Am letzten Augustwochenende kamen im rheinischen Braunkohlegebiet etwa 6.000 Menschen zusammen um gegen die Kohlekraftwerke sowie die Tagebaue zu demonstrieren.
Im Vorfeld wurde der Protest bereits kriminalisiert und es wurden marodierende Horden heraufbeschworen. Der Vergleich mit den “Krawallen von Hamburg“ scheint in diesen Tagen genauso unpassend wie ausgelutscht. Aber was war los an diesem Wochenende. Da wir nur die Möglichkeit hatten den Protest am Samstag zu begleiten, verzichten wir auf das Herbeizitieren von Pressemitteilungen und erzählen, was wir gesehen haben.
Langsam setzte sich der Zug aus Braunkohlegegner*innen am Samstag gegen 12 Uhr am kleinen Camp in Bedburg in Bewegung. Das Ziel war relativ klar formuliert: Möglichst geschlossen in Richtung der Gleise der Kohlebahn, aufsplitten in fünf Finger, eventuelle Polizeiketten durchfließen und auf den Bahndamm gelangen.
Soweit verlief zunächst alles ohne Zwischenfälle. “Team Blau“ hielt sich erfreulich zurück und so ging es über Feldwege und Straßen.
Eine kurze Rangelei an einem Kreisverkehr zwischen Rath und Bedburg. Nichts von Belang.
Ein 7 1/2-Tonner der Aktionslogistik hält auf uns zu. Die Ladeklappe wird geöffnet und die zuvor von der Polizei als vermutlich brandgefährliche Gegenstände deklarierte Strohsäcke wurden an die Marschierenden ausgegeben.
Wie am Filmset
Weiter geht es. Über Stoppelfelder und Rübenäcker. Es drängt sich der Eindruck auf, irgendwo in einer Mischung aus Herr der Ringe und Warcraft das Filmset zu beobachten. Die Dichte der Truppen Mordors erhöht sich, während der Schicksalsberg direkt vor uns liegt.
Bereits vor einiger Zeit hat sich die Faust, wie einige Aktivist*innen ihren Zug nennen, in fünf Finger geteilt. Ein surrealer Überblick zeigt sich hier dem Beobachter: Von der linken Seite rennen etwa 200 Menschen unter dem Banner der roten Fahne Richtung Schiene. Etwas dahinter überqueren 300 Menschen geführt vom blauen Fahnenträger eine Straße. Saurons bestialische Horden und unsere tapferen Klimagegner*innen stehen sich direkt gegenüber. Die Szene nimmt immer mehr Fahrt auf. Während die Aktivist*innen sich durch den Aktionskonsens zur Gewaltfreiheit verpflichtet haben, wirken die Cops wie trotzige Kinder. Geht einem Polizisten eine BraunkohlegegnerIn durch die Lappen, muss es der Nächste ausbaden. Trotz der Hitze legen die vermeintlichen Hüter von Ordnung und Grundgesetz einen Eifer an den Tag um die Menschen, die Richtung Gleis laufen zu stoppen, der doch zur Verwunderung anregt.
Natürlich muss von eben diesen dann kurze Zeit später wieder lauthals über die schlimmen Bedingungen im Einsatz gejammert werden. Ganz besonders, als einige Übereifrige entgegen der Befehle aus dem Funkgerät “[…] kein Pfeffer einsetzen! Gegenwind! […]“ es doch nicht lassen können den verhassten “Scheiss-Ökos“ (Zitat) nochmal richtig zeigen wollen wo der Hase läuft.
Fontänen aus Reizgas vermischen sich mit Staub und bilden gepaart mit Schweiß eine klebrige und wirkungsvolle Substanz auf der Haut der Einsatzkräfte.
Trotz des Friendly-Fire gelingt es die Aktivist*innen zu kesseln.
Doch drei weitere Gruppen sind noch im Rennen. Während der Rote und der Queere Finger bereits die Bahndämme erreicht haben und die Treppen hinauf stürmen wird der Fahnenträger des orangenen mit einem gezielten Tonfaschlag von den Beinen geholt.
Aber das Ziel ist erreicht. Die Blockade der Gleise steht. Beziehungsweise sie sitzt. Bei guter Stimmung.
Diese Kippt auch nicht, als die Räumung der beginnt. Wer kooperiert hat Glück gehabt. Alle anderen kriegen von den Staatsbediensteten wahlweise Schläge ins Gesicht, Tritte in die Seite oder Schmerzgriffe beigebracht. Hierbei ist es zu mehreren Knochenbrüchen gekommen.
Gut ein Drittel der auf dem Acker festgesetzten Menschen darf jedoch einfach gehen, da der Einsatzleitung ein Fehler in der Logistik unterlaufen war. Es war schier nicht möglich die Menge an Menschen abzutransportieren und alle Busse waren bereits gefüllt und abgefahren.
# Udo Karbrüggen
# Bilder Channoh Peepovicz, Titelbild Jannis Große
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