Kann man im Kommunismus Bananen gegen Lamborghinis tauschen, soll Jack Daniels verboten werden und wie kritisiert man die RAF richtig? Audienz im Generalsekretariat des ZK von KIZ
Die proantikapitalistische Befreiungsbewegung „Kannibalen in Zivil“ (KIZ) schien bereits durch Repression und Abspaltungen zerschlagen, da meldete sich das Politbüro der Untergrundorganisation im Parteisender Taka Tuka TV mit einer Hymne zurück, die den Hatern Angst einflößte und der Menschheit neue Hoffnung gab. Man arbeite an einer „neuen Platte“, mit der man „den Würgern die Stirn bieten“ und „die Geknechteten aus ihren Ketten schlagen“ werde, hieß es in einem Bekennerschreiben zu der Single-Auskopplung „Boom Boom Boom„.
Nach wochenlangen Verhandlungen mit dem designierten Propagandaminster der KIZ und Bestechungsgeldern in dreistelliger Milliardenhöhe konnte Lower Class Magazine exklusiv die Scheibe mit dem Titel „Hurra die Welt geht unter“ hören. Unmittelbar überzeugt davon, dass KIZ kurz davorstehen, den Papiertiger des globalen Wacknessimperialismus zu zerknüllen, suchten wir um ein Gespräch mit der Führung der wegen Völkermord und Menschenrechtsverbrechen in der Kritik stehenden Gruppierung an. Der unendlichen Gnade und Volksnähe der Vier Unsterblichen Führer des Weltproletariats ist es zu verdanken, dass wir in der Kreuzberger Kommandozentrale empfangen wurden.
Zwischen Kalaschnikows, Palmen-Pimmel-Fahnen und einem zur Absicherung der Finanzierung der Organisation errichteten Meth-Labor trafen wir begleitet von Royal-Bunker-Veteran Marcus „Riot“ Staiger dann auch DJ Craft, Nico, Maxim, Tarek. Ehrfürchtig lauschten wir den Worten der charismatischen und bescheidenen Götter, jedes einzelne schrieben wir mit Bedacht nieder, auf dass auch ihr erleuchtet werdet. Lest, seht, erwacht!
LCM: Ich durfte mir das Album schonmal anhören und muss sagen es hat mir gut gefallen. Was aber auffällt ist, dass es viel ernster geworden ist. Es geht viel weniger um „Hurensöhne“ und Mütter, es ist nicht mehr wirklich Partymusik. Die meisten Songs sind zwar manchmal witzig, bis man merkt „oh, das gibt’s ja wirklich.“ Warum ist es ernster geworden, war das Absicht und glaubt ihr, dass eure Fans drauf klarkommen?
Tarek: Ich denke dadurch, dass es jetzt eben nicht voll ist mit irgendwelchen Fremdwörtern, die ich selber auch nicht verstehe, ist es für Jugendliche nach wie vor leicht verständlich, nachvollziehbar und auch interessant. Es gibt Wörter da schalten die Leute dann ab, wie „Antiimps“, „Antideutsche“ und „Kapitalismus“…
Maxim: … „Swag“, „YOLO“ …
Tarek: Ja, genau. Aber wenn du jetzt sagst, du kannst nicht auf die Klassenfahrt, weil deine Eltern nicht genug Geld haben, oder deine Adidas haben nur vier Streifen, deswegen wirst du gemobbt auf´m Schulhof, dann kann das irgendwie jeder 14-Jährige nachvollziehen. Ich denke nicht, dass unsere Fans das irritiert.
Maxim: Wir hatten diese Befürchtung erstmal. Aber wir haben bei der Single jetzt gemerkt, dass die meisten Leute das schon geil finden. Gab nen Paar Leute die gesagt haben „ehhh, so ne Zeckenscheiße“, aber ansonsten waren sehr viele Leute sehr glücklich.
Nico: Und wie es dazu gekommen ist, wir haben einfach vorher gesagt wir probieren mal nen Album zu machen ohne so Standard-Battlerap-Song drauf. Solche Songs wo wir irgendwie Geschichten erzählen, gab´s ja vorher auch immer schon vereinzelt auf Alben. Jetzt haben wir uns halt vorgenommen, das mal ein bisschen auszuweiten und mal ein Album nur mit sowas hinzubekommen. Das hat, glaub ich, ganz gut hingehauen und ob die Leute das jetzt so annehmen wie so ein Stress-Party-Terror-Album, wie das Mixtape, das wir davor gemacht haben oder so, wird sich zeigen. Keine Ahnung, scheiss drauf. Wir sind auf jeden Fall selbstbewusst genug mittlerweile, um zu sagen „Ja, wir stehn drauf“.
Maxim: Es tut auch gut, mal so ein kleines Risiko einzugehen. Also sich mal was trauen, nicht, weil das jetzt so extrem kontroverse Aussagen sind, sondern weil´s überhaupt irgendwas Ernstgemeintes ist. Auch, wenn es ein Liebessong oder ein Trennungssong ist. Überhaupt irgendwas ernst zu meinen, erfordert schon Selbstbewusstsein.
LCM: Ihr habt ja schon die Single „Boom Boom Boom“ angesprochen, da gabs ja schon ganz verrückte Rezensionen, etwa die in der Welt, die ziemlich irre war. Der Kern scheint mir die Sache mit der Untertanenmentalität zu sein, also zu sagen „es passt uns nicht, dass Leute nach oben buckeln und nach unten treten“. Was stört euch so an diesem Phänomen und was ist die Kritik daran?
Maxim: In dem Song kommt´s ja einigermaßen rüber. Ich halte es einfach für einen falschen und dummen Gedanken, so zu denken. Wenn man wirklich eigennützlich denkt, dann sollte man nicht so denken wie die Leute mit diesem Untertanenstolz. Bevor man irgendjemandem folgt oder so, wenn man das überhaupt macht, sich die Frage stellen, ob das überhaupt im eigenen Interesse ist. So stellen wir es ja auch dar: Du bist sauer auf irgend einen „Sozialschmarotzer“ anstatt auf deinen Boss, der dich ja wirklich ausbeutet und ja wirklich was hat. Deswegen sagen wir ja auch „Du und dein Boss haben nichts gemeinsam außer das Deutschlandtrikot“, einfach um mal zu sagen: Für was engagierst du dich hier grade? Ist es überhaupt eine richtige Sache sich für irgendsoein ‚Wir‘ so engagieren? Man sollte sich das ‚Wir‘ erstmal angucken, bevor man sich bereit erklärt, für dieses ‚Wir‘ irgendwas zu tun. Ich halte das jetzt nicht für moralisch verwerflich. Also auch, ich finds nicht besonders symphatisch, aber die Kritik daran wäre eher den Leuten zu sagen: „Hey das ist doch auch für dich scheiße, warum machst du das?“
Marcus: Jetzt wissen wir ja wo diese Gedanken so ungefähr herkommen, also aus welcher Theorie-Kaderschmiede. War das schwer, das in Texte zu packen? Du hast ja selber bei so mancher Podiumsdiskussion gesagt: „Das muss ja erstmal ‚funky‘ klingen“. Also, Musik muss erstmal geil sein …
Maxim: Ja klar, sonst würde ich ein schriftliches Theorieorgan machen. Das ist ja jetzt trotzdem ein Rap-Album, in dem wir auch ganz viele andere Sachen ansprechen. Bei politischen Sachen find ich´s trotzdem wichtig, dass es gut klingt. Natürlich ist es schwer und man muss den Gedanken schon wirklich gut verstehen und verinnerlicht haben, bis man ihn in einer Punchline ausdrücken kann. Das dauert auf jeden nen bisschen. Da muss man das irgendwie aufnehmen, verstehen, mit Leuten drüber reden und es zu einem eigenen Gedanken machen.
