Ein Versuch, die Transformation der Europäischen Union im gegenwärtigen Krisenschub zu verstehen.
Wer hätte das gedacht, dass kleine Saaten wie die Niederlande, Österreich, Dänemark oder Schweden plötzlich soviel Macht entfalten können in einer EU, die bei ihren Gipfeltreffen für gewöhnlich nur das absegnet, worauf sich Berlin und Paris zuvor verständigten? Der Wirbel, den die sogenannten “sparsamen Vier” beim jüngsten und längsten europäischen Gipfeltreffen aller Zeiten veranstalten konnten, wird aber verständlicher, wenn die üblichen taktischen Spielchen berücksichtigt werden, die bei solchen fundamentalen Entscheidungen zur Anwendung gelangen.
Die Springerzeitung Die Welt plauderte dieses Vorgehen, das seit der Wahl Macrons zum Präsidenten bei den meisten europapolitischen Vorstößen Frankreichs zum Tragen kam, schon ende Mai in aller Offenheit aus. Demnach unterstütze Merkel offiziell die Südeuropäer bei ihren Forderungen nach substanziellen Konjunkturmaßnahmen, doch würde sie bei dem europäischen Milliardenpoker auf die “heimliche Hilfe” der sparsamen Vier hoffen, um das Ausmaß der Krisensubventionen zu reduzieren. Das Vetorecht etwa des österreichischen Kanzlers werde auch Deutschland helfen, da am Ende das Hilfspaket “deutlich kleiner ausfallen” werde, als “die Südeuropäer ursprünglich gefordert hatten”.
Im Klartext: Deutschland will seine Eurozone schon halten, nur übt man sich dabei in der üblichen Kostenreduzierung. Deswegen ließ Berlin die nordeuropäischen Länder an der langen Leine agieren, um selber die Hände in Unschuld waschen zu können. Mission accomplished? Die heftigen Auseinandersetzungen in Brüssel haben einerseits tatsächlich dazu beigetragen, die Aufwendungen für die Krisenpolitik in einem entscheidenden Punkt zu reduzieren. Die Gelder, die als direkte, nicht rückzahlbare Finanzspritzen vor allem an die von der Pandemie besonders hart getroffenen südeuropäischen Länder ausgezahlt werden sollten, sind von 500 Milliarden auf 390 Milliarden zusammengestrichen worden. Das Gesamtvolumen des Wiederaufbaufonds blieb zwar mit 750 Milliarden Euro unverändert bestehen, doch sollen nun die restlichen Gelder als Kredite ausgezahlt werden – falls sie überhaupt in Anspruch genommen werden.
Doch andererseits konnten sich die “sparsamen Vier” mit einem anderen Vorstoß, einem Lieblingsprojekt des ehemaligen deutschen Finanzministers Schäuble, nicht durchsetzen: Der Verknüpfung von Finanzüberweisungen mit konkreten politischen Auflagen, was auf eine Kontrolle der Haushaltspolitik der südeuropäischen Peripherie durch das nordeuropäische Zentrum, faktisch auf eine Erosion staatlicher Souveränität in Krisenstaaten hinausliefe. Das vom nördlichen Zentrum der Eurozone – insbesondere den Niederlanden – geforderte Vetorecht bei Auszahlungen von Krisengeldern an den Süden konnte nicht durchgesetzt werden. Stattdessen können Nationalstaaten nur Verzögerungen der Auszahlungen erwirken, die nicht mehr als drei Monate betragen dürften. Einen kleinen Pyrrhussieg konnten die “geizigen Vier” noch bei den Rabatten ihrer EU-Beiträge erringen, die aber aufgrund des Brexits trotzdem steigen werden.
Europas Schulden
Dennoch – trotz aller Kürzungen und des üblichen nationalen Gefeilsches – bringen die Gipfelergebnisse in der Gestalt “gemeinsamer europäischer Schulden” einen historischen Umbruch mit sich, der noch vor wenigen Monaten “unvorstellbar” gewesen wäre, wie es französische Diplomaten gegenüber der Zeit formulierten. Berlin hat gerade eben jenen finanziellen Ausgleichsmechanismen in der durch wachsende ökonomische Ungleichgewichte gekennzeichneten Eurozone zugestimmt, die zuvor Jahrelang verbissen als “Vergemeinschaftung von Schulden” verteufelt wurden. Erstmals in der Geschichte der Gemeinschaft nimmt die EU eigene Schulden auf, um die Folgen des, durch die Corona-Pandemie ausgelösten, Krisenschubs zu bekämpfen.
