Vorstoß der Gesamtmetall-Bosse: Generalangriff unter dem Corona-Deckmantel

26. Oktober 2020

Der „Arbeitgeberverband“ der Metallindustrie bläst zur Offensive. Im Gespräch mit der Bild-Zeitung präsentierte Stefan Wolf, designierter Gesamtmetall-Chef, eine Wunschliste ausgewählter Grausamkeiten. Der Kern: Die Beschäftigten sollen unbezahlt mehr arbeiten. „Mal zwei oder auch mal vier Stunden pro Woche“ kann er sich vorstellen, den Metallarbeiter*innen dieses Landes abzuknöpfen. Die 35-Stunden-Woche sei unzeitgemäß, die Löhne in Deutschland zu hoch.

Er stößt damit in die gleiche Kerbe wie zuvor sein Vorgänger Rainer Dulger. Der Multimillionär und Erbe eines Familienunternehmens beweinte zuerst, dass „es nichts zu verteilen gebe“, weil Corona es der Industrie eben unmöglich mache. Von den Gewerkschaften erwarte er eine Nulllohnrunde – also faktisch schon ob der Inflation eine Reallohnsenkung. Mehr noch aber sei selbst das nur „ein Signal“, denn es gehe um eine Trendwende: „Wir Arbeitgeber predigen seit Jahren, dass zu hohe Lohnkosten und Lohnnebenkosten Konsequenzen haben.“ Auf die Frage, was er Dulger von den Verhandlungsangeboten der Gewerkschaft IG Metall hält, antwortet der Manager mit der üblichen Erpressungsstrategie: „Wer in dieser Lage Arbeit noch teurer macht, als sie ohnehin schon ist, riskiert, dass Firmen auf Dauer Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.“

Es geht also – wie immer – um den Standort Deutschland. Der heilige Kral für beide Seiten der „Sozialpartnerschaft“ zu dessen Rettung am Ende die Belegschaften „Zugeständnisse“ machen müssen. Doch wir haben Krise und so verlangt der heilige Standort ganz besondere Opfer.

Die (von anderen, nicht von den Kapitalisten) zu erbringenden Opfer hat der „Arbeitgeberverband“ der Metallbranche in einem Papier festgehalten, das den Titel „Wiederhochfahren und Wiederherstellung -Vorschläge für die 2. und 3. Phase der Corona-Krise“ trägt. Es beginnt damit, dass die Pandemie genutzt werden soll, um die ohnehin schwachen Vorgaben zum Klimaschutz aufzuweichen: Es sei nötig, dass „auf eine weitere Verschärfung der Kli-maschutzziele, insbesondere durch die EU-Kommission verzichtet wird.“

Im selben Tenor geht es weiter, denn es soll auf sehr vieles „verzichtet“ werden: auf eine Vermögenssteuer, die Erhöhung der Erbschaftssteuer, die Grundrente und eine Reihe von Regelungen zum Schutz von Arbeiter*innen. Auch Leiharbeit und „flexible“ Arbeitsverhältnisse will man nicht beschränkt sehen.

Das Papier ist ein Generalangriff, denn die deutschen Industriefürsten haben sich viel vorgenommen. Die Pandemie soll genutzt werden, um Reallohnsenkungen durchzudrücken und einen Abbau von Rechten der Werktätigen zu beschleunigen, der im Grunde genommen seit Jahrzehnten im Gang ist.

Und so wie es aussieht, könnte zumindest einiges davon Erfolg haben. Von SPD und CDU/CSU ist selbstredend nichts zu erwarten, aber auch die Gewerkschaften haben vielerorts bereits vor der Schlacht die Waffen gestreckt und führen nur noch Defensivkämpfe zum Arbeitsplatzerhalt. Und in den radikaleren Teilen der Linken dieses Landes scheint man dergleichen Attacken erst gar nicht für irgendwas zu halten, was einen selbst betrifft.

Dabei wäre die Vorlage des Klassenfeinds geeignet zur Vereinigung vieler Kämpfe, denn er richtet sich ja gegen verschiedene Teile der Bevölkerung: Die Aufweichung der Klimaziele betrifft schlechthin alle, bewegt aber derzeit die Jüngeren; die Forderung nach noch mehr Altersarmut dagegen betrifft unmittelbar die Älteren. Und die Wünsche nach Lohnkürzungen betreffen nicht nur alle Beschäftigten im Metallsektor, sondern haben generell Signalwirkung. Die Laissez-Faire-Auslegung des Gesundheitsschutzes verstärkt die Pandemie. Und die Ablehnung von Sozial- und Arbeitsstandards in den Lieferketten schreibt das globale Ausbeutungsmodell des deutschen Imperialismus fest.

Die Bosse der Metaller sind insofern ein dankbarer Gegner. Sie sagen offen, was sie wollen. Und es ist nicht schwer zu verstehen, dass es sich gegen die überwiegende Mehrheit der Menschen richtet. Eigentlich eine gute Gelegenheit für eine Gegenoffensive.

# Bildquelle: wikimedia.commons

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