Kommt der „heiße Herbst“? Ein Interview mit dem Bund der Kommunist:innen (BdK)

22. August 2022

Autor*in

Gastbeitrag

Teuerung, Gasumlage, Verarmung: Was steht eigentlich in der Hauptstadt an? Ein Gespräch mit Andrea Feller, Sprecherin des Bundes der Kommunist:innen (BdK)

Die untere Hälfte Deutschlands starrt gebannt auf den Herbst, man weiß nicht, was genau kommt, aber man weiß, man wird ärmer. Lebensmittelpreise durch die Decke, Reallöhne am Sinken, Sprit teuer, Heizen teuer, Mieten teuer. Aber irgendwie ist es erstaunlich still in der Linken dieses Landes?

Wir können ja nicht für „die Linke“ sprechen. Bei uns ist es so, dass wir vor zwei Jahren angefangen haben, uns eine, sagen wir mal, nachhaltige Infrastruktur aufzubauen: Ladenlokale, ein tragfähiges Statut und Programm, Sympathistant:innenkreise und dergleichen. Jetzt müssen wir diesen langwierigen, aber unserer Meinung nach richtigen Aufbauprozess durch eine Kampagnenfähigkeit ergänzen. Das haben wir am 1. Mai ganz okay ausprobiert, müssen aber jetzt etwas größer denken. Und das dauert. Wir arbeiten aber – im Bündnis mit anderen kommunistischen Gruppen in Berlin – auf einen heißen Herbst hin. Es wird zahlreiche kleinere Aktionen in den Stadtteilen geben und eine Großdemonstration im November ist in Planung.

Allgemein für die Bundesrepublik würden wir sagen, dass es ja Ansätze gibt: In Stuttgart, Hamburg und anderen Städten gelingt die Verknüpfung von „roten Gruppen“ und Arbeitskämpfen ja immer besser. Auch die an sich sicherlich sehr sozialdemokratisch bestimmten Gewerkschaftsaktionen werden unter dem Druck der Verhältnisse etwas offensiver, wenn wir uns etwas die Proteste der Hafenarbeiter:innen oder den Abschluss beim Bodenpersonal der Flughäfen ansehen.

Die Wahrheit ist aber auch: Die Linke in diesem Land ist insgesamt im Umbruch und wird beweisen müssen, dass sie einen Nutzen für die breite Bevölkerung hat, sonst wird sie irgendwo zwischen neoliberalem Grünen-Moralismus, sozialdemokratischem Verelendungsmanagement und rechten Rattenfängern zerrieben werden.

Das ist ja jetzt auch schon ein bisschen das Schreckgespenst, das von den Linksliberalen an die Wand gemalt wird: Das wird ein Aufschwung der Rechten.

Das ist einerseits eine bewusste Strategie der Regierung. Die Politik, die hier betrieben wird, ist ja so eindeutig darauf gerichtet, Krisenlasten auf Arbeiter:innen, Erwerbslose und Arme abzuwälzen, dass man irgendwelchen abstrakten moralischen Quatsch braucht, um die eigene Klientel bei der Stange zu halten. Man muss denen erzählen können: Wer sich weigert, kürzer zu duschen, ist für Putin und wer nicht 4 Euro für Butter zahlen will, hat quasi schon den AfD-Button am Revers. Letztlich ist das deshalb gefährlich, weil viele sowieso protestieren werden – egal, mit welchem Stigma. Und wenn man die dauernd in diese Ecke stellt, sagen die irgendwann: Ja mir egal, dann bin ich wohl rechts. Der Nutzen für die Regierung ist offenkundig, aber radikale Linke können da nur verlieren. Wir jedenfalls werden dieses Spiel nicht mitspielen. Faschisten kann man von innen aus einer Protestbewegung entfernen, so wie bei den Gelbwesten in Frankreich. Aber sicher nicht als dauerempörter Twitter-Beobachter.

Das zweite daran ist: Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren, auch durch die teilweise Ohnmacht der Linken insgesamt, eine Stimmung breit gemacht, in der „Linkssein“ als eine Art Elitenprojekt gesehen wird. Diesen Müll gibt es ja nicht nur hierzulande, der ganze Trumpismus in den USA ist ja ein viel weiter entwickeltes Beispiel: Da wird Teilen der Arbeiterklasse eingeredet, dass eine Riege korrupter, am Gängelband des Kapitals hängender Multimillionäre ihre Interessen vertritt, indem man ihnen Feindbilder wie Schwarze oder Frauen präsentiert, an denen sie sich abarbeiten sollen. Die Wahrheit ist: Die Rechte steht überall im Dienst des Kapitals und hat den Prolet:innen nichts zu bieten. Sie kann nur billige Feindbilder erschaffen, um von den wirklichen Feinden abzulenken.