Marcus: Gabs in der Gruppe eigentlich Diskussionen? Seid ihr da auch eingbunden, also in Theoriearbeit?
Tarek: Was für ne Theoriearbeit? Naja, wir haben eigentlich alle ziemlich ähnliche Ansichten und dementsprechend gab´s da kaum Diskussionen. Eher ob der komplizierte Sachverhalt in der Textstelle auch wirklich so einfach ausgedrückt ist, dass man das auch versteht, als jemand, der sich nicht die ganze Zeit mit irgendwelchen politischen Theorien beschäftigt.
Maxim: Es geht ja auch nicht nur darum, dass es politisch ist. Politisch sind ja ganz viele, jeder Gangsterrapper sagt, dass er politisch ist. Die benutzen auch Fachbegriffe und sagen Wörter wie „Kapitalismus“ und reden über irgendwelche historischen Sachen, die man auch wirklich erstmal nachlesen muss. Es ist ja nicht so, dass andere Leute unpolitisch sind. Nur ich denke, dass wir jetzt ein paar Sachen haben, die ein bisschen untypischer sind. Dadurch wird’s umso notwendiger, dass man sich einfach ausdrückt.
Marcus: Ihr hattet ja jetzt schon einigen Interviews. Fragen die Leute nach, nach diesen ungewöhnlichen Gedanken oder tun die das ab und sagen, naja, die hauen jetzt mal mit politischen Schlagwörtern rum?
DJ Craft: Ich hab das einmal erlebt bei nem DJ-Set, da kam dann jemand nach ner Party zu mir, war aufgewühlt und meinte, dass er das nicht so ganz versteht, diesen neuen Song …
Marcus: … Boom, Boom Boom?
DJ Craft: … ja, „Boom Boom Boom“ und diesen neuen Einschlag. Das war jetzt nicht der Zeitpunkt für eine Diskussion darüber, aber ich merke schon, dass es Jugendliche gibt, die da vor den Kopf gestoßen sind oder selber vielleicht gezwungen sind, sich mehr mit den Texten und den Inhalten auseinanderzusetzen als vorher. Es ist halt diesmal direkt und eben kein melodischer Partysong, sondern ein ganz klarer und direkter Song, der die momentanen Zustände wiedergibt.
Nico: Du hast jetzt aber mehr auf Journalisten angespielt, mit denen wir Interviews hatten. Da ist das sehr unterschiedlich.
Maxim: Das ‚Wie‘ ist eher interessant. Die stellen dann fest, dass was Politisches gesagt wird und wir uns weniger ironisch ausdrücken. Da geht’s schon eher um die Ausdrucksform und dass man jetzt ein Thema wie Flüchtlingspolitik anspricht. Aber was jetzt genau dahinter steckt oder warum jetzt irgendwie Patrioten mit Nazis gleichgesetzt werden, da kann ich mich an keine Frage erinnern.
Tarek: Wir wurden aber schon öfter gefragt, wie das denn, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten, die Welt zu gestalten, dass sie viel gerechter wäre, genau aussehen würde. Ob wir einen Plan haben, wie es dann aussieht, wenn der Kapitalismus zusammengebrochen ist.
Markus: Sind sie denn einverstanden mit eurem Lösungsvorschlag?
Maxim: Naja das sind halt Musikjournalisten.
LCM: Ist der Lösungsvorschlag denn so wie in dem Song „Hurra die Welt geht unter“ auf dem neuen Album? Das ist ja einerseits eine total sympathische Utopie, die ihr da aufmacht, weil gesagt wird, in dieser Gesellschaft kann man den Kindern nicht mal mehr erklären, was Geld ist oder wie man Monopoly spielt, weil das mit ihrem Leben nichts mehr zu tun hat.
DJ Craft: Ich weiß nicht ob das schon ein Vorschlag ist, es ist immer noch eigentlich ne Fantasie. Das ist immer noch ein Traum. Klar, verbunden mit Erfahrungswerten, Erfahrungen, die wir gemacht haben und Dingen, die die Geschichte gezeigt hat. Aber wirklich einen Lösungsvorschlag haben wir ja in dem Sinne nicht.
Maxim: Es mangelt ja auch nicht an Lösungsvorschlägen. Jeder rennt doch rum mit irgendeiner Idee von einer besseren Welt. Wenn dann mangelt´s doch an einer richtigen Kritik und dass ein paar mehr Leute die teilen. Bei dem Song ging´s eher darum dieses normale Weltuntergangsszenario, zu verarschen oder mal anders zu machen. Das normale Weltuntergangsszenario ist halt, dass alle übereinander herfallen. Mit Kannibalismus und Zombies und bösartigen Banden und man sucht die alle rettende Militärbasis, der Präsident wird beschützt oder man sucht irgendeinen König oder was weiß ich für´n Scheiß. Die komplette Liebe zur bestehenden Ordnung wird darin ausgedrückt, bei sowas wie Mad Max zum Beispiel. Das einzige Interesse, das in so einer Welt dann immer besteht, ist: Wie können wir wieder eine Ordnung aufbauen, die so ist wie die jetzt aktuelle. Diesen Gedanken ein bisschen kaputt zu machen, darum gings. Es ging uns nicht darum zu sagen, dass es uns besser geht, wenn wir in Häuserruinen leben.
Tarek: Der letzte Interviewer hat uns gefragt: „Wer ist jetzt schlimmer, die Wirtschaft oder die Politik“, ich bin mit so einer Frage komplett überfordert.
Maxim: Die Frage war ja auch gemein, weil die Frage ja schon so eine war: „Wer ist schuld?“
Tarek: Der Freier oder der Puffbesitzer.
Nico: Ja man, die Nutte! Im Zweifelsfall immer die Nutte.
DJ Craft: Das andere was häufig kommt, ist, dass wir das, was wir grade machen, machen, weil es jetzt grade angesagt ist. Das schwingt immer so mit, als ob wir uns mit diesen Dingen nicht schon immer beschäftigt hätten und ständig damit beschäftigen würden. Da muss man auch jedesmal gegen ankämpfen.
