Gentrifizierung in Magdeburg: Baustelle Buckau

14. September 2020

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Gastbeitrag

Dieser Text erscheint in der dritten Ausgabe der „Magdeburger Volksstimmung“, einer lokalen selbstorganisierten Zeitung, welche auf der Straße verteilt und in Briefkästen gesteckt wird. Der Anspruch der Zeitung ist es, kritische Nachrichten von unten für die Bevölkerung Magdeburgs zu verbreiten. Die Redaktion setzt sich dabei nicht aus professionellen Journalist:innen zusammen, sondern von Menschen von unten, die partei-, NGO- und stiftungsunabhängig sind.

Die allgemeine Aufwertung der Stadt Magdeburg konzentriert sich schon seit einiger Zeit nicht mehr ausschließlich auf die Innenstadt und Stadtfeld-Ost. Auch an der Elbe liegende Gebiete, wie Buckau, sind ein beliebtes Ziel für Vermögens- und Immobilienverwalter geworden. Doch was macht Magdeburg für sie so attraktiv? Obwohl die Zahl der EinwohnerInnen und die Wirtschaft in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt in den letzten Jahren gewachsen sind, sind die Preise für Bauland vergleichsweise günstig. Für die Investoren lohnt es sich also jetzt noch zuzugreifen und Bauland aufzukaufen, bevor dessen Preis steigen könnte. Deshalb wird der Immobilienmarkt in Magdeburg von Branchenkennern immer häufiger als „hotspot“ im Osten Deutschlands bezeichnet. Jedoch: Seit diesem Jahr ist die EinwohnerInnenzahl von Magdeburg erstmals wieder leicht rückläufig und der Corona-Virus hat eine wirtschaftliche Rezession eingeleitet, deren Folgen sich noch nicht vorhersehen lassen. Ob und wie schnell sich die neu gebauten schicken Wohnungen letztlich vermieten lassen, steht also noch in den Sternen.

Von der gezielten Zerstörung zur gezielten Aufwertung

Währenddessen bewerben Immobilienfirmen Buckau als das neues In-Viertel Magdeburgs, das sich aufgrund seiner Nähe zur Altstadt und zur Elbe, der restaurierten Bausubstanz aus der Gründerzeit und mit seinen Bildungs- und Kulturangebot zu einem schicken Wohnviertel für die ganze Familie entwickelt habe. Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Die Stadtteilaufwertung in Buckau wurde gezielt gefördert. Das Gebiet ist Bestandteil des Stadtentwicklungskonzeptes „URBAN 21“ des Landes Sachsen-Anhalt. In Buckau gab es 15 Projekte im Rahmen von URBAN 21. Dazu zählt etwa die Elbufergestaltung am Sülzehafen und der Umbau des ehemaligen Speichers, der Parkplatz am Elbbahnhof (auf dem kaum je ein Auto steht) sowie die Grüne Mitte Buckaus einschließlich Thiemplatz.

Davor wurde Buckau über Jahrzehnte baulich vernachlässigt. Die ruinöse und dichte Wohnbebauung des Stadtviertels war mit seiner Nähe zu Betrieben des Schwermaschinenbaus von starken Umweltbelastungen geprägt. Die Buckauer Maschinenbaufabriken begründeten übrigens während der DDR-Zeit Magdeburgs Ruf als Stadt des Schwermaschinenbaus. Zu nennen sind hier vor allem die beiden VEB Schwermaschinenbau Ernst Thälmann (SKET) und Karl Liebknecht (SKL). In den ersten Jahren der Nachwendezeit kollabierten viele der bis dahin gewichtigen Großbetriebe und hinterließen Industriebrachen von gewaltigen Ausmaßen. Dieser wirtschaftliche Kollaps, ausgelöst durch die massenhafte Schließung und dem Verkauf von Betrieben durch die Treuhand, wurde begleitet von einer enormen Arbeitslosigkeit unter den BewohnerInnen im Viertel.

Bauen für Bonzen

Wer indes heute durch den Magdeburger Stadtteil Buckau spaziert, dem bleiben die unzähligen Kräne am Himmel nicht unbemerkt. Der Bauboom mutet fast schon surreal an – als würde jemand in Windeseile versuchen, die brachliegenden Flächen und baufälligen Gebäude in moderne, strahlende Wohnanlagen umzubauen, die moderne, strahlende Menschen in den Stadtteil ziehen.

