Etwas mehr als hundert Jahre ist es her, da endete der Erste Weltkrieg. Die heimkehrenden Proletarier*innen und Soldat*innen hatten genug von jenen, die sie auf die imperialistische Schlachtbank des Völkermordens geführt hatten, und so begann eine Zeit, in der die Königshäuser und Adelsgeschlechter einen – vorsichtig ausgedrückt – schweren Stand in der Bevölkerung hatten.
Doch die soziale Revolution in Deutschland blieb unvollendet, eine informelle Koalition von monarchistischen, rechten, bürgerlichen und sozialdemokratischen Politikern presste den Aufbruch zurück in klassengesellschaftliche Bahnen. Dank ihnen gibt es sie bis heute, die von Geburt her Vornehmen. Und bis heute bereichern sie sich standesgemäß – mit freundlicher Unterstützung deutscher Regierungen. Grund genug für unser neue Boulevardreihe: Treffen Sie Deutschlands edelste Abzocker.
Episode 1: Franz im Glück – Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds
Aber was ist dieser WAF überhaupt? Die Kurzfassung lautet: Ein seit nahezu hundert Jahren bestehendes Schlupfloch für Nachkommen des Adelsgeschlechts Wittelsbach, sich ohne jede Arbeit zu bereichern.
Im Jahr 2016 brachte es für einige Tage eine abstruse Institution in die überregionalen Medien, von deren Existenz wohl so manche*r Bürger*in dieses Landes überrascht wäre: Der sogenannte Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF). In die Tageszeitungen Deutschlands schaffte es die Stiftung öffentlichen Rechts, weil sie sich erfolgreich gegen Aufsichts- und Einflussmöglichkeiten des Freistaates Bayern wehrte.
Die Geschichte begab sich so: Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Masse der Proletarier*innen und Soldaten, die aus dem imperialistischen Völkerschlachten zurückkehrten, die Schnauze voll von den adligen Offizieren, Generälen und Oberbefehlshabern. Es ging der Monarchie an den Kragen und da und dort schaffte es die konterrevolutionäre Mehrheitssozialdemokratie kaum noch, die Revolten wieder zu beruhigen oder niederzuschlagen. Auch die Wittelsbacher, damals in Gestalt Ludwig des III., hatten abzudanken, in diesem Fall, als Kurt Eisner am 8. November 1918 die Räterepublik proklamierte.
Doch der Aufbruch hielt nicht lange. Eisner wurde durch den rechtsextremen Aristokraten Anton Graf von Arco auf Valley ermordet, die SPD arbeitete fleißig an der Zerstörung der Räteregierung, bis im Mai 1919 die lebendige Utopie in ihrem Blut erstickt wurde. Bayern wurde Schritt für Schritt zur rechten, konservativen Hochburg. Und dem geschassten Adel eröffnete sich eine Chance, wenn schon nicht zu herrschen, sich zumindest ordentlich zu gönnen.
1923 wird der Wittelsbacher Ausgleichsfonds eingerichtet. In den WAF flossen eine Reihe von Immobilien, Bargeld, Kunstwerke ein. Eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Schulze aus dem Jahr 2015 gibt Einblick in die heutigen Vermögensverhältnisse des Fonds. Die Bilanzsumme betrug im September 2014 rund 348 Millionen Euro – Kunstwerke nicht eingerechnet.
Der WAF verwaltet dieses Vermögen. Und der „ausschüttungsfähige Bilanzgewinn“ geht dann an die Nachfahren des alten bayerischen Adelsgeschlechts. Laut Angaben des Freistaats Bayern ist das eine zweistellige Millionensumme jährlich: „Im Zeitraum September 2004 bis September 2014 lag der ausschüttungsfähige Bilanzgewinn gemäß den von unabhängigen Wirtschaftsprüfern testierten Jahresabschlüssen im Durchschnitt bei rd. 13,7 Mio. Euro.“
Begünstigt sind – so formuliert das zugrundeliegende Gesetz – jene Mitglieder des „vormaligen Königshauses“, die „bei fortdauernder Geltung der vor dem 8. November 1918 maßgebenden Bestimmungen Anspruch auf Leistungen des Staates hätten“. Und das so lange, bis die Sippe keine Nachkommen mehr hat.
Warum lässt eine vermeintliche bürgerliche Demokratie dergleichen zu? Der Freistaat Bayern beteuert, man könne ja nichts machen, schließlich sei da dieses Gesetz von 1923, das „Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshause“. Im Jahr 2017 bekundete der damalige bayerische Finanzminister Markus Söder: „Es besteht keine Veranlassung, den seinerzeit gefundenen Kompromiss anzuzweifeln“.
Aber zwischen welchen beteiligten Parteien kam denn dieser „Kompromiss“ zustande? Im nach der Niederschlagung der Räterepublik zum Hort reaktionärer – und oft genug monarchistischer -. Kräfte gewordenen Bayern stellte zum Zeitpunkt der Ausverhandlung des „Kompromisses“ die Bayerische Volkspartei (BVP) den Ministerpräsidenten: Eugen von Knilling. Der war schon zur Zeit des Königreichs eng mit den Wittelsbachern verbandelt, diente als königlicher Kultusminister. 1910 erhielt er von Luitpold von Bayern das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone.