Wenn ihr von einem „heißen Herbst“ reden, was steht da an?

Wir wollen lokale Aktionen in unseren Stadtteilkomitees in Neukölln, Wedding und Lichtenberg kombinieren mit zentralen Mobilisierungen. Erstes schließt schon jetzt Essensausgaben, gratis Kulturveranstaltungen, lokale Kundgebungen mit ein. Auf dem Level der zentralen Mobilisierungen arbeiten wir in einem Bündnis auf eine Großdemonstration im November hin. Zudem gibt es eine fast unüberschaubare Anzahl von Bündnissen, die jetzt etwas vorbereiten. Wir werden uns allen Aktionen anschließen, die sinnvoll sind.

Welche Forderungen kann man denn in den Mittelpunkt so einer Demonstration rücken?

Das ist eine Gratwanderung. Zum einen will man ja an konkrete Anliegen anknüpfen, zum anderen will man aber auch nicht so tun, als ob sich durch irgendwelche Reformen da noch etwas reißen ließe. Sicherlich wird es zum einen darum zu gehen, die Gasumlage, mit der sich die Energiekosten für die Bevölkerung vervielfachen werden, abzuwehren. Zum anderen muss man die „Inflation“ von der Lohnseite und vom Erwerbslosengeld her angehen. Hartz IV muss wirklich weg, nicht nur neu aufgehübscht werden. Und der Reallohnverlust muss gestoppt werden. Auch an die Frage des kostenlosen öffentlichen Verkehrs sollten wir anknüpfen.

Aber das reicht alles nicht. Wir müssen klar machen, dass wir nicht in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts leben. Der Spielraum für eine auf „Reformen“ basierende Verwaltung des kapitalistischen Elends ist nicht mehr da. Der Kapitalismus ist in der Krise und seine „Weltordnung“ bricht an mehreren Punkten auseinander. Da kann man nicht mehr, wie die Linkspartei, so tun, als ob es reicht, wenn man statt 12 Euro nen Mindestlohn auf 13 Euro anpreist und sonst bleibt alles gleich. Wir stehen vor der Wahl zwischen Krieg, Umweltzerstörung und Verarmung – oder Sozialismus.

Nun sind ja solche Kampagnen und Demonstrationen punktuelle Ausdrücke von Unmut, aber mehr ist das halt auch nicht. Was dann?

Nein, natürlich ist das für sich genommen keine Lösung. Aber man muss die Lage realistisch sehen: Es gibt keine schnellen und zugleich progressiven Krisenlösungen, aus dem einfachen Grund, dass der Organisierungsgrad der sozialistischen und kommunistischen Kräfte zu gering ist. Viel zu wenige Kolleg:innen sind aktiv in kommunistischen Organisationen. Und zumindest unserer Auffassung nach ist das die Voraussetzung dafür, wirklich handlungsfähig zu sein. Reale Gegenmacht entsteht nicht durch lose, oft genug sehr esoterische Zirkel, die im eigenen Sud dahinsiechen. Man muss in der Lage sein, über den eigenen Tellerrand hinaus Leute zu erreichen.

Und das ist letztlich unser Ziel: Wir wollen mehr Menschen in organisierte Strukturen einbinden, alles andere ist nur Mittel zum Zweck. Das betrifft zum einen die Nachbar:innen in den Stadtteilen, in denen wir präsent sind und die Kolleg:innen in den Betrieben, in denen wir arbeiten. Zum anderen muss man aber auch sehen: Es gibt in dieser Stadt wirklich viele bereits anpolitisierte Genoss:innen, die entweder aus Frustration über vorherige Erfahrungen oder, weil sie nie irgendwo Anschluss gefunden haben, nicht organisiert sind. Ihnen möchten wir bei dieser Gelegenheit auch sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt. Kommt zu uns, helft mit, wir brauchen jede Hand und jeden Kopf. Wir können es uns in den kommenden Auseinandersetzungen nicht leisten, einfach zuzusehen und passiv zu bleiben. Es braucht jetzt sofort eine schlagkräftige Linke und wir sind ohnehin schon spät dran.

Schreibe einen Kommentar Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Kommentar über “Kommt der „heiße Herbst“? Ein Interview mit dem Bund der Kommunist:innen (BdK)”

    Ruth 4. September 2022 - 12:11

    Es geht ab: In Tschechien 70000 von Nationalisten für Öko Nationalismus & Austritt aus EU & Nato.Bei uns ringen die Rechten um die Hegemonie bei sozialen Protesten, was macht ihr? Internationalistischer CSD & Migrantifa& Linke- Ökos & Mietenwahn zusammen gg. Rechts mehr werden!