Maxim: Bald kommt der Cro-Song über Flüchtlinge …
DJ Craft: Politische Themen gab´s halt schon immer in KIZ-Songs und wird’s auch weiter geben, vielleicht in späteren Songs wieder mit mehr Ironie oder anders verpackt.
Marcus: Aber „Boom Boom Boom“ ist doch ironisch! Es stimmt ja garnich, dass es nicht ironisch ist. Kommt ja rüber wie ein Dancefloorkracher, hat aber ganz bösartige Lines.
Maxim: Man muss natürlich sagen, da sind ernsthafte Ansagen. Aber dazwischen halt auch Sachen die offensichtlich ein bisschen blödsinnig sind. Also wenn ich irgendwie sage, „meine Vorfahren haben Wildschweine gejagt“ …
Markus: Haben die das nicht?
Maxim: Natürlich haben sie das, Asterix und Obelix. Aber ich bin ja Bretone, das ist allerdings ne andere Geschichte. Aber da sind ja offensichtlich auch son paar Sachen, die so ein bisschen überzogen sind.
LCM: Was ist mit der Gewaltfrage? Ist die überzogen oder nicht? Ich würde sagen, im Unterschied zu den ganzen Empörten, in manchen Fällen ist „Gewalt“ ja nicht völlig sinnlos.
Maxim: Was heißt Gewaltfrage, ich halte es natürlich nicht für ein probates Mittel, jetzt einfach alle Leute abzuknallen, aber ich hab auch gar kein Interesse mich davon zu distanzieren.
Nico: Die ist ja auch ein Stück weit ironisch dargestellt in dem Song. Soll ich dich so umbringen oder so, wie wär´s dir denn am liebsten – das ist ja auch wieder ein Witz.
Maxim: Davon distanzieren will ich mich auch nicht, weil ich das immer lächerlich finde. Bei dem RAF-Film hab ich im Stern, Focus, Spiegel, irgendwo, was gelesen, wo sich die ganzen Schauspieler dann so zwanghaft kritisch der RAF gegenüber äußern. So: „Ja, ich find ja Terrorismus so voll doof und so“, irgendso ein Bleibtreu und wie die alle hießen, mussten dann unbedingt sagen, dass sie das ja gar nich toll finden. Da denk ich mir dann: Hä, wer hat euch denn gefragt? Diese unaufgeforderte Unterwerfung, das ist so wahnsinnig.
Tarek: Ein geiles Cover wär sone Sitzblockade und dann siehst du nur zwei Spuren von Panzerketten, die da durchgehen. Und in den Panzerketten sind dann noch Blumen drin und lange Hippiehaare.
Marcus: Ich war in einer RAF-Ausstellung, die endete in einem Raum, der die Friedensbewegung darstellte. Das war der letzte Raum. Das ging natürlich von den Studentenprotesten aus, die als total legitim dargestellt wurden, über die Eskalation und über die Radikalisierung bis zum letzten Raum, wo wir bei der Friedensbewegung angelangt sind, und bei den Grünen.
LCM: Chronik eines Verfallsprozesses …
Marcus: Ja, aber das war ne Message: Das endete in totalem Terror und Willkür, aber was Gutes kam halt raus, das war diese Friedensbewegung.
Nico: Irgendwie musst du dir die Fördergelder ja auch klären, die kriegst du natürlich nicht, wenn du ein anderes Fazit draus ziehst.
Maxim: Grade bei der RAF ist das doch interessant, dass die sich nicht dadurch delegitimieren, dass sie Blödsinn gedacht haben, sondern einfach nur durch die Gewalt an sich. Es wurden nur ihre Mittel als Argument gegen sie benutzt. Weil sie Gewalt angewendet haben, waren sie falsch. Vielleicht wollten sie ja von Anfang an was ganz Falsches? Vielleicht hatten sie ja eine völlig falsche Einschätzung der Situation? Aber ne, das Ding ist: die haben Gewalt angewendet und deswegen ist es falsch. Als Argument gegen die Bundeswehr funktioniert das irgendwie nicht, aber als Argument gegen die RAF schon.
Marcus: Das ist ja auch klar, das ist ja auch der Staat, der kann sich keinen anderen Gewaltakteur leisten.
Nico: Gewalt privatisieren!
Maxim: Bei dem Welt-Artikel war ja die Pointe „Ist das schon Terrorismus?“ oder irgendsowas. Das ist doch das, was die dann bewegt. Gar nicht: „Was wollen die?“ Vielleicht reden wir ja nur scheiße, dann muss es da aber auch Argumente geben. Vielleicht haben wir in dem Song ja auch was Dummes gesagt, dann kann man ja dazu was sagen. Aber ne, das ist gar nicht die Frage, sondern: „Haben die hier die Linie überschritten?“
LCM: Grade die Welt hat ja zur selben Zeit einen Kommentar veröffentlicht, in dem es heißt: „Ja, es ist gut, dass es die Festung Europa gibt und diese Abschottungspolitik muss so bleiben“. Wenn es um Gewalt geht, haben die sicher mehr Leute auf dem Gewissen als KIZ.
Maxim: Ja. Also, wer weiß? Was weißt du denn schon …
Nico: Was meinst du, warum wir so lang kein Album rausgebracht haben …
Marcus: Wir nieten die hundert reichsten Deutschen um …
Maxim: Das war ja auch das beste PARTEI-Plakat, das es gibt.
Marcus: Zum Spaß kann man am Schluss auch noch die Leute umnieten. Man muss es nicht mehr tun, aber man könnte es.
Maxim: Man könnte es zumindest in Aussicht stellen, als kleines Bonbon.
Marcus: War der Diskussionsprozess für dieses Album eigentlich intensiver als bei den anderen?
Maxim: Ja.
Tarek: Es geht, also eigentlich nicht. Wir diskutieren ja auch bei Songs, wos nur um …
Maxim: Ja, aber es ist schon was anderes, ob man drüber diskutiert, ob ein Witz lustig ist, oder ob der Besitz eines Lamborghinis in eine utopische Welt gehört.
Tarek: Achso, ja, ich wollte bei dem einen Song sagen, wir zahlen alles mit Früchten, ich zahl den Lamborghini mit Bananen. Dann meinten die anderen: Junge, halt den Ball flach.
Maxim: Gegrillte Ratten waren auch noch im Gespräch.
Tarek: Ey, wer sagt, dass eine Ratte nich gut schmeckt.
Marcus: Du meintest vorher, dass das Selbstbewusstsein jetzt ausreicht, das so auszuprobieren und das Risiko einzugehen. War das Selbstbewusstsein früher nicht da?
Nico: Ein Stückweit schon, ja. Also nicht so, dass ich jetzt nen Song geschrieben hab und mich nicht trau, den rauszubringen. Das war auch vorher nicht der Fall. Aber sich da überhaupt erstmal ranzusetzen. Da denkt man sich denn „Ach, vielleicht mach ich doch lieber nen coolen Battlerapsong und lass das in so ein, zwei Zeilen mit einfließen und denn feiern die den Song schon.“
Tarek: Wir haben ja auch alte Songs, die wir jetzt demnächst veröffentlichen werden, und da ist auch ein Song von den beiden mit drauf, der in die Richtung geht.
