Ein Interview von Make Capitalism History Radio mit Karl Heinz Roth zur griechischen Schuldenkrise
Make Capitalism History Radio: Am 16.07.2015 ist auf Spiegel Online ein Artikel über die „Hintergründe zur Griechenlandkrise“ erschienen. Es gibt darin einige informative Videos, Grafiken, Statistiken und auch einige ausgeführte Absätze zu verschiedenen Punkten innerhalb des Themenkomplexes. Der erste Punkt lautet: „Wie kam es überhaupt zur griechischen Schuldenkrise?“ und Spiegel Online zählt folgende Punkte auf: 1. Unsolide Haushaltspolitik, 2. Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, 3. Klientelismus und Vetternwirtschaft, 4. Korruption und Schattenwirtschaft, 5. Ineffiziente Finanz- und Steuerbehörden, 6. Folgen der Bankenrettung.
Stimmst du dem so zu, dass dies alles Punkte sind die zu der griechischen Krise beigetragen haben, wie beurteilst du die Reihenfolge?
Karl Heinz Roth: Ich halte die Reihenfolge für absurd und die Punkte für unzutreffend in einigen Teilen, obwohl wie immer in solchen Fällen Teilwahrheiten aufscheinen. Generell ist es einfach so, dass die griechische Schuldenkrise eine Vorgeschichte hat, die weit zurückreicht, bis in die 1980er Jahre. 1981 wurde Griechenland in die europäische Gemeinschaft aufgenommen. Es gab dann eine sehr prononcierte Reformphase, die man als keynesianische Reform mit klientelistischen Strukturen bezeichnen könnte. Aber vor allem eben einen Aufbruch der heute völlig wegeskamotiert (verdeckt) wird. Es gab zum Beispiel die Einführung eines öffentlichen Gesundheitswesens, was in Griechenland völlig unbekannt war. Es gab außerordentlich große Fortschritte im Arbeitsrecht, es gab große Fortschritte im Rentensystem usw. also alles das, was man als sozial-keynesianistische Reform bezeichnen kann. Die war gemessen an der übrigen europäischen Entwicklung etwas verspätet, die übrigen europäischen Sozialdemokratien waren ja schon auf dem neoliberalen Wendekurs, in Griechenland
war es genau das Gegenteil, und das führte dann natürlich zu einer Diskrepanz. Diese Diskrepanz hat sich dann 20 Jahre später verschärft, als Griechenland 2001 in die Eurozone aufgenommen wurde entstand eine Situation, wo zwar eine gewisse Überschuldung bestand, aber bis dahin die Wettbewerbsnachteile gegenüber dem europäischen Kern durch Währungsabwertungen hatten ausgeglichen werden können. Das war dann 2001 vorbei und es begann die große griechische Krise. Das heißt, die herrschenden Eliten in Griechenland hatten plötzlich eine sehr harte Währung, sie konnten sehr billige Kredite aufnehmen und diese Kredite, diese Darlehen wurden vor allem von den deutschen und französischen Konzernen nach Griechenland gepumpt. Es gab einen riesigen Infrastrukturboom, der vor allem den deutschen und den französischen Konzernen und der Rüstungsindustrie genutzt hat und der natürlich gegenfinanziert werden musste, nämlich durch Staatsanleihen. Das waren also die wesentlichen Punkte; es war dann in der Tat eine Überschuldungskrise der öffentlichen Finanzen, aber der ganze Background ist viel komplexer und er ist sehr viel stärker in die europäische Integrationsmaschinerie eingebunden, als das in diesen wenigen plakativen Punkten von Spiegel Online benannt wird.
Die Korruption wurde beispielweise vor allem von den französischen und deutschen Konzernen vorangetrieben. Es gab ja eine richtige schwarze Kasse beim Siemens-Konzern, um bei den Investitionen für die Olympiade von 2004 vorne zu sein usw. Also ein sehr komplexes Problem, das eigentlich ein Problem der gesamten europäischen Integrationsentwicklung war und keineswegs nur für Griechenland, das wird dabei natürlich völlig ausgeklammert und auf einige Einzelaspekte reduziert, wie beispielsweise die Korruption. Die Korruption war gigantisch, aber sie war bilateral, sie war europäisch und sie war griechisch. Und viele andere Aspekte wie beispielsweise die völlig sinnlosen Infrastrukturinvestitionen die damals getätigt wurden. Es zeigt sich also, dass hier eine völlige Verkennung der Verhältnisse vorliegt und, dass die ganze Konstellation auf Griechenland allein zurückgeführt wird ist absurd.
MCH-Radio: Der letzte Punkt der genannt wird in der Auflistung der Ursachen von Spiegel Online sind die Folgen der Bankenrettung. Wenn man sich näher befasst mit der ganzen Krisenproblematik in Griechenland, muss man ja eigentlich zugeben, dass gerade die Bankenrettung die griechische Krise maßgeblich vorangetrieben hat seit 2008.
KHR: Das ist richtig. Die Banken wurden gerettet und dann wurde über diese Operation natürlich eine Verschiebung durchgeführt, das heißt, die Verschuldung des griechischen Bankensystems mit den griechischen Staatsanleihen im Hintergrund gegenüber dem europäischen Bankensystem wurde ganz einfach verschoben auf die öffentlichen Sektoren, die öffentlichen Budgets, das heißt auf die europäischen Institutionen. Und das führte dann zu einem Prozess, der einem Recycling der Schulden zu Gunsten des Bankensystems
gleichkommt. Wenn im Herbst 2009, als die PASOK an die Regierung kam, ein Offenbarungseid geleistet worden wäre, wenn man also die Banken geschlossen hätte, wenn man sie nationalisiert hätte, wenn man ein Schuldenmoratorium etabliert hätte, dann wären die ganzen Folgekosten natürlich nicht entstanden, das ist richtig. Aber es wären dann Kosten auf einer anderen Ebene entstanden, die ganze europäische Bankenkrise wäre dadurch vertieft worden.
MCH-Radio: Da du ja gerade von Staatsanleihen gesprochen hast, würde mich interessieren, was Staatsanleihen überhaupt sind und welche Rolle sie gerade auch in der griechischen Schuldenkrise spielen?
KHR: Staatsanleihen sind öffentliche Obligationen, mit denen öffentliche Aufgaben, vor allem – im traditionellen Sinn – auch Infrastrukturinvestitionen finanziert werden. Also ganz banal gesprochen, geht es darum, dass wenn zum Beispiel die Attika-Ringbahn gebaut wurde, wenn die Metro in Athen gebaut wurde, wenn die nur militärstrategisch wichtige Autobahn vom Ionischen Meer bis nach Westdrakien gebaut wurde, dass da natürlich eine Finanzierungsvorleistung durch den öffentlichen Sektor stattfinden musste, denn die Investitionsträger, in diesem Fall die großen Bauunternehmen und die ganze Investitionsgüter-Industrie, die in diesem Kontext mit aktiv war, damit die bezahlt werden, damit die finanziert werden. Und öffentliche Obligationen sind also parallel zu den privaten Obligation von Unternehmen langfristige Kredite, die auf unterschiedliche Laufzeiten – zwei, fünf, zehn, manchmal sogar 20 Jahre – gelegt werden, die einen bestimmten marktbedingten Zinssatz erhalten und die dann einer Tilgungsfrist unterliegen.
MCH-Radio: Das heißt der griechische Staat leiht sich Geld und zahlt das dann mit bestimmten Zinssätzen zurück.
