Diego Maradona: Hasta siempre compañero

27. November 2020

Autor*in

Helga Nahm

Diego Maradona war nicht der unumstrittenste Fußballer den die Welt je gesehen hat, aber definitiv einer der Besten – nun ist er tot. Am 25. November verstarb der ehemalige Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft nach einem Herzinfarkt.

Egal ob sportlich, politisch oder durch Benefizspiele – Diego Maradona war immer ein Kind seiner Klasse. Geboren am 30. Oktober 1960 in Villa Fiorito, einem armen Viertel Buenos Aires‘, spielt er schon als Kind ständig auf den Straßen und Plätzen seines Viertel und beginnt schließlich mit neun Jahren seine spätere Weltfußballerkarriere in der Kindermannschaft der „Argentinos Juniors“. 1981 entscheidet Maradona sich gegen einen Vertrag beim argentinischen Verein CA River Plate, Spitzname „los Millonarios“, und unterschreibt lieber beim Stadt- und Erzrivalen CA Boca Junior. Einem Verein, der im Jahr 1905 im hauptsächlich von emigrierten genuesischen Industriearbeiter:innen bewohnten Viertel La Boca in Buenos Aires gegründet wurde. Dort steht auch „La Bombonera“, jenes weltberühmte Stadion mit den steilen Rängen, dessen Ostgerade auf den ersten Blick eher an einen Plattenbau, als an eine V.I.P.-Tribüne erinnert und in dem Maradona am 25. Oktober 1997 sein letztes Profispiel bestreiten sollte.

Dazwischen liegen 15 Jahre Achterbahn, sowohl sportlich als auch privat. Nach der Weltmeisterschaft 1982 wechselt el Pibe de Oro für eine Rekordsumme zum FC Barcelona, mit dem er 1983 den Ligapokal gewinnen kann. Doch in diese Zeit fallen auch weiße Partynächte, die die entsprechenden Schlagzeilen mit sich bringen, sowie eine schlimme Knöchelfraktur durch ein Foul im Ligaspiel gegen Athletic Bilbao. Nach einem Aufenthalt bei seiner Familie in Argentinien, die ihm dabei hilft sich aus der Verletzung zurück zu arbeiten, steht er schließlich im Januar 1984 wieder auf dem Feld. Und schon wieder kommt es zu einem schicksalhaften Aufeinandertreffen mit Bilbao. Diesmal im Pokalendspiel und vor den Augen den Spanischen Königs. Der FC Barcelona verliert mit 0:1. Und Diego Maradona? Beginnt eine Massenschlägerei auf dem Rasen, die ihren Namen verdient hat. Daraufhin verpasst ihm die Spanische Liga eine dreimonatige Sperre, seine Zeit in Katalonien ist vorbei.

Nach diesem Ausflug in die sportliche Bourgeoisie unterschreibt er kurzerhand einen Vertrag beim SSC Neapel. Dort wird er nicht nur gefeiert, weil sich Fans und Verein fußballerische Erfolge erhoffen, sondern auch, weil sich die Neapolitaner mit dem prolligen Maradona identifizieren können – und umgekehrt. Er fühlt sich zu Beginn sichtlich wohl, beteiligt sich an einem Benefizspiel für ein herzkrankes Kind in einem Neapolitanischen Vorort und bleibt insgesamt sieben Jahre in der süditalienischen Hafenstadt. Mit ihm erringen Gli Azzuri ihren ersten (und zweiten) Meistertitel und gewinnen 1989 den Europapokal. Die Stadt vergöttert Maradona. Doch auch hier gibt es Skandale: Diego und die Mafia, Diego und das Kokain. Nach dem UEFA-Pokalsieg bittet er seinen Trainer, ihn gehen zu lassen, doch dieser verweigert. Und so folgen zwei wenig ruhmreiche Jahre.

Nach der Weltmeisterschaft 1990, bei der Maradona im Halbfinale ausgerechnet in seiner sportlichen Heimat Neapel die italienische Nationalmannschaft durch einen Elfmeter-Treffer aus dem Turnier schießt, verliert er stark an Sympathie. Und auch im nächsten Jahr läuft es nicht besser: Im Februar wird Maradona in Abwesenheit wegen Besitz und Weitergabe von Betäubungsmitteln zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, kurze Zeit später folgt ein positiver Dopingtest, der zu einer 15-monatigen Sperre führt. Damit ist sein Abschied besiegelt. Er geht zurück nach Argentinien, wo er sein Spielverbot absitzt, führt zähe Verhandlungen mit Neapel um sich endlich aus dem Vertrag zu lösen und spielt schließlich weit unter seinem vorherigen Niveau erst beim SC Sevilla, dann zurück in Argentinien bei den Newell’s Old Boys. Erneut muss er nach der WM 1994 eine 15-monatige Sperre aufgrund der Einnahme verbotener Substanzen hinnehmen, bevor der Kreis sich schließt und er zurück bei den Boca Juniors ist.