Marcus: In welche?
Tarek: Kritik an der Obrigkeit oder was weiß ich, wie man das nennt. Der ist auch großartig. Ich glaube nur, dass wir vielleicht jetzt eher in der Lage sind, das so umzusetzen, dass es nicht so verkrampft wirkt. Also was heißt verkrampft, aber dass es nicht so trocken klingt. So dass jemand, der sich mit dem Thema eventuell gar nicht beschäftigt, da auch einen Zugang hat. Also grade so Songs wie „Geld“ oder so, das kannste halt auch als 13-Jähriger hören, der Löcher in den Klamotten hat.
Marcus: Übrigens hab ich ja die Info zum Album geschrieben.
Tarek: Aber du hast ja unser allererstes Album auch abgelehnt, da waren ja auch so Songs von den beiden drauf und wahrscheinlich fandest du die auch ein bisschen trocken.
Maxim: Ja, die waren musikalisch einfach Schmutz. Vielleicht hast du unsere Karriere in der Hinsicht versaut und uns zu Trailerpark gemacht.
Marcus: Ich war ja auf der „Marx is muss“ – Konferenz und Kaveh, der strenge Sittenwächter der Rapkultur, saß neben mir und hat gesagt, ihr springt nur auf den fahrenden Zug des politischen Rap auf und ihr stellt grad fest, dass es erfolgreich ist.
Tarek: Wo ist das denn bitte erfolgreich? Was für´n Scheiss.
Maxim: Ich muss sagen, dieser Vorwurf ist jetzt auch nicht so oft gekommen, aber trotzdem, der Vorwurf ist in der Hinsicht sehr wahnsinnig, weil wenn du wirklich willst, dass politischer Rap stattfindet und mehr Message unterwegs ist, dann kannst du auch drauf scheißen, warum die Leute das machen. Dann solltest du hören: Sind die Argumente gut, sind die Sprüche gut, transportiert das irgendwie eine Meinung, die ich verteilt wissen will in der Welt.
Nico: Und nicht: hast du das Recht dazu, diese Meinung zu verbreiten.
Maxim: Genau und das zeigt doch, dass da jemand am Werk ist, dessen Motive eher in der Selbstbeweihräucherung anzusiedeln sind. Was aber nicht bedeutet, dass derjenige nicht gute Songs schreibt. Was in dem Fall ja auch stimmt, er schreibt ja sehr gute Songs.
Marcus: Dein alter Schauspielkollege Ahmed Shah war auch da und der war denn sehr explosiv und meinte: „Die Jungs waren schon immer politisch!“
Maxim: Ja siehste!
Tarek: Den hab ich neulich gesehen und zwar in der Werkstatt der Kulturen, da wurde Angela Davis eingeladen und wir ham da so rumgechillt.
Marcus: Du hast mit Angela Davis gechillt?
Tarek: Ja. Wir ham abgehangen. Da war was mit Flüchtlingen, Theater und so.
Marcus: Wie war das mit Angela Davis abzuhängen?
Tarek: Sehr nett. Ich hab ihr gesagt, dass es ein bisschen langweilig ist und dringend auf Toilette muss, da hat sie mich angegrinst. Eigentlich nur Smalltalk.
Maxim: Aber man, das ist Angela Davis. Smalltalk mit Angela Davis is kein Smalltalk!
Nico: Gibs zu, ihr habt eine kommunistische Partei geplant.
Tarek: Sie hat übrigens ein cooles Tattoo auf´m Bein. Hab ich ihr auch gesagt. War auf jeden Fall ein stabiler Nachmittag. Man kann´s nicht anders sagen.
LCM: Was für ein Tattoo?
Tarek: Ich weiß nicht, was es war, sah ziemlich knasttattoomäßig aus. So selbstgestochen. Ein Delphin vielleicht, ich weiß es nicht mehr.
Nico: Und was noch dazu kommt, um mal zum Thema zurück zu kommen, wenn es jetzt darum ginge, dass man politische Musik macht, weil das so krass en vogue ist, dass man damit so geil viel Geld verdienen kann und so krass bekannt werden kann, macht man vielleicht doch lieber Musik wie Kay One.
Maxim: Da muss man einfach kurz überprüfen, was in den Charts wirklich sattfindet und nochmal drüber nachdenken.
LCM: Es gibt ja verschiedene Genres bei politischem Rap, auch so Aktivisten-, Parolenrap, warum habt ihr das nie gemacht?
Maxim: Ich mag Musik, ich bin wirklich ein krasser Fan von Musik und von Poesie. Ich mag schöne Wörter, ich mag Wortspiele, ich mag, dass man auch nicht immer ganz genau weiß, was das bedeutet, was jemand da macht. Dieses Spirituelle, das Kunst auch haben kann. Meistens war es so, dass sich dann schlechte Musik mit ihren großen Zielen und ihrem politischen Inhalt entschuldigt hat. Obwohl da einfach jemand nicht gut gerappt hat und die Mucke einfach scheiße war. „Ja, aber der ist real“ oder „der hat tolle Inhalte“. Das interessiert mich nen Scheiß, dann soll er ein Buch schreiben. Aber dafür sind sie dann meistens wieder nicht clever genug.
Tarek: Manchmal auf Festivals oder am ersten Mai sieht man dann Leute auf der Bühne, die dann sagen: „Ich scheiß jetzt auf diese Mode-Antifaschisten, die alerta antifascista auf ihren Konzerten schreien, aber noch nie auf´m Acker gegen die Nazis sich geboxt haben“. Und dann seh ich mir die Leute an und denk mir immer so: Woher nehmen die diesen Hochmut über andere Leute so zu urteilen. Ich hab mir dann immer gedacht: Ok, du hast Rassismus wahrscheinlich selber noch nie erlebt. Ist natürlich ok, wenn du trotzdem Leute kritisierst, die aus Mode- oder Coolnessgründen Antifa machen …
Nico: Ne, ist es nicht. Das haben wir ja grade schonmal gesagt. Wenn dir der Inhalt gefällt, wieso dann?
Maxim: Was is das überhaupt für eine Herangehensweise, dass man guckt, ob jemand das irgendwie aus Mode macht. Ich meine, man gehört irgendwie abstrakt einer Bewegung an, die man links nennt und man merkt doch irgendwie, dass man eine Minderheit ist. Dann sollte man sich doch eher freuen, dass da irgendwie Leute dazukommen. Dann kann man ja gucken, wass die im Kopf haben und was die erzählen.
Tarek: Ja und ich musste dann auch daran, denken, wie mich jemand ‚Nigga‘ genannt hat, oder mein Lehrer Negerwitze erzählt hat, oder an meine Tante, die schwer krank ist und nicht nach Europa kommen kann, um hier versorgt zu werden. Und dann steht dieser dumme grobschlächtige Mann da und beschwert sich darüber, dass Leute keine wirklichen Antifaschisten sind, weil sie sich noch nie mit irgendwelchen Nazis aufm Acker geschlagen haben. Ich halte mich auch für links und es irritiert mich immer, wenn ich sehe, wie viele Anfeindungen es unter den verschiedenen Gruppen gibt. Das is mir viel zu anstrengend.
