„Starbucks bekämpft Betriebsräte“

12. November 2020

Starbucks pflegt ein Wohfühl und FairTrade-Image, an dem am Ende wenig real ist. Direkt in Deutschland betreibt Starbucks, wie in der Systemgastronomie üblich, rabiates UnionBusting.“ Am Freitag, den 13. November 2020 finden deswegen in mehreren deutschen Städten Aktionen gegen Starbucks statt. Interview mit Elmar Wigand von arbeitsunrecht über die Hintergründe.

Was hab ihr gegen Starbucks?

Starbucks bekämpft Betriebsräte. Starbucks beutet die Beschäftigten aus und hält sie mit Ketten-Befristungen gefügig. Starbucks betreibt systematische Steuerhinterziehung, die aufgrund viel zu lascher staatlicher Regulierung und Strafverfolgung in Deutschland leider bislang legal ist.

Ganz konkret unterstützen wir mit unserem Aktionstag den Betriebsratsvorsitzenden Michael G. aus Berlin. Er hat inzwischen über ein Dutzend böswillig konstruierter Kündigungsversuche angesammelt. Wir fordern seine Wiedereinstellung und ein Ende der Repressalien gegen aktive Betriebsräte.

Sticht Starbucks durch Union Busting gegenüber anderen Ketten besonder hervor?

Starbucks folgt im Wesentlichen der Strategie von McDonalds, dem Vorreiter der US-amerikanischen Systemgastronomie in Deutschland. Starbucks arbeitet wie McDonalds nach dem Franchise-Prinzip. Das Management von Starbucks sitzt, ebenso wie das von McDonalds, in München.

Bis in die 1990er war die Maxime: keine Betriebsräte, keine Tarifverträge. Durch öffentlichen Druck haben Starbucks und McDonalds diese Linie aufgeweicht und gehen nun raffinierter vor. Starbucks ist dem Bundesverband der Systemgastronomie beigetreten, den McDonalds 1988 gegründet hat, um den Tarifvertrag der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) zu unterlaufen. Dabei ist der Dehoga-Tarif schon ziemlich bescheiden. So gibt es inzwischen zwar einige wenige Betriebsräte bei Starbucks — schätzungsweise weniger als 15 bei 165 Filialen in Deutschland — aber davon sind die meisten eingeschüchtert oder trojanische Pferde des Managements.

Wer bei Starbucks tatsächliche eine unabhängige Interessenvertretung für die Beschäftigten im Sinn hat und bereit ist, Forderungen aufzustellen, die unweigerlich Konflikte mit dem Management bedeuten, der bekommt die volle Breitseite der Zermürbungsstrategien ab: Abmahnungen, Schikanen, Kündigungsversuche, Mobbing. Ziel des Starbucks-Managements ist es, unliebsame Elemente aus dem Betrieb zu entfernen und aktive Betriebsräte zu zerschlagen. Nach außen hin leugnen und verschleiern Firmen-PR und Anwälte das aber.

Was hat es mit dem Franchise-System auf sich?

Manche Fillialen betreibt die Münchener Zentrale selbst, die meisten werden an Franchise-Nehmer verkauft. In Deutschland gingen sie an den globalen Franchise-Großunternehmer AmRest, der auch sämtliche deutschen Filialen von Pizza-Hut betreibt. AmRest wurde vom ehemaligen Pepsi-Cola-CEO Donald M. Kendall gegründet, dem Mann, der Pepsi nach Russland brachte, nach dem Zerfall der UdSSR. AmRest ist besonders in Osteuropa stark und betreibt dort Filialen verschiedener US-Franchiseketten wie auch Burger King und KFC.

Zurück zum Franchise-Prinzip. Wie geht das?

Die Filialen und ihr Management haben strikte Vorgaben zu erfüllen und müssen sämtliche Produkte und Werbematerialen von der Zentrale abnehmen. Über das Franchise-Prinzip erfolgt auch die legale Steuerhinterziehung. Die Gewinne der Starbucks-Filialen werden klein gerechnet durch horrende Lizenzgebühren, die nach Amsterdam überwiesen werden müssen. So zahlt Starbucks in Deutschland fast keine Unternehmenssteuern, denn Niederlande ist eine Steueroase. Das hat die ZDF-Sendung, die Anstalt in einer Sendung vom 28.10.2014 schön heraus gearbeitet.

Welche Rolle spielt Starbucks in Deutschland und welche Rolle spielt der deutsche Markt für Starbucks?

