Von tausend Bienenstichen zum Biss eines Löwen

29. Juni 2016

In der Rigaer94 findet ein Großangriff gegen linke Strukturen statt. Er darf nicht unbeantwortet bleiben.

Am Morgen des 22. Juni drangen wiedermal unzählige Bullen mit SEK Begleitung in das linksautonome Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 ein. In diesem Jahr kam es bereits mehrfach zu ähnlichen Strafaktionen, erst im Januar war Henkels Schlägertruppe mit 500 Beamten zur „Begehung“ angerückt und hat allerlei übermegagefährliche Gegenstände wie Feuerlöscher, Hanteln und mehrere Tonnen Heizkohle „beschlagnahmt“.

 Dieses Mal begnügten die Invasoren sich nicht mit Heizmaterial. Gemeinsam mit Bautrupps und einer privaten Sicherheitsfirma „beschlagnahmten“ sie alles vom Hof, was nicht niet- und nagelfest war und räumten die „Kadterschmiede“, die vom Kollektiv verwaltete Kneipe, sowie zwei Wohneinheiten und die Dachböden. Der vorgeschobene Grund für die Teilräumung erfreute mehrere Tage lang die gesamte faschistische Rechte dieses Landes: Man wolle Raum für Flüchtlinge schaffen. Die sozialen Netzwerke quollen über vor Häme gegen „Linksextremisten“ und „Asylbetrüger“.

Endlich konnte öffentlich „bewiesen“ werden, dass Linke auch eigentlich total gegen Flüchtlinge sind und „Refugees Welcome“ eben nicht für die eigenen Freiräume gilt. In einer Stellungname der Hilfsorganisation Moabit Hilft e.V. wird diese Strategie entlarft: „Seltsam ist die Tatsache, dass die ortsübliche Miete für eine Kostenübername der Träger (LaGeSo, Jobcenter) nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben liegt und somit nicht für Geflüchtete genutzt werden kann“, heißt es auf der Website von Moabit Hilft. Flüchtlinge und Helfer bekundeten, die Rigaer sei ohnehin schon für sie da gewesen. Das aber interessierte schon nicht mehr. Der Mythos der Linken, die Flüchtllinge nicht vor der eigenen Haustür wollen, war geboren.

Was soll man tun, angesichts eines so perfiden Angriffes? Nun, wünschenswert wäre eine Spontan-Demonstration mit mehreren zehntausend Menschen inklusive der gesamten Nachbarschaft, die gezielt kaputt macht, was uns kaputt macht. Soweit sind wir nicht. Aber tausend Bienenstiche sind wie der Biss eines Löwen, schreibt der französische Intensivstraftäter, Langzeitgefangene und Kommunist Charles Bauer.

In Abwesenheit des Löwen, also der militanten Massenmobilisierung zur Verteidigung eines strategisch wichtigen Raumes, taten also zahlreiche Bezugsgruppen das Richtige und Notwendige: Dutzende Bienenstiche hielten den Gegner in Atem. Die Liste ist lang: Luxuskarren brannten, Schriftzüge wurden an Mauern hinterlassen, Scheiben gingen zu Bruch, Büros der SPD und Institutionen des Staates wurden angegriffen, in Leipzig gingen sieben Fahrzeuge der CG-Gruppe, die in der Rigaer-Straße Luxuswohnungen baut, in Flammen auf. Sicher, es gab auch Zielloses und Kontraproduktives. Aber die Maneuverkritik sollte eine unter Gefährt*innen sein und deshalb sparen wir uns das an öffentlicher Stelle.

Wichtig ist, jetzt einen langen Atem zu beweisen. Jedes Körnchen Sand im Getriebe, und mag es noch so klein sein, brauchen wir, um die Maschinerie des Eigentümers, Henkels und seiner Büttel zuzuschütten. Nicht jede*r kann oder will dabei Aktionen durchführen, die viel Risiko und akribische Vorbereitung notwendig machen. Doch zahlreiche Dinge kann man in jedem Fall tun: Transparente aus den Fenstern hängen, Pressekonferenzen von Regierungsmarionetten stören, Öffentlichkeit für die Angelegenheit schaffen.

Daneben aber müssen wir weiter an dem Strang ziehen, den viele Gruppen bereits als den wichtigsten begreifen: Wir müssen den stillen und langwierigen Aufbau neuer Strukturen, tieferer Verankerung in Stadtteilen, Betrieben und (sub)kulturellen Milieus vorantreiben. Für den Moment bleibt uns nur die Strategie der Bienenstiche. Und auch sie kann zum Erfolg führen. Zumindest aber zeigt sie, dass wir uns nicht unterwerfen, still und leise klein beigeben. Und selbst das ist ein Sieg.

Auf lange Zeit aber brauchen wir mehr Masse. Damit die kommenden Angriffe beantwortet werden, wie etwa die Räumung des Kukutza in Bilbo. Die Militanz, die wir während der Strategie der Bienenstiche einsetzen, sollte zumindest diesem Langzeitziel keinen Schaden zufügen. Ist sie zielgerichtet, kann sie diesem Ziel sogar nützen. Denn eine Bewegung, die mit Entschlossenheit und Mut gegen diejenigen kämpft, die ihr im Weg stehen, wird auch nach außen attraktiver.

Gehen wir es also an. Die Rigaer94 betrifft uns alle. Verlieren wir sie, verlieren wir einen weiteren wichtigen Posten – und das ganz unabhängig von ideologischer Zugehörigkeit. Es ist an der Zeit zu sagen: Es reicht.

  • Von Fatty McDirty
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