„Sie wollen Kurden töten“

13. September 2015

Warum können 1000 FaschistInnen unbemerkt von der deutschen Linken durch Berlin-Kreuzberg laufen?

Samstag, 12. August 2015, 16 Uhr: Aus dem U-Bahnhof Kottbusser Tor, direkt im Herz des vermeintlich antifaschistischen Kreuzberg, laufen 60 FaschistInnen, sie tragen Parteifahnen, machen Jagd auf ihnen unliebsame Menschen. Rund 1000 ihrer GesinnungskameradInnen stehen zehn Minuten entfernt am Hermannplatz. Die Polizei ist überfordert, kann sie nicht stoppen. Am Kotti wenige Dutzend AntifaschistInnen. Dieselben FaschistInnen hatten ebenfalls am Samstag in Hannover einen Antifaschisten mit einem Messer lebensgefährlich am Hals verletzt, in Bern mit einem Auto zehn Personen angefahren.

Habt ihr nicht mitbekommen? Nun, ergänzen wir: Es handelt sich um türkische FaschistInnen, AnhängerInnen der rassistischen „Grauen Wölfe“, der nationalistischen MHP und der Regierungspartei AKP, die Jagd auf KurdInnen machen. „Was die wollen, ist ganz einfach“, sagt ein kurdischer Freund. „Sie wollen Kurden töten.“ In der Türkei rufen sie bei ihren Aufmärschen: „Wir wollen keine Verhaftungen, wir wollen Massaker“, und bitten den Staat das „Kurdenproblem“ auf ganz türkisch-traditionelle Art zu lösen.

Um 20 Uhr stehen wir mit etwa 100 kurdischen GenossInnen am Kottbusser Tor, der „Ya Allah bismillah, Allahu Akbar“ rufende Mob wurde vorerst zurückgeschlagen. Die KurdInnen aber sind unter sich. Die meisten Antifa-AktivistInnen sind in Hamburg. Und jenseits der organisierten Antifa-Kreise ist Kreuzberg längst so entpolitisiert, dass kein Intervenieren zu erwarten ist. Das „bunte“ Kreuzberg sitzt Bier trinkend am Landwehrkanal, am Heinrichplatz läuft ein „alternatives“ Hip-Hop-Konzert, die Schlange vor dem SO 36 ist lang wie immer an Wochenenden – alles, während sich nebenan Jagdszenen abspielen. Von den hippen KreuzbergerInnen werden die Auseinandersetzungen als irgendeine Art „Kulturkonflikt“ wahrgenommen, der mit ihnen nichts, aber auch schon gar nichts zu tun hat. Sie laufen vorbei, wundern sich höchstens, „was da schon wieder los ist“ und ziehen von dannen, um sich mit Bier und Pille ins Wochenende zu verabschieden.

Die Demonstration der rechten TürkInnen war lange angekündigt, eine Mobilisierung aus der deutschen Linken gab es nicht. Rückte der Kampf der KurdInnen in der Türkei und Rojava in den vergangenen Monaten und Jahren zwar mehr in den Mittelpunkt der linken Diskussion hierzulande, fehlt es immer noch an realen Kontakten zu realen KurdInnen, einem wirklichen Austausch, einer gemeinsamen Organisierung und Praxis. Man lebt – trotz aller positiven Bezugnahme – nebeneinander her. Größere kurdische Mobilisierungen zu Demonstrationen der deutschen Linken bleiben ebenso aus, wie eine wirkliche Beteiligung der deutschen Linken an kurdischen Veranstaltungen.

Dabei wäre die praktische Notwendigkeit einer wirklichen Koordination der Kämpfe von Antifa- und kurdischer Bewegung so nötig wie selten zuvor. Die türkische und kurdische Linke sieht sich in den vergangenen Wochen drastisch verstärkten Angriffen der FaschistInnen gegenüber. In der Türkei zünden sie – toleriert vom Staat – hunderte Versammlungsorte linker Parteien an, machen Jagd auf „kurdisch aussehende“ Menschen, während die Regierung Militär gegen sich für autonom erklärende Städte und Regionen Nordkurdistans schickt. Die deutsche Linke ist gleichzeitig konfrontiert mit einer Welle rassistischer Gewalt, in der Neonazis und „besorgte BürgerInnen“ Refugees zum Ziel erklären, ihre Unterkünfte angreifen und Massendemonstrationen veranstalten.

Was wäre denn einer der offenkundig vernünftigsten Schritte in einer solchen Lage? Wir fangen an, uns für türkische FaschistInnen genauso zu interessieren, wie für unsere „eigenen“ und begreifen Aufmärsche von MHP- und AKP-AnhängerInnen endlich als genauso gefährlich – wenn nicht gefährlicher – wie die von NPD, Kameradschaften und Co. Und die kurdische Linke tut dasselbe, nur eben umgekehrt. Dann bauen wir eine gemeinsame Kommunikationsstruktur auf, die es ermöglicht, schnell Selbstschutz organisieren zu können, wenn es brennt. Sollte das funktionieren, könnten sowohl auf die deutschen wie für die türkischen FaschistInnen schwere Zeiten zukommen.

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10 Kommentare

    Sebastian Herbst 13. September 2015 - 11:21

    Hört doch auf immer von „den Kurden“ zu sprechen. Die im Irak lehnen die PKK-Terroristen ab. Auch in der Türkei gibt es sehr viele konservative Kurden. Auch in der AKP! Sehr viele fühlen sich als Türken – sie sind türkische Staatsbürger. Nur ein Teil der Kurden teilt linke Ideale! In Deutschland ist der Anteil jener Kurden, die Pro-PKK sind natürlich größer. Es sind oft Nachkommen jener Kurden, die in den 80er und 90er gekämpft und dann geflüchtet sind. Da wird viel verklärt. Wenn die Antifa in Deutschland mit Panzerfäusten auf Polizisten schießen würde, Sprengfallen einsetzt oder mit Maschinengewehren Menschen ermordet, der deutsche Staat würde sich genau so wehren, wie es der türkische Staat tut. Wenn ihr einen Traum von einem Gerechteren Land habt, setzt euch in Deutschland ein, aber schürt nicht den Hass in anderen Ländern! Die Türkei und Kurden waren durch die neue Gesetzgebung vor ein Paar Jahren auf einem guten weg – die PKK-Terroristen überflüssig.

    Sebastian Herbst 13. September 2015 - 11:27

    P.S. ich bin kein nationalistischer Türke, sonder Deutscher. Und ich war fast jede Woche gegen Pegida auf der Straße und sehr dankbar, dass die Antifa immer so zahlreich vertreten war. Aber in Sachen PKK finde ich, dass ihr die PKK zu Unrecht verteidigt und der AKP zu Unrecht einen Feldzug gegen „die Kurden“ vorwerft. Es geht gegen die PKK und deren direkte UnterstützerInnen – wie ich finde ganz zu Recht.

    retmarut 13. September 2015 - 15:01

    „Samstag, 12. August 2015“, soll wohl September heißen.

    „Man lebt – trotz aller positiven Bezugnahme – nebeneinander her. “ Der Mangel an Vernetzung und sicher auch an Problembewusstsein wurde im Beitrag gut auf den Punkt gebracht.
    Vermutlich braucht es aber (leider) erst eine gewalttätige Konfrontation zwischen „deutschen“ Antifas und türkischen Faschisten bzw. AKP-Islamisten, um in den Kreisen der Autonomen Antifa für einen Weckruf zu sorgen. Gerade bei Autonomen wird’s in der Regel erst dann politisch, wenn es um den eigenen Arsch (oder die eigene Mietwohnung, das eigene soziale Zentrum, den eigenen Freundeskreis) geht, halt ziemlich bauchnabelzentriert.

    Glücklicherweise ist aber nicht überall die Lage so wie für Berlin beschrieben; andernorts gibt es durchaus gewachsene, solidarische Zusammenarbeit im antifaschistischen und antimilitaristischen Kampf zwischen kurdischen und deutschen Genossen und Freunden.

    munni 13. September 2015 - 16:03

    Überprüf mal deine Grammatik , ist echt unleserlich mit diesen ganzen /innen und so. Was soll der Unsinn?

    Julian 13. September 2015 - 22:03

    Einfach erbärmlich… die Antifas die angeblich in HH sind haben sich auch nicht blicken lassen… vllt. 40 Antifas bei der Demo… später vllt 60 mehr bei der Kundgebung der kurdischen Bewegung.
    Es schein einfach kein Interesse zu geben. Nazis sind Deutsche – so der Glaube, die bürgerliche Mitte interessiert uns nicht, während sie die größere Gefahr ist und die paar Faschisten in Deutschland zu einem unbändigen Problem stilisiert werden.

    Julian 14. September 2015 - 0:28

    Die Erlebnisse aus Hamburg: http://kpd-blog.de/2015/09/14/heuchlerische-antifa/
    … in Hamburg waren die Antifas also -.-

    Antifa Activist hh 14. September 2015 - 14:21

    Ja traurig sowie zu sehen. Vorallem da Berlin ja auch genug antifa aktivisten hat. Wir waren in hamburg um die kurden vor dem nationalem pack zu schützen.

    d.oh 14. September 2015 - 18:54

    ihr habt euch am anfang des artikels mit dem datum vertan. september nicht august

    Said 15. September 2015 - 0:52

    „…und begreifen Aufmärsche von MHP- und AKP-AnhängerInnen endlich als genauso gefährlich – wenn nicht gefährlicher – wie die von NPD, Kameradschaften und Co. “

    EINSPRUCH!
    Ich denke es falsch zu schreiben, die grauen Wölfe in Deutschland könnten gefährlicher als die deutschen Rechten und Neonazis sein –
    welche einfach seit 1990 weit über 180 Todesopfer und eine derzeitige Gewaltwelle und Brandanschlagsserie gegen Flüchtinge und deren Unterkünfte zu verantworten haben, von der massiven Mobiliserung und permanenten Hetze gar nicht erst zu sprechen.
    Dagegen sind die Aktivitäten der in Deutschland lebenden
    türkischen Faschisten gering, wenn man unbedingt aufwiegen möchte.

    Etwas gegen Beide muss man trotzdem tun.

    Patrick 15. September 2015 - 12:16

    Ja da hast du vollkommen recht. Am gestrigen Tag (14 .9) War vor dem türkischem Konsulat eine kurdische kundgebung. Wir waren neben den kurden leider nur mit 4 antifa Activision vertreten. Echt traurig. Es kamen Dan via Twitter noch ausreden wie aber der FC spielt doch heute abend usw. Auch am Sonntag War eine kurdische Gegenden gegen die türkischen faschos in hamburg wo leider auch nur sehr wenige antifa aktivisten da waren. Trotz der aufrufe am Vortag auf der demo gegen den patrioten Tag . Wird Zeit das wir uns mehr mit den kurden zusammentun und das fascho Problem lösen.