„Wir sind da, sollen sie ruhig kommen“

6. Juli 2017

Autor*in

Karl Plumba

Vergangene Woche wurde Orhan Deniz Batasul, Mitglied der linken türkischen Organisation Dev Genc (Revolutionäre Jugend), in Dortmund von zwei Personen angegriffen und bedroht. Die Angreifer wollten Informationen erpressen. Im Interview berichtet er von dem Angriff und erzählt, dass das nicht das erste Mal war.

Sie wurden am 28.06. in Dortmund von zwei Personen angegriffen und unter anderem mit einem Messer verletzt. Erstmal vorweg: Wie geht es Ihnen inzwischen?

Den Umständen entsprechend ganz gut. Die Verletzung ist inzwischen schon ein bisschen geheilt. Die war so etwa 10-15 cm lang. Ich wurde auch getreten und hab Fäuste abbekommen, aber das ist alles schnell wieder geheilt.

Können Sie ausführen, wie der Angriff ablief und wie und warum es dazu kam?

Ich war auf dem Weg zu unserem Kulturzentrum in Dortmund und wurde von zwei Männern in einem Park attackiert, der ungefähr drei Minuten vom Kulturzentrum entfernt ist.

Einer hat mich direkt am Hals zu Boden gezerrt und der andere hat mir von vorne mit der Faust gegen meinen Kiefer und in die Magengrube geschlagen. Einer von beiden hat dann ein Messer gezogen und mir in den Rücken gehalten und mir auf Türkisch gesagt, dass sie mich auf der Stelle umbringen, wenn ich nicht still bin oder mich wehre. Ich sollte dann mit denen hinter ein Gebüsch kommen, wo sie mir einige Fragen stellen wollten. Ich bin dann erstmal mitgegangen. Sie wollten Informationen über meinen Verein und Einzelpersonen haben. Ich hab denen einerseits gesagt, dass ich die Personen, nach denen sie fragen, nicht kenne und andererseits, dass ich ihnen sowieso keine Informationen geben werde. Der mit dem Messer war auf jeden Fall Türke und hat auch sehr sauberes Türkisch gesprochen mit mir, der andere, der mir die Faust gegeben hat, war auch vom Erscheinungsbild ein Türke, hat aber die ganze Zeit kein Wort gesagt. Vom Aussehen her vermute ich, dass das irgendwie so Rockertypen waren. Das ganze hat so sieben Minuten gedauert und ich hab immer wieder gesagt, dass ich denen nichts sage. Sie haben dann wörtlich gesagt: „Wir sind jetzt zum zweiten Mal da, beim dritten Mal wird das anders für dich enden. Dann wirst du sterben.“ Einer wollte dann meinen Gürtel aufmachen woraufhin ich ihn angespuckt hab. Er hat mich dann auf türkisch „Hurensohn“ genannt, mein Hemd zerrissen und mit dem Messer drei Striche über meinen Bauch gemacht. Er hat dann nochmal wiederholt, dass sie mich beim dritten Mal umbringen werden. Als ich dann nochmal gesagt hab, dass sie von mir nichts kriegen werden, hat der, der nicht geredet hat, mir noch einen Tritt gegen den Kopf gegeben und dann sind die beiden abgehauen.

Was für Informationen wollten die beiden von Ihnen und wenn die beiden vom zweiten Mal geredet haben, was ist beim ersten Mal passiert?

Ich wurde vor vier oder fünf Monaten, ebenfalls auf dem Weg zum Kulturverein, von zwei Personen angesprochen. Damals waren es zwei Deutsche, ein Mann und eine Frau, von denen ich vermutet habe, dass sie vom Verfassungsschutz sind. Die wollten, dass ich mit ihnen kooperiere und meinten auch, sie wüssten, dass ich Probleme hätte. Sie meinten vermutlich familiäre Probleme, ich gehe mal davon aus der Verfassungsschutz weiß, dass ich mit meiner Familie Probleme habe wegen meiner politischen Einstellung. Die meinten dann, sie wollen mir helfen und etwas für meine Zukunft machen. Denen hab ich damals gesagt, sie sollen sich verpissen und dass ich mit ihnen nichts zu tun haben will und ihnen auch nichts zu sagen habe. Die meinten damals schon, dass sie wiederkommen werden.

Was das für diesen Angriff bedeutet, weiß ich nicht, wir haben den Anquatschversuch damals auch über unsere Facebookseite öffentlich gemacht. Diesmal könnten es türkische Faschisten gewesen sein, es kann auch der Verfassungsschutz gewesen sein, wobei ich das eher nicht glaube. Ich glaube am ehesten, dass es der türkische Geheimdienst MIT war, der mit irgendwelchen Rockern zusammenarbeitet.

In der Veröffentlichung von Dev Genc war auch zu lesen, dass die Informationen, nach denen du gefragt wurdest, nicht öffentlich zugänglich waren.

Genau. Sie haben mich explizit nach einer bestimmten Person gefragt, Informationen über diese Person waren glaube ich der Hauptgrund dafür, dass sie mich überfallen haben.

Wie gehen Sie damit um, dass die Angreifer angekündigt haben wiederzukommen? Fühlen Sie sich weiterhin bedroht?

Ja, auf jeden Fall. Ich hatte Angst um mein Leben. Ich schlafe seit drei, vier Tagen mit Genossen zusammen und meine Genossen waren auch viel bei mir, um mich zu unterstützen. Wir halten alle die Augen offen. Ich hatte auf jeden Fall Angst um mein Leben, das war eine ernste Sache. Als die das Messer auf meinen Bauch gehalten haben, hatte ich für bestimmt 30 Sekunden ein Blackout und war mir sicher, dass ich sterben werde. Das waren zwei muskulöse Typen, die es wirklich ernst meinten.
Inzwischen habe ich keine Angst mehr. Das Ganze hat mir im nachhinein eher Mut gemacht, um ehrlich zu sein. Ich werde natürlich meine Augen offenhalten und vorsichtig sein müssen, ich werde aber nicht paranoid und verängstigt durch die Welt gehen. Wir von Dev Genc machen ganz demokratische Arbeit, wir veröffentlichen alles auf unserer Internetseite, machen nichts Verbotenes.
Wir sind da, sie wissen auch wo wir sind, sie können jederzeit kommen. Wir sind da, sollen sie ruhig kommen. Wir werden auf jedenfall keine Angst vor solchen Typen haben, genauso wie wir in der Türkei keine Angst haben. Dort wurden unsere Kulturzentren schon zig Mal gestürmt, wir haben unser Kulturzentrum und unsere Ideologie jedes Mal verteidigt, und das werden wir hier genauso machen.

#Karl Plumba

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