Keiner starb