KHR: Ja, so ist es, sehr vereinfacht ausgedrückt, aber es ist richtig so. Er leiht sich also Geld, entweder von den privaten Kapitalmärkten, soweit er es konnte zu einem bestimmten Zinssatz. Wenn der Zinssatz wegen der problematisch gewordenen Renditefähigkeit des griechischen Staates zu hoch steigt, dann ist dieser Zugang verschlossen und das ist natürlich seit 2009/2010 der Fall. Und in diesem Fall kommen jetzt die öffentlichen Anleihen, die Griechenland bezieht, nicht mehr von den privaten Kapitalmärkten, sondern von öffentlichen Kreditgebern, nämlich der Troika und den bilateralen Darlehensträgern der Eurozone.
MCH-Radio: Würdest du sagen, dass der griechische Staat eigentlich bankrott war durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2009/2010 bevor die Troika zum Zug kam, bestehend aus EZB, IWF und Europäischer Kommission?
KHR: Bankrott ist vielleicht etwas zu scharf formuliert, aber der öffentliche Haushalt, die öffentlichen Budgets waren am Rand des Bankrotts. Das ist der große Unterschied beispielsweise zur Überschuldungssituation in den übrigen Peripherieländern, teilweise auch natürlich in der Kernzone in Deutschland. In den übrigen Peripherieländern waren vor allem die privaten Haushalte überschuldet, wegen ihrer Immobilienkredite usw. (Spanien, Portugal, Irland). Das wissen wir ja alles. In Griechenland ist es tatsächlich der öffentliche Sektor. Und da hätten Notoperationen ausgeführt werden müssen, um zu einer Stabilisierung zu kommen. Die hätten in der Tat dann völlig anders aussehen können, als sie dann durchgeführt worden sind.
Die Strategie der Troika: Austerität und Sozialisierung der Schulden
MCH-Radio: Es hätte also damals schon eine Alternative zur Troika geben können, nämlich einfach den Staatsbankrott zu erklären um nicht Schulden aufnehmen zu müssen, um Schulden begleichen zu können und in diese negative Spirale reinzurutschen?
KHR: Ja. Ich glaube, dass es von Anfang an eine Alternative gab, das habe ich auch so formuliert. Natürlich wurde erst um die Jahreswende 2009/2010 klar wie hoch die griechische Verschuldung schon war, das waren ungefähr 120 bis 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und da hätte man in der Tat zunächst einmal den Schuldendienst stoppen müssen, zumindest ein Schuldenmoratorium proklamieren können und einen Umschuldungsprozess, das wäre die Alternative gewesen. Dann wäre relativ schnell eine Stabilisierung in Griechenland eingetreten, die die ganzen Folgeprozesse hätte vermeiden können.
MCH-Radio: Könntest du noch einmal den Unterschied erklären zwischen einer Umschuldung und einem Schuldenschnitt?
KHR: Umschuldung bedeutet, das man beispielsweise die Zinsen massiv reduziert, das man natürlich auch gewisse Verschiebungen im Pool der Schulden macht, was ja dann auch stattgefunden hat, aber auf absurde Weise vom Privatsektor auf den öffentlichen Sektor. Man hätte die Laufzeiten verlängern können usw. was ja auch heute wieder in der Diskussion ist. Ein Schuldenschnitt bedeutet ganz einfach, dass ein Teil der Schulden abgeschrieben wird und das ist eigentlich in der Wirtschaftsgeschichte ein völlig normaler Prozess, eine völlig normale Prozedur, die es ja immer wieder beispielsweise gegenüber Deutschland gegeben hat. Die BRD hat im Londoner Schuldenabkommen einen Schuldenerlass von 51,5 Prozent bekommen und die übrigen noch zu tilgenden Schulden wurden vom Wachstum des Exportsektors abhängig gemacht. Hätte man diese Lösung – 50 Prozent plus sonstige Tilgung abhängig von der Exportentwicklung – in Griechenland eingeführt, dann gäbe es das ganze Problem heute nicht.
MCH-Radio: Nun argumentiert Spiegel Online – ich zitiere jetzt immer den Spiegel, weil er so stellvertretend steht für die generelle Presselandschaft und auch weithin rezipiert wird – dass es ja schon im März 2012 einen massiven Schuldenschnitt gegeben hätte.
KHR: Das ist ein Fake. Zunächst einmal waren nur die privaten Schulden betroffen und ich habe das damals 2012 ganz genau berechnet und was dabei am Ende heraus kam war ein Schuldenerlass von maximal 10 bis 12 Prozent. Die übrigen Schuldenkomponenten wurden vom öffentlichen Sektor mehr oder weniger verdeckt, also von der Europäischen Union, der EZB und der EU Kommission usw. übernommen. Von daher war das kein Schuldenschnitt, sondern es war eine minimale Begradigung, die an der Situation überhaupt nichts geändert hat, im Gegenteil hat sie verstärkt dazu geführt, dass ein Recycling der Schulden stattfand. Das heißt also, dass die Troika-Darlehen also zu über 80 Prozent dazu benutzt wurden die Schulden zu refinanzieren, während ein kleiner Rest dazu genutzt wurde den Haushalt zu stabilisieren. Die griechische Nationalökonomie hatte davon überhaupt nichts.
MCH-Radio: Es wird ja immer von Hilfs- und Rettungspakten gesprochen, dabei handelt es sich bei all diesen Programmen, solange sie kein Schuldenschnitt sind, einfach nur um Kredite die natürlich zurückbezahlt werden mit Zinsen, sodass derjenige der den Kredit gibt natürlich hinterher dann auch wieder mehr rausbekommt.
KHR: So ist es und es ist bis heute so. Die ersten Darlehen der Troika hatten einen Weltmarktzinssatz, das heißt also sie hatten einen Zinssatz von 5 bis 6 Prozent. Von daher kann man also ganz klar sehen, dass der Kredit gegeben wurde um selbst Gewinne zu machen, also ein Recycling nicht nur des Kredits, sondern einen Teils der erwirtschafteten Wirtschaftsleistung, in diesem Fall Griechenlands. Und im Augenblick ist die griechische Verschuldung so, dass allein zur Bedingung der Schulden, also der Fälligen Zinsen und der Tilgungssätze, 12 bis 15 Prozent der Wirtschaftsleistung dafür mobilisiert werden müssen. Es ist also ein Prozess der Ausplünderungen von Revenuen und es hat mit Rettungspaketen überhaupt nichts zu tun.
MCH-Radio: Das heißt die sogenannten Hilfs- oder Rettungspakete haben nicht den griechischen Staat gerettet, sonder die …?
KHR: Sie haben das europäische Finanzsystem stabilisiert. Sie wurden ganz einfach benutzt, um die Refinanzierung der Darlehnspakete und der griechischen Staatsanleihen weiter zu gewährleisten. Man muss sich das so vorstellen, dass tatsächlich 2012 im griechischen Finanzministerium eine Position eingeführt wurde, auf die diese Darlehensbeträge überwiesen wurden und zu 80 Prozent sind sie dann an die EZB bzw. an die bilateralen europäischen Gläubiger und an die EU-Kommission zurückgeflossen. Ich habe das damals genau berechnet in der ersten im VSA-Verlag erschienen „Flugschrift“. Maximal sind etwa 12 bis 15 Prozent tatsächlich zur Haushaltsstabilisierung benutzt worden. Es gab aber keinen Pfennig, um auf irgendeine Art und Weise die Wirtschaft selbst zu stabilisieren. Und wenn man eine Schuldenpolitik betreibt, die nicht gleichzeitig an einem Wirtschaftswachstum orientiert ist, vertieft man natürlich den Schuldenprozess immer mehr und wir haben ja jetzt die Situation, dass die griechische Staatsschuld ein Volumen von etwa 200 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht hat, 2010 war es vielleicht noch 120 bis 130 Prozent. Also ein völlig kontraproduktiver Prozess. Das Ganze ist völlig unnütz, völlig sinnlos gewesen, wohl gemerkt aus rein finanzökonomischer Sicht.
