Der nüchterne Realist HG Maaßen

6. September 2019

Autor*in

Jane

Bitch, please!


„Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome.“ Ein Satz, der schlichtweg gelogen ist. Gesprochen von Hans-Georg Maaßen, dem damaligen Chef des deutschen Verfassungsschutzes. Chemnitz? Da war nix!

Bis heute hielt der Ex-Schlapphut keine Distanzierung von seiner Äußerung für nötig. Obwohl bewiesen ist, die Chemnitzer Pogrome des letzten Jahres, sind eine Tatsache. Neben Videos und etlichen Zeugenaussagen, die belegen, dass sie stattgefunden haben, tauchte nun ein weiteres makaberes Detail zur Causa Chemnitz auf: Ermittler haben Chatprotokolle bekannter Faschisten ausgewertet, die Ergebnisse weisen auf einen regen Austausch menschenverachtender Ideologie und organisierter Gewalt hin.

Statt Witze über die defizitären Grammatikkenntnisse deutscher Rassisten zu machen (ich bin ja keine apolitische Werbetexterin), möchte ich mal wirklich wissen: War es je die Aufgabe des Verfassungsschutzes rechten Terrorismus zu verhindern?

Oder anders: Was geht eigentlich bei Hans-Georg Maaßen? Was 2002 bei ihm ging, erinnere ich mich noch. Er hat Murat Kurnaz in Guatanamo gelassen. Wie im Nachhinein gerichtlich bestätigt, war die damalige Verweigerung Maaßens, den Bremer Kurnaz aus Guantanamo zurück nach Deutschland zu holen, falsch. Seine Begründung, Kurnaz’ unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland sei ungültig, da dieser mehr als sechs Monate außer Landes gewesen sei (ohne Anklage in Guantanamo z.B.) und sich nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet habe, nicht nur juristisch eine Farce.

Auch hier zeigte HGM bis heute, interessanterweise, weder Distanz zu seiner damaligen Stellungnahme, noch Reue in Bezug auf Kurnaz.

Hans-Georg Maaßen vertrat Jahre später die Bundesregierung im ersten Bundestags-NSU-Untersuchungsausschuss. Es scheint eine logische Konsequenz seines Berufsweges zu sein, dann im Jahr 2012 zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt zu werden.
Die Präsi-Karriere von HGM ist eine mit schaurigen Highlights.
Ominöse Zusammenarbeit mit der NSA, „in Wirkbetrieb“ genommene, aber nicht so richtig bekannte Überwachungstechnologien, Whitsleblower Edward Snowden wird als Verräter und russischer Agent diffamiert, Strafanzeigen gegen Netzpolitik.org wegen Verdachts auf Landesverrats, merkwürdige Verstrickungen in den Fall Anis Amri, sehr undurchsichtiges nahezu konspiratives Verhalten zugunsten der AfD, Verweigerung der Akteneinsicht im Fall Alois Brunner, Nähe zum Verbot von linksunten.indymedia.org, bis hin zu eben jenen kontroversen Äußerungen über die Ereignisse in Chemnitz.

Dadurch wurde HGM seinen Job zwar dann los. Im einstweiligen Ruhestand nimmt er aktuell aber an Wahlkampfparties teil. In der Bio seines Twitter-Profils steht „Nüchterner Realist, der sich große Sorgen um die Zukunft Europas macht“. Ich bin auch nüchtern und realistisch und ich mache mir große Sorgen, zum Beispiel um die Gesinnung einiger Politiker*innen oder um die restlose Aufklärung des NSU sowie der Rolle Hans Georg Maaßens bei dessen „Aufklärung“.

Titelbild: Marco Verch/CC BY 2.0

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