Es war ein offenes Geheimnis, dass die in Bayern herrschenden Kräfte der Monarchie wohlgesonnen waren. Im Dezember 1923 spricht der KPD-Abgeordnete Emil Höllein im Reichstag davon, dass „sich in Bayern illegale bewaffnete Banden unter den Augen der Behörden bildeten, um von dort aus die Grundlagen für eine Monarchie der Wittelsbacher zu schaffen“. Das Adelsgeschlecht war zu diesem Zeitpunkt noch politisch einflussreich. Der Plan, eine „eine Persönlichkeit mit autoritären Vollmachten auszustatten, die mit Hilfe dieser Vollmachten in die Lage versetzt werden sollte, die ‚vaterländischen‘ Kräfte in Bayern zu integrieren“, ging – so schreibt der Historiker Reiner Pommerin, auf von Knillig, den damaligen BVP-Vorsitzenden Heinrich Held und den Wittelsbacher Kronprinzen Rupprecht zurück. Letzterer machte sich dann in seiner Denkschrift zur „Betrachtung der politischen Lage“ auch gleich zum Stichwortgeber der Ausweisung der „Ostjuden“, die die dann tatsächlich eingesetzte „Persönlichkeit mit autoritären Vollmachten“, Gustav Ritter von Kahr, durchführte.
Kurz: Man kann annehmen, dass die bayerische Regierung den bis heute bestehenden „Kompromiss“ nicht gerade hart ausverhandelte – war sie doch, anders als die Revolutionär*innen der zerschlagenen Räterepublik, mit dem Adel verbandelt und sah ihn als Teil jener herrschenden Elite, der man sich auch selbst zurechnete.
Rupprecht von Bayern ist der Großvater Franz von Bayerns, des heutigen Chefs des Hauses Wittelsbach. Und die CSU, der Markus Söder angehört, gründete sich in der Traditionslinie der Bayerischen Volkspartei, BVP. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass dem blaublütigen Clan bis heute jedes Jahr Unsummen aus den Gewinnen des „Ausgleichsfonds“ in den Rachen gepumpt werden.
Der heutige Clanchef, mit vollem Namen Franz Bonaventura Adalbert Maria Herzog von Bayern, gibt das symbiotische Verhältnis zwischen den Seinen und den Söders in einem unheimlich schleimig geführten Interview mit der Münchener Abendzeitung unumwunden zu: „Die rund 800-jährige Verbindung des Hauses Wittelsbach mit dem Land Bayern hat zwar 1918 ein äußerliches Ende gefunden, nicht geendet hat jedoch die gegenseitige Verbundenheit und Wertschätzung und der Bezug zur Geschichte und Tradition. Man könnte sagen, dass meiner Familie aus diesem Bewusstsein heraus sehr viel Respekt entgegengebracht wird, den wir erwidern, unter anderem, indem ich offizielle Einladungen annehme und mich in vielfältigen Gremien engagiere.“ Die jährlich aus dem WAF empfangenen rund 14 Millionen Einheiten „Respekt“ teilt sich der passionierte Kunstsammler mit den sogenannten Linienchefs, also Herzog Max in Bayern, Prinz Luitpold von Bayern, Prinz Wolfgang von Bayern und Prinz Leopold von Bayern.
Gleichwohl kann man natürlich nicht behaupten, die vier Linien- und der Hauschef würden ihr Dasein alleine aus den schlappen 14 Mille WAF-Kohle jährlich bestreiten. Allesamt sind sie – auf die ein oder andere Art – „Unternehmer“. Oft mit Sinn fürs Bodenständige. So lässt Prinz Wolfgang „mechanische Zeitinstrumente“ (vulgo: Uhren) in seiner hauseigenen Manufaktur herstellen. Zum Schnäppchenpreis von 58.900 Euro erwirbt der geneigte Kunde die „Prinz Wolfgang PW 101“, inklusive Mehrwertsteuer. Prinz Leopold ist Markenbotschafter für BMW, Max von Bayern hatte – dem Heimseitenauftritt der Familie zufolge – „verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate“ inne, bevor er sich 2014 „weitgehend ins Privatleben zurückzog“. Und Luitpold macht in Bier und Porzellan.
Wie viel auf den Privatkonten der aus Tradition Reichen liegt, nur der Herrgott weiß es. Doch zweifellos müssten wir nicht fürchten, dass uns einer der Wittelsbacher verhungert, gäbe es die zweistellige Millionensumme aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds nicht.
Dass es sie dennoch gibt, sagt viel über das Politikverständnis der CSU und ihrer Vorgängerin, der Bayerischen Volkspartei. Denn weder hatte letztere aus Not einem „Kompromiss“ zugestimmt, noch hätte erstere keine andere Option, als sich an ihn zu halten. Man wollte damals und man will heute.
Margot Mirsberger 26. Dezember 2020 - 19:11
Meine sehr geehrte Damen und Herrn,
was haben Sie den da für einen übergebliebenen, frustrierten Kommunisten ausgegraben.
Die Wittelsbacher sind immer noch eine sympathische „Sippe“ , mit der sich die Mehrheit der Bayern identiviziert.
Mir persönlich ist es ziemlich egal, wie viel Geld die haben oder kriegen,
Ist der Herr, wie war nochmal sein Name, überhaupt aus Bayern?
Sämtliche Linken Kommunisten, die wie der Herr Schaber, gegen die Herrscherhäuser (zu der Zeit bestimmt berechtigt) rebelliert haben, sind im Gegensatz zu den Herrscherhäuser, alle Schal und Rauch.
Wie Ihnen wahrscheinlich nicht entgangen ist, lieben die Menschen den Glanz der Monarchie. Stellen Sie diese Menschen nicht als blöd hin.
Es tut den Menschen einfach gut. Sie zahlen ja auch Unsummen für Fußball Spieler damit Sie einen unterhalten.
Mit freundlichen Grüßen