Denn egal, um was es geht, mehr als sich beschweren dürfen ist nicht drin. Geahndet wird, was gegen geltendes Recht verstößt. Aushalten muss man, was dieses Kriterium nicht erfüllt, beispielsweise unabhängig davon, ob einer Aussage oder Tat rassistische oder sexistische Motive zu Grunde liegen. Bescheiden, wie es zugeht, reicht es dabei bis zum Lob an der hiesigen Ordnung, dass man eine Meinung haben und äußern darf. Der Abwärtsvergleich mit schlimmeren Zustände geht da schon als Positivmerkmal der deutschen Zustände durch.

So beläuft sich die ganze Kritik der Mitte an der AfD auf einzelne besonders heftige Aussagen, die sich nicht gehörten und ihren mangelnden Willen zur sachlichen Mitarbeit, wenn sie, wie im Falle Magnitz, eine Debatte emotionalisiere. Solange sich Nationalismus und Rassismus im Rahmen der Gesetze bewegen, ist er kaum eine Empörung wert. Das liegt sicherlich auch daran, dass in Sachen Patriotismus einige Gemeinsamkeiten aller im Bundestag vertretenen Parteien bestehen. Durch die Bank ist man sich darüber einig, dass es um die Interessen Deutschlands und seine innere Verfasstheit zu gehen hat. Dies ist auch die Haltung der meisten bürgerlichen Medien, welche die Zustände im Parlament und auf der Straßen kritischen beäugen.

Die Medien

Neben der Rekonstruktion des Tathergangs und Verweisen auf das Rechtsstaats-feindliche Verhalten, ging es den bürgerlichen Medien, ähnlich wie der AfD vor allem um die „Verrohung der politischen Kultur“. Gemeint ist damit schwindender Anstand im Diskurs, welcher ,„angeheizt durch das hohe Tempo im Internet“, immer öfter in offene Gewalt umschlagen würde. Und der Einsatz von offener Gewalt in Form von Kanthölzern, beschleunige wiederum den Abstieg in der Gewaltspirale.

Seltsamerweise scheinen die konkreten Beweggründe, weshalb jemand gewalttätig wird, komplett egal. Der Angriff auf Magnitz wird gleichgesetzt mit den Menschenjagden in Chemnitz, alles auf eine Selbstermächtigung der Bürger reduziert, die ihrer Wut freien Lauf ließen. Gerade beim Blick auf Rechte ist die Ignoranz gegenüber politischen Motiven enorm.

Und dass sich jemand am Rechtsstaat, an der Ordnung die doch unser aller Zusammenleben garantiere, d.h. uns zum Mitmachen verdammt, vergeht – das sei doch der wahre Skandal. Oder um es mit der Neue Ruhr-/Neue Rhein-Zeitung zu sagen: „Der Angriff auf den Bremer AfD-Vorsitzenden Frank Magnitz ist ein Angriff auf die Werte dieses Landes.“ Ein Satz, den die AfD genauso äußern könnte. Und spätestens da sollte man stutzigen werden, bestehen die Unterschiede zwischen AfD und ihren Gegner*innen der Mitte oft nur in der Gewichtung.

# Oskar Wagner

#Titelbild Deutsches Historisches Museum; Montage LCM

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3 Kommentare

    Anti Fa 22. Januar 2019 - 14:55

    Das muss man gar nicht lesen.
    1. Was sollen überall diese * Sternchen? Das macht alles unlesbar.
    2. Wer bekommt von einem Schubser solche Verletzungen?
    3. Die Kantholztaktik wird nur genutzt um die Tat zu verharmlosen.
    4. Der Text ist viel zu lang.

    Trolljaeger 22. Januar 2019 - 21:36

    ohh ein Troll 😉
    na komm..putt,putt,putt

    an die anderen: danke
    im Blick nach Rechts ist ein guter Artikel über die AFD-Clans – auch in Bremen 🙂
    https://www.bnr.de/artikel/hintergrund/afd-dynastie-bremen

    qwert 22. Januar 2019 - 18:51

    1. Das macht es nur unlesbar, wenn du dich eh schon am gendern störst
    2. Schubser/Stoß/Angriff… im Endeffekt komplett egal. Wie man dem Text entnehmen kann, soll der genauen Tatverlauf nicht Thema sein.
    3. Wenn du einfach Schwere der Tat festhalten willst/das niedere Verhalten der Täter die , ist dir eh klar dass sich „nicht gehört“. Genau das kritisiert der Text. Vielleicht einfach mal drauf eingehen.