MCH-Radio: Das heißt gerettet wurden Finanzinstitutionen auch außerhalb Griechenlands?
KHR: Vor allem die. Das griechische Bankensystem wurde sozusagen „by the way“ gerettet, es wurde mitstabilisiert um diesen Refinanzierungsmechanismus zu garantieren, aber die Hauptstabilisierung diente dem Ziel, das europäische Finanzsystem, also die europäischen Großbanken aus dem Prozess herauszunehmen und den Schuldenprozess auf diese Weise zu sozialisieren, das heißt also die privaten Schulden in öffentlichen Schulden umzuwandeln.
MCH-Radio: Woher kam denn das Geld für die Kredite die Griechenland gewährt wurden, wie setzten sie sich zusammen?
KHR: Das Geld kam aus den verschiedenen Rettungsfonds die damals gegründet wurden, aus dem ESFS, wie er damals hieß, dann natürlich aus der EZB und es gab bilaterale Kredite der übrigen Euroländer. Die Zusammensetzung hat sich dann allmählich etwas verändert, aber man kann heute sagen, dass 80 Prozent der griechischen Staatsschuld in diesen öffentlichen Bereichen liegen, wozu dann noch ein Teil der IWF-Darlehen hinzukommt.
MCH-Radio: Lass uns doch von diesem Punkt ausgehend nochmal darüber sprechen, was genau die Strategie der Troika seit 2010 war.
KHR: Die Troika hat seit 2010 eine Politik gefahren, die auf eine einseitige Umverteilung der Refinanzierung des europäischen Bankensystems zu Lasten der griechischen Unterklassen und Mittelschichten gelaufen ist, so kann man das in einem Satz zusammenfassen. Das heißt also es wurde eine Politik der Haushaltsstabilisierung durchgeführt, die darauf hinauslief die Staatsausgaben ständig zu reduzieren, durch Lohnsenkung durch Rentensenkung, durch den Rückzug der Finanzierung im Sozialversicherungssystem, durch die Verschlechterung des Gesundheitswesens usw. und auf der anderen Seite wurde versucht die Staatseinahmen zu erhöhen, vor allem durch Erhöhung der Verbrauchssteuern, das fing ja damals mit Mehrwertsteuern an. 2012 wurde dann eine einheitliche Immobiliensteuer eingeführt, es wurden weiter Sondersteuersysteme etabliert, das war also der Versuch den Staatshaushalt so zu stabilisieren, dass er in mittelfristiger Perspektive einen sogenannten Primärüberschuss abgab, das heißt also, dass er ausgeglichen war und einen leichten Überschuss erhielt, der dann zum Schuldendienst benutzt werden konnte – das ist der entscheidende Punkt. Und diese Konzeption war völlig einseitig orientiert an der Ausplünderung der Unterklassen und Mittelschichten, es wurde nichts unternommen, um beispielsweise die Kapitalsteuern, die Einkommenssteuern der höher Verdienenden heranzuziehen, es wurde nichts unternommen, um die Privilegien des Reedereikapitals abzubauen usw. usf. Es war eine völlig einseitige Umverteilungspolitik der Troika als Gegenleistung für die Darlehen, die wohlgemerkt Darlehen zur Refinanzierung des europäischen Bankensystems gewesen sind und auch heute noch sind.
MCH-Radio: Bevor wir noch mal kurz auf die Auswirkungen dieser Austeritätsprogramme zu sprechen kommen, wollte ich nochmal fragen: Ist so ein Primärüberschuss im Haushalt überhaupt realistisch, wie sieht es denn da bei anderen EU Staaten aus?
KHR: In anderen EU-Staaten hat das teilweise funktioniert, das heißt die Crashkurse wurden durchgesetzt, das haben wir ja im Fall Irland oder auch Portugal und Spanien erlebt, aber natürlich auch in den osteuropäischen Ländern, in Slowenien usw., da kann man das studieren. Da hat es begrenzt funktioniert, aber es hat auf der einen Seite zu einer dramatischen Verschlechterung der Einkommenssituation, zu dramatischen Verarmungsprozessen geführt und auf der anderen Seite zu einer Wirtschaftsstagnation, die in der Tat überhaupt noch nicht überwunden ist. Die Austeritätsprogramme sind in dieser Form tatsächlich gescheitert.
Griechische Versicherungssysteme und Arbeitsverhältnisse
MCH-Radio: Du hast gerade eben die Rentenversicherung und auch die Krankenversicherung erwähnt. Mir begegnen oft Argumente wie „die Griechen haben es eben verpasst ein funktionierendes Versicherungswesen aufzubauen“. Du hast am Anfang gesagt, dass es erst in den 80er Jahren aufgebaut wurde und gut funktionierte. Jetzt liegt es ja etwas darnieder und die Menschen bekommen die Folgen davon schmerzhaft zu spüren, was alles weggekürzt wurde in diesen Bereichen. Aber was ist jetzt die Ursache, war das Krankenversicherungssystem vorher schon marode, oder ist es tatsächlich durch die Kürzungen entstanden?
KHR: Das ist durch die Kürzungen geschehen. Da wird eine Rückprojektion vorgenommen, die einfach von Inkompetenz zeugt. Ich kenne das griechische Gesundheitswesen aus der Zeit der 80er und 90er Jahre und aus der aktuellen Entwicklung, auch aus den letzten Jahren. Es ist ganz einfach so, dass es ein Gesundheitswesen im Aufbau war, das kann man auch für die Rentenversicherung sagen. Die Rentenversicherung wurde zunächst einmal wirklich etabliert. Das keynesianische Rentensystem wurde zunächst einmal eingeführt und dabei gab es dann natürlich auch Verzerrungen, es gab Überschneidungen, aber die werden maßlos übertrieben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die griechischen Kleinbauern – eine historisch und traditionell, sehr arme, ländliche, regionale Unterschicht – wurden zum ersten Mal in ein allgemeines Versicherungssystem eingebracht, übrigens mit einem sehr geringen Betrag, mit 430 €, soweit ich weiß. Aber diese Kleinbauern hatten natürlich nicht für ihre Renten eingezahlt, das war also eine keynesianische Vorleistung. Und so gilt das für viele andere Bereiche in der griechischen Gesellschaft. Es war ein Prozess der im Aufbau war, der dadurch in vielen Bereichen ungedeckt war, weil es ein entstehendes soziales Sicherungssystem war. Ganz einfach deshalb, weil es um Jahrzehnte verspätet war gegenüber den sozialen Sicherungssystemen in den anderen europäischen Ländern. Schließlich hatte es einen Bürgerkrieg gegeben, es hatte eine extrem reaktionäre Übergangssituation gegeben und seit 1967 bis 1974 dann noch die Militärdiktatur. Also verlorene Jahrzehnte wurden innerhalb von zwei Jahrzehnten aufgeholt. Und dieser Aufholprozess war in Gang und ist durch die Krise abgestoppt worden und umgestürzt. Er ist in den Ruin getrieben worden. Und diese Aspekte muss man berücksichtigen wenn man über das griechische Sozialversicherungssystem spricht. Man kann natürlich sagen, „ja, das war anachronistisch, weil in den anderen Ländern wird es ja gerade abgebaut“. Die extrem harten und restriktiven Positionen zum Beispiel der deutschen Sozialdemokratie gegenüber Griechenland und gerade in den Fragen des Renten- und Sozial- und Krankenversicherungssystems rühren von daher, dass sie selbst seit 20 Jahren das deutsche Sozialversicherungssystem extrem zurückgeführt haben. Wir haben ja eine Entwicklung der Altersarmut hier in Deutschland, eine völlig absurde Situation, eine extreme Absenkung des Rentenniveaus. Dieses Verfahren wurde dann auf eine im Aufbau befindliche Struktur angewandt und hat dort dann natürlich noch viel fataler gewirkt. Es ist eine katastrophale Situation. Das oberste griechische Verwaltungsgericht hat kürzlich die Rentenkürzungen des Jahres 2012 für verfassungswidrig erklärt und jetzt wird weiter gekürzt. Eine völlig absurde Situation.
