Gestern versuchte der Berliner “Pegida”-Ableger “Begida” eine Demonstration vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor zu veranstalten. Nun war diese Demo schon lange vor ihrem Start in aller Munde und von AntifaschistInnen bis Berliner Oberschicht waren sich alle einig: Nee also in Berlin wollen wir die nicht. So kam es, dass sich die etwa 250 TeilnehmerInnen der “Bergida”-Demo bereits an ihrem Startpunkt hinter dem Roten Rathaus von etwa 3000 GegendemonstrantInnen eingekesselt sahen. Diese verwehrten ihnen bis zum selbstgewählten Ende gegen 21:00 die Straße. Etwa zur gleichen Zeit, nur zwei Kilometer weiter, wurden im Adlon und am Brandenburger Tor die Lichter ausgeknipst.
Nun wollten wir, teils aus journalistischem Pflichtgefühl, teils aus purem Masochismus, herausfinden wer sie denn nun sind, die selbsternannten Retter des Abendlandes. Weil eins ist schon mal klar: sie sind ja keine Nazis, aber…
Als erstes trafen wir den “Anti-Islamisierungs-Opa”, er ist davon überzeugt, dass zu viele Muslime die deutsche/europäische/abendländische Kultur zerstören (für ihn waren Deutschland und Europa dabei seit seiner Jugend schon ein und dasselbe). Warum und was genau zerstört wird konnte er uns nicht sagen, mit der Lügenpresse spricht er sowieso nicht gern.
An seiner Seite fanden wir die “Freiheit für Christen”-Oma, die uns auf Nachfrage gern erklärte, dass sie ja gar nichts gegen Flüchtlinge hätte, sie ist total dafür, all die vom Krieg geplagten aufzunehmen, besonders in Syrien soll es ja momentan ganz schlimm sein – sie müssen nur Christen sein. Auf die Frage ob und wenn ja, warum sie Muslime explizit nicht aufnehmen würde, antwortete sie: “Nein, die Moslems sollen mal da bleiben wo sie sind, schließlich braucht man bloß in die Geschichte gucken um zu sehen, dass aus dieser Religion nichts gutes entsteht.” Damit beendet die bekennende Katholikin unser Gespräch.
Als nächstes trat dieser Herr hier auf den Plan. Ehemaliges DVU-Mitglied und Landesvorsitzender von Pro-Deutschland Berlin: Lars Seidensticker. Mehr als seinen Sticker in Kameras halten und den Allwissenden zu mimen hat er an dem Abend nicht getan. Hier und da wies er “Bergida”-Anhänger darauf hin, dass es doch nicht so gut aussähe, wenn sich Menschen in der ersten Reihe vermummen würden.
Mit Stephan Böhlke (links im Bild mit Ordnerbinde), fand sich ein weiteres bekanntes Gesicht der Berliner Pro-“Bewegung” auf der Demo ein, seines Zeichens Bezirksbeauftragter für Friedrichshain-Kreuzberg und Landesvorstandsmitglied von Pro Deutschland. Zuletzt fiel der bekennende Zahnbürstenverweigerer Böhlke auf, als er am 12. April 2014 in der Gürtelstraße eine Kundgebung unter dem Motto “Kein Platz für Kriminelle – für ein sicheres Lichtenberg” anmeldete. Die Resonanz war damals eher gering, und so stand er die erste Dreiviertelstunde alleine in einem ca. 3×5 Meter großen Freiluftgehege aus Hamburger Gittern bis ein zweiter “Kamerad” den Weg zur Kundgebung fand. Damals wurde er von ca. 70 AntirassistInnen umringt, gestern von 3000. Nichtsdestotrotz schien er, sowohl im April als auch gestern, mit der Situation zufrieden.
Als nächstes gewann diese “Dame” (in der Mitte des Bildes) unsere Aufmerksamkeit. Sprechen wollte sie mit uns zwar nicht (Lügenpresse und so), aber sie wurde nicht müde, den GegendemonstrantInnen wüste Beschimpfungen und Parolen entgegen zu brüllen. Ihr Repertoire reichte von “Wir kriegen euch alle” bis zu “Mein allergrößter Traum: Ich aufm Turm, ihr hinterm Zaun”, getreu dem Motto: “Ich bin ja kein Nazi, aber KZs find’ ich irgendwie schon gut.”
Auch unser nächster Kandidat würde sich wahrscheinlich in diesem Motto wiederfinden. Zu einer politischen Stellungnahme war auch er nicht bereit, er war aber auch schwer beschäftigt. Immer wenn wir ihm über den Weg liefen, pöbelte er gegen die GegendemonstrantInnen. Seinen Vernichtungsphantasien ließ er dabei freien Lauf und so gesellte sich: “Gib mir ‘ne Uzi und die Kreuzung ist in 5 Minuten frei” zu persönlichen Morddrohungen á la (Achtung Trigger-Warnung) “Komm her und ich schlitz dir die Kehle auf, du verhurte Antifa-Fotze”. Die nebenstehenden Polizisten interessierte das allerdings wenig.Da die gekaufte Systempresse bekanntlicherweise lügt, haben die “Bergida”-Veranstalter gleich ihr eigenes Kamerateam mitgebracht. Diese seriösen Herren, stellten sich uns als “Pro-TV” vor, einem Youtube-Channel der nun ausdrücklich nicht Teil der Lügenpresse ist. Wirklich. Ganz ehrlich.
Zu guter Letzt dürfen die Jungs aber auch nicht fehlen. Ein buntes Wirrwarr aus JN, NW und einfach nur gewaltbereiten Neonazis. Die durch fehlende Bewegung gesunkene Laune kompensierten sie mit ordentlich (mitgebrachtem) Alkohol und gehaltvollen Parolen wie “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!” oder “Die Straße frei, der deutschen Jugend!”. Während sie in der A-Note ihrer Darbietung bereits stark strauchelten, brachte sie ihre Eigeninterpretation der deutschen Nationalhymne spätestens in der B-Note zum fallen. Die Hymne wurde, halb grölend, halb lallend zum Ende der Veranstaltung aus der Mottenkiste gekramt. Nach der ersten Strophe war allerdings auch schon wieder Schluss – mehr Textsicherheit traute man sich wohl nicht zu.
Am Ende war einer der Kameraden doch bereit mit uns zu reden. Er war der Meinung, Krieg und so sei ja schon furchbar und alles, aber es kann ja nicht sein, dass ein “deutsches Kind auf seinen Kindergartenplatz verzichten muss zugunsten von irgendeinem Syrer”. Auf die Frage, warum die Demo denn nicht gegen Krieg und andere Fluchtursachen gerichtet ist, sondern gegen diejenigen die davon betroffen sind antwortete er: “Uns fehlt es hier einfach an intelligenten Köpfen.”
Besser hätte ich die Veranstaltung nicht zusammenfassen können.
-Willi Berg
susanne zaman 18. Juli 2015 - 16:23
Ausgezeichnete Internetseite! Leider heute erst entdeckt, werde für Euch Werbung machen!
(Aus Zeitmangel bin ich außerstande mehr zu schreiben)
!Vielen Dank für Eure Berichte!
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Zaman
P.S. Ich bin politisch auf Eurer Seite (in doppeltem Sinn) und auch so tätig. Eure Berichte spiegeln wieder, was ich täglich hautnah erlebe.