Hethiter, Ägypter, Assyrer, Perser, Römer, später dann Araber, die Byzantiner, die Kreuzfahrer, das Osmanische Reich, eine megakurze Periode der „unabhängigen Republik“ und dann die Türkei – so in etwa alle altertümlichen und neuzeitlichen Völker und Zivilisationen der Region im weiteren Sinne haben sich in Hatay niedergelassen. Deshalb weist die Stadt und Region ein Erbe auf, was man zeitgenössisch „multikulti“ nennen könnte. Die laut dem Vatikan älteste christliche Kirche der Welt, die St.-Petrus-Grotte ist hier etwa zu finden, in der sich die verfolgten Frühchrist*innen heimlich trafen. Auch viele andere christliche Kirchen (griechisch-orthodox, syrisch-orthodox, evangelisch, römisch-katholisch) befinden sich hier, insbesondere in der Provinzhauptstadt Antakya, auch bekannt als Antioch. Das letzte armenische Dorf in der Türkei, Vakıflı, liegt ebenfalls in der Region Hatay und es leben sehr viele Araber*innen hier – alawitischer aber auch christlicher Konfession. Kulturell wie auch wirtschaftlich war insbesondere die Hauptstadt Antakya lange Zeit an Aleppo in Syrien gebunden. Das spiegelte sich eine Zeit lang im 19. Jh. auch politisch dahingehend wider, dass Hatay Teil der Provinz Aleppo war. Die ehemalige Provinz ist nun auf zwei Länder verteilt, aber viele Familien haben nach wie vor Angehörige sowohl im syrischen als auch im türkischen Teil.
Viele Menschen, insbesondere die Araber*innen und Christ*innen in Hatay, betrachten noch heute die Türkei und Syrien nicht wirklich als einzelne Länder, sondern gewissermaßen als unterschiedliche Regionen ein und desselben Landes. Bis vor Ausbruch des Krieges gingen die Menschen Antakyas teils mit Eintagesvisen regelmäßig nach Syrien ihre Familien besuchen oder Handel treiben. Hatay war die Region, die am unmittelbarsten von der türkisch-syrischen Annäherung unter der AKP und den zahlreichen Handelsabkommen profitierte, die unter Erdoğan geschlossen wurden. Der Handel intensivierte sich so stark, dass eine Schnellstraße zwischen Hatay und Latakia gebaut wurde. Alles schien wie am Schnürchen zu laufen – doch dann kamen der Krieg und die Jihadisten. (mehr …)