MCH-Radio: Nun gibt es ja genau spiegelbildlich zu der Argumentation „die Griechen haben es eben nicht hinbekommen“, was du ja gerade widerlegt hast noch die andere Argumentation, „den Griechen und Griechinnen ging es viel zu gut, bevor die ganzen Kürzungen eingesetzt haben“. Der Mythos, dass Griechen weniger arbeiten müssen, dass sie höhere Renten beziehen, Luxusrenten, dass sie mehr Urlaub haben usw. Hat das irgendeine Grundlage, oder ist das reiner Populismus?
KHR: Das ist zu 80 bis 90 Prozent soziale Demagogie. Wer die Daten und Zahlen genau kennt, weiß, dass die Griechinnen und Griechen auch vor der Krise weitaus mehr und weitaus länger gearbeitet haben als zum Beispiel die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter. Ihre Einkommen waren weitaus niedriger, obwohl das Preisniveau ja dann durch die Einführung des Euro 2001 voll gegriffen hat. Man kann das an allen Punkten nachweisen, dass hier tatsächlich soziale Demagogie betrieben worden ist, die in ihrer Maßlosigkeit wirklich erschreckt. Richtig ist, dass es in Griechenland einen Aufholprozess gab, das haben auch alle betont. Griechenland war ein latecomer in der europäischen Entwicklung und es war in einem Aufholprozess, es war in einem sozialen Stabilisierungsprozess, der aufgrund der gesamteuropäischen Entwicklung, des Umschlags der von den Deutschen diktierten Austeritätspolitik, in gewisser Weise anachronistisch war, aber es war keineswegs so, dass schon Gleichstand erzielt worden war. Es gab einige Bereiche in denen es tatsächlich solche Annäherungsprozesse gab, aber das war die obere Bildungsbürgerschicht, das waren die Hochschullehrer usw., die teilweise dann tatsächlich wesentliche Einkommensverbesserungen gehabt haben, die sind in den letzten Jahren aber wieder vollkommen weg genommen worden.
Die Interessen und Strategie der deutschen Bundesregierung
MCH-Radio: Du hast gerade von Demagogie gesprochen. Welche Interessen stecken denn dahinter, gerade bei der deutschen Bundesregierung, die ja federführend ist bei den Vorschlägen und Programmen der Troika?
KHR: Ich denke, dass die soziale Demagogie, wie wir sie gerade besprochen haben, über die „faulen Griechen“ und die griechischen „Luxusrenten“ usw. dazu dient, eine populistische Basis für eine eigene Konzeption zu gewinnen, die bis vor ganz Kurzem weitgehend verdeckt gehalten worden ist. Die deutsche Politik in Europa ist nicht nur eine Austeritätspolitik, sie ist vor allem auch von starken Eigeninteressen dominiert, das heißt, sie ist neomerkantilistisch. Deutschland hat innerhalb und außerhalb der Währungsunion immer eine extrem exportgetrieben Wirtschaftspolitik betrieben.
MCH-Radio: Das ist das was du mit merkantilistisch meinst?
KHR: Ja. Merkantilismus heißt natürlich auf Kosten der anderen Nationalökonomien. Merkantilistisch heißt, dass im eigenen Land eine Politik des extremen Lohndumpings betrieben wird, weil durch Niedriglöhne die Exportpreise, als Konkurrenzpreise, gegenüber den anderen Nationalökonomien unterboten werden können. Das ist der Kern des deutschen Merkantilismus. Und der hat natürlich fatale Folgen in dem Augenblick, wo Länder betroffen sind, die dieser radikalen merkantilistischen Exportstrategie nicht durch Währungsabwertungen begegnen können, wie dies natürlich bei allen Partnern der europäischen Währungsunion der Fall ist. Ich denke, dass hinter der deutschen Strategie eine Doppelstrategie steht. Auf der einen Seite ist es klar, sie wissen ganz genau, dass die Folgen ihres Lohn- und Preisdumpings innerhalb der Eurozone dazu führen muss, dass die Peripherieländer, die weniger wettbewerbsfähigen Länder, letztlich deindustrialisiert werden und letztlich damit auch ruiniert werden. Jeder vernünftige Hegemon wird dafür sorgen, das er von seinen Revenuen die er bezieht aus einem solchen abhängigen Land und die Peripherieländer sind vom Kern der Eurozone abhängig, dass er 80 Prozent wieder retransferiert, um das Ausbeutungsobjekt am Leben zu erhalten. Die Deutschen wollen das nicht und das ist natürlich absurd, dass sie einseitig nehmen.
MCH-Radio: Aber kann es ein, dass sie dies gar nicht mehr wirklich wollen, weil sie gar nicht mehr wirklich abhängig sind von Exporten in die EU, sondern eher von Asien oder auch den USA?
KHR: Du nimmst mir da mein zweites Argument vorweg. Mein zweites Argument ist nämlich das, dass die Deutschen mindestens die Peripherie der Eurozone längst abgeschrieben haben. Sie haben mit ihrer neomerkantilistischen Politik immer eine Weltmarktpolitik verfolgt, übrigens schon seit den 1950er Jahren. Die deutsche Bundesbank hat dieses Lohn- und Preisdumping durch die sogenannte Preisstabilität durchgesetzt um die deutsche Exportwirtschaft, den dominanten Sektor der deutschen Wirtschaft, auf den Weltmärkten überlegen zu machen. Das ist ihre Hauptstrategie und wir dürfen nicht vergessen, dass die Einführung des Euro und der EZB im Jahre 1990 den Deutschen aufgezwungen worden ist, sozusagen als Konzession dafür, dass der deutsche Einigungsprozess von den Westalliierten, vor allem von Großbritannien noch stärker von Frankreich überhaupt akzeptiert wurde. Die Einführung des Euro und der EZB waren ein Versuch der französischen herrschenden Elite, also der Beratergruppe um Mitterand, Deutschland in dem Augenblick wo es wieder zu einer absolut dominanten europäischen und einer Weltmacht wird mit
dem Einigungsprozess sozusagen zu zähmen, die D-Mark unter Kontrolle zu bringen. Das haben die Deutschen zähneknirschend akzeptiert, die deutsche Bundesbank ist damals dagegen Sturm gelaufen. Und die Deutschen haben dann die Situation in den 90er Jahren dazu benutzt um ihre eigenen exportorientierten Strategien auf den europäischen Integrationsprozess zu übertragen. Das Maastrichtabkommen von 1992 zeigt es ganz deutlich, das war sozusagen die Europäisierung des deutschen Neomerkantilismus mit allen ihren Folgen. Und die Gründung der EZB war zunächst einmal eine Kopie der deutschen Bundesbank, und zwar in allen Details. Das hat sich dann erst 2012 relativiert durch Mario Draghis Strategie des „quantitativ easing“, das war auch gegen die deutsche Option. Aber generell können wir sagen, dass der ganze europäische Integrationsprozess eine Konzession der Deutschen darstellte, die immer eine vorrangige andere Option gehabt haben. Und diese Option ist immer China, das war Südostasien, das ist Lateinamerika, das ist jetzt wieder der Iran. Und Europa ist sozusagen eine Konzession, die gemacht worden ist. Und ich befürchte, dass es, um zum dritten Punkt zu kommen, eine verschwiegene Strategie der Deutschen gibt, die Eurozone wieder aufzulösen, mindestens zu Gunsten einer sogenannten Nordeurozone. Das heißt also, sie haben letztlich im Fall Griechenland in den letzten Wochen, Vabanque gespielt (alles auf eine Karte gesetzt). Weil sie geglaubt haben damit eigentlich einen Prozess einleiten zu können, der ein Stück weit diese Art des europäischen Integrationsprozesses wieder zurücknimmt. Sie sind absolut antieuropäisch, soweit es ihre Machtinteressen stört. Und sie haben ihre Machtinteressen über Europa gestülpt, das war ihnen sehr weitgehend gelungen. Seit 2012 ist das etwas in Frage gestellt worden, vor allem durch den neuen Kurs der EZB und nun spielen sie Vabanque.