Marcus: Es ist auf jeden Fall anstrengender als im Rap-Kosmos unterwegs zu sein.
Nico: Im Rap-Kosmos sind noch viel, viel mehr Idioten.
Maxim: Eigentlich sind überall Idioten.
Marcus: Es sind noch mehr Idioten da, aber du kannst dich besser streiten.
Maxim: Die Leute haben halt nen anderen Anspruch.
Marcus: In linken Kreisen darfst du dich ja teilweise nicht streiten, weil das dann Dominanzverhalten ist oder irgendsowas.
Maxim: Ey du bist total machomäßig, deine Redezeit ist vorbei.
Tarek: Entweder bist du ein Antisemit oder ein Macho oder was weiß ich, kommt immer auf die Strömung an.
Maxim: Ich meine, das ist nur die extreme Form von dem normalen Talkshow-Verhalten. Das ist ja normale bürgerliche Diskussionskultur, dass man nur noch darauf achtet, wie jemand redet und nicht mehr darauf achtet, was er sagt. Nicht etwa „hat er grad was Interessantes ausgeführt?“ Sondern es wird nur noch gesagt: „Das war jetzt zu laut“, „jetzt ist die Zeit vorbei“.
Tarek: Am Ende biste halt ein schlechter Mensch.
Marcus: Ne, aber es interessiert tatsächlich weniger, was gesagt wird, als wer wie spricht.
Maxim: Ich hatte das auch schon in Diskussionen, irgendwann wird einem dann vorgeworfen, dass man ein Mann ist. Da kann man denn auch aufhören, zu quatschen, gegen den Vorwurf kann ich vorerst, solang ich mir die medizinische Behandlung nicht leisten kann, nichts tun.
Tarek: Mir hat neulich ein Kumpel erzählt, dass es da an der besetzten Schule öfters mal Probleme gibt. Weil du da jemand vor deinen Karren spannen willst mit deiner Ideologie und dann hast du halt einen Jamaikaner, der Homosexualität als Krankheit ansieht und denn gibt’s Diskussionen mit irgendwelchen Linken, die dann sagen: „Ey, das kannste nicht bringen, wir setzen uns hier für dich ein und dann sagst du plötzlich, dass ich hier den Fernseher ausmachen soll, weil sich da zwei Männer küssen.“
Marcus: Aber das zu sagen, ist doch in Ordnung. Da geht’s ja um Argumente
DJ Craft: Generell geht es darum, dass gar nicht erst diskutiert wird, sondern dass jeder am Ende des Tages nur ne Stellungnahme abgibt. Jeder gibt seinen Senf dazu und am Ende geht jeder auch mit seinem Häufchen Elend wieder nach Hause. Es gab dann keine Diskussion, keine Kommunikation und auch kein Hinterfragen des eigenen Denkens. Man ist ja vielleicht auch selber bei ein paar Punkten auf dem Holzweg und da ist es wichtig, die Stärke zu haben, sich das vor einem Publikum auch einzugestehen und sich dadurch weiterzuentwickeln.
LCM: Es gibt ja oft so einen Moralkatalog, den man halt abarbeitet, wo dann gesagt wird, der hat jetzt das Falsche gesagt, also is er raus“. Und die da hat wiederum das gesagt, also ist sie auch raus. Es gibt, glaube ich, in weiten Teilen der Linken so ein Bewusstsein, zu sagen: „Wir sind die Sauberen, wir können über die anderen urteilen.“ Deswegen kommt die Linke auch so wenig mit anderen Menschen in Kontakt. Ihr hattet das doch auch schon … .
Maxim: Ich hatte das schon mit Rapsachen, das war dann auch oft mein Fehler, dass ich da überhaupt drauf eingegangen bin. Da wird dann oft so getan, als würde jeder Mensch auf der Welt sich grad um die Mitgliedschaft in dem, was sie als linke Szene verstehen, bewerben. Die haben sich so benommen, als würden sie unsere Rapalben jetzt als Bewerberschreiben betrachten und dann haben sie natürlich Regelverstöße gesehen. Sexismus, dies, das. Bei uns wird dann speziell diskutiert, ob Ironie jetzt vielleicht eine Distanzierung vom Sexismus ist oder ob es dadurch sogar verstärkt wird. Das wird dann wie ein Bewerbungsschreiben diskutiert. Da machen sie dann den elementaren Fehler, dass sie nicht gemerkt haben, dass die meisten Rapper einen Scheiss mit denen zu tun haben wollen. Ein Bushido oder so typische Gangsterrapper interessieren sich überhaupt nicht dafür, ein Teil dieser Clique zu sein. Die haben doch ganz andere Ziele und Zwecke mit ihrer Musik, als dadurch ein „guter Mensch“ zu sein.
Nico: Wie das was Tarek grad gesagt hat. Anstatt zu sagen „Hey, wir setzen uns hier für dich ein, jetzt kannste doch nichts gegen Schwule sagen“, macht es doch mehr Sinn zu sagen: „Hey, es ist scheiße, was du gegen Schwule sagst“, aber das ist doch kein Grund, dass dann als Prädikat dafür zu nehmen, dass man sich für seine Sache einsetzt. Entweder es ist richtig, dass man sich dagegen einsetzt, dass Flüchtlinge sterben oder eben nicht. Was die Einzelnen über Homosexualität denken, sollte doch da gar nichts mit zu tun haben.
LCM: Bei diesem Album spielt es ja keine Rolle, aber wie sieht das bei euch selber aus. Diskutiert ihr untereinander, ob es jetzt unbedingt notwendig ist, sowas wie „Fotze“ zu sagen? Diskutiert ihr, ob eure Sprache sexistische Verhaltensformen transportiert?
Maxim: Wenn´s wirklich witzig ist und ein origineller Witz ist, ist das für mich ok. Problematisch wird’s für mich wenn „du Frau, ich Mann“ schon der Witz ist. Das reicht dann für mich nicht. Außer man machts so plump, dass es schon wieder geil ist. Da ich nicht die Ansicht teile, dass Leute Sexisten werden, weil sie sich sexistische Musik anhören, besteht dieses Problem einfach nicht für mich. Es gibt ganz andere Gründe, warum Leute Sexisten werden. Die haben erst mal relativ wenig mit der Musik zu tun. In solchen Diskussionen wird immer von vornherein gesagt: Ok, es gibt Sexismus in der Welt, Frauen werden geschlagen, vergewaltigt, im Job begrabscht – und gleichzeitig gibt es Musik, die das in ihren Texten auch macht. Also hängt das zusammen. Und dann gehen sie zu nem Rapper und sagen: Beweis mir jetzt wissenschaftlich, dass das nicht zusammenhängt! Und wenn du das dann nicht beweisen kannst, wird das als Beleg genommen, dass das eine die Ursache vom anderen ist. Das ist natürlich eine extrem gemeine Logik, da hat man auch gar keine Chance.