Zum einen wurde der EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 auf 1,1 Billionen Euro erhöht, was zusammen mit dem “Wiederaufbaufonds” rund 1,8 Billionen entspricht. In den kommenden drei Jahren, in dem die Gelder und Kredite des Fonds fließen sollen, wird der Haushalt der EU von einem Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf rund zwei Prozent ansteigen. Dabei nimmt die EU-Kommission Schulden auf den Finanzmärkten auf, um die 390 Milliarden Euro an direkten Krisenzahlungen realisieren zu können, die bis 2058 zurückgezahlt werden sollen. Damit werden somit die von Berlins Sparfetischisten verteufelten Eurobonds de facto eingeführt, bei denen die gute Bonität des nördlichen Zentrums der Eurozone zur sozioökonomischen Stabilisierung des Südens verwendet wird.
Die EU-Kommission wollte erst 2028 mit dem Begleichen dieser europäischen Schulden beginnen, doch sieht ein Kompromissvorschlag vor, dass dies schon früher getan werden könne, falls es gelinge “der Kommission neue Einnahmequellen zu erschließen”, wie es die Süddeutsche Zeitung (SZ) formulierte. Es gebe Ideen für europäische Öko-Abgaben für unrecycelten Verpackungsmüll, für Digitalsteuern, die IT-Konzerne an Brüssel entrichten sollten, sowie für protektionistische Klimasteuern, die auf importierte Produkte entfallen könnten, die in ihren Herkunftsländern “weniger klimafreundlich als in Europa produziert” würden, so die SZ. Bis Sommer 2021 sollen die entsprechenden Konzepte ausgearbeitet werden. Damit würden europäische Steuern eingeführt für eine EU-Kommission, die zunehmend auch faktisch als eine Art europäischer Regierung agieren dürfte.
Die EU-Kommission würde auch eine zentrale Rolle bei der konkreten Allokation der Gelder des Corona-Krisenfonds spielen, die nach einem auf dem Gipfel festgelegten Schlüssel an die Eurostaaten verteilt werden. Von dem gesamten Krisenfond von 750 Milliarden Euro sollen vor allem Italien (170 Milliarden) und Spanien (100 Milliarden) profitieren. Die Krisenländer müssen bei der Verteilung der Finanzspritzen der EU-Kommission konkrete Projekte vorlegen, die dann diese auf ihre ökonomische Tragfähigkeit prüfen soll. Zumeist wird es sich um Bau- und Infrastrukturprojekte handeln, die in keynesianischer Tradition die Wirtschaft beleben sollen. Hierbei will Brüssel Zwischenziele festlegen, von deren Erreichen weitere Auszahlungen abhängig würden.
Die 180-Grad-Wende
Die radikale Kehrtwende europäischer Krisenpolitik, die ohne Berlin nicht möglich wäre, ist evident: der schäublerische Sparsadismus, der den Währungsraum – insbesondere Griechenland – einem absurden neoliberalen Spardiktat samt der Einführung von “Schuldenbremsen” aussetzte, endet abrupt in einer 180-Grad-Wende zu einer aktiven europäischen Konjunkturpolitik samt der Einführung europäischer Schulden. Wie ist dieser fundamentale Sinneswandel in Berlin zu erklären, bei dem auch eine jahrelang gepflegte Sparideologie, die in der merkel’schen “schwäbischen Hausfrau” ihr Symbol fand, in orwell’scher Manier plötzlich über Bord geworfen wird? Noch vor wenigen Monaten feierte Berlin die Verhinderung von Eurobonds, die nun unter dem Namen Corona-Bonds gefordert wurden, als einen wichtigen Etappensieg in den abermals krisenbedingt eskalierenden Auseinandersetzungen im Euroraum zwischen dem Deutschen Zentrum und der südlichen Peripherie unter französischer Führung.