MCH-Radio: Da schließen sich mir zwei Fragen an: Zum einen, warum die anderen EU-Staaten und insbesondere die Euroländer da mitziehen, vor allem die, die nicht zu den starken Euroländern aus Nordeuropa gezählt werden? Zum anderen: könntest du danach nochmal auf den Bruch in der Macht, was die EZB angeht, eingehen?
KHR: Ich denke, dass dieses Vasallenphänomen, das wir beobachten, also dass Finnland und die Niederlande usw. bis hinüber zu den baltischen Staaten und der Slowakei jetzt den deutschen Kurs stützen, aus zwei Gründen geschieht. Einmal zum Beispiel, weil sie sozusagen in der Nische der deutschen Exportstrategie operieren. Die Slowakei ist zum Beispiel von der deutschen Kraftfahrzeugindustrie abhängig, damit vollkommen in deutscher Hand. Das kann man also für die ganze sogenannte Nordzone so sagen, das ist der eine Punkt. Und der zweite Punkt: zu dieser ökonomischen Abhängigkeit kommt eine politische Abhängigkeit. In all diesen Ländern sind rechts-konservative austeritätsfixierte Regime an der Macht, die, wäre der griechische Alternativversuch auch nur ansatzweise erfolgreich gewesen, politisch hinweggefegt würden. So wie Varoufakis es kürzlich in seinem langen Interview im New Statesman gesagt hat: „Wenn wir unsere Kontakte zu Podemos weiter ausgebaut haben, hat das immer nur zur Folge gehabt das der spanische Finanzminister noch bösartiger uns gegenüber wurde.“ Das sind denke ich die beiden Erklärungsmuster, die dieses Vassalenphänomen erklären, so betrüblich und bedauerlich es ist, weil es die deutsche Position extrem stärkt.
Und noch einmal zur Rolle der EZB. Die EZB hat gegen ein deutsches Fast-Veto, gegen den massiven Widerstand der deutschen Bundesbank, 2012 das quantitative easing eingeführt, sie hat erklärt, dass sie europäische Staatsanleihen bedingungslos stützt, dass sie damit den Euro bedingungslos stützt. Und sie hat ja dann mit dem quantitative easing unter Ausnahme Griechenlands interessanter Weise auch begonnen diesen Prozess direkt umzusetzen und das ist eine Kopie der Operation der amerikanischen Federal Reserve Bank aus den letzten 3 bis 4 Jahren. Das war gegen die deutsche Option und von daher gibt es hier eine offene Rechnung und wir werden sehen inwieweit das Insistieren von Schäuble und inzwischen ja auch von Merkel auf die Grexit-Variante, auf die sogenannte befristete, aber natürlich unbefristete Rauswurfkonstellation Griechenlands, inwieweit die tatsächlich in der Vorhand bleibt und inwieweit die Deutschen hier tatsächlich eine Korrektur erzwingen.
Programm und Politik der SYRIZA-Regierung bis zum Juli
MCH-Radio: Wir haben uns bisher die Ursachen und die Entwicklung und Verschärfung der Krise angeschaut. Ich würde im Folgenden gerne über die seit diesem Jahr in Griechenland regierende links-keynesianische Syriza-Partei sprechen. Diese wurde von einer Bevölkerung an die Macht gewählt, die die bisherigen Sparprogramme, die sowohl von der sozialdemokratischen als auch der konservativen Regierung umgesetzt wurden, nicht mehr weiter ertragen wollte. Inwiefern unterscheidet sich denn das Programm der Syriza-Regierung von denen der Vorgängerregierungen? Hatte Syriza einen Alternativentwurf?
KHR: Ja. Man kann sagen das Syriza bevor sie in die Regierung gewählt wurde, einen klaren Alternativentwurf hatte. Das war vor allem im Programm von Thessaloniki, im Herbst 2014, noch einmal ganz eindeutig festgelegt worden. Es ging erstens darum tatsächlich das Austeritätsprogramm zu beenden, weil es kontraproduktiv ist und weil es die Depression vertieft. Es ging zweitens darum einen Schuldenschnitt zu erzwingen. Es ging drittens darum ein Notfallprogramm aufzulegen, um die humanitäre Katastrophe, über die wir ja noch gar nicht gesprochen haben, tatsächlich zu bekämpfen und ein wirtschaftliches Stimulierungsprogramm zu lancieren. Dazu gab es Blaupausen und Vorarbeiten. Und man kann sagen, dass Syriza, als sie in die Regierung gewählt wurde, ein ziemlich solides postkeynesianisches Programm hatte.
MCH-Radio: Mit postkeynesianisch oder keynesianisch meinst du immer: der Staat tritt maßgeblich als Akteur auf in der Wirtschaft, investiert, gibt Geld aus.
KHR: Ja, aber nicht nur, „deficit spending“, das heißt natürlich im klassischen keynesianischen Sinn durch die Ausgabe öffentlicher Mittel zu einer Stimulierung der Wirtschaftsleistung zu kommen. In diesem Fall geht es aber natürlich um sehr viel mehr. Syriza wollte die notwendige keynesianische Strukturreform, die ja in Griechenland tatsächlich sehr stark klientelistisch deformiert war durch das Pasok- und ND-Regime, fortsetzen und sie wollte gleichzeitig zu einer Stabilisierung der sozialen Situation beitragen, das heißt die sozialen Sicherungssysteme wieder stabilisieren. Und das ist natürlich weitaus mehr, als nur ein deficit spending. Das deficit spending als Stimulierungsprogramm oder als Notfallprogramm gegen die humanitäre Katastrophe war nur ein Aspekt und ein sehr wesentlicher anderer war diese breite soziale Verankerung und dann natürlich auch die Rücknahme der Privatisierung, das ist ganz entscheidend. Sie wollten also auch den Prozess des Ausverkaufs stoppen. Und das muss man nicht unbedingt als keynesianisch bezeichnen, aber es gehört zum Kernsektor der keynesianischen Theorie, dass die öffentliche Hand einen eigenen Bereich benötigt, das so genannte ‚capital budget‘, dass es ihr ermöglicht steuernd in den Wirtschafts- und in den Sozialprozess einzugreifen. Das war ein klassisch sozialdemokratisch-keynesianisches Programm. Mit einem linkssozialistischen Programm oder so hatte das nichts zu tun. Es wurde vor allem natürlich auch von der Linken getragen. Und das Projekt Syriza war auch deshalb so interessant, weil es dort gelungen war, die verschiedenen linken Positionen in Griechenland tatsächlich unter eine solche Konzeption zu vereinigen und dann tatsächlich auch zunächst einmal zum Erfolg zu führen.
