Sri Lanka: Zerstörung des Mullivaikkal-Denkmals

13. Januar 2021

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion zerstörte die sri lankische Regierung am achten Januar das „Mullivaikkal“- Denkmal, das von Mitgliedern der Kunstfakultät und der Student*innenvereinigung der Jaffna Universität entworfen und im Februar 2019 während der Sirisena-Regierung auf dem Campus der Jaffna Universität errichtet wurde. Einige von ihnen haben selbst den letzten Völkermord überlebt und/oder Angehörige verloren.
Das Denkmal sollte an die tamilischen Zivilist*innen erinnern, die beim Genozid der sri lankischen Regierung bis 2009 ermordet wurden.

Student*innen und Menschen der lokalen Bevölkerung versammelten sich umgehend vor den Toren des Campus, um die Zerstörung des Denkmals zu verhindern. Aufgrund der hohen Militärpräsenz blieb es jedoch lediglich beim Versuch. Mindestens zwei Student*innen wurden verhaftet.

Die buddhistisch-singhalesische Regierung versucht durch Aktionen wie diese, die Erinnerung an ihre Kriegsverbrechen während des Bürgerkrieges von 1983 bis 2009 zu vertuschen. Damals kämpften militante tamilische Organisationen, (vor allen die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) für die Unabhängigkeit der tamilischen Gebiete im Norden und Osten der Insel. Allein in der Endphase des Krieges, der durch eine Großoffensive der Regierung und mit der physischen Vernichtung der LTTE endete, starben bis zu 70.000 Zivilist*innen.

Neben der Geschichtsklitterung sollen Tamil*innen jegliche Symbole, Erinnerungen und öffentliche Trauerorte genommen werden, um ein Wideraufflammen des Aufstandes zu verhindern. In einer Erklärung der Studierendenvereinigung der Jaffna Universität heißt es: “Die Zerstörung von Mullivaikkal ist der Höhepunkt des Völkermords am tamilischen Volk. […] Dieser Akt ist eine Beleidigung nicht nur für die Studenten der Universität, sondern auch für das gesamte tamilische Volk. Es ist auch ein Akt der Verweigerung des Rechts eines Volkes auf Erinnerung.”

Der pensionierte Konteradmiral und Minister für Öffentliche Sicherheit, Sarath Weerasekara, ist dafür bekannt, die Rechte der Tamilen anzugreifen und twitterte: “Die #JaffnaUniversity ist nicht die exklusive Domäne oder das Eigentum einer Gemeinschaft. Sie gehört allen gesetzestreuen #SriLanka(n) gleichermaßen. Niemandem wird & sollte es erlaubt sein, toten #Terroristen einer verbotenen Organisation unter dem Deckmantel des Gedenkens an unschuldige Zivilisten zu gedenken & Disharmonie zu schaffen!#lka.“

Derweil dauern die Proteste weiter an. Am Samstag sind Student*innen der Jaffna Universität in einen Hungerstreik getreten und fordern den Wiederaufbau des Mullivaikkal Denkmals und die Entmilitarisierung. Der Rektor der Jaffna Universität behauptet, er stehe unter Druck von Sri Lankas Verteidigungs- und Geheimdienststrukturen, das Denkmal zu entfernen.

Am Montag brach ein Hartal-Streik aus, der zur Schließung von fast allen Läden sowie kommerziellen Aktivitäten und Stilllegung des privaten Transportwesens im Norden und Osten Sri Lankas führte. Unterstützt wurde er von vielen tamilischen und muslimischen Geschäftsinhabern, Gewerkschaften und Parteien in den tamilischsprachigen Regionen der Insel. Am selben Tag versicherte der Vizekanzler der Jaffna University Sivakolundu Srisatkunarajah den Student*innen, das Denkmal wieder aufzubauen. In einer symbolischen Geste wurden zwei Grundsteine gelegt. Die Student*innen beendeten daraufhin ihren Hungerstreik.
Doch der Vizekanzler der Jaffna University hat angedeutet, dass an Stelle des Mullivaikkal Denkmals, ein sogenanntes “Friedensdenkmal” gebaut werden soll, was Misstrauen und Bedenken über das Versprechen auslöste. Von einigen wird die Grundsteinlegung als Farce bezeichnet, um die Proteste zu stoppen. In der Vergangenheit wurden tamilische Gedenkstätte immer wieder zerstört, beispielsweise wurde Thileepan Anna’s Memorial mehrfach von dem sri lankischen Staat demoliert. Auch hier wurde der Wiederaufbau versprochen, was bis heute nicht geschah. Es gibt eine lange Geschichte von Zerstörungen von tamilischen Gedenkstätten von dem Sri Lankischen Staat und der Errichtung von triumphierenden singhalesischen Kriegsdenkmälern in tamilisch dominierten Gebieten.

