Deutsche Bahn – Mit Vollgas in die Klimakrise!

6. November 2021

Die Deutsche Bahn erhöht (mal wieder) die Preise. Warum die Bahnpolitik einer Verkehrswende und dem Kampf gegen die Klimakrise zuwiderläuft. 

Mit der deutlichsten Erhöhung der Preise (+1,9%) im Fernverkehr seit 2012 wird das Bahnfahren in Deutschland ab Dezember diesen Jahres wieder einmal unattraktiver. Der Konzern kommentiert jedoch: „Im langfristigen Vergleich bleibt Bahnfahren weiter günstig.“ Bahnfahrende in Deutschland wissen, dass das völliger Quatsch ist. Kaum eine Strecke ist mit dem Auto, dem Bus oder dem Flugzeug nicht günstiger und schneller zu bestreiten als mit dem Zug. Dieser bietet so gut wie keine Vorteile für die Reisenden, abgesehen vom guten Gefühl möglichst ökologisch zu reisen. Und selbst das verschwimmt bei genauerem Hinsehen deutlich. Aber beginnen wir etwas weiter vorn.



Bahnreform – Der Anfang vom Ende

1994 tritt das Eisenbahnneuordnungsgesetz in Kraft, allgemein besser bekannt als „Bahnreform“. Dazu gehörte die Ausgliederung der Deutschen Bahn AG als privatrechtlich organisierte Eisenbahngesellschaft des Bundes. Arno Luik beschreibt in seinem Buch „Schaden in der Oberleitung“ die Folgen dieser Reform eindrücklich. (https://www.westendverlag.de/buch/schaden-in-der-oberleitung/ ) Der Staatskonzern agierte von da an wie ein privates Unternehmen: Schlechterer Service, höhere Kosten, Einsparungen an jeder Ecke, sowie Entlassungen und Kürzungen auf der einen und fette Boni auf der anderen Seite. Insgesamt steigerte sich das Gehalt der Bahnchefs von 1991 bis 2017 um 2000% und der Sanierungsstau wuchs auf 57 Milliarden Euro an.

Die Chefs der Deutschen Bahn kamen seit der Reform 1994 fast ausnahmslos aus der Auto- oder Luftfahrtindustrie. Viele von ihnen wechselten nach ihrer Tätigkeit bei der Bahn auch wieder dorthin zurück, weshalb Vermutungen, dass die Bahn im Namen der deutschen Autoindustrie bewusst zugrunde gerichtet wurde, nicht unlogisch erscheinen. Wer das für unrealistisch hält, der sei an die „General Motors Streetcar Conspiracy“ erinnert: Zwischen 1930 und 1960 kauften US-Autofirmen unter der Führung von General Motors Bahnunternehmen in den ganzen USA auf, um den Bahnverkehr stillzulegen und ihn durch Autos zu ersetzen. Mit Erfolg.

Beispielhaft für die stümperhafte Führung des deutschen Konzerns steht Hartmut Mehdorn, der breitspurig erklärte, Bahnfahren über vier Stunden sei „eine Tortur“ und wenn er persönlich von Berlin nach München müsse, nehme er meist das Flugzeug. Passend dazu orderte er dann auch 500 Dienstwagen für die Bahn-Führungskräfte. Auch er arbeitete zuvor für Airbus und Lufthansa, und kehrte nach seiner Zeit bei der Bahn dorthin zurück: Erst zur Fluglinie Air Berlin und dann zum Flughafen BER.

In den fast 30 Jahren seit der Bahnreform wurde aus der Deutschen Bahn außerdem ein weltweit aktiver Logistikkonzern. Über die Hälfte ihres Umsatzes macht das Unternehmen mittlerweile im Ausland, weitere knapp 50% mit Geschäften, die mit Bahnfahren nichts zu tun haben. Bevor Hartmut Mehdorn im Jahr 1999 die Zügel bei der Bahn in die Hand nahm, wurden mehr als 95% der Umsätze im Inland und mehr als 90% mit Bahnfahren erwirtschaftet. Heute besteht die Bahn AG hingegen aus einem Konglomerat von knapp 1000 Firmen und ist in über 130 Ländern aktiv. Die wirre Firmenstruktur mit acht Töchterfirmen, hat auch ganz praktische Auswirkungen für Bahnfahrende: Fällt beispielsweise bei der Tochterfirma DB Fernverkehr eine Lok aus, kann diese nicht durch eine nebenan abgestellte Lok ersetzt werden, wenn diese DB Regio gehört. 