MCH-Radio: Und dann ist Syriza gewählt worden gerade auch wegen ihres Programmes und Varoufakis ist mit diesem Programm in der Tasche in die EU Institutionen gereist und ihm wurde dort nicht zugehört. Im Übrigen ein sehr interessantes, in die Zentren der Macht tief blickendes Interview, das Varoufakis gegeben hat. Varoufakis ist dort angereist und dann hat er noch nicht einmal Kopfschütteln geerntet, sondern ihm wurde einfach nicht zugehört. Bedeutet dies nicht, dass Syriza in den herrschenden Machtverhältnissen keine wirkliche Alternative ist?
KHR: Ja und Nein. Ich denke Syriza hatte das Potential um tatsächlich die Machtverhältnisse herauszufordern, sie hatte ein klares Programm. Die taktische Umsetzung war als Problem nicht richtig bewusst. Es gibt, bzw. es gab in Syriza – Syriza ist ja nicht mehr das, was es war seit einigen Tagen – drei Positionen. Es gab einmal eine Mehrheitsposition, damals in der ersten Phase von Tsipras und Varoufakis vertreten, die darauf setzte: Mit diesem Programm werden wir einen Kompromiss erzwingen. Die europäischen Institutionen sind also belehrbar, sind ein Stück weit auch korrigierbar, wir müssen eine ganze Menge an Konzessionen machen, Varoufakis hat von einer 70 zu 30 Formel gesprochen, also zu 70 Prozent Kröten schlucken, um dann zu 30 Prozent unseren eigenen Kurs als Kompromisskurs durchzudrücken. Das war die Konzeption der Mehrheitsgruppierung, die sich ja auch bis zuletzt durchgesetzt hat und dann im Fiasko geendet ist.
Dann gab es eine Mittelposition um Giannis Milios, der damalige ökonomische Chefberater der Syriza-Fraktion, der im März diesen Jahres zurückgetreten ist. Milios sagte, das ist schön und gut, aber wir brauchen eine taktische Umsetzungsoption. Diese Umsetzungsoption sollte aus seiner Sicht aus drei Positionen bestehen. Erstens, wir stellen sofort den Schuldendienst ein, mit dem Argument, ihr zahlt uns die Tranche nicht zurück, also haben wir auch keine Zinsen zu zahlen und nichts zu tilgen. Zweitens, wir müssen im Bankensektor intervenieren, wir müssen nicht nur Kapitalverkehrskontrollen einführen, sondern wir müssen einen Nationalisierungsprozess einleiten, um die großen Vermögen zu blockieren, ihren Abfluss zu verhindern, um Dispositionsmasse zu haben. Und das Dritte, wir müssen die Zentralbank unter Kontrolle bekommen, um im Notfall auch eine eigene Inlandswährung etablieren zu können, wohlgemerkt ohne Austritt aus der Eurozone. Die Eurozone müsse das tolerieren, weil es keine rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gibt. Also eine vorrübergehende Inlandswährung, um bei einer Blockade durch die Troika trotzdem dann mit dieser Inlandswährung unser Rettungs- und Stimulierungsprogramm starten zu können. Und als viertes würde ich hinzufügen, die griechische Regierung wäre gut daran beraten, auch die Reperationsfrage auf eine andere Ebene zu heben. Deutschland ist ein gigantischer Reperationsschuldner gegenüber Griechenland und beim internationalen Gerichtshof, oder beim OSZE Schiedsgericht, tatsächlich zumindest die Zurückzahlung der Zwangsanleihe zu fordern, das wären 11 Mrd. Euro heute gewesen. Das war die Position von Milos und in etwa entspricht das dem, was ich seit Februar März diesen Jahres auch vertreten habe. Also, letztlich ging es darum, dass David Goliath der Eurogruppe, den Troika-Vertretern und den Eurofinanzministern nicht nur die lange Nase zeigt, sondern, dass er Waffen hat, Instrumente hat um die Konfrontation zu wagen.
Es gab dann noch eine dritte Position, das war die Position der sogenannten linken Plattform um Lapavizas und teilweise auch Lafanzanis, die auf einen Austritt aus der Eurozone optiert hat, das hielt ich und halte es auch heute noch für falsch, darüber können wir ja vielleicht nachher noch etwas genauer sprechen, was für und was gegen einen solchen Austritt jetzt aus der griechischen Perspektive gesprochen hätte. Lange Rede kurzer Sinn: David hat sich nicht munitioniert, er hat also nicht die Steinchen in seine Schleuder gelegt um gegen Goliath vorzugehen, sondern er hat Goliath nur die Nase gezeigt und das haben natürlich die Verhandlungspartner, vor allem die Füchse der Eurofinanzminister mit dem Fuchs Schäuble als orchestrierenden Dirigenten im Hintergrund und inzwischen auch im Vordergrund, genau erkannt und sie haben die Griechen vor allem Varoufakis voll auflaufen lassen. Das hat ja Varoufakis in seinem langen Interview sehr schön beschrieben. In der ersten Phase haben sie immer neue Datenmassen verlangt, als dann Varoufakis und die griechische Verhandlungsdelegation unruhig wurde und bestimmte Aspekte der Strukturreform, also zum Beispiel die Erhöhung der Kapitalsteuern und der Einkommenssteuern und so weiter, also Steuererhöhungen auf Lasten der Reichen durchsetzen wollte, haben die Europäer und die sogenannten Institutionen blockiert – immer mit dem Argument „nein nein, wir brauchen eine Gesamtlösung“. Letztlich haben sie zugewartet bis zu dem Augenblick, in dem Griechenland wirklich nun real zahlungsunfähig ist, das war in der Zeit von 24. bis 26. Juni, als keine Kredite mehr, keine Darlehensrückzahlungen an den IWF mehr bedient werden konnten. In dem Augenblick haben die Kontrahenten der griechischen Position den Griechen die Pistole an die Schläfe gesetzt und haben ihr Ultimatum gestellt. Sie haben sie so lange hingehalten, das kann man inzwischen sehr genau rekonstruieren. Und das war ja auch der Punkt an dem Varoufakis gesagt hat „so jetzt müssen wir aber langsam doch den Colt ziehen“ und vorgeschlagen hat, „wir führen jetzt Schuldscheine ein und wir bringen die Zentralbank unter unsere Kontrolle, wir stellen jetzt den Schuldendienst ein. Jetzt wird es ernst.“ Nach meiner Einschätzung war das viel zu spät am 26. Juni. Das hätte am 20. Februar passieren müssen, als die Troika, die sich dann ‚Institutionen‘ nannte, ihr erstes Ultimatum an Griechenland abgeschickt hat.
MCH-Radio: Was hindert Syriza denn daran jetzt noch so zu handeln, oder vielleicht ist es nach den Abstimmungen im griechischen Parlament jetzt zu spät, aber was hat Syriza daran gehindert das zu tun, was hat Syriza befürchtet?