Zwei eng miteinander verknüpfte Faktoren dürften dabei ausschlaggebend gewesen sein, um Deutschlands Funktionseliten letztendlich zur Wahl zwischen forcierter europäischer Integration oder dem Zerfall des Währungsraums zu nötigen. Zum einen unterlag Berlin im Kampf um die Kontrolle der europäischen Geldpolitik der EZB. Unter der Französin Christine Lagarde kündigte die Europäische Zentralbank an, in Reaktion auf die Weigerung des Nordens, Eurobonds einzuführen, notfalls eine extreme Ausweitung der Anleiheaufkäufe durchzuführen. Damit wurde die Wirkung der Disziplinierungsmaßnahmen, die seit Schäubles Sparregiment die Europäische Fiskalpolitik prägten, weiter durch simple Gelddruckerei unterlaufen. Der Versuch Berlins, Einfluss auf die Haushaltspolitik des Südens zu gewinnen, drohte zu einer abermaligen Euroschwemme zu führen, wie sie auch im Gefolge der ersten Eurokrise unter Mario Draghi einsetzte – zumal die Bereitschaft, aus der Eurozone auszuscheiden, insbesondere in Italien aufgrund der Solidaritätsverweigerung des Nordens immer weiter zunimmt und inzwischen relative Mehrheiten finden kann.
Diese europäischen Auseinandersetzungen verschärfte ein umstrittenes Urteil des Karlsruher Verfassungsgerichts, das in Reaktion auf die expansive Geldpolitik der EZB den bisherigen Vorrang europäischen Rechts vor nationalem Recht infrage stellte und de facto Berlin aufforderte, ein Vetorecht bei Entscheidungen der EZB in Anspruch zu nehmen. Den rechten, national orientierten Kräften innerhalb der Funktionseliten der Bundesrepublik, die ohnehin die EU infrage stellen, diente dies Urteil als Mobilisierungsbasis. Die “pro-europäischen” Kräfte in Berlin, die den europäischen Währungsraum und die EU aufgrund ihrer vielfachen Vorteile als zentrale Vehikel deutscher Machtpolitik ansehen, fanden sich somit nicht nur mit einer rasch wachsenden Europaskepsis in der krisengebeutelten Peripherie der Eurozone konfrontiert, sondern auch mit einer wachsenden, national orientierten Fraktion innerhalb des deutschen Staatsapparates, der – etwa in Gestalt der berüchtigten Werteunion – ein Ende der EU und künftige nationale Alleingänge durchaus in ihr politisches Kalkül passt. Berlin musste sich somit entscheiden – und man entschied sich für die rasche Forcierung der europäischen Integration.
Von der Dominanz zur Hegemonie
Die EU wird offensichtlich in Krisen geformt. Das austeritätsgeplagte schäublerische Europa wurde in den politischen Auseinandersetzungen um die Krisenpolitik geformt, die in Reaktion das Platzen der großen Transatlantischen Immobilien- und Schuldenblasen ab 2008/09 einsetzten. Berlin, das durch erfolgreiche Beggar-thy-Neighbor-Politik als Krisengewinner agieren konnte, gelang es, die Krisenfolgen auf die verschuldete südliche Peripherie abzuwälzen, wobei vor allem an Griechenland ein abschreckendes Exempel statuiert wurde. Die Eurozone wurde durch die Drohung vor den Krisenfolgen aufrechterhalten: entweder wird das Sparregime implementiert, oder Herr Schäuble lässt die ökonomischen Daumenschrauben anziehen. Doch dies ist keine Hegemonie, die ja auch ein gewisses Maß an Akzeptanz benötigt, sondern eine Position reiner machtpolitischer Dominanz, die nur durch Zwang aufrechterhalten werden kann.
Dementsprechend sieht die Euro-Zone auch aus, die als Machtbasis der geopolitischen Ambitionen Berlins und Paris’ dienen soll. Deutschland dominiert zwar das europäische Machtgefüge – im Falle eines Zusammenbruchs der Euro-Zone würde deren Peripherie am stärksten darunter leiden –, doch herrscht in Europa keine deutsche Hegemonie, die auch nur annähernd akzeptiert würde. Das deutsche Spardiktat ließ den Euro-Staaten keine Perspektiven außer Stagnation oder Rezession, sodass sie förmlich genötigt sind, die deutsche Dominanz beim geringsten Zeichen der Schwäche herauszufordern. Deswegen war die BRD aller ökonomischen Überlegenheit zum Trotz in der EU weitgehend isoliert.