Die Bahn wird international tätig

Im Jahr 2002 ging es dann so richtig los mit der Welteroberung, als die Bahn den Logistik-Konzern Schenker für 2,5 Milliarden € aufkaufte. Hinzu kamen weitere Übernahmen, beispielweise in den Niederlanden und Dänemark, sowie eines US-Logistik-Konzerns.

Nachdem Hartmut Mehdorn wegen einer Spitzelaffäre gehen musste – nicht ohne eine saftige Abfindung zu kassieren – führte Rüdiger Grube aus dem Hause Daimler seine Weltmachtsfantasien fort.

Vor mittlerweile zehn Jahren kaufte die Bahn das britische Busunternehmen Arriva für knapp 3 Milliarden Euro und wurde so zum größten Busbetreiber in Europa. Während man es hierzulande nicht schafft, einen funktionierenden Bahnverkehr aufrecht zu erhalten, treibt man auf dem ganzen Globus die wildesten Geschäfte: Wein- und Minenlogistik in Australien, E-Car-Sharing in Kopenhagen, Krankentransporte in Großbritannien, Busse in Kroatien, Portugal, Polen, Dänemark und Spanien, Transport von See- und Luftfracht auf der ganzen Welt. Ganz aktuell beteiligt sie sich an einem skandalösen Vorhaben, dem sogenannten „Tren Maya“ in Mexiko. Da mit diesem Projekt die Zerstörung der letzten Regenwälder Mexikos, Vertreibung und Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung, eine Militarisierung der Region und die geopolitische Funktion einer „Migrant:innen-Sperre“ einhergeht, sagt Dr. Sergio P. Díaz, der das Projekt als Forscher an der Universität Campeche seit Jahren vor Ort beobachtet und dessen geopolitische Dimension untersucht, im Interview mit dem Ya-Basta-Netz: „Der größte Fehler besteht darin, den „Maya Zug“ nur als Zug zu betrachten.“


Die Bahn als lukratives Sprungbrett

In den 24 Jahren der beiden Amtszeiten von Mehdorn und Grube haben sie es geschafft 18 Milliarden € Schulden anzuhäufen und dennoch Abfindungen in Höhe von rund 9 Millionen zu kassieren. Besonders frech: Rüdiger Grube arbeitete im Jahr 2017 genau 30 Tage bevor er fristlos kündigte. Für diesen Zeitraum erhielt er eine stolze Abfindung von 2,3 Millionen Euro – ungefähr 76.000€ pro Tag. Nach seiner Bahnkarriere besetzte er Posten im Aufsichtsrat von Bombardier, einem Konzern, der unter anderem Züge baut, und als Berater für die Tunnelbaufirma Herrenknecht. Das ist besonders brisant, da diese satte Profite an Stuttgart21 macht. Einem Bauprojekt, das bekanntermaßen einzig und allein den involvierten Firmen, Unternehmern und Investoren nützt. Die alt-bekannte „revolving-door“-Politik. 


