Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg setzt zur nächsten Provokation am 1. Mai an. Doch Monika Herrmanns Eventspektakel könnte nach hinten losgehen.
Monika Herrmann, die grüne Bezirkschefin Kreuzbergs, hat mal wieder eine ausgezeichnete Idee. Am 1. Mai soll der Görlitzer Park eingezäunt, mit privater Security bewacht und von privaten Unternehmern bewirtschaftet werden. Wer rein will, muss durch Taschen-, Jacken und Rucksackkontrollen, darf keine Glasflaschen, Grillutensilien, Fahrräder, Pyrotechnik mitnehmen. Getränke – im Tetrapack – und Nahrung darf man im Ausmaß des „Eigenbedarfs“ einpacken.
Monika Herrmann denkt, das ist total dufte. Denn das könnte Chaos verhindern und irgendwie soll es danach sauberer sein, weil die Party am 1. Mai eskaliere doch immer so und danach sei es so dreckig im Kiez. Das ist richtig. Aber an wem liegt das? An uns, den Bewohner*innen Kreuzbergs, nicht. Vielmehr an denen, die das „Myfest“ als Befriedungsstrategie des politischen Protests im Kiez erfunden und gepflegt haben. Also an Monika Herrmann und ihren Vorgänger*innen selbst.
Die haben, um den 1. Mai zu entpolitisieren, diesen Myfest-Kram und damit die Kommerzialisierung des Kampftages der Arbeiter*innen in Berlin bewusst ins Leben gerufen. Zunächst noch so, dass damit auch Gewerbe und Kleinkunst aus dem Kiez irgendwie eingebunden werden konnten. Dann, mit wachsendem touristischen Interesse an dem Event, immer mehr als Geldgrube für immer weniger Beteiligte. Und sowieso die ganze Zeit auf Kosten derer, die hier wohnen oder Politik machen wollen.
Die Schnapsidee „MaiGörli“ ist die logische Fortsetzung des „Myfests“. Man flutet den Kiez mit Horden von Sufftouristen, scheisst auf die lokale Bevölkerung und gibt das Ganze als irgendwie „alternativ“ und originell aus: „sexy“, „weltoffen“, fröhlich – und für jeden der hier wohnt, wie das meiste andere, das die Stadtverwalter*innen ersinnen, eine reine Qual.
Bei „MaiGörli“ geht es schon dermaßen offensichtlich nicht mehr um den Kiez selbst, dass sogar die Organisator*innen des ohnehin selbst zur Befriedung erfundenen „Myfestes“ das neue Vorhaben als Bedrohung empfinden. Es geht auch nicht darum, zu verhindern, dass man am 2. Mai durch meterhohe Plastikbecherwände laufen muss oder einem die coolen Partypeople solange gegen die Eingangstür pissen, bis das Holz Risse kriegt. Das mag die Berufsgrüne Herrmann sich einreden oder versuchen, es anderen einzureden.
Worum es tatsächlich geht, ist klar: Gewinnmaximierung durch geordnetere Verwertung der Ballermann-Hipster. Irgendwer wird innerhalb des eingehegten Görlis ordentlich an dem zusätzlichen Party-Standort des Bezirks verdienen. Wer genau die Getränke ausschenkt, das Essen verkaufen, die Security organisieren wird – daraus macht der Bezirk ein Geheimnis. Der Kieztalk mauschelt, es handelt sich um Eventmanager aus dem Kreis der CSD-Organisator*innen. Wir prüfen das derzeit nach.
Wer auch immer an Herrmanns Mauer um den Görli verdient, für uns, die wir hier wohnen, heißt es nichts anderes, als dass uns erneut ein frei zugänglicher öffentlicher Ort genommen wird.
Ob das Konzept allerdings aufgeht, bleibt fraglich. In der Organisation der Revolutionären 1.-Mai-Demo aktive linke Gruppen jedenfalls lehnen es ab. „Eine durch und durch dumme Idee“, nennt das Vorhaben etwa Tanja Nacht, Sprecherin der radikalen linken | berlin (rlb) im Gespräch mit lower class magazine. „Was der Bezirk hier vorschlägt, ist nicht nur für uns ärgerlich, es ist auch für die, die das durchsetzen, riskant. Wollen sie wirklich die Bilder sehen, wie sich eine Demo von vielen zehntausend Menschen den Weg durch die Security in den Görlitzer Park freiboxt?“ Man selbst habe kein Interesse an einer solchen Eskalation, betont die Autonome. „Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren Nachbarinnen und Nachbarn. Wir können nicht einfach dulden, dass solche Privatisierungen des ohnehin raren öffentlichen Raums salonfähig werden.“
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# Fatty McDirty
LaHaine 4. April 2018 - 15:14
Ich denke nicht, dass Frau Herrmann die Profitmaximierung im Kopf hatte, aber natürlich gibt es Opportunisten, die die Gelegenheit zum großen Geschäft ergreifen.
