Zwei linke Berliner Gruppen starten eine Geldsammelaktion, um Waffen für die kurdischen Volksverteigigungseinheiten in Syrien zu kaufen. Wir haben sie gefragt, wie und warum.
Die deutsche Bundesregierung genehmigt Waffenexporte an so ziemlich jeden reaktionären Player im Nahen Osten. Die Türkei kriegt regelmäßig welche, die Saudis sowieso und der Sklavenhalterstaat Katar muss sich auch keine Teleskopschlagstöcke bei Amazon bestellen, um Leute totmachen zu können. Dschihadisten fahren in modernsten US-Humvees durch die irakische und syrische Pampa, die Freie Syrische Armee bekommt Support aus Washington und Mesud Barzanis kurdische Regionalregierung darf mit ausgemustertem Bundeswehrgerät und Milan-Panzerabwehrsystemen üben.
Einzig YPG/YPJ und PKK, jene beiden bewaffneten Gruppen, die den Fluchtkorridor für Sengal freigekämpft, so tausende vor dem Terror des Islamischen Staates bewahrt und in Rojava (Nordsyrien) zudem eine rätedemokratische Verwaltung aufgebaut haben, schießen immer noch mit Restbeständen aus Sowjetzeiten oder dem wenigen, was sie von anderen zusammenerobern konnten. In der Verteidigung der syrisch-türkischen Grenzstadt Kobane macht sich das besonders bemerkbar. Es fehlt an allem, vor allem an wirksamem Gerät gegen Panzer. Ihre Zerstörung ist oft nur durch Selbstmord-Einsätze kurdischer KämpferInnen möglich.
Die (post-)trotzkistische Neue Antikapitalistische Organisation (NAO) und die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) wollen das nun ändern und haben eine Kampagne unter dem Titel „Waffen für Rojava“ begonnen. „Wir wollen mit dieser Kampagne an ähnliche große Solidaritätskampagnen anknüpfen, die es in der BRD gegeben hat. Die Kampagne Anfang der sechziger Jahre für die algerische Revolution, die des SDS für die vietnamesische und die kampagne in den Achzigern ‚Waffen für El Salvador’“, erklärt uns Michael Prütz, Sprecher der NAO. Es gehe darum, „die Volksverteidigungskräfte in Rojava in die Lage zu versetzen, dem IS-Terror etwas entgegenzusetzen. Dazu gehört mordernes Gerät, also schwere Waffen.“
Gleichzeitig wolle man eine Debatte über „das gesellschaftliche Modell in Rojava“ anstoßen. Dieses nehme man wahr als fortschrittlichen Versuch, der die ganze Region beeinflußen könnte und breite Ausstrahlung gewinnen kann“. Natürlich, so erklären die Macher der Kampagne auf Nachfrage, sollen nicht hier Waffen gekauft und dann versendet werden, das wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Man wolle das Geld auf einem Spendenkonto sammeln und dann an die Regionalverwaltung in Rojava schicken. „Was mit den Geld gemacht wird, entscheiden die GenosInnen der YPG und der Frauenverteididungskräfte YPJ vor Ort selber. Wir wollen hier in der imperialistische Metropole Geld sammeln, um YPG und YPJ bei der militärischen Verteidigung eines basisdemokratischen und selbstorganisierten Gesellschaftsprojektes zu helfen“, erläutert Jonas Schießer, Sprecher der ARAB.
Probleme mit Repression erwartet Prütz nicht. Zwar gebe es das PKK-Verbot, für dessen Aufhebung er eintrete, aber die syrisch-kurdische Partei PYD und die Volksverteidigungskräfte YPG seien nicht verboten. „Es ist ein Skandal, dass diejenigen, die den entschiedensten Widerstand gegen die IS-Barbarei leisten, in Deutschland immer noch verboten und verfolgt werden. Das muss sofort aufhören. Die PYD ist in Deutschland aber eine legale Partei. Deswegen erwarten wir keine Probleme.“ Den Herrschenden sei ihr außer Kontrolle geratener Islamischer Staat ohnehin so peinlich, dass sie nun wahrscheinlich „lieber die Fresse halten, wenn jemand für die KurdInnen sammelt“, ergänzt Schießer. „Wenn nicht, dann freuen wir uns schon auf die politische und juristische Auseinandersetzung, die wir offensiv führen werden.“
Weniger staatliche Repression macht den Waffensammlern Sorgen, als die Vermittelbarkeit ihres Vorstoßes in einer derartige Versuche nicht mehr gewohnten Linken. „Probleme sehe ich in der Auseinandersetzung mit pazifistischen Strömungen der Linken, die in der Auseinandersetzung in Rojava eine bestenfalls neutrale Position beziehen. Ich nenne das den Pazifismus der ‚dummen Jungs‘ (und Mädels, Anm. Red.). Aber diese Auseinandersetzung ist notwendig, und wir werden sie führen.“
Was dabei rauskommt, wird letztlich von der Mobilisierungsfähigkeit der deutschen Linken abhängen. Die Mainzer „Perspektive Kurdistan“ unterstützt das Projekt bereits, wenn weitere folgen, könnte die ein oder andere Panzerfaust den Besitzer wechseln. Wie auch immer die Kampagne endet, sie wird ein Test sein, ob sich die deutsche Linke jenseits verbaler Trauerbekundungen zu handfester Unterstützung hinreißen lässt.
-Fatty McDirty
Was mir heute wichtig erscheint #372 - Welcome @ trueten.de 4. Oktober 2014 - 11:09
[…] Geldsammelaktion, um Waffen für die kurdischen Volksverteigigungseinheiten in Syrien zu kaufen. "Knarren für Kurdistan". Siehe dazu auch den Beitrag von Florian Rötzer bei telepolis: "(…) Nach Medienberichten sind […]
Verein für politische Flüchtlinge 5. Oktober 2014 - 12:51
Recht eigenartig das der Jahrhunderte alte Kampf der Kurden nicht ausreicht um über Solidarität nachzuenken.
Und es erst ein öffentliches Massaker braucht um aktiv zu werden.
Solidarische Grüsse
Ingo
Münster Westfalen