Seit Tagen finden in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri wieder große Kundgebungen gegen Polizeigewalt und Rassismus statt, die von der Polizei teilweise heftig attackiert werden.
Bereits seit längerem war für das vergangene Wochenende zu Protesten mobilisiert worden. Der „Ferguson October“ sollte an die Ermordung von Michael Brown am 9. August erinnern. Wenige Tage vor dem Protestwochenende wurde am vergangenen Mittwoch in St. Louis erneut ein afroamerikanischer Teenager von einem weißen Polizisten erschossen. Die Umstände bei der Tötung von VonDerrit Myers Jr. waren ähnlich wie im Fall Michael Brown vor zwei Monaten. Wieder behauptete der Polizist, der 18jährige habe eine Waffe gehabt, wieder wurde der Teenager mit mehreren Kugeln niedergestreckt. Wieder ist er nach Ansicht der Behörden irgendwie selber schuld, weil er irgendwas getan haben soll, was dem Bullen verdächtig erschienen ist. Dieser war übrigens nicht mal im Dienst, sondern schob gerade Schicht in seinem Nebenjob als Angestellter einer privaten Sicherheitsfirma. Und wie schon bei Michael Browns gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen dem, was der Security-Bulle erzählt und was ZeugInnen berichten und auf Videomaterial rund um die Ereignisse zu sehen ist. So behauptet der Polizist, VonDerrit Myers Jr. habe auf ihn geschossen, ZeugInnen wiederum sagen, dieser habe nur ein Sandwich dabei gehabt.
Wir haben mit Joseph Sulier gesprochen, einem Aktivisten und Musiker aus St. Louis, der bei vielen Demos der letzten Tage und Monate dabei war und uns schon im August erklärt hat, was das eigentlich abgeht in Missouri. „Die Proteste in Ferguson haben nie aufgehört“ seit der Ermordung von Michael Brown im August, erzählt Joseph. Nachdem VonDerrit Myers Jr. vergangene Woche erschossen wurde, hat sich innerhalb kürzester Zeit eine große Menschenmenge in der Nähe des Tatorts versammelt. Die Menschenmenge habe die Einsatzkräfte, die ebenfalls sofort zur Stelle waren, umzingelt und auf diese eingeschrien, sodass die Bullen sich in ihre Autos zurückziehen mussten. Anschließend wurden einige Polizeiautos angegriffen, woraufhin diese flohen.
„Nachdem die Polizei von den Bewohnern der Gegend vertrieben worden war, sammelte sich die Menge und startete eine spontane Demo“, erzählt Joseph. Kreuzungen wurde besetzt und der Verkehr teilweise lahmgelegt, was natürlich einen massiven Polizeieinsatz provozierte. Es kam in dieser Nacht nach der Ermordung von VonDerrit Myers Jr. immer wieder zu kleineren Auseinandersetzungen, bis in die frühen Morgenstunden waren viele Leute unterwegs und ließen sich nicht einschüchtern.
Seit vergangenen Mittwoch „kam es jede Nacht zu Protesten und die Polizei trat immer militärischer auf, in voller Riot-Montur mit Schildern und Schlagstöcken. Viele Leuten wurden mit Pfefferspray attackiert, darunter auch viele Medienleute.“ Immer wieder seien die Menschen aufgefordert worden, die Gegend sofort zu verlassen, da es sich um eine „illegale Versammlung“ handeln würde. „Es gab viele Festnahmen, obwohl von Demo-TeilnehmerInnen wenig Gewalt ausgeübt wurde.“
Am Wochenende vermischten sich dann die spontanen Demos mit den bereits geplanten Kundgebungen und Veranstaltungen anlässlich des „Ferguson October“-Wochenende. Es kam zu einigen großen Demonstrationen, die teilweise von der Polizei angegriffen wurden, Dutzende Menschen wurden festgenommen. Aber auch nach dem Memorial-Wochenende ist kein Ende der Proteste abzusehen. „Die Leute sind sehr wütend und es sieht nicht so aus, als hätte jemand die Absicht nach Hause zu gehen.“
Es hat den Anschein, als würde sich aus den Ferguson-Protesten gerade eine neue Bürgerrechtsbewegung formieren. Viele Menschen sind jedenfalls nicht mehr bereit, nach derartigen Vorfällen einfach zur Tagesordnung überzugehen oder sich von den Repressionen einschüchtern zu lassen. Bei den Protesten nach der Ermordung von Michael Brown ging und geht es auch nicht „nur“ um Rassismus und Polizeigewalt – die diesen Phänomenen zugrunde liegenden sozialen Ursachen wurden von der Bewegung stets thematisiert. Denn letztlich geht es um einen eskalierenden Krieg gegen unten, der in den USA gerade stattfindet.
– Von Karl Schmal
Fotos von http://fergusonoctober.com/ und http://thefreethoughtproject.com/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch » „The making of… Ferguson“ – und jetzt sucht das FBI die Agitatoren 20. Oktober 2014 - 10:13
[…] eskalierenden Krieg gegen unten, der in den USA gerade stattfindet“ – so endet der Beitrag Ferguson October von Karl Schmal am 14. Oktober 2014 im Lower Class Magazine. Siehe dazu […]