Ich hab leider keine Idee, wie die Ballermannisierung aufgehalten werden könnte, ich möchte weder Maigörli noch die Hinterlassenschaften der wilden Technoveranstaltung vom letzten Jahr.
Christoph 4. April 2018 - 18:11
War halt die letzten Jahre nicht besser. Statt Security hatte man Bullen, die einen selbst als Anwohner_in aufgehalten haben.
Was ist denn eure Idee, wie man den Hipster-Ballermann (den es gibt, ob nu kontrolliert oder nicht) verhindert?
Bin da selber ratlos.
Nur Monika Herrmann ist jetzt wirklich nicht der richtige Feind, innerhalb der Grünen gehört sie noch zu den menschlichen, Kommerzialisierung hat die sich auf keinen Fall auf die Fahnen geschrieben. Die Polemisierung gegen ihre Person ist echt unnötig.
LaHaine 5. April 2018 - 8:28
Wo waren die letzten Jahre denn Bullen? Jedenfalls nicht am 1. Mai im Görli, wenn, dann eher dort wo demonstriert wurde.
Katrin 4. April 2018 - 22:23
Liebes Loweclass team: Bitte diesen Kommentar freischalten, nicht den von 22:18 Uhr, sorry. LG Karin
Lieber Christoph,
mag sein, dass Monika Hermann verglichen mit Boris Palmer menschlicher ist. Warum sie sich jedoch Kommerzialisierung „auf keinen Fall auf die Fahnen geschrieben“ haben soll, bleibt mir völlig schleierhaft.
Zur Erinnerung, sie ist Bürgermeisterin von Kreuzberg und kommt auf die Idee, den Görlitzer Park am 1. Mai zu teilprivatisieren. Außerdem genehmigt sie jedes Jahr das Myfest und jetzt dieses dubiose MaiGörli. Da wird ein Park, der vorher öffentlich war, auf einmal zu einer kommerzielen Veranstaltung. Sie ist damit von politischer Seite auf Bezirksebene dafür verantwortlich, dass Kreuzberg zum Ballermann wird. Steht auch so in dem Artikel. Was ist das anderes als Kommerzialisierung?
Kreuzberger 6. April 2018 - 0:29
Als ich im letzten Jahr eindringlich Stadtrat Hehmke darum bat, ein paar Toiletten in unserer Gegend aufzustellen (Ohlauer Straße/ Spreewaldplatz) bekam ich als Antwort, der Bezirk hätte
kein Geld dafür. Und auch nur, weil ich ich ihn zufällig auf dem Maifest getroffen habe. Es ist am 1.Mai hier immer so, daß Nachbarn den ganzen Tag im Hof sitzen um Touristen
davon abzuhalten, ständig und dauernd dort rumzupinkeln. Schlimmer noch ist, daß viele Leute an den Haustüren klingeln,
um im Hausflur pinkeln zu können. Es ist so ätzend. Wir müssen alles abschließen. Es gibt 2 absolute Horrortage im Jahr in Kreuzberg:
Silvester und der 1.Mai.
Warum denken Sie nicht an die Anwohner und wo sind die notwendigen Toiletten Frau Hermann?
werner rüdiger 1. Mai 2018 - 12:42
diesmal stehen genug klos auf dem görli. war ja mit ein grund, warum man das fest durchorganisiert hat. von kommerz kann keine rede sein, kein eintritt, kostenlose muse, drei liter getränke kann jeder mitnehmen ,butterbrot auch und wasser gibts kostenlos auf dem görli. unorganisiert war das anders. da hat man mir prügel angedroht, wenn ich die leute nicht bei uns in den hof kacken lassen wollte. wenn die 1. mai feten schon unvermeidbar sind, dann lieber organisiert. oder übernimmt irgend jemand die verantwortung, wenn „kollateralschäden“ durch brennende barrikaden, ausgebrannte autos oder schaden an sachen und personen durch steinwurf erfolgen, nur weil niemand bereit ist, als veranstalter die verantwortung zu übernehmen?
martin 6. April 2018 - 16:03
naja,ich erinnere mich mal zurück,als dieses
neue mayfestkonzept anfing waren noch alle mit dabei und haben wohl auch gut verdient,seid 2 bis 3 jahren ist alles ausgeartet und viele die damals noch mitgemacht haben sind abgesprungen,es wäre wohl an der zeit das ganze konzept und auch die eigenmächtigkeiten einiger politiker neu zu besprechen,paar bühnen wäre für mich ok ,aber 20 bis 30tausend menschen ist mir persönlich to much,das sehen wohl viele ähnlich,egal ob nun auf der ostraße oder im görli.
Götz 13. April 2018 - 11:10
Danke für den schönen Text. Ab in’s Radio damit:
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