Linke Kinderkrankheiten: Mit Schmunzel-Schmunzel zum Fluffi-Fluffi-Aktivisti

5. Mai 2020

Heute vor 202 Jahren hatte Karl Marx Geburtstag, was wie jedes Jahr dazu führte, dass sich Rechte und Kapitalisten in Hass auf ihn ergossen. Das ist eine sehr vernünftige und richtige Reaktion, denn er ist gegen sie, weil er für alle Unterdrückten und Ausgebeuteten ist. Die weniger vernünftige Reaktion ist die seiner linksliberalen Anhänger*innen, nämlich Marx zu einer Art putzigen Witz zu machen, den man sich halbironisch gegenseitig solange erzählt, bis man schon vergessen hat, worum´s eigentlich ging. Das wiederum ist kein auf Marx begrenztes Verhalten, sondern es betrifft den Zugang zur eigenen Geschichte überhaupt.

Da scheinen in weiten Teilen der längst in der Postmoderne angekommenen Linken zwei Tendenzen vorzuherrschen. Entweder man hasst die eigene Geschichte, weil man jede bürgerliche Propaganda über sie glaubt und sich irgendwann im fünften Semester Soziologie gedacht hat, dass man ja selber viel „emanzipatorischer“ als die KPD, die Rote Armee, die ELN oder die diversen antikolonialen Bewegungen ist.

Oder man entwickelt eine eigenartige ironische Distanz zur eigenen Geschichte und meint, im Grunde sei alles irgendein Scherzchen für Gebildete, wie man selbst eine*r ist. Da nehmen sich völlig ideologieferne Szenegänger*innen, die Einhörner, Faultiere oder beliebige Comicfiguren in Fahnen der Antifaschistischen Aktion photoshoppen, und ganz harte Stalinist*innen, die irgendwelche Bildchen von Onkel Joe mit Laserstrahlaugen oder als Terminator favorisieren, nichts. Die eigene Geschichte ist ein Meme, so oder so.

Man nennt sich dann auch nicht mehr Genossin und Genosse, man ist jetzt „Aktivisti“ – mit „i“ hinten dran, nicht das jemand noch denkt, man sei eine halbwegs ernstzunehmende Person. Und man achtet penibel darauf, dass auch die Ästhetik von Demonstrationen oder Plakaten am besten direkt sagt: Hey, wir meinen´s eh nicht so, keine Angst. Emotionen wie Stolz auf die eigene Geschichte, Verantwortung und Ernsthaftigkeit hat man vorsorglich schon zu reaktionären, ja fast faschistischen Gefühlen erklärt, weshalb man auch kein Problem damit hat, Ecstasy-Tabletten in Logos der Antifaschistischen Aktion zu photoshoppen. Fun Fun Fun, und if it´s not fun it´s not my revolution.

Wen sowas überzeugen soll, dass man in der Lage ist, eine neue Gesellschaft aufzubauen, bleibt unklar. Vor allem aber ist es keine besonders kritische Haltung, die endlich den „Dogmatismus“ kuriert, sondern es ist einfach der ganz triviale und von klein auf gefressene Mainstream der Beliebigkeit. Es gibt keine Großen Erzählungen, insofern können auch die, von denen man geschichtlich mal gehört hat, nur so kleine gewesen sein wie die, die man aus seinen drei Plenumstunden die Woche zwischen Netflix, Festivalwochenende und Karrierewunsch selber schreibt.

PS: Und bevor das Offenkundige kommt: Ja, klar kann man lachen. Ja, klar kann man auch über die eigene Geschichte Witze machen. Und nein, das ist kein Plädoyer für Heiligenverehrung. Aber wenn man sich selbst kein Stück mehr für voll nimmt, dann tut´s am Ende auch niemand anders.

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