Wenn man Buckau von Norden betritt, fällt zum Beispiel sofort die Baustelle an den frisch errichteten Messma-Lofts in der Schönebecker Straße ins Auge. Das Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Messgeräte-Werkes „Erich Weinert“ wurde in ein Wohn- und Geschäftshaus mit Loftwohnungen verwandelt. Die Messma-Lofts werden derzeit erweitert und sollen bald 150 Wohnungen beinhalten.

Eines der prestigeträchtigsten Projekte in Buckau ist das „BuckauQuartier“ an der Coquisstraße. Das ehemalige Gebäude wurde 1915 gebaut und als Straßenbahndepot genutzt. Nach 1945 wurde es in eine Sporthalle umgewandelt, später teils wieder gewerblich genutzt. Bis 2021 sollen dort 144 moderne Wohnungen entstehen. Der Immobilieninvestor, die Goldman Group, wirbt mit dem Slogan „Wohnen hinter historischen Fassaden“ für den Kauf einer Wohnung als „Anlageobjekt im begehrten Kiez“. Die Goldman Group kennt sich aus. Das Immobilienunternehmen aus Berlin wirbt auf seiner Internetseite damit, „viel Erfahrung bei der Sanierung und Aufwertung von Gründerzeithäusern im Prenzlauer Berg“ zu haben. In Magdeburg gehört der Goldman Group u.a. noch das LorenzQuartier.

Ein weiteres Bauprojekt ist das Quartier an der Elbe, welches dem BuckauQuartier in Sachen Exklusivität in nichts nach steht. Dort werden momentan 99 Wohnungen gebaut, die bis Ende 2022 fertiggestellt werden sollen. Die Investoren locken mit der einzigartigen Lage am Ufer der Elbe gegenüber dem Rote Horn Park. Die Wohnungen bekommen allesamt Fußbodenheizung, Video-Sprechanlage, 3-Meter hohe Decken und bodentiefe Fenster. Vielleicht, um die nächste Sturmflut mit bester Sichtqualität hautnah zu erleben und zu einem unvergesslichen Abenteuer werden zu lassen.

Das gleiche alte Lied

Neben diesen größeren, zusammenhängenden Projekten gibt es auch viele einzelne Neubauten, wie das Gebäude am Sülzeberg in Buckau, dem Loft-Haus an der Dorotheenstraße oder die Budenbergvilla an der Budenbergstraße. Die Auswirkungen solcher Luxusbauprojekte auf die soziale Struktur der Stadtteils lassen sich dabei schon erahnen. Ähnlich wie in Stadtfeld werden im kommenden Jahrzehnt die Mieten rasant ansteigen und die Bevölkerung weicht allmählich einer zahlungskräftigeren. Die Verdrängung hat dabei schon erste erkenntliche Züge angenommen. So musste der Zooladen, eine alternative Kneipe, schließen, weil der Eigentümer plant, ein Hostel in dem Gebäude zu errichten. Ebenso hatte auch „Peter Bahn“, ein angemieteter, selbstverwalteter Raum in einem alten Bahngebäude, welchen einige Privatpersonen aus dem Stadtteil als sozialen und kulturellen Treffpunkt nutzten, schon die Schlüssel abgeben müssen. Die alten Gebäude dort werden nun als Loftwohnungen umgebaut.

Um Lebens- und Wohnraum für einfache Menschen – auch in der Innenstadt – zu erhalten, können wir uns nicht auf staatliche Politik verlassen. Die Forderung nach einer Enteignung von milliardenschweren Immobilienkonzernen, welche mit menschlichen Grundbedürfnissen Milliarden scheffeln, ist legitim. Wohnraum ist kein Luxusgut und sollte ohne Profite auskommen. Gegen die Stadt der Reichen – Miethaie enteignen!

# Titelbild: Magdeburger Volksstimmung

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Ein Kommentar über “Gentrifizierung in Magdeburg: Baustelle Buckau”

    nichts 17. September 2020 - 8:29

    Schöner Artikel. Am Ende kurz über die Wortwahl gestolpert, „Miethaie“, das ist ein Begriff der antisemtisisch aufgeladen ist, lohnt sich zu recherchieren..