Doch der gegenwärtige Krisenschub mit Einbrüchen der Wirtschaftsleistung im zweistelligen Prozentbereich ist zu stark, um Berlin eine ähnliche Bewältigungsstrategie zu erlauben wie während der “Eurokrise”. Mit Italien als dem drittgrößten Land der Eurozone, dass nun auf der Kippe steht, kann Berlin nicht so umspringen wie mit dem kleinen Griechenland, ohne selber schwer in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Im Süden Europas sind die Erinnerungen an die verfehlte Sparpolitik noch zu frisch, als dass eine Wiederholung dieses Austeritätskurses machbar wäre.
Die Drohung mit dem Ausschluss aus der Eurozone, was für die hochverschuldeten südeuropäischen Krisenstaaten darauf hinausliefe, Teil der “Dritten Welt” zu werden, da sie der Option verlustig gingen, sich in Euro zu verschulden, greift nicht mehr: Die nun einsetzenden beispiellosen Einbrüche der Wirtschaftsleistung machen diesen Unterschied hinfällig, da die Weltkrise des Kapitals so weit vorangeschritten ist, dass sie im gegenwärtigen Krisenschub nicht nur die Peripherie oder Semiperipherie verwüstet, sondern auch die Zentren des Weltsystems voll erfasst. Die “Dritte Welt” frisst sich sozusagen in die Zentren.
Die einzige Option, das desolate “Europäische Haus” noch vor dem Einsturz zu bewahren, besteht für Berlin in dem Versuch, ein Hegemonialsystem aufzubauen, also auch der Peripherie der Eurozone eine gewisse Perspektive im Rahmen aktiver Konjunkturpolitik zu verschaffen. Eine hegemoniale Stellung in Europa wäre für Berlin somit erst dann erreicht, wenn auch die untergeordneten Mächte, die die Peripherie eines Hegemonialsystems bilden, diese zumindest tolerieren würden, da sie selber unterm Strich gewisse handfeste Vorteile daraus schöpfen würden – und nicht durch die deutschen Handelsüberschüsse, die sich seit Euroeinführung gegenüber den Ländern der Eurozone inzwischen auf mehr als 1,5 Billionen Euro summieren, langsam ökonomisch erdrosselt würden.
Die BRD würde faktisch zu den USA Europas aufsteigen, die ja bekanntlich ihr westliches Hegemonialsystem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges errichteten, aufbauend auf dem langen fordistischen Konjunkturzyklus, der erst in den 70ern auslief. Nicht nur die Vereinigten Staaten mit dem US-Dollar als Weltleitwährung, auch “untergeordnete” Mächte wie Japan oder Deutschland profitierten davon, Teil des “Westens” zu sein. In der gegenwärtigen Systemkrise mit ihren beständig wachsenden globalen Schuldenbergen, in der kein Akkumulationsregime als ökonomisches Fundament eines Hegemonialsystems dienen kann, bestehen die Kosten der europäischen Hegemonie Deutschlands aber in eben jenen europäischen Schulden, auf die man sich auf dem jüngsten EU-Gipfel verständigte.
Vor dem Hintergrund des sich in Schüben entfaltenden Krisenprozesses lohnt somit ein kurzer Blick auf das ökonomische Fundament der US-Hegemonie in den vergangenen drei Jahrzehnten – gerade nachdem der Nachkriegsboom abebbte. Weshalb wurde die Hegemonie Washingtons in den Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch des realexistierenden Sozialismus akzeptiert oder zumindest toleriert?
Es war vor allem das gigantische Handelsdefizit der Vereinigten Staaten, das Ländern wie der Bundesrepublik oder auch China einen handfesten ökonomischen Grund lieferte, den Status quo hinzunehmen: Die sich deindustrialisierenden USA konnten sich in Dollar, als dem globalen Wertmaß aller Dinge, verschulden, ihre konsumgetriebene Defizitkonjunktur aufrechterhalten und exportorientierten Ländern und Regionen wie China oder der BRD einen Absatzmarkt für ihre Überschussproduktion verschaffen. Der objektive Krisenprozess mit seinem regelrechten Verschuldungszwang manifestiert sich gerade in Gestalt dieser globalen Handelsungleichgewichte. Die sozioökonomischen Folgen der Deindustrialisierung in den Rust Belt der USA spülten schließlich den Populisten Trump ins Weiße Haus, der mit seinem protektionistischen Programm der “Reindustrialisierung” der USA die kriselnde Globalisierung in den Kollaps zu treiben droht.