Am 30. Oktober 1997, seinem 30. Geburtstag, verkündet Diego Maradona, der Weltklassefußballer mit unzähligen Internationalen und Nationalen Titeln, schließlich sein offizielles Karriereende. Unvergessen bleibt sein Tor gegen England bei der WM 1986, von dem er später selbst sagt, dass die „Hand Gottes“ im Spiel gewesen sei. Aber auch hinsichtlich seiner politischen Ansichten und Äußerungen bleibt er im Profifußball unvergessen: Auf dem rechten Arm das Konterfei Che Guevaras – nach Maradona „der größte Argentinier aller Zeiten“ – tätowiert, auf dem linken Bein Fidel Castro, zu dem er eine enge Freundschaft pflegte. Aus seinen Sympathien für den Sozialismus und seine Repräsentanten machte er nie einen Hehl. So widmete er seine Publikums-Auszeichnung zum „Spieler des Jahrhunderts“ bei der FIFA-Weltgala in Rom dem „argentinischen Volk, dem kubanischen Volk“, sowie Che und Fidel. Letzteren hatte er während seinem vierjährigen Entzugsaufenthalt in Kuba besser kennengelernt, wo sie nach eigener Aussage regelmäßigen zusammen Morgenspaziergänge unternahmen.

Maradona selbst bezeichnete den kubanischen Revolutionär als eine Vaterfigur, war noch bis zu dessen Tod im Jahr 2016 (ebenfalls am 25. November) eng mit ihm verbunden und besang ihn schon mal aus dem Pool heraus in Fußballmanier. Doch Fidel Castro war nicht der einzige sozialistische Staatschef mit dem er Kontakt hatte. 2005 fuhr er gemeinsam mit Hugo Chavez und Evo Morales zum „3. Kongress der Völker“ nach Mar del Plata in Argentinien, der als Gegenveranstaltung zum Kuba ausschließenden „Amerikagipfel“ stattfand und sich für eine soziale Politik auf dem amerikanischen Kontinent einsetzte. Auch den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva lernte er kennen und Nicolás Maduro sprach er noch im Januar diesen Jahres bei einem Treffen seine „bedingungslose Unterstützung“ aus, selbiger äußerte an Maradonas Todestag, dieser habe ihnen bei „geheimen Dingen“ geholfen, „um Nahrungsmittel für das venezolanische Volk zu bringen“.

Selbst in die Gefilde der deutschen Linksradikalen hat sich Diego Maradona schon verlaufen. Im Jahr 2010 stellte er bei der Buchmesse in Frankfurt seine Biographie vor. Gleichzeitig fand im Café Exzess die traditionelle „Gegenbuchmasse“ statt. Auch in diesem Jahr, wie die offizielle Buchmesse mit einem Schwerpunkt auf linke, argentinische Literatur. Maradona scheint aus familiären Gründen öfter im Stadtteil Bockenheim unterwegs gewesen zu sein und an diesem Abend lockte es ihn ins Exzess. Die Veranstaltung selber besuchte er am Ende nicht. An der Kasse saß nur eine Person, die sich über den Auftritt des Mannes im Anzug – mit Sonnenbrille auf der Nase und Zigarre im Mund – sowie seines Begleiters, der ihn da am liebsten ganz schnell wieder raus haben wollte, sehr wunderte. Er ging, ohne erkannt zu werden. Erst als am nächsten Tag ein Foto von ihm in der Zeitung erschien, auf dem er dieselben Klamotten trug, löste sich das Rätsel auf.

Diego Armando Maradona wird nicht nur als großartiger Fußballspieler in Erinnerung bleiben, sondern auch als Mensch der immer wieder mit seinen eigenen Widersprüchen und dem Druck seiner Berühmtheit zu kämpfen hatte. Aber selten hat ein Sportler seiner Klasse seine Klasse so offensiv verteidigt. Wie er schon zu Fidel Castro’s Tod sagte: Hasta la victoria siempre!

# Titelbild: cereales killer, CC BY-SA 4.0 Mural von Maradona in Neapel

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