KHR: Das ist eine Frage, die ich natürlich nur sehr begrenzt beantworten kann. Ich habe allerdings Kontakte zu Leuten aus dem Syriza-Kern, auf Grund ihrer alten Migrationsgeschichte in Deutschland. Sie kahmen vor allem aus der eurokommunistischen Fraktion, der KKE, also der griechischen kommunistischen Partei und von daher kenne ich ihre Positionen einigermaßen, aber auch ihre Biographien ziemlich genau. Das ist sehr schwer zu sagen. Es ist ganz offensichtlich so das Syriza in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem Auffangbecken frustrierter Pasok-Kader geworden ist. Das sich dort also eine Art von politischem Opportunismus etabliert hat, die eine solche Konfrontationslinie überhaupt nicht wollte. Das ist aber nur eine Teilerklärung. Eine andere Erklärung geht viel weiter zurück nämlich dahin, dass die griechische Linke, seit Pasok 1981 an die Regierung kam natürlich aus ihrer bisherigen extremen Marginalisierungsstellung herausgeholt wurde und am keynesianischen Aufbau partizipiert hat. Das heißt sie wurde auch ein Teil des keynesianischen Systems, natürlich mit den entsprechenden Privilegien. Und das hat natürlich dazu geführt, dass ein so harter Schnitt, eine so klare Positionierung, keynesianische Perspektiven nun auch in eine harte taktische Verhandlungspolitik zu übersetzen und damit eine bewusste Konfrontation in Kauf zu nehmen, dass das natürlich schwer durchsetzbar war. Was mit Tsipras selbst passiert ist in den letzten Tagen, dass kann ich nicht erklären. Ich kann mir auch das Abstimmungsverhalten des linken Flügels, also der 32 Abgeordneten, die zwar das neue Diktat abgelehnt haben, aber gleichzeitig ihre Loyalität gegenüber Syriza und ihrem Parteichef erklärt haben, ich kann mir das nicht erklären, weil es völlig ambivalent ist. Das aktuelle Diktat ist schlimmer als alles, was vorher stattgefunden hat, es wird ja ein Pfändungsfond eingeführt, ein sogenannter Treuhandfond. Das heißt, ein Teil des öffentlichen Vermögens in Griechenland wird jetzt verpfändet. Es wird in einen Fond überführt der von den Gläubigern verwaltet wird. Das gab es übrigens in der Geschichte immer wieder. Beispielweise die ‚Dette Ottomane‘, also die osmanische Schuld, die Schuld des osmanischen Reichs. Das war eine Schuldenverwaltung der Briten und Franzosen aus den 1880er 1890er Jahren, es gibt viele historische Vorläufer. Und das ist eine extreme Demütigung. Es ist einfach nicht vorstellebar, dass ausgerechnet Syriza nach sechs Monaten in einer politischen Bankrottsituation landet, wo sie ein Ergebnis verwaltet, oder sich jetzt bereit erklärt, ein Ergebnis umzusetzen, das in dieser Härte bisher so nicht existiert hat. Es ist übrigens ja die Frage, ob das so alles überhaupt klappen wird. Ich denke, dass nachwievor die deutsche Option auf Rauswurf weitergilt und wir wissen noch gar nicht was in den nächsten zwei bis drei Wochen weiter passiert.
GREXIT als Alternative?
MCH-Radio: Würdest du denn sagen, es gibt noch eine strategische linke Option innerhalb des Euros? Oder ist nicht ein selbstgewählter Ausstieg aus dem Euro besser, bevor man rausgeflogen wird?
KHR: Damit spielst du die Frage des Austritts aus der Eurozone an. Ich möchte das am Beispiel Griechenlands kurz erläutern, warum das meines Erachtens keine Option ist und auch nie gewesen ist, zumindest jetzt seit der Krise. Übrigens ich war 1998/99 entschieden gegen die Einführung der Einheitswährung, weil sie überhaupt keine soziale Basis hatte, es fehlten die europäischen Sozial- und Lohnstandards, es fehlten viele andere Standards und von daher war diese Einführung völlig absurd. Aber die heutige Situation ist so, dass ein Land, das an diese Eurozone gekettet ist, soweit es nicht zu reichen nördlichen Kernzone gehört in eine Katastrophe stürzt, wenn es sie jetzt verlässt, weil es ja schon völlig verarmt ist. Im Fall Griechenland, kann man das sehr deutlich zeigen. Das Hauptargument für das Verlassen der Eurozone ist auch bei den linken Kritikern in der linken Plattform die Hypothese, das Griechenland damit in der Lage wäre eine äußere Abwertung einzuführen und wieder Exportfähig zu werden, es würde seinen nationale Souveränität zurück gewinnen, es bekäme wieder Handlungsmöglichkeiten. Das Problem ist aber, das Griechenland zu 48 Prozent abhängig ist von Lebensmittelimporten. Es ist zu über 60 Prozent abhängig von der Einfuhr von Arzneimitteln und es ist zu 84 Prozent abhängig von der Einfuhr von Energieträgern. Das heißt also, wenn in Griechenland eine neue Allgemeine Nationalwährung eingeführt würde, also nicht nur eine Binnenwährung, sondern der Euro verlassen würde und die Drachme wieder eingeführt würde, dann würden innerhalb von 4 bis 6 Wochen eine Abwertung von über 60 Prozent stattfinden, die Importpreise würden also um über 60 Prozent steigen. Da Griechenland aber keinen relevanten Exportsektor hat, auch das wird in den Berechnungen immer vergessen, und nicht in der Lage ist in der jetzigen Depressionssituation durch Importe einen solchen Exportsektor aufzubauen, könnte es also die extremen Leistungsbilanzverluste durch die Importsituation nicht ausgleichen. Es würde in den Abgrund stürzen und eine Hungerkatastrophe und der Rückfall in eines der ‚least developed countries‘ wäre die Folge. Ein weiterer wesentlicher Argumentationspunkt ist, dass es natürlich eine Drachmen-Fraktion in Griechenland selbst gibt, nämlich die Oligarchen, die in den Startlöchern sitzen und darauf warten, dass die neue Währung um 60 bis 80 Prozent abgewertet wird, und die dann ganz Griechenland natürlich im Auftrag der internationalen Hedgefonds endgültig aufkauft. Es wäre also eigentlich eine Situation des totalen Zusammenbruchs, eines wirtschaftlichen Chaos auf der einen Seite, mit extremen Aufkaufoperationen und wahrscheinlich einer sich entwickelnden verzweifelten Widerstandssituation fast in die Richtung eines Bürgerkriegs von einer rechtsextremistischen Entwicklung ganz zu schweigen, die ja nun in der Tendenz seit einiger Zeit schon da ist. Von daher also meine Antwort: weder für Griechenland noch für ein anderes Land der Peripherieländer der Eurozone ist ein Austritt oder Rauswurf aus der Eurozone, der Einheitswährung eine Option. Eine ganz andere Frage ist, inwieweit man einen Prozess einleitet, der europaweit von unten begründet ist und der dann einen Alternative zum Eurosystem schafft, entweder, indem das Eurosystem wieder abgeschafft wird, oder was ganz neues etabliert wird. Das ist aber eine ganz andere Frage. Ich denke aus der Katastrophe und ich halte die jüngste Entwicklung der letzten Tage für eine Katastrophe nicht nur für Griechenland, sondern für die gesamte europäische Linke. Es gibt zwei Lehren aus dieser Katastrophe: Die erste ist, es gibt keine nationalstaatliche linke Alternative mehr, weder innerhalb noch außerhalb der Eurozone. Und die zweite – und das ist viel ernsthafter meines Erachtens – die entscheidende Reform ist gescheitert. Der Postkeynesianismus mit allen seinen verbesserten Möglichkeiten einer wirklichen entscheidenden Reform, die auch Transformationsschritte in eine sozialistische Gesellschaft eröffnen würde, ist gescheitert. Es gibt keine Handbreit Boden einer gegen das deutsche und europäische Austeritätsdiktat gerichteten Strategie und das ist das eigentlich Dramatische. Man kann es auch anders herum wenden, man kann sagen, es gibt nur noch revolutionäre Lösungen.
Perspektive der griechischen Linken
MCH-Radio: Jetzt hast du mir meine Frage, ob diese Perspektive in den nächsten Jahrzehnten denn so bleiben wird, schon im vor hinein beantwortet.