Marcus: Das hängt zusammen, das hängt nur umgekehrt zusammen.
Maxim: Ganz genau, das würde ich auch sagen. Aber du hast gar keine Chance mehr in dem Moment, weil die kommen dann mit Wörtern wie „vielleicht“, „könnte“, wissenschaftliche Wörter wie „Faktoren“ und „Umstände“, dann kauen die immer wieder drauf rum, dass man den Sexismus zumindest durch die Musik verstärkt. Tausend solche Sachen. Irgendwie wollen die sich unbedingt mit diesen Rapsachen beschäftigen. Wo ich mir so denk: Warum? Ich denke es kommt daher, dass die vielleicht so eine psychologische Erklärung für alles Übel in der Welt haben, „die Welt ist schlecht, weil der Mensch schlecht ist“.
Marcus: Der Typ, der Tugce erschlagen hat, hat ja angeblich am Abend, bevor er zu Burgerking gegangen ist, wo das dann passiert ist, von Haftbefehl ‚Lass die Affen aus dem Zoo‘ gehört …
Tarek: Und welchen Burger hat er bei Burgerking gegessen? Den sollte man auch verbieten. Vielleicht war der schlecht gelaunt vom Geschmack.
Marcus: Nach der gleichen Logik müsste man ja auch Jack Daniels verbieten. Unter dem Einfluss von Jack Daniels passieren wahrscheinlich mehr Gewaltverbrechen, als durch schlechte Rapmusik.
Maxim: Aber Jack Daniels hilft auch sehr vielen Leuten dabei, die harte Realität zu ertragen. Da müssen Kosten und Nutzen abgewogen werden.
DJ Craft: Außerdem ist „Lass die Affen aus dem Zoo“ ein guter Rapsong, kein schlechter.
Marcus: Was mich eigentlich viel mehr verstört hat, auf diesem Album, ist der Song „Was würde Manny Marc tun?“, weil ich halt wirklich in seinen Strophen so einen cold thrill, so ein kaltes Erschauern hatte. Warum habt ihr so einen Song gemacht, wo ihr in die Abgründe der menschlichen Seele schaut? Geht ihr her und sagt, ok, ich möchte jetzt irgendwie das schlimmste rauslassen, vor was ich Angst habe oder mir das schlimmste ausdenken, was ich mir vorstellen kann?
Maxim: Ja so ein bisschen. Erstmal diese Ängste beschreiben und dann kombiniert mit diesem Refrain auch noch die Angst davor, dass das irgendwo noch lächerlich ist, dass diese persönlichen Dramen, doch irgendwie dann untergehen im Karneval. Für mich war es einfach dieses Gefühl, du bist deprimiert, du hast irgendne persönliche Geschichte oder irgendwelche Gedanken, die dir sehr ans Herz gehen und dann stehste auf irgendner Party und überall ist Konfetti und alle gucken dich an und sind völlig von Sinnen. Und alle sind so krass fröhlich und du verstehst einfach nicht, warum die alle so fröhlich sind, was mit denen falsch läuft.
DJ Craft: Wenn man den Song hört, werden ja gerade durch den Refrain die einzelnen Rapparts noch schlimmer. Dadurch, dass man eben diesen direkten Vergleich hat und das sind eben nicht nur zwei Songs auf einem Album, sondern das ist wirklich innerhalb eines Songs. Ich finde das wirklich sehr brutal und ich glaube so brutal hat das im deutschen Rap wirklich noch keiner gemacht.
Maxim: Ich glaube, das ist der brutalste Song der ganzen Welt.
DJ Craft: Ich bin gespannt, wie der Song ankommen wird, bei unseren Fans zum Beispiel. Und ich bin auch sehr gespannt, wie dann so ein Song vielleicht auch mal Live rüberkommt, wenn man dann gemeinsam mit dem Publikum diesen Wechsel zwischen ganz oben und ganz unten durchlebt.
Maxim: Dadurch, dass immer so eine Angst da ist, dass wenn man etwas Persönliches erzählt, sich da jemand drüber lustig macht, ist das irgendwie ein sehr befreiender Schritt, sich das selber irgendwie schonmal zu machen.
Marcus: Ich finde schon auch dieser Schmerz und dieses Elend, das da beschrieben wird, wird durch diesen absurden Refrain ja noch verstärkt.
Maxim: Die ganze Welt da draußen macht Party, du bist drinnen und es regnet vor deiner Couch.
LCM: Das Komische ist, dass die ja immer Party machen, also die werden wahrscheinlich auch zu dem Song Party machen. Bei allen Songs könnte ich mir das vorstellen, auch bei dem Geld-Song. „Deine Frau ist dreißig Jahre jünger – Geld“ und so ist ja als Kritik gemeint. Aber ich kann mir die Reaktion vorstellen beim Mitgrölen: Yeah Geld, wir brauchen mehr davon! Das finde ich noch verstörender, dass sicherlich auch bei den Songs, wo du denkst, die sind total hart, wird’s Leute geben die sagen „ja super, Party“.
Maxim: Ja, ich mag das irgendwie.
Marcus: Es gibt auch Leute im Deutschlandtrikot, die „Biergarten Eden“ feiern…
LCM: Nichtmal wenige vermutlich, wenn du dir die Youtube-Kommentarspalten anguckst.
Maxim: Es hat halt irgendwie was Versöhnliches, aber…
Tarek: Aber ich glaube „Geld“ ist noch unmissverständlicher als „Biergarten Eden“. Da werden die Leute früher oder später, wenn sie sich das Lied nochmal anhören, auf den Trichter kommen und das verstehen. Bei „Biergarten Eden“ glaub ich das auch.
LCM: Spätestens, wenn sie obdachlos sind.
Marcus: Trotzdem nochmal zu „Was würde Manny Marc tun?“ Ist das quälend, so einen Song zu schreiben? Wie tief geht ihr da rein oder ist da dann doch eher so eine technische Distanz? Ich hatte das Gefühl, das ist wirklich Reingehen in das, was so die größte Ekelhaftigkeit ist, die man sich vorstellen kann.
Nico: Ja, ist es schon. Es besteht ja teilweise aus Sachen, die man irgendwie selbst erlebt hat oder so und die dann aber noch weitergedacht, noch schlimmer gedacht werden. Also das hat schon einen Kern, also man kennt Leute denen sowas passiert ist oder es ist einem selber mal sowas passiert. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich während dem Texteschreiben angefangen hab zu weinen. Also als quälend würd ichs jetzt nicht beschreiben.
Maxim: Ich fands schon erstmal quälend, also ich hatte schon überlegt, eine andere Strophe zu schreiben, weil ich gedacht hab, das ist irgendwie zu viel. Dann hab ich aber irgendwann gemerkt, „zu viel“ ist wahrscheinlich genau das Richtige.
