Jauchzet, frohlocket, die Adventszeit bricht an. Es sind die Wochen, in denen die Verlogenheit und Doppelmoral der Bourgeoisie neue Höchstwerte erreichen, ihren Peak im Jahreslauf. „Wir lassen uns das Shoppen nicht verbieten!“ singt die ganze Konsumgemeinde von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. Eine Pandemie kann diese hedonistisch verseuchte Gesellschaft nicht von ihren Lieblingsbeschäftigungen abhalten, vom hemmungs- und besinnungslosen Feiern und Schlemmen, Saufen und Kaufen. Und wenn das in den Läden der Innenstädte wegen der Pandemie keinen rechten Spaß mehr macht und die Restaurants dicht haben, dann wird das alles eben zu Hause erledigt.
Tödliche Weihnacht überall! Dem adventlichen Overkill entgeht keiner. Von früh bis spät werden wir zugeschüttet mit dem Mist. Lichterketten überall, und rote Kugeln, Sterne, Dominosteine, Tannenbäume, „Driving home for Christmas“ und so weiter und so fort. Ein verlogener Zirkus!
In der Advents- und Weihnachtszeit kommt die Bourgeoisie zu sich wie sonst zu keiner anderen Jahreszeit. Sie führt uns vor, dass sie in Wirklichkeit auf alles scheißt, was ihr angeblich so wichtig und heilig ist. Denn der ganze Rummel im Dezember ist ja nicht etwa nur eine leichte Übertreibung, also ein Zuviel von etwas an sich Gutem. Sondern die Konsumorgien und die endlose Völlerei widersprechen Sinn und Funktion der Adventszeit in allem diametral – zumindest wenn man die christliche Bedeutung zugrunde legt und auf die wird sich ja schließlich berufen.
Was auch immer man als Linker von christlichen Überlieferungen halten mag, eine innere Logik lässt sich ihnen nicht absprechen. Und die Adventszeit ist in dieser Tradition – Überraschung! – eine Fastenzeit, so wie die Wochen vor Ostern. Das heißt aber: Es ist eine Zeit des Verzichts, des Innenhaltens, der Besinnung. Sie dient in diesem Verständnis der Vorbereitung auf das „große Ereignis“, also auf die Geburt des Religionsgründers. Nur so macht der Advent im christlichen Verständnis Sinn. Verzicht ist aber natürlich das Letzte was die Koofmichs gebrauchen können, die jetzt ihren Schnitt machen wollen. Verzicht, Besinnung, Innehalten, alles Gift fürs Geschäft. Die Leute sollen in die Geschäfte rennen und kaufen was das Zeug hält oder am PC im Akkord auf die Bestellbuttons klicken und nicht vor einer Kerze sitzen und über Jesu Geburt nachgrübeln. Darum wird der Rhythmus, den das christliche Kirchenjahr vorsieht, vom Kommerz auch mal locker auf den Kopf gestellt.
Denn nach dessen Logik folgt auf den Advent als Zeit der Vorbereitung am 25. Dezember die Weihnachtszeit, die tatsächlich mindestens bis zum 6. Januar, dem Fest Epiphanias, dauert, gedacht als eine Zeit der Erfüllung und des Feierns. Ist ja auch irgendwie folgerichtig: Am 24. ist, wie vorhergesagt, der Heiland geboren worden und da wird natürlich ein Fass aufgemacht. Die Imperative des Konsums wollen es aber genau anders herum: Die Leute müssen in der Adventszeit emotional stimuliert werden, was am 24. und 25. Dezember in einem weihnachtlichen Orgasmus münden soll. Wobei es sich tatsächlich meistens um einen Coitus interruptus handelt, weil sich Sehnsüchte eben nicht mit Gekauftem erfüllen lassen. Kein Wunder, dass Weihnachten für viele eher ein Fest der Depressionen ist.
Aber das ist natürlich alles kulturpessimistisches Gejammere. Wir wollen den Leuten doch nicht den Spaß verderben. Also, liebe Leser, runter vom Sofa und hopp hopp in den Laden oder an den PC. Vom Glück trennt dich nur 1-click bei Amazon!
# Titelbild: Dima D, pexels, gemeinfrei
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