Alles hat ein Ende, nur der Merz hat zwei

31. Oktober 2020

Autor*in

Ivan Klinge

Die CDU verschiebt ihren Parteitag vom 4. Dezember 2020 in das Frühjahr 2021. Der rechte Parteiflügel um Friedrich Merz sieht darin eine Verschwörung der Parteioberen gegen sich. Der selbsternannte Kämpfer gegen das Establishment teilt ordentlich aus und sieht sich als Opfer. Dabei hat die CDU-Führung nicht ohne Grund wenig Vertrauen in den mandatslosen Merz.

Am 4. Dezember 2020, wollte Friedrich Merz sich eigentlich zum Parteivorsitzenden (und damit vermutlich auch nächsten Kanzlerkandidaten) der Union wählen lassen. Doch der Parteitag wurde aufgrund der Covid-19 Pandemie abgesagt. Der rechte Flügel um Merz sieht das als Verschwörung des „Establishments“ zu dem er sich, ebenso wie zur Oberschicht, selbstverständlich nicht zählt. Dass die CDU-Führung Merz verhindern will, liegt jedoch weniger an seiner vermeintlichen Außenseiterrolle, sondern ist lediglich eine rein taktische Entscheidung der Politstrateg*innen. Man weiß dort, dass Merz Stimmen von FDP und AfD abgraben würde, allerdings bei gleichzeitigen Verlusten an SPD und Grüne. Es ist zweifelhaft, dass die neugewonnenen Stimmen aus dem rechten Lager Letztere aufwiegen würden. In weiten Teilen der Partei dagegen genießt Friedrich Merz viel Unterstützung. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er bei einer Mitgliederbefragung gewinnen würde. Seine Inszenierung als Kämpfer gegen das Establishment und Stimme des kleinen Mannes trifft gerade auf Kreisebene und bei Mitgliedern ohne Mandate auf Gegenliebe. Besonders viel Wut bekommt dabei einer seiner direkten Kontrahenten ab. So verkündete Merz am 26. Oktober auf Twitter: „Ich habe klare Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern.“ Merz versucht, den Parteivorsitz zu gewinnen und setzt dabei auch auf einen schmutzigen Wahlkampf mit direkten Angriffen. Ob das seine Chancen erhöht und seiner politischen Karriere zuträglich ist, darf bezweifelt werden.

Aber noch einmal zurück zu den Anfängen. Die Karriere von Friedrich Merz ist eigentlich nicht größer bemerkenswert, wäre da nicht sein frühes Karriereende. Damals, Anfang der Nuller-Jahre, unterlag der von ihm vertretene rechte Parteiflügel in einem CDU-internen Machtkampf dem liberalen Flügel um Angela Merkel. Doch Merz hielt sich in der Öffentlichkeit, wurde sehr gerne von Zeitungen zitiert und hatte Stammgast-Status in Talkshows, wo er regelmäßig seine neoliberalen und nationalistischen Positionen vertrat. Daran änderte weder etwas, dass er 1997 gegen die Einführung des Straftatbestandes der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt hatte, noch diese kleine Geschichte: Anfang der Nuller-Jahre hatte Merz nämlich einen Regierungslaptop verloren, der nur dank einem ehrlichen Finder wieder auftauchte. Als Dank schickte Friedrich Merz dem wohnungslosen Mann sein eigenes Buch. So viel Arroganz muss sein. Und das alles, obwohl er nicht mal einen relevanten Posten inne hat oder hatte. Darauf angesprochen, dass er nichts weiter als ein Apparatschik des CDU-Parteiapparats war und ist, reagiert er in der Regel sehr genervt. So das letzte Mal bei Markus Lanz, als Luisa Neubauer (Fridays for Future) ihn darauf hinwies, dass er „mandatspolitisch“ nichts ist.

Merz große mediale Präsenz ist aber weder dem Zufall, noch seinen regelmäßigen Ausfälligkeiten geschuldet. Er ist – ähnlich wie Karl Theodor zu Guttenberg Mitte der Nuller-Jahre – der Wunschkandidat des konservativen Establishments. Dementsprechend regelmäßig wird er in Schlagzeilen erwähnt und von der konservativen Presse mit wohlwollender Berichterstattung bedacht. Denn letztlich steht er in erster Linie für Sozialabbau und Law and Order – und damit Klassenkampf von oben. Daran ändert auch seine neue Begeisterung für eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene nichts, im Gegenteil; Sie ist lediglich ein Beleg für den Opportunismus der Grünen und ihren Wunsch, die SPD auf Bundesebene als Juniorpartner der Union abzulösen. Dass die Grünen sich bei ihren Annäherungsversuchen nicht nur auf den wirtschaftsliberalen Unionsflügel um Merkel beschränken, sondern präventiv auch schon mal mit den Parteirechten um Merz gut stellen, überrascht dann auch nicht weiter.

Der weitere Verlauf des innerparteilichen Machtkampfes bleibt also spannend – vor allem für Gegner*innen der Union. Denn das Jahr 2021 ist das, was man im politischen Jargon „Superwahljahr“ nennt. Die anstehende Bundestagswahl, sowie Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und vier weiteren Ländern verlangen nach einer klaren Linie und vor allem einer geklärten Führungsfrage. Keins von beidem kann die CDU momentan vorweisen.

Die SPD hat mit ihrer frühen Nominierung von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat die Union bereits unter Druck gesetzt. Auch der aktuelle Richtungskampf zwischen wirtschaftsliberalen und konservativen, sowie rechtspopulistischen Kräften innerhalb der Partei trägt vermutlich ebensowenig zum großen Erfolg bei, wie es eine deutlich nach rechts rückende CDU unter Merz langfristig wohl tun würde. Hinzu kommt, dass Friedrich Merz sich durch seine jüngsten homophoben und chauvinistischen Ausfälle mit etwas Glück jede Chance auf den Parteivorsitz selbst verbaut und so seine Karriere zum zweiten und hoffentlich auch letzten Mal beendet haben könnte.

# Titelbild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0-de, Friedrich Merz beim „politischen Aschermittwoch im Februar 2020

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