DJ Craft: Ich war auf dem Oranienplatz, bei der Demo gegen die Asylrechtsverschärfung und ich hab´s zum Beispiel nicht geschafft, an dem Abend aus Protest zu feiern und ne coole Party zu machen. Mich hat dann doch der Gedanke so niedergeschlagen, dass ich dann raus musste. Wenn man sich das dann so vor Augen führt, wenn man das wirklich verinnerlicht, da erschlägt einen das doch. Vielleicht nicht für Wochen, aber für einige Stunden. Auch wenn ich nicht wie Tarek zum Beispiel in der Familie solche Schicksalsschläge habe, die jetzt nicht nach Europa einreisen können, aber es ist schon echt sehr heftig. Aber eigentlich müsste man das vielleicht überwinden und das versucht der Song ja gerade. Wir haben uns den angehört und dann kam dieser Refrain und wir haben auch so voll Party gemacht. Dann hat man wieder durchgeatmet und hat sich den nächsten Rap-Part angehört und sich wieder dieser Geschichte zugewandt. Dann auch wieder ernsthaft. Die Wechsel fand ich dann schon ganz gut.
Nico: Ich hab auch dann im Nachhinein mal drüber nachgedacht, ob ich die Strophe so auf den Song packen will, aber es ist ja im Endeffekt so überspitzt, dass sich da hoffentlich keiner mehr drin erkennen kann. Aber beim Textschreiben selbst hab ich mich jetzt nicht gequält.
Marcus: Aber war´s eine andere Intensität?
Nico: Klar, es hat eine andere Intensität sich das anzuhören auch, auf jeden Fall.
Marcus: Es ist ja wie wenn man so einen Tagtraum fortspinnt, so einen Gedanken und der zieht einen ja dann doch auf eine ganz andere Art rein, als wenn man jetzt so eine lustige Battlerap-Strophe schreibt.
Nico: Auf jeden Fall.
Maxim: Ja und wir haben es jetzt noch nicht live performt. Aber ich habs auch schon bei so nem Song wie „Wenn es brennt“ auf Hahnenkampf, der zwar auch ironisch war, wo wir immer ironisch die Leute auffordern Autos anzuzünden und ohne Kondom zu ficken. Aber der Song hatte schon sowas, das war schon was anderes als bei „du Hurensohn“. Wenn man dann live jemanden anguckt und dem das ins Gesicht rappt, das war schon son ganz anderes feeling. Ich weiß noch wie ich bei den Songs das erste mal performt hab, noch so ein bisschen Gänsehaut hatte, genauso wie bei „So alt“. Weil das irgendwie doch so ein unmittelbarer Kontakt zu den Leuten ist. Es ist schwerer, sich hinzustellen und jemandem „du Hurensohn“ ins Gesicht zu brüllen.
Marcus: Tarek, ist es dir schwergefallen, diesen Trennungssong zu schreiben, der auf dem neuen Album drauf ist?
Tarek: Ich hab grade drüber nachgedacht, dass dieser Trennungssong auch gut bei „Was würde Manny Marc tun?“ als Strophe funktioniert hätte. Wenn es so ein persönlicher Text ist, und du als Schlussfolgerung, wie das ja fast jeder macht, denkst, ich flüchte jetzt einfach vor meinen eigenen Dämonen, deswegen geh ich jetzt in den Club oder so, das ist schon widerwärtig. Nico und Maxim haben ja schon so einen persönlichen Bezug in ihren Strophen und dann kommt dieser Bruch mit dem Manny-Marc-Refrain. Ich hab mir grad vorgestellt, hätt ich so einen persönlichen Text in diesem Song, hätte ich das richtig ekelhaft gefunden.
Mein Song ist auch persönlich in dem Sinne, dass da jetzt nicht der Ursprung für mein Leid dieses System oder sowas ist, es geht mehr um meinen eigenen Kopffick.
Marcus: Hat sich der Liebessong schneller geschrieben als andere Songs?
Tarek: Ja, ich glaub schon. Ich meine, wenn ich den jetzt höre, kann ich auch nicht mehr nachempfinden, warum´s mir da so schlecht gehen konnte. Der Song macht mich auf jeden Fall auch ein bisschen angreifbar, aber das ist schon in Ordnung.
Marcus: Was hat deine Ex gemacht, als sie den Song gehört hat?
Tarek: Sie hat einen eigenen geschrieben. Aber meiner ist besser.
Marcus: Was hat deine jetzige Freundin dazu gesagt?
Tarek: Es ist natürlich immer schade für eine Frau, wenn man solche Songs erst danach schreibt. Aber so die richtigen Liebessongs, während man verliebt ist, die gehen nicht so leicht von der Feder, da ist man mit dem Erleben des Glücks beschäftigt.
LCM: Die werden sowieso immer kitschig.
Tarek: Ich hoffe, mein Song ist nicht allzusehr in den Kitsch abgerutscht. Sollte eigentlich ein unangenehmes Gefühl bewirken, ich hab mich megascheisse gefühlt in der Zeit und bin dann auch Rummelbumsdisko feiern gegangen. Das wollte ich damit rüberbringen. Es ist auch gar nicht so sehr ein Song über sie, es ist ziemlich egozentrisch, ich rede eigentlich nur über mich und meinen Abturn. Wollten wir nicht über Politik reden?
LCM: Das Album ist ja so fein durchkomponiert, dass man die ganze Zeit über politische Kritik und Psychoportäts hört und am Ende kommt quasi als Erlösung aus dieser Hölle der wunderschön poetische Song „Hurra, die Welt geht unter“ mit dieser Utopie einer Gesellschaft, die anders ist als die heutige. Ich denke schon, dass das funktioniert, jenseits aller Ironie und Leute zum Nachdenken anregen kann. Ich kann mir vorstellen, dass da Leute sagen: Ja, die haben schon recht, am Bestehenden gibt´s viel auszusetzen und es wäre besser, wenns anders wäre. Aber was ist das Angebot, das man machen kann? Nur vom KIZ hören, geht die Welt, wie sie ist, ja wahrscheinlich nicht weg.
DJ Craft: „Hurra, die Welt geht unter“ zeigt ja nur eine Phantasie, die wir uns ausgedacht haben. Das beinhaltet ja, dass jeder seiner Phantasie freien Lauf lassen sollte und lassen darf. Wenn man sich dann nicht erschlagen fühlt, von der Realität und es immer noch schafft, zu phantasieren und sich eine bessere Welt vorzustellen, dann findet man vielleicht für sich einen besseren Weg, damit umzugehen, oder man denkt sogar noch weiter und fängt dann an, noch bewusster zu kritisieren, was falsch läuft. Und dadurch ergeben sich dann Lösungsvorschläge. Und die münden ja bei jedem in einem Rumprobieren, oder man setzt sich dann wirklich hin und fängt an, zu diskutieren, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und man fängt an, dieses Puzzle für sich zusammenzusetzen.