Jahre, nicht Jahrzehnte
Trump, der die Vereinigten Staaten wieder “groß” machen wollte, hat somit ironischerweise der brüchigen Hegemonie der USA ein Ende bereitet, indem er deren ökonomisches Fundament durch protektionistische Politik entsorgte. Die USA dominieren nur noch aufgrund ihrer militärischen Schlagkraft, während geopolitische Konkurrenten wie China, Deutscheuropa, Russland oder auch Lokalmächte wir die islamofaschistische Türkei daran gehen, mittels verstärkter Expansion in die freiwerdenden geopolitischen Räume vorzustoßen.
Während die US-Hegemonie zerbrochen ist, versucht sich nun Berlin am Aufbau eines europäischen Hegemonialsystems – gerade durch kreditfinanzierte Konjunkturpolitik und die Einführung europäischer, von der Bonität des nördlichen Zentrums gedeckter Schulden, um die vielfältigen wirtschaftlichen und politischen Vorteile der Eurozone zu halten. Wie lange kann das gutgehen? Die USA konnten ihre Hegemonialstellung noch immerhin über gute drei Dekaden erhalten, indem sie sich vermittels der wuchernden Finanzmärkte immer weiter verschuldeten und als eine Art schwarzes Loch der Weltwirtschaft fungierten, das durch seine Handelsdefizite die strukturelle Überproduktionskrise des Kapitals minderte.
Offensichtlich verfügt die BRD nicht über die Ressourcenfülle der USA, die es erlauben würde, ein solches, quasi “defizitäres” Hegemonialsystem über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Selbst wenn es gelingen sollte, den nun anstehenden, historisch beispiellosen Krisenschub ohne Zerfall des Euroraumes zu überstehen – was angesichts der in Brüssel zusammengestrichenen Konjunkturaufwendungen fraglich bleibt – dürften sich die Aussichten einer deutschen Hegemonie in der EU nach Jahren, nicht nach Jahrzehnten bemessen.
Es sei denn, der EU gelingt es, die Vorherrschaft des US-Dollars als Weltleitwährung zu brechen. Der Greenback verschafft den USA die Möglichkeit, sich im globalen Wertmaß aller Dinge zu verschulden, ohne das die eigene Währung abwerten kann, wie es etwa im hunger geplagten Libanon und anderen Schwellenländern derzeit der Fall ist. Mit dem Euro als Weltleitwähung könnten Brüssel und Berlin tatsächlich darauf hoffen, das “Europäische Haus” auch längerfristig noch zusammenzuhalten. Die EU ist in dieser Hinsicht somit durchaus auch als ein Konkurrenzprojekt zu den USA zu verstehen.
Die Springerzeitung Die Welt sieht bereits ein perfektes Szenario für den “großen Dollar-Crash”, da “Investoren erstmals eine echte Alternative” zum Greenback hätten. Die hohe Überschuldung der USA, das extreme Haushaltsdefizit, die Gelddruckerei der US-Notenbank Fed und die politische Unsicherheit würden den Abwertungsdruck auf die angeschlagene Weltleitwährung erhöhen, während Europa mit der eingeschlagenen wirtschaftlichen Integration und besseren Konjunkturprognosen aufwarten könne. Insbesondere die Entscheidung des EU-Rates zum Aufbau des “Wiederaufbaufonds” hätte bei “vielen Investoren und Ökonomen fast schon Begeisterung” ausgelöst, hieß es weiter. Der Euro könne folglich eine “formidable Alternative” zu Dollar werden, zitierte das Blatt einen “Geldmanager”.
#Titelbild: CC-BY-4.0: © European Union 2019 – Source: EP”. (creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
Pariser Populist 30. Juli 2020 - 10:15
Danke für den Artikel. 2 Tippfehler: populist und Paris nicht im Genetiv.
Parallel dazu empfiehlt sich der Kommentar bei lundi.am
https://lundi.am/La-desintegration-europeenne-Jacques-Fradin
Gruß
Steff Brenner 30. Juli 2020 - 13:52
Danke für die gute Orientierung mal wieder!