Europas neue Kolonialkriege

10. Januar 2014

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Die politischen und militärischen Spitzen des Friedensnobelpreisträgers Europäische Union beraten derzeit darüber, Frankreichs Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) zu unterstützen. Eine weiter Eskalation des Konflikts in der ehemaligen französischen Kolonie wäre durch das Eingreifen weiterer europäischer Länder vorprogrammiert. Beim EU-Außenministertreffen am 20. Januar soll eine Entscheidung fallen, ob der Wunsch des französischen Präsidenten Francois Hollande nach EU-Unterstützung des französischen Einsatzes erfüllt wird.

Frankreich hat die von der UNO abgesegneten „Operation Sangaris“ Anfang Dezember begonnen – französisches Militär war allerdings bereits zuvor in der Zentralafrikanischen Republik präsent. Seit der Unabhängigkeit ehemaliger französischer Kolonien hat Paris seinen Einfluss in der Region ununterbrochen aufrechterhalten. In mehreren afrikanischen Ländern ist seit Jahrzehnten französisches Militär präsent und greift immer wieder in Konflikte ein um diese den französischen Interessen gemäß zu „lösen“. Zuletzt in Libyen und der Elfenbeinküste 2011, in Mali Anfang 2013 und nun eben in der ZAR. Dort fand im März des vergangenen Jahres ein Staatsstreich statt. Die Rebellenallianz Séléka hatte unter Führung von Michel Djotodia den Präsidenten der ZAR, François Bozizé, gestürzt.

Die Allianz setzt sich aus islamistischen Kämpfern und Veteranen früherer Auseinandersetzungen zusammen und ging Beobachtern zufolge vor allem gegen christliche BewohnerInnen des Landes vor. Als Reaktion bildeten sich christliche Milizen; der Konflikte nahm im Laufe der Monate zunehmend den Charakter eines Religionskonflikts an. Wie in allen Konflikten in der Region sind jedoch mangelnde Perspektiven, Armut und eine durch jahrzehntelange bewaffnete Konflikte etablierte Gewaltkultur die Hauptursachen für die Auseinandersetzungen in der ZAR. So sollen auch junge Männer aus benachbarten Staaten an den Kämpfen in der ZAR beteiligt sein – ganze Generationen in den von Ressourcenkonflikten gebeutelten Staaten Afrikas haben nichts anderes gelernt als zu kämpfen und nehmen als Söldner immer wieder an neuen Konflikten teil.

Für die ehemaligen Kolonialmächte sind Konflikte wie in Mali oder nun eben in der Zentralafrikanischen Republik Bedrohung und Chance zugleich. Zum einen werden die ökonomischen Interessen kurzzeitig bedroht. Der Konflikt in Mali etwa gefährdete die Stabilität der gesamten Region und somit auch Investitionen der ehemaligen Kolonialmacht – französische Unternehmen beteiligen sich am Ressourcenabbau in Mali, im benachbarten Niger betreibt der Areva-Konzern die größte Uranmine der Welt. Auch in der Zentralafrikanischen Republik ist Areva im Uranabbau aktiv, Diamanten, Gold und andere Mineralien liegen in den Böden des Landes, das in den vergangenen Jahrzehnten bereits zahlreiche Staatsstreiche erlebt hat – stets war Paris als Akteur dabei.
Gleichzeitig bieten die vom medialen Kriegsgetrommel begleiteten Militäreinsätze aber den westlichen Mächten aber auch die Chance, ihre Präsenz und ihren politischen, militärischen und ökonomischen Einfluss in den jeweiligen Gebieten zu festigen. Die stets geäußerten Hinweise auf den „humanitären“ Charakter der Kriegseinsätze kann nicht über die zugrunde liegenden handfesten Interessen der alten und neuen Kolonialmächte hinwegtäuschen. Und auch nicht darüber, dass bisher noch jeder westliche Militäreinsatz zu noch mehr Gewalt und Tod geführt hat.

Die ständige militärische Präsenz und das fallweise Eingreifen Frankreichs reicht den europäischen Eliten offenbar nicht mehr aus. Die Kriege der vergangenen Jahre haben der EU eine gute Position beim bereits heftig entbrannten neuen „Scramble for Africa“ verschafft. Speziell in den französischen Einflussgebieten hat man die konkurrierenden Kolonialherren aus den USA längst abgehängt. Diesen Vorteil wollen sich Hollande, Merkel und Co. nicht einfach und vor allem nicht kampflos nehmen lassen.

– Von Karl Schmal

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