Schmerzhafte Grüne

4. März 2019

Noch im November 2017 war sich der Grünen-Politiker Sebastian Striegel sicher, dass es im Fall des 2005 gefesselt in einer Dessauer Polizeistation verbrannten Oury Jalloh einen Untersuchungsausschuss brauche. „Wir sind es Oury Jalloh schuldig“, so Striegel. Diese Schuld muss im Jahr 2018 auf magische Art und Weise abgetragen worden sein, denn als sich vergangene Woche für die sachsen-anhaltinische Gliederung der Grünen die Gelegenheit ergab, tatsächlich für einen U-Ausschuss zu stimmen, enthielten sie sich zusammen mit ihrem Koalitionspartnern CDU und SPD, ermöglichten so zusammen mit denen Gegenstimmen der AfD den Antrag der Linken abzuschmettern.

Eine Pressemitteilung folgte. In jenem Tonfall, den die Gewissenspartei für die Art Mittelstand, die ihrem philippinischen Au-Pair fast schon Mindestlohn zahlt, am besten drauf hat: weinerlich-heuchlerisch. Man sei total für Aufklärung. Nur nicht so. Und nicht jetzt. Das sei nämlich voll die Symbolpolitik. „Der Tod von Oury Jalloh schmerzt. Nach wie vor. Und dauerhaft“, erbroch sich ein Grüner-Social-Media-Manager in das Kurznachrichtenportal Twitter.

Nun waren wirklich viele Menschen empört. Darunter auch solche, die aus welchen Motiven auch immer diese Partei wählen oder gar Mitglied in ihr sind. Unverständlich.

Denn diese Pressemitteilung plus das vorhergehende Abstimmungsverhalten sind nicht irgendeine Abweichung von dem, was es heißt, „grün“ zu sein. Es ist der der Kern der Angelegenheit. Grüne sind die Partei des Menschenrechtsopportunismus. Der fokussiert sich weniger als der klassische Opportunismus der Sozialdemokratie auf die soziale Frage, sondern mehr auf identitätspolitische Themen, die er so zurecht biegt, dass sie mit der deutschen Staatsräson kompatibel sind.

Grün sein heißt, für „Feminismus“ in Afghanistan Krieg zu führen und für „Antifaschismus“ Jugoslawien aus der Luft in Schutt und Asche zu legen. Grüner „Antirassismus“ besteht im besten Fall in akademischer Sprachhygiene, denn die ist billig und schreckt die deutsche Bourgeoisie nicht. Wenn es dann aber um reale Abstimmungen über Asylrechtsverschärfungen geht, wandelt sich das Gesicht zur Kretschmann-Visage. Die idealtypische grüne Biografie ist die Joschka Fischers, der es vom „Arbeitskreis Realpolitik“ bei den noch jungen Grünen in die Lobbyismus-Sparte von Siemens, RWE und OMV gebracht hat.

Pressemitteilungen wie die jüngste zur Rechtfertigung der Verhinderung der Aufklärung im Falle Oury Jallohs sind eine Erziehungsmaßnahme für junge Grüne. Wer sie akzeptiert und rechtfertigt, für „seine Partei“, der tut seinen ersten Schritt in Richtung Joschka Fischer. Dass es Menschen gibt, die sich selbst Antirassist*innen nennen, die gewillt sind, diesen Weg einzuschlagen, das schmerzt wirklich. Nach wie vor. Und dauerhaft.

Schreibe einen Kommentar Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert