Über die Leugnung jeglicher Zusammenhänge. Anmerkungen zum LCM-Interview mit K.I.Z. und zur Sexismus-Debatte
Im Lower Class-Interview mit K.I.Z. ging es an einigen Stellen um Sexismus im Rap, Linke-Szene-Normen und Geschlecht. Die Debatte darüber, ob sexistische Raptexte eine antiemanzipatorische Wirkung auf Gesellschaft haben können, patriarchales Denken und Verhalten also vielleicht stärken oder mit hervorrufen können, ist eine leidige und wird hauptsächlich zwischen senilen Feuilletonisten, Alice Schwarzer und zwei bis drei Prototypen des sexistischen Rappers ausgetragen. Da der Rüpel, dort die Feministin – Medien lieben das Thema „Frauenfeindlichkeit“ immer dann, wenn sie im Rap stattfindet. Leider ist die linksradikale Debatte der Mainstream-Diskussion im Wesentlichen nicht unähnlich.
In queerfeministischen Diskussionen wird tatsächlich manchmal schlicht nahegelegt, dass, wie Maxim im Interview sagt, „das eine die Ursache vom anderen ist“ – das ist auch die Idee, aus der heraus Alice in deutschen Talkshows Raptexte rezitiert. Aber auch K.I.Z. ergeht es beim Thema Patriarchat nicht anders als dem durchschnittlichen deutschen Rapper: Sie beschreiben richtige Probleme und ziehen daraus falsche Schlussfolgerungen. Insgesamt driften sie also in die andere Richtung ab. Maxims Erklärung zur Frage, ob es zwischen Sexismus im Rap und einer sexistischen Gesellschaft einen Zusammenhang gibt, führt das beispielhaft vor:
„Da ich nicht die Ansicht teile, dass Leute Sexisten werden, weil sie sich sexistische Musik anhören, besteht dieses Problem einfach nicht für mich. Es gibt ganz andere Gründe, warum Leute Sexisten werden. Die haben erst mal relativ wenig mit der Musik zu tun. In solchen Diskussionen wird immer von vornherein gesagt: Ok, es gibt Sexismus in der Welt, Frauen werden geschlagen, vergewaltigt, im Job begrabscht – und gleichzeitig gibt es Musik, die das in ihren Texten auch macht. Also hängt das zusammen. Und dann gehen sie zu nem Rapper und sagen: Beweis mir jetzt wissenschaftlich, dass das nicht zusammenhängt! Und wenn du das dann nicht beweisen kannst, wird das als Beleg genommen, dass das eine die Ursache vom anderen ist. Das ist natürlich eine extrem gemeine Logik, da hat man auch gar keine Chance.“
Während einige Äußerungen einiger Queerfeminist_innen dazu verleiten können, zu glauben, dass sexistische Begriffe in Rap-Texten direkt für Vergewaltigungen verantwortlich sind, sagen K.I.Z.: Wir können sagen, was wir wollen, weil das sowieso nicht für den Sexismus ursächlich ist, den es sowieso in der Gesellschaft gibt. Damit unterschlagen sie, dass Sexismus im Hip Hop nicht nur Ausdruck, sondern auch Legitimation von in der Gesellschaft verankerten patriarchalen Strukturen ist. Dass alles andere eine weltfremde Behauptung ist, zeigt vielleicht der Vergleich mit einer anderen von Linksliberalen gerne gescholtenen Subkultur, der Religion. Die Bibel, die Thora, der Koran sind wahrscheinlich die folgenreichsten frauenfeindlichen Bücher, die je geschrieben wurden. Und leider ist diese Tatsache im Fall westlicher Länder selektiv herangezogen worden, um gegen Menschen, die irgendwie muslimisch verdächtig erscheinen, vorzugehen – verbal und physisch, gesetzlich, polizeilich. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei den Buchreligionen um patriarchal geprägte Denktraditionen handelt. Daraus folgt praktisch-politisch erst mal überhaupt nichts. Es handelt sich um eine einfache Feststellung.
Dass Homophobie, Männlichkeitskult und die Ausstellung von Frauenkörpern im Rap nichts mit gesellschaftlichen patriarchalen Strukturen zu tun haben sollen, dass die Verbreitung von sexistischen Inhalten nichts zu frauenfeindlichen Denkmustern beitragen soll, ist eine Dummkopf-Idee. Also hängt das zusammen, der Sexismus im Rap und die Gesellschaft. Daraus folgt allerdings noch keine Antwort, wie jetzt weiter mit diesem Zusammenhang zu verfahren ist.
Zu sagen, dass dieser Zusammenhang eine nervt, ist weder übertrieben, noch behauptet man damit, dass der gemeine Rapper an sich für das Fortbestehen des Patriarchats verantwortlich ist. Klar ist doch: Es gibt keine antipatriarchale Gegenmacht im HipHop – weder im deutschen, noch im US-amerikanischen, noch im französischen oder senegalesischen. Würde es sie geben, so würde das, was Maxim sagt, stimmen. Es gäbe dann ganz andere Gründe, warum Leute Sexisten werden. Warum sollten Sexismus (und im übrigen: Homophobie) in allen gesellschaftlichen Bereichen – im Fußball, in den Vorständen, auf den Straßen, in den Beziehungen, im RnB – dazu beitragen, dass Menschen Sexisten werden, nur im HipHop nicht? Oder meint Maxim, dass sie Sexisten werden, weil sie eine schlechte Kindheit hatten? Wenn wir das mal nicht unterstellen, können wir davon ausgehen, dass es erstere Idee ist: Überall gibt’s Sexismus, aber nur im HipHop sollte man ihn besser nicht politisch betrachten.
Aber warum gibt es diese Gegenmacht nicht und warum wird es sie im Patriarchat auch niemals geben? Weil das Patriarchat ein globales System ist, das lokal unterschiedliche Formen annimmt, dessen gemeinsame Nenner aber existieren. Die Bezugnahme auf weibliche Körper, ihre Ausstellung, verbale Herabsetzung sind ein solcher gemeinsamer Nenner. Insofern sind der K.I.Z.-Sexarbeiterinnen- und Abtreibungs-Witz („Schon klar Nutte, du willst keine Abtreibung“), der Mütter-Witz („Der Dünnschiss presst wie ‘ne Mutter in den Wehen“) oder der Fehlgeburten-Witz („Trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt“) nur eine besonders kuriose Ausprägung. Wie immer ist aber alles eigentlich ganz anders gemeint, nämlich einfach so: „Wir stehen auf eine harte Ästhetik, in Texten und Bildern.“ Was wie hart ist – um das zu anzuzeigen, dafür braucht es allerdings seltsamerweise wieder und wieder Frauenkörper, die Abtreibungen und Fehlgeburten haben und gebären können.
Es handelt sich dabei um Witze, die die Wiedergänger von Tabus sind, deren Inhalt die Gruppe irgendwie vergessen hat, zu hinterfragen. Damit liegen sie im ganz normalen bürgerlichen Spektrum: Jedes Tabu wird uns wahrscheinlich irgendwann in Form eines Witzes begegnen, auch wenn K.I.Z. ihrer Zeit sicher um einiges voraus sind. K.I.Z. spielen mit Tabus über Frauenkörper – aber auf eine uninteressante Weise. Darin liegt der Unterschied zu Lady Bitch Ray.
Weibliche Körper sind im HipHop gegenwärtig Grundkapital zur Wertschöpfung und in dosierter Form sind sie das auch bei K.I.Z. Allerdings rappen sie auch über ihre eigenen Körper, behaupten, Mikropenisse zu haben. Aber ob ich verbal den Frauenkörper zurichte (die Körper von anderen) oder meinen eigenen ausstelle mit einer Message, von der letztendlich allen klar ist, wo die Ironie liegt (sonst wäre die Penis-Behauptung ja auch nicht lustig) bleibt ein Unterschied. Dabei ist der Grundgedanke der Penis-Behauptung ein schöner. Über Vorhautverengung, Peniskrümmungen und Prostatakrebs wird im deutschen Rap erstaunlich selten geredet – diese weit verbreiteten männlichen Gebrechen zu ironisieren ist immerhin ein bisschen weniger langweilig als Abtreibung und Prostitution. Es würden sich damit aber viele junge Männer eher unwohl fühlen. Viele Feministinnen würden sich seltsamerweise empören, mitfühlen. Wieder andere würden wieder mal merken, dass man Gleiches nicht mit Gleichem vergelten kann, wenn es sich um Ungleiche handelt. Das ist das Grunddilemma junger Frauen, die sich ,männlich ‘ Verhalten, sexistische Witze umdrehen – und scheitern. Die meisten Antisexist_innen fühlen mit den Männern, die Peniswitzen zum Opfer fallen, nicht mit den Gescheiterten.
Dass ihre Bildersprache, Ästhetik, Posen und Witze männlich geprägte sein könnten und es auch noch andere Ausprägungen geben könnte, kommt K.I.Z. entweder nicht in den Sinn oder sie verschweigen es strategisch. Ich behaupte, es könnte etwas damit zu tun haben, dass sie keine Frauen sind. Auch das, so Maxim, ein beliebtes Argument, um Männer wie ihn mundtot zu machen: „Ich hatte das auch schon in Diskussionen, irgendwann wird einem dann vorgeworfen, dass man ein Mann ist. Da kann man denn auch aufhören, zu quatschen, gegen den Vorwurf kann ich vorerst, solang ich mir die medizinische Behandlung nicht leisten kann, nichts tun.“ Sagt der Mann, der (nicht nur) 2012 auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Frauenbilder im HipHop“ in Köln eine Stunde und 32 Minuten mit Argumenten wie „Das ist Kunst, die darf das eben“ langweilte. Ich hätte gerne auf diesem Podium gesessen, um mit Sookee zu diskutieren, denn ich und einige andere Feministinnen finden ihre Ansichten eher häufiger als seltener nicht besonders weiterführend, aber offensichtlich hat sich Maxim da mehr verdient gemacht hinsichtlich vorhandener Kenntnisse zum Thema. Oder wurde er vielleicht eingeladen, weil er ein rappender Mann ist und seine Perspektive als solcher interessant ist? Maxims Opfertum macht ihn angreifbarer, als er sein müsste. Da die anderen Mitglieder von K.I.Z. nur sehr wenig zum Thema beitragen konnten oder wollten, muss man davon allerdings ausgehen, dass seine Äußerungen den Orientierungsmaßstab bilden.
Was nicht verzeihlich ist, ist, dass sie im LCM-Interview vorführen, dass Männer, die Meinungen zum Thema „Sexismus“ (in Normalsprache: Patriarchat) auf Basis von Alltagsweisheiten, Wenn-Dann-Vergleichen und eigenen Erfahrungen vortragen, in der radikalen Linken mit genau diesen Meinungen ernst genommen werden. Jahrzehntelange feministische Bewegungsgeschichte in theoretischer und praktischer Hinsicht wenigstens ein bisschen verstehen wollen – fast könnte man meinen, es handelt sich dabei um ein Hobby von gelangweilten Frauen. Wenn man seinen Verstand einschaltet, kann man das sicher auch ohne den Feminismus begreifen. Oder man zieht eben dreißig Jahre männliche Erfahrungswelten heran.
Vielleicht überschätzen K.I.Z. ihre Wirkung bei den Kids vom Kottbusser Tor und unterschätzen sie bei Zehlendorfer Gymnasiasten, Stuttgarter Hipstern und Münchner Investmentbankern. Das ist deswegen denkbar, weil Ironie gewissermaßen der Soundtrack des neoliberalen Akademiker-Milieus ist und K.I.Z. ohne Ironie nicht denkbar ist. Dass zu viel Ironie nicht gut ist für die Revolution, wissen sie aber auch:
„Es tut auch gut, mal so ein kleines Risiko einzugehen. Also sich mal was trauen, nicht, weil das jetzt so extrem kontroverse Aussagen sind, sondern weil´s überhaupt irgendwas Ernstgemeintes ist. Auch, wenn es ein Liebessong oder ein Trennungssong ist. Überhaupt irgendwas ernst zu meinen, erfordert schon Selbstbewusstsein.“
K.I.Z. wollen nun endlich was Ernstes sagen, und tun es angeblich sogar im Bereich Liebe und Trennung. Irgendwie reihen sie sich damit ein in eine Riege von Männern, die immer dann gegen Sexismus – aber nicht unbedingt für Feminismus – sind, wenn er ihnen irgendwas ver- oder gebietet. Ihre Taktik, sich die Rosinen rauszupicken, führt dazu, dass K.I.Z. bisher zwischen latentem Antifeminismus und liberalem Antisexismus hin und her eiern. Damit führen sie auch die Zahnlosigkeit feministischer Kritik heute gnadenlos vors Auge. Was Feministinnen, die mehr als nur Sprachkritik wollen, extrem notwendig macht, ist, dass diejenigen, die – wie K.I.Z. – ihre Kritik an reiner Sprachpolitik teilen, in die andere Richtung ausschlagen und offensichtliche Zusammenhänge leugnen. Der „feministische“ Wandel im K.I.Z.-Kosmos beschränkt sich dann anscheinend auf folgende Einsicht des LCM: „Es geht viel weniger um „Hurensöhne“ und Mütter, es ist nicht mehr wirklich Partymusik.“ Dabei haben K.I.Z. mit den Sprachkritiker_innen mehr gemeinsam als sie denken: Auch diese hinterfragen ihre Lösungsansätze (also Sprachpolitik und die Losung „Frauen im Rap stärken“) nicht hinsichtlich ihrer Angemessenheit angesichts dieses doch etwas umfassenderen strukturellen Problems. Wenn dann mangelt´s doch an einer richtigen Kritik und dass ein paar mehr Leute die teilen, um es mit Maxim zu sagen. K.I.Z. sagen viel Richtiges und das macht es lohnend, sie hinsichtlich eines minderschweren Gehirnausfalls zu korrigieren. Vielleicht wird’s dann auch was damit, die komplette Liebe zur bestehenden patriarchalen Ordnung mal ein bisschen aufzukündigen.
# Von Assunta Mondini und GenossInnen
moro 8. Juli 2015 - 13:46
„Warum sollten Sexismus (und im übrigen: Homophobie) in allen gesellschaftlichen Bereichen – im Fußball, in den Vorständen, auf den Straßen, in den Beziehungen, im RnB – dazu beitragen, dass Menschen Sexisten werden, nur im HipHop nicht?“
Maxim sagt: Sexismus fuehrt nicht zu Sexismus, da gibt es andere Gruenda dafuer.
Feministen hoeren: Maxim gibt mir Recht dass Sexismus zu Sexismus fuehrt, er meint nur dass Sexismus im Rap nicht zu Sexismus fuehrt. Gegen diesen Strohmann argumentier ich jetzt an ohne mir Gedanken zu machen wass denn nun wirklich Ursachen fuer Sexismus sein koennten.
Abraham Lincoln 10. Juli 2015 - 5:58
„Feministen hören“ ist ja wohl mehr als peinlich, Genosse!
Blanche Noir 8. Juli 2015 - 17:14
Ein eleganter, sprachgewandter Lesegenuss. Danke für diesen witzig-scharfsinnigen und kritischen Artikel.
Sina 8. Juli 2015 - 21:39
Was für ein abgehobener Akademikersprech-Artikel. Von der Strasse für die Strasse? Sprachgewandt? Es geht um Hip Hop und da sollten wir am Boden bleiben. Darüber schreiben ist wichtig aber ihr scheint die Ursprünge des Hip Hop zu vergessen – die Strasse.
P.D. Jay 9. Juli 2015 - 12:32
Welche Straße meinst du?
Didadu 11. Juli 2015 - 10:52
Vermutlich die Derfflingerstraße. Da steht zumindest das Französische Gymnasium …
Roger 12. Juli 2015 - 15:45
Eigentlich ist es bezeichnend für die subjektive Ausrichtung deines Artikels, dass du ausgerechnet die Textzeile „trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt..“ zum Beweis für die vermeintliche Frauenverachtung von KIZ aufführst. Entscheidend an dieser Zeile, ist aber die Zeile die DANACH kommt. Dort heißt es dann weiter: „… für meine Taten werde ich wiedergeboren, als Regenwurm.“ DAS ist der entscheidende Kontext, hinter der ersten Zeile. Das aber ignorierst du natürlich und läßt es weg, so als hättest du keine Ohren im Kopf, bzw. als würdest du das deshalb tun, um die Jungs auch weiterhin als die bösen Frauenhasser darstellen zu können Das ist ganz schön arm.
Bernd 16. Juli 2015 - 18:10
Ich finde den Artikel wirklich sehr gelungen.
Ich höre gerne K.I.Z. weil ich finde, dass sie das was sie machen ausgesprochen gut machen. Gleichzeitig hatte ich immer das Gefühl, dass sie im Grunde wissen was richtig ist und an welchen Stellen sie bewusst Tabus verletzen.
Dass das offensichtlich nicht immer der Fall ist und sich die Rapper zum Teil auf sehr dünnem Eis bewegen, wenn sie ihre Texte erklären müssen ist hier sehr gut herausgearbeitet worden – finde ich.