Maxim: Es ist ja erstmal eine sehr abstrakte Forderung, zu sagen, was man jetzt verändern könnte. Da find ich´s erst mal interessanter zu sehen, die Leute laufen ja nicht rum und sagen: Die Welt ist geil. Es ist ja vielmehr so, dass die Leute alle sehr viel zu meckern haben. Sie haben ja viele Beschwerden. Dann sollte man eher an diesen Beschwerden ansetzen. Die Leute erklären sich ja Dinge falsch. Sie meinen, dass die Flüchtlinge, die Ausländer schuld sind, die Sozialschmarotzer, die bösen Banker, die Chemtrails, die Bilderberger, was weiß ich. Sie sind ja sehr beschäftigt damit, sich die Missstände zu erklären und tun das oft auf eine falsche Weise.
Wir haben auch Songs, in denen das konkreter wird. Bei „Geld“ kommen ja die Formulierungen vor, dass jemand vor einer leerstehenden Wohnung erfriert oder vor einem vollen Schaufenster verhungert. Da wird ja ganz deutlich, ok, die Dinge, die man braucht, sind da. Aber anscheinend braucht es dafür eine Lizenz namens Privateigentum. Dann ist die Schlussfolgerung klar, da sollen die Leute nicht so tun, als ob das unklar wäre. Ich glaube, sie sehen dann meistens die Kritik nicht richtig ein. Und sagen dann: Ja, aber was folgt denn daraus? Und dann wollen sie so Antworten hören wie: Ja, aber den Steuersatz sollten wir erhöhen und dann sollten wir Griechenland ein bisschen pushen, damit sie die Schulden zurückzahlen können.
Nico: Oder man schlägt einfach das Schaufenster ein.
Maxim: Genau, dann bleibt man einfach in der Logik, man nimmt sich, was man haben will.
LCM: Zum Ende vielleicht noch kurz: Ihr habt ja begonnen, in der Ästhetik der Befreiungsbewegungen des Trikont Ansprachen an die Menschheit, die Jugend und so weiter zu drehen. Was war der Gedanke dahinter? Fandet ihr die geil oder war das eine Werbemaßnahme?
Maxim: Wir fanden´s immer geil.
Nico: Ja, so ne Mischung. Ist schon auch eine Werbemaßnahme auf jeden Fall.
Maxim: Der Unterschied zwischen Propaganda und Werbung ist ja nicht so groß. Diese Propaganda-Sache ist die ursprünglichste und brutalste Form von Werbung. Ich finde das extrem unterhaltsam, es gibt einem viele Möglichkeiten, damit zu spielen. Es hat aber auch nicht so viel mit dem Album zu tun, es war gar nicht der Ansatz, dass wir das jetzt thematisch verbunden mit dem Album brauchen. Vielleicht als leichte Parodie darauf, dass man manche Sachen, die wir sagen, als sozialistisch auslegt. Und der gebildete Demokrat denkt bei Sozialismus gleich an Diktatur, also sagen wir: Ja, klar, wir sind Diktatoren.
LCM: Ist das Kannibalenlied eigentlich irgendein historischer Song? Die Melodie kommt mir bekannt vor, aber ich könnte nicht sagen, welcher Song das ist.
Maxim: Es ähnelt vom Metrum dem Lied „Die SS marschiert im Feindesland“, hab ich gehört.
Nico: Da kommt diese Melodie vor, das war aber nicht beabsichtigt.
LCM: Ich dachte, es wäre eher an Ernst Busch angelehnt gewesen.
Nico: Das war natürlich Vorbild und die Melodien sind ja alle sehr ähnlich. Aber das ist schon eigentlich ein selbstgeschriebenes Lied. Wir haben Konrad Betcher hinzugezogen, der ganz fit ist, was Songwriting angeht. Wir haben die Texte geschrieben und hatten schon ein Metrum da. Dann hat er sich eine Melodie dazu ausgedacht. Dass nachher dann jemand entlarvt, dass das die SS-marschiert-im-Feindesland-Melodie ist, ist natürlich hart.
Maxim: Ich mag auch diesen Diktatoren-Style, weil ich die gekünstelte Bescheidenheit von vielen Künstlern nicht mag, die nur dazu dient, noch mehr Geld zu machen und noch erfolgreicher zu sein.
Nico: Außerdem fanden wir´s lustig, Videos zu drehen, wie wir Kinder im Arm halten und so nen Quatsch. Was ja andere Leute ernsthaft als Werbemaßnahme benutzen.
LCM: Das heißt aber, aus dem Befreiungsbewegungssytle wird kein Organisierungsansatz wie Die PARTEI hervorgehen? Die PARTEI mit Waffen quasi?
Nico: Wär schick. Aber ich glaube, es bleibt bei ner Werbemaßnahme.
Moritz Tassow 22. Juni 2015 - 12:28
Und dem geneigten Publikum will man diese Information vorenthalten? Ist Werbung für politische Vierteljahreszeitschriften in der Bravo für Linksradikale verboten?
lowerclassmag 22. Juni 2015 - 15:46
Falls wir die „Bravo für Linksradikale“ sein sollen, Schätzchen, dann kann ich dir versprechen, wir haben da nichts rausgekürzt. Musste dich bei Staiger beschweren, denn was er nicht sagt, können wir ihm auch nicht reintippen. Verständlich?
Gut 22. Juni 2015 - 23:24
Sehr guter Text, sehr gute Leute. Herz auf jeden Fall am rechten Fleck!
Hammerwerfer 24. Juni 2015 - 17:50
Gibt es eine Möglichkeit das Bild im Fliesstext mit der Unterschrift:
„Dem Volke dienen: Bei KIZ ist die Trennung von Hand- und Kopfarbeit aufgehoben, es wird angepackt, aber auf historisch-materialistischer Grundlage.“
in höhere Auflösung zu bekommen?
Danke im Voraus.
lowerclassmag 24. Juni 2015 - 22:23
Klar, auf die Mail-Adresse, die du angegeben hast?
Hammerwerfer 25. Juni 2015 - 7:31
Ja, das wäre super 🙂
Hammerwerfer 27. Juni 2015 - 14:24
Tut mir Leid, das ich nerve, aber ich warte sehr sehnsüchtig 😀
Habt ihr schon eine Mail verschickt?
Habe auch im Spam-Ordner noch keine erhalten.
Es wäre ganz ganz großartig, wenn ihr mir das Bild zeitnah zuschicken könntet 🙂
E-Mail: mopsi@fettabernett.de
oh shit 29. Juni 2015 - 17:33
Was für unreflektierte Macker.
Sissy Fuß 4. Juli 2015 - 18:27
Putzig, ich fand genau das Gegenteil.
Das muss dieses Kunst-Dingens sein. 😉
Koba Wostok 3. Juli 2015 - 12:32
Bis anhin war ich ja immer ein überzeugter Anhänger der Diktatur des Proletariats, allerdings wären die Vier vieleicht geeigneter für den Posten 😉