Ehemaliger Minister und ACMC (All Ceylon Makkal Congress)-Führer Rishad Bathiudeen sagt zu Tamil Guardian: “Es kann keinen anderen Grund geben, als Rassisten und Extremisten zu befriedigen. Die Verbrennung von Leichen und die Zerstörung von Denkmälern sind Manifestationen des grassierenden Rassismus gegen Minderheiten in diesem Land. Kein menschliches Wesen würde diese Art von rassistischen Aktivitäten akzeptieren […] Es ist, als ob sie denken, dass sie die Rassisten besänftigen und das Land verbessern können, indem sie die Besitztümer der Minderheitsbevölkerung zerstören und ihre Herzen brechen.“

Weltweit hat die Zerstörung des Denkmals Empörung ausgelöst und Bilder der Zerstörung wurden unzählige Male in den sozialen Medien geteilt. Politiker*innen aus der ganzen Welt prangern diese Tat an, darunter Großbritannien, Kanada und Tamil Nadu. Tamil*innen in Toronto, Berlin und Chennai hielten öffentliche Kundgebungen ab und Kampagnen in den sozialen Medien gingen viral.
Der Konflikt zwischen Tamil*innen und Singhalesen ist mit dem offiziellen Ende des Bürgerkrieges am 18. Mai 2009 nicht vorbei. Der Mullivaikal Genozid – benannt nach einem Dorf im Nordosten Sri Lankas, in dem sich die letzte Phase des Bürgerkrieges unter anderem abspielte – wurde von dem damaligen Präsidenten, und jetzigem Premierminister Mahinda Rajapaksa und seinem Bruder dem damaligen Verteidigungsminister und jetziger Präsident Gotabaya Rajapaksa befohlen. Die Sri Lankische Armee zwang etwa 300.000 Tamil*innen in eine “No Fire Zone” zu flüchten und versuchte anschließend alle Zivilist*innen zu töten. Allein beim Mullivaikal Genozid kamen ca. 40.000 Zivilist*innen um. Mit der Tötung von Velupillai Prabhakaran am 18. Mai 2009 endete der Bürgerkrieg offiziell. Während dieses Kampfes um Selbstbestimmung starben etwa 150.000 bis 200.000 tamilische Zivilist*innen.

Die Untersuchungen der Vereinten Nationen bestätigen, dass während des Krieges in Sri Lanka Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Eine unabhängige Untersuchung des Genozides ist seit dem Ende des offiziellen Bürgerkrieges immer noch nicht vollzogen worden. Der europäische Parlamentarier Nikolaj Villumsen fordert den Druck darauf zu erhöhen. Bis heute wurde keiner der Täter vor Gericht gestellt, stattdessen haben sie die mächtigsten politischen Positionen in Sri Lanka inne.

Die srilankische Regierung leugnet auch heute und trotz stichhaltiger Gegenbeweise weiterhin alle Kriegsverbrechen. Sri Lanka ist ein Staat des Völkermords, der vom singhalesisch-buddhistischen nationalistischen Klerus kontrolliert wird. Sie setzen einen strukturellen Genozid gegen das tamilische Volk bis heute fort. Durch die Militarisierung im Norden der Insel, die staatlich geförderte Zerstörung der tamilischen Kultur, die Zwangsansiedlungen in den Gebieten der tamilischen Mehrheit und die weit verbreiteten Misshandlungen gegen die tamilische Gemeinschaft durch die Sri Lankische Armee und den politischen Kräften.

Mit der Zerstörung des Mullivaikkal-Denkmals werden Tamil*innen ein weiteres Mal ihrer Grundrechten beraubt und der Riss zwischen den bereits tief gespaltenen Bevölkerungsgruppen vertieft sich weiter.
Am Dienstag veröffentlichten Student*innen der Jaffna University eine Stellungnahme, indem sie einen internationalen Aufruf zur Solidarität gegen den Völkermord aufrufen:

“Wir bitten Euch, unterstützt:
Unsere grundlegenden Menschenrechte
Unser Recht auf faire Behandlung
Unser Recht auf Bildung
Unser Recht auf Gleichheit und Gleichberechtigung wie alle anderen Schüler”

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