KHR: Das ist eine Frage die wir Alten für euch Jüngeren nicht mehr beantworten können, weil wir nicht mehr in der Lage sind, die Dynamik, Energie und Kraft zu entwickeln, die notwendig ist um aus einer völlig neuen Situation der Niederlage eine neue revolutionäre Perspektive zu entwickeln.
MCH-Radio: Welche antistaatlichen und antikapitalistischen Perspektiven siehst du in Griechenland zur Zeit?
KHR: Im Augenblick, in der Situation des Desasters hat, glaube ich, niemand einen Überblick. Es gibt wahrscheinlich jetzt einen Klärungsprozess innerhalb der griechischen Linken. Es hat immer eine sehr kritische Position zu Syriza gegeben, Antarsya. Es gibt undogmatische Gruppen. Es gibt eine starke anarcho-syndikalistische Szene, die ja auch in den letzten Tagen in den Demonstrationen in Erscheinung getreten ist und es gibt natürlich die KKE, die kommunistische Partei. Die mit ihrer Prognose, dass die Eurokommunisten am Ende immer noch einknicken leider Recht gehabt hat. Aber leider ist diese kommunistische Partei keine Alternative. Ich sage das sehr schweren Herzens, weil ich einige Genossinen und Genossen aus diesem Umfeld kenne und außerordentlich schätze und deren persönliche Integrität außerhalb jeden Zweifels steht. Aber diese Partei ist extrem nationalistisch und sie hat sich in den letzten Jahren auch eindeutig restalinisiert. Das ist also eine archaische Regression, die jetzt in der griechischen Situation ganz besonders negativ und ganz problematisch zu Buche schlägt. Das heißt, so weit ich es sehe, gibt es Gruppierungen die zur Zeit versuchen die Wunden zu lecken, die also versuchen nicht unterzugehen, die Versuchen nicht zu verzweifeln, es sind alle
Fragen offen. Ich hoffe darauf, dass die Gruppe um Lafanzanis und Lapavitsas und inzwischen auch Varoufakis, der ja inzwischen zu ihnen gestoßen ist, dass sie ihre ambivalente Position aufgeben, dass sie aus der Syriza-Regierung austreten, dass sie vielleicht auch aus Syriza selbst austreten und eine neuen Perspektive entwickeln. Varoufakis hat mit seinem letzten Interview tatsächlich einen selbstkritischen Prozess eingeleitet, es wäre gut wenn er weiterginge und die Fehler, die er im Februar und März mit zu verantworten hatte auch benennen würde. Es ist ein Klärungsprozess nötig. Was die übrigen europäischen Solidaritätsgruppen machen sollen, ist eine ganz offene Frage. Ich denke, dass die traditionslinke Form der Solidaritätspolitik, wo man sozusagen die Augen zu macht und sagt: worst case, wir stützen jetzt weiter die Syriza-Mehrheit, dass das illusionär ist. Genauso illusionär und falsch wäre es jetzt Syriza und Tsipras zu verteufeln. Sie haben in einer Extremsituation kapituliert, sie hatten am Ende wahrscheinlich tatsächlich keine Handlungsoption mehr, dafür sind sie aber verantwortlich und sie sind verantwortlich zu machen. Also es gibt ungeheuren Klärungsbedarf. Ich befürchte, dass wir eine sehr weitreichende Niederlage erlitten haben. Und klar, ist dass der institutionelle Anbindungsprozess der neuen europäischen Sozialbewegung gescheitert ist. Das sage ich auch an die Adresse der Freundinnen und Freunde von Podemos, die ja genau auf dem Weg sind sich zu institutionalisieren, als politische Partei. Ich glaube das ist eine vergebliche Option, wir müssen alles ganz neu von unten her von der Basis her, außerparlamentarisch, außerhalb der institutionellen Gremien neu durchdenken.
Dieses Interview ist die Transkription der Sendung vom 17.07.2015 auf reboot.fm. Interview vom „Make Capitalism History Radio„
KKE-Sympathisant 21. September 2015 - 14:35
„Aber diese Partei (KKE) ist extrem nationalistisch und sie hat sich in den letzten Jahren auch eindeutig restalinisiert.“
Mal wieder NIRGENDS belegte Verleumdungen. Ich könnte kotzen, wie diese Verleumdung auch noch ausgerechnet von Leute fabriziert wird, die sich „kritisch“ mit der ERZNATIONALISTISCHEN Syriza solidarisiert haben und jetzt schon wieder ihre Hoffnungen auf die Linksabspaltung setzen.
Die KKE hat zwar nur die ganze Zeit gegen die patriotischen Griechenlandretter der Syriza polemisiert, genauso wie gegen alternativ rechnenden Drachme-Nationalisten, aber klar… sie ist nationalistisch.
Interessierter 24. September 2015 - 13:22
Hast du denn Belege dafür? Nicht falsch verstehen, ich frage das aus ernsthaftem Interesse.
Auf der Website der KKE ist das meiste natürlich auf griechisch, dessen ich leider nicht mächtig bin.
Thanasis S. 19. Oktober 2015 - 11:45
Lieber Interessierter,
Ich übernehme das antworten mal für den anderen Kollegen: Die KKE-Homepage ist mittlerweile auf sehr viele Sprachen übersetzt, darunter auch deutsch und englisch (aber auch z.B. russisch, französisch, spanisch, türkisch, albanisch, arabisch, bulgarisch) – das an sich ist übrigens schon ein Beleg für die überaus internationalistische Haltung der KKE, die mit hohem Aufwand dafür sorgt, dass Menschen aus allen möglichen Ländern der Welt sich mit ihren Positionen beschäftigen können. Hier ist der Link: http://inter.kke.gr/en/firstpage/
Natürlich sind nur ausgewählte Texte übersetzt, aber damit kann man sich auch schon mal ein Bild machen.
Ansonsten könntest du dir das Programm der KKE durchlesen (http://inter.kke.gr/en/articles/Programme-of-the-KKE/) und selbst beurteilen, ob daran irgendwas nationalistisch ist. Das witzige ist ja, dass die KKE innerhalb der kommunistischen Weltbewegung eine derjenigen Parteien ist, die der Nationalismus-Vorwurf am allerwenigsten trifft, da sie auch gegenüber Konzepten wie nationaler Befreiung (was an sich ja auch noch nichts mit Nationalismus zu tun hat) sehr kritisch gegenübersteht.
Aber auch die tägliche Praxis der KKE, zB ihre internationalistische Arbeit zur Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten, ihr Engagement gegen Kriege, gegen Faschismus und Rassismus usw usf widerlegen diese Absurditäten.
Karl Heinz Roth erweist sich meines Erachtens durch solchen BS einfach als Dummschwätzer, der keine Ahnung davon hat, wovon er redet und nicht weiß, wann er den Mund halten sollte, um sich nicht selbst zu blamieren. Das ist zumindest die wohlwollende Interpretation, denn ansonsten müsste man davon ausgehen, dass er bewusst Lügen verbreitet.
Thanasis S. 31. Oktober 2015 - 20:33
Nur als Nachtrag, weil ja danach gefragt wurde: Eine aktuelle Aktion der KKE: Zwei riesige Transparente an der Akropolis zur Solidarität mit den Flüchtlingen.
http://inter.kke.gr/en/articles/The-KKE-issues-a-call-from-the-Acropolis-Solidarity-with-refugees-condemnation-of-the-EU-and-NATO/
Falls Karl Heinz Roth hier mitliest, darf er gerne erklären, wie das in die Praxis einer angeblich „extrem nationalistischen“ Partei passt – oder solche Verleumdungen in Zukunft einfach sein lassen.