Vergangenen November trat für eine kurze Zeit ein Land in den Mittelpunkt der medialen Berichterstattung, das ansonsten eher stiefmütterlich irgendwo in den von Nachrichtenagenturen abgeschriebenen Kurzmeldungen abgehandelt wird: Bolivien.
Es war ein Putsch im Gange, den es durch die „Fünfte Gewalt“ als „demokratische“ Notwendigkeit aufzuhübschen galt. Der indigene Sozialist Morales war der nationalen Rechten, sowie den USA ein Dorn im Auge und man sah die Zeit für den Regime Change gekommen. Rechte Medien aus den Vereinigten Staaten jubelten. Bis hier hin, völlig normal. Warum sollen Rechte nicht für einen rechten Putsch sein?
Aber alle anderen? Was können Linke, Linksliberale, Liberale an der Entfernung eines für Armutsbekämpfung, Stärkung indigener Communities und Umweltschutz weltweit bekannten Präsidenten gut finden? Man hätte eine geschlossene Front erwartet, die sich gegen den Coup stellt – schon weil recht schnell klar wurde, dass die neue Junta aus einer Union von weißer Oberschicht, fundamentalen Christen und offenen Faschisten besteht. Dem war aber nicht so. Warum?
Weil zunächst jene, die irgendwie in der breiten Öffentlichkeit das Image haben, „links“ zu sein, aber in Wahrheit ohnehin jeden imperialistischen Angriff mittragen, mitmachen, so dass sich der Anschein ergibt, es wäre keine nur von Faschisten und Rechten befeuerte Angelegenheit. Es waren die Grünen, etwa Omid Nouripour, die den Coup feierten. Soweit allerdings geht auch alles noch mit rechten Dingen zu, die Grünen und das ihnen verbundene Milieu sind seit vielen Jahrzehnten eine Kriegspartei und das „linke“ Marketing sollte einfach zu durchschauen sein.
Da kommen dann doch sicher die aufklärerischen linksliberalen und linken Medien ins Spiel, oder? Wenigstens sie werden doch sehen, was den indigenen Sozialisten Morales von der rechten Putschistin Añez unterscheidet, deren Anhänger schon damals indigene Fahnen auf ihren Demonstrationen verbrannten? Keineswegs. Das Soll-man-es-lassen-Blatt ZEIT halluzinierte, in Morales Abgang zeige sich, dass „die bolivianische Demokratie lebt“. In der taz war zu lesen, Morales habe sich, machtgierig wie er ist, einfach „verzockt“ und die Rede von einem Putsch sei falsch. Und selbst im postsozialistischen Neuen Deutschland sprach man davon, dass sich Morales „ins Aus maneuvriert“ und das „Land gespalten“ habe: „Auch seine Reaktionen auf die Proteste in den vergangenen Wochen waren unangemessen: Er beschimpfte seine politischen Gegner und warf ihnen vor, einen Putsch anzustreben.“ Und man hat gute Tipps: „Noch besser wäre es gewesen, Morales hätte selbst erkannt, dass seine Zeit vorbei ist.“
Kaum ein Jahr später müsste man es besser wissen: Die rechte Junta, die nie gewählt wurde, „verschiebt“ aktuell zum dritten Mal die Wahlen, weil alle Umfragen der MAS, der Partei Morales´, die Mehrheit bescheinigen. Eine gegen Morales gerichtete OAS-Studie, die den rechten wie linken Demokratiefreunden als Beleg für Wahlbetrug seitens des Sozialisten galt, ist längst als Mogelei entlarvt worden. Eine Welle von Verhaftungen und Repression gegen indigene und Arbeiter*innenvereinigungen begleitete die von der „Übergangsregierung“ angestrebte Zerschlagung der Opposition.
Und die deutschen Journalist*innen? Es ist wieder ruhig geworden um Bolivien. Kaum war der Putsch durch, reduzierte sich die Berichterstattung wieder auf die gewohnten gelegentlichen Meldungen. Die Abertausenden, die nach dem Coup gegen Añez & Co. auf die Straße gingen, waren kaum noch Artikel wert, die Toten durch Polizei und Militär auch nicht. Und das mehrmalige Verschieben der Wahlen durch die Junta? Keine Titelseite, auch keine Linke, echauffiert sich über den Mangel an „Demokratie“.
Dabei könnte man aus dem weiteren Verlauf der Dinge viel lernen: Man könnte sich als Linke*r selbst korrigieren und sagen: Ich hatte Unrecht und es ging gar nicht um „Demokratie“. Und man könnte überprüfen, ob man nicht in dem, was man so schreibt, wenn mal wieder etwas passiert, viel zu abhängig ist vom bürgerlichen Mainstream, von den Agenturmeldungen und Spiegel-Artikeln, von den „seriösen“, weil von Konzernen oder Staaten zu riesigen Apparaten aufgebauten, Medienhäusern, denen man irgendeine Art von „Objektivität“ in der Berichterstattung zuspricht.
Denn ansonsten wird man, ob man sich subjektiv für „links“ oder sonstwas hält, bei jedem Angriff auf emanzipatorische Bewegungen zum Steigbügelhalter des Feindes.
#Quelle Titelbild: wikimedia.commons, Evo Morales
Volkmar Allers 26. Juli 2020 - 23:37
Hatte gerade inhaltlich, natürlich kürzer, einen ähnlichen Kommentar auf Facebook geschrieben!
Leider wird der Klassenkampf auf internationeler
Ebene viel zu wenig unterstützt…
Von linken Medien und Parteien!!!!