Kaputtgespart

In dieser Zeit wurde die Bahn regelrecht kaputtgespart. Weichen, Schwellen, Abstell- und Ausweichgleise wurden abgebaut, Stellwerke geschlossen, unzählige Kilometer Gleise stillgelegt, Personal entlassen, an der Wartung gespart, auf Verschleiß gefahren. Ebenso rigoros spart die Deutsche Bahn an Lärmschutzmaßnahmen. Im oberen Mittelrheintal beispielsweise zerstört der Güterzugverkehr die landschaftliche Idylle. Die Liste ließe sich beinahe ewig fortführen, ja selbst Lautsprecherdurchsagen zur Vorsicht bei vorbeifahrenden Zügen wurden aus Kostengründen abgeschafft. Auch an der Sicherheit der Fahrgäste wird gespart. Das Eisenbahnbundesamt wies den Konzern in dutzenden von amtlichen Bescheiden an, „notwendige Reparaturen“ vorzunehmen, um „Gefahren für Leib und Leben“ abzuwenden. Da allerdings im Bahngesetz von 1993 festgeschrieben ist, dass die Bahn für Reparaturen aufkommen muss, der Bund jedoch Neuanschaffungen bezahlt, lässt die Deutsche Bahn vieles einfach verrotten, bis es neu gebaut werden muss. Dass sie bei Neubauten auch noch Geld für die „Planungsaufsicht“ einstreicht, macht das Ganze für die Deutsche Bahn noch lukrativer. So steht der Konzern mittlerweile fast schon symbolisch für prahlerische Riesenprojekte, bei deren genauerer Betrachtung sich Sinn- und Zweckhaftigkeit meist nicht erschließen. So wie die neue ICE-Strecke zwischen München und Berlin, die schon bei ihrer Jungfernfahrt mit 2 Stunden Verspätung glänzte. Bei der Fertigstellung hatten sich die Kosten auf 10 Milliarden Euro verdoppelt, wobei der Staat immer wieder einsprang und im internationalen Vergleich beeindruckt eine Fahrtzeit von 4 Stunden (plus den einzuplanenden Verspätungen) absolut nicht. Für eine ähnliche Entfernung z.B. von Barcelona nach Madrid braucht der Schnellzug dort nur zweieinhalb Stunden.

Seit Mehdorns Amtsantritt hat die Deutsche Bahn rund 2500 Bahnhöfe verkauft, besonders im Osten wurden viele von ihnen dicht gemacht. All diese Bahnhöfe hat die Deutsche Bahn nicht selbst gebaut oder finanziert, dennoch fließt der Erlös ausschließlich in den Konzern. 1994 war die Bahn neben der Kirche und dem Fürsten Fritz von Thun und Taxis im Besitz des größten Immobilien- und Grundstückseigentums Deutschlands. Auch viele dieser Grundstücke wurden für den schnellen Profit verscherbelt. Oft werden diese vom Staat gekauft, wie beispielsweise der Bahnhof Altona. Die Kommunen bezahlen also Unsummen an die Deutsche Bahn für Eigentum, das dem Unternehmen von der Allgemeinheit geschenkt wurde.

Und auch das Streckennetz in Deutschland ist skandalös schlecht ausgebaut. Nicht nur, dass es im Jahr 2019 um gerade einmal sechs Kilometer erweitert wurde, auch werden immer mehr Regionen vom Fernverkehr abgekoppelt. Über 100 Städte, darunter Potsdam, Krefeld, Trier oder Bayreuth – und damit knapp 17 Millionen Menschen – sind von diesen Sparmaßnahmen betroffen. Viele von ihnen werden auf das Auto umgestiegen sein.

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Bahn sich lieber auf profitable Prestige-Projekte konzentriert, als tatsächlich eine funktionierende Infrastruktur für die breite Bevölkerung zu betreiben.


Güterverkehr


Auch beim Güterverkehr, der in Sachen Verkehrswende eine immense Rolle spielt, macht die Bahn alles erdenklich mögliche falsch. Während in den letzten 2 Jahrzehnten das Straßennetz in Deutschland um knapp 300.000 Kilometer gewachsen ist, wurde das Schienennetz um mehr als 20% zurückgebaut. Auch die Gleisanschlüsse für die Industrie werden immer weniger, was dazu führt, dass diese beim Transport auf die Straße umsteigen. Beispielhaft hierfür steht die Abschaffung der Postzüge im Jahr 1997 durch Heinz Dürr, Ex Daimler-Vorstandsmitglied. Die Deutsche Post AG schaffte sich damals 6000 neue LKW an. Natürlich von Daimler. Pro Kilometer stößt ein LKW viermal so viele Klimagase aus wie ein Güterzug, der aber die Transportkapazität von 40 LKW’s hat. Ein umweltpolitischer Wahnsinn.