Starbucks ist im Vergleich zu McDonalds in Deutschland mit ca. 165 Filialen ein ganz kleiner Fisch. Auch die geschätzten 160 Millionen Euro Umsatz in Deutschland gelten in der Branche als Peanuts. McDonalds hat im Vergleich fast 1.500 Filialen in Deutschland und erzielt 3,8 Milliarden. Der Marktführer der Kaffee-Bars ist derzeit Segafredo. Die haben seit 2018 ein massives Wachstum hingelegt und laut Statista im Jahr 2019 derzeit 354 Filialen. Weltweit sieht die Sache anders aus. Da ist Starbucks der Marktführer mit einer intergrierten Wertschöpfungskette vom Kaffee-Anbau im Trikont bis hin zu Starbucks-Lizenzprodukten in Supermärkten, die von Nestlé vertrieben werden. Der weltweite Umsatz belief sich im Jahr 2019 auf rund 26,5 Milliarden US-Dollar. Starbucks belegt mit über 46,8 Millionen US-Dollar Markenwert den zweiten Platz im Ranking der wertvollsten Fast-Food-Marken weltweit. Das einzige was in Deutschland diesem Ruf als Big Player gerecht wird ist die Bekanntheit der Marke. Zwei Drittel der Deutschen kennen laut Umfragen das Starbucks-Logo. Deutschland ist ansonsten ein Starbucks-Entwicklungsland. Dennoch ist es für einen globalen Konzern wichtig, auch hier an Orten sichtbar zu sein, die ein internationales Publikum besucht: Bahnhöfe, zentrale Shopping-Meilen, Tourismus-Hot-spots.

Wem gehört das Unternehmen eigentlich?

Den üblichen Verdächtigen. Die größten Anteilseigner sind aggressiven Finanzinvestoren wie Vanguard mit 7,7 % der Aktien, Blackrock (7,2%), State Street (2,7%), Magellan Asset Management (2,7%) und der Starbucks-Gründer Howard Schultz mit 2,9 %, was im Juni 2020 ein unglaubliches Vermögen von 2,3 Milliarden ausmachte.

Was können wir tun, um gegen diese imperialen Mächte anzukämpfen?

Der Aktionstag #Freitag13 dürfte dazu beitragen, die Ausbreitung von Starbucks in Deutschland klein zu halten. Zudem wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Systemgastronomie eine von Grund auf üble Sache ist. Wir sollten neben klassischem Organizing, das in der Systemgastro stark ausbaufähig ist, auch unsere Macht als Konsument*innen stärken. Sprich: Boykott und Image-Korrekturen.

Kann ein Aktionstag wie #Freitag13 überhaupt etwas bewirken?

Wir gehen davon aus, dass es für jedes Unternehmen ärgerlich ist, wenn dessen Marke mit Ausbeutung und schmutzigen Methoden assoziiert wird. Starbucks ist hier besonders angreifbar, weil die Produkte überteuert sind. Der Preis wird durch „Fair trade“ und Wohlfühlatmosphäre gerechtfertigt. Das Starbucks-Image ist inwendig hohl.

Das Format #Freitag13 hat bereits richtig weh getan: Der Essenskurier Deliveroo flüchtete regelrecht aus Deutschland, der H&M-Aktienkurs rutschte 2017 ab. Am 13.9.2019 sind wir gegen Werkverträge bei Tönnies vorgegangen; jetzt steht das gesetzliche Verbot in der gesamten Fleischindustrie an.

Was können die Leser*innen des Lower Class Magazines konkret tun?

Die Starbucks Beschäftigten brauchen flankierende Maßnahmen kritischer, solidarischer Konsument*innen!

Wir rufen zum unbefristeten Konsum-Streik gegen Starbucks auf bis unsere zentralen Forderungen erfüllt sind: Betriebsratswahlen, Schutz aktiver Betriebsräte, Schluss mit Ketten-Befristungen. Hier könnt ihr euch online anschließen: https://arbeitsunrecht.de/starbucks.

Außerdem stellen wir Flublätter zum download bereit, die ihr in Supermärkten und Starbucks-Filialen hinterlassen könnt: https://arbeitsunrecht.de/freitag13_starbucks/#mitmachen.

Elmar Wigand ist Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht. Mehr zum Aktionstag #Freitag13: https://arbeitsunrecht.de/fr13

#Titelbild: arbeitsunrecht, Elmar Wigand vor Starbucks am Neumarkt in Köln

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