Dabei gibt sich die Bahn gern als umweltfreundliche Alternative zum Auto oder zum Flugzeug und wirbt damit, dass der Fernverkehr komplett mit Ökostrom fahre. Allerdings ist der Fernverkehr die kleinste Sparte im Konzern und dieser „Ökostrom“ kann durchaus auch aus einem Atomkraftwerk kommen. Am AKW Neckarwestheim, einem uralten Meiler, besitzt die Deutsche Bahn sogar Anteile. Hinzu kommt, dass nicht einmal 60% des Schienennetzes elektrifiziert sind – fast 2500 Triebwagen und Lokomotiven mit Dieselmotoren gehören noch zur DB-Flotte. Fast die Hälfte des Bahnstroms kommen aus Kohle- oder Atomkraftwerken. Außerdem ist der Konzern der größte Einzelverbraucher von Glyphosat in Deutschland. Rund 65 Tonnen werden jährlich versprüht um Unkraut im Schotterbett zu bekämpfen. Ein großes Problem stellen auch die vielen Tunnel dar. Nicht nur, da sich beim Durchfahren durch den höheren Luftwiderstand der Energieverbrauch verdoppelt, vor allem im Bau benötigen sie riesige Mengen an Stahl und Beton. Dabei sind die Zement- und Stahlindustrie für knapp 20% der von den Menschen produzierten Klimagase verantwortlich.


Immer schlechter, immer teurer

Unzählige Skandale und einzelne Themen könnte man noch anführen und kritisieren. Aber kommen wir noch einmal auf das Preissystem der Deutschen Bahn zurück. Da gibt es Sparpreise, Sommerpreise, Supersparpreise, Sparangebote, Spartickets, normale Tickets und vieles mehr. Zwischen 1993 und 2018 sind die Fahrpreise im Bahnverkehr um gut 80% gestiegen, während die allgemeine Teuerungsrate gerade mal bei knapp 40% lag. Durch die erneute Preissteigerung wird das im europaweiten Vergleich in Deutschland ohnehin schon teure Bahnfahren noch unerschwinglicher.

Eine echte Umstellung wäre zwar möglich, würde aber auch echten Willen zur Verkehrswende verlangen. Mal angenommen, der im Jahr 2017 von der Deutschen Bahn alleine im Personenverkehr erwirtschaftete Gewinn von 14 Milliarden Euro, sowie der deutsche Haushaltsüberschuss von 62 Milliarden Euro wären investiert worden: Dann hätten alle in diesem Jahr gekauften Tickets stattdessen verschenkt werden können, ohne dass dies wirtschaftliche Probleme mit sich bringt. Mit den übrigbleibenden Milliarden könnte man die Streckennetze ausbauen, neue Züge anschaffen und Mitarbeiter:innen anstellen, sowie fair bezahlen. Angesichts der Klimakrise wäre das das Mindeste, doch nichts davon geschieht. Die Autolobby und ihre Funktionäre werden weiter hofiert und eine echte Verkehrswende dadurch auf absehbare Zeit nahezu unmöglich gemacht. 

Wir sind gefragt: Verkehrswende bleibt Handarbeit!

#Titelbild: David Abadia on unsplash

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2 Kommentare

    Kurz verlinkt | Schwerdtfegr (beta) 9. November 2021 - 0:10

    […] Ein paar worte zur deutschen bananenbahn… […]

    […] dazu auch: Deutsche Bahn – Mit Vollgas in die Klimakrise! Die Deutsche Bahn erhöht (mal wieder) die Preise. Warum die Bahnpolitik einer Verkehrswende und dem Kampf gegen die Klimakrise zuwiderläuft. Mit der deutlichsten Erhöhung der Preise (+1,9%) im Fernverkehr seit 2012 wird das Bahnfahren in Deutschland ab Dezember dieses Jahrs wieder einmal unattraktiver. Der Konzern kommentiert jedoch: „Im langfristigen Vergleich bleibt Bahnfahren weiter günstig.“ Bahnfahrende in Deutschland wissen, dass das völliger Quatsch ist. Kaum eine Strecke ist mit dem Auto, dem Bus oder dem Flugzeug nicht günstiger und schneller zu bestreiten als mit dem Zug. Dieser bietet so gut wie keine Vorteile für die Reisenden, abgesehen vom guten Gefühl möglichst ökologisch zu reisen. Und selbst das verschwimmt bei genauerem Hinsehen deutlich. Aber beginnen wir etwas weiter vorn. Bahnreform – Der Anfang vom Ende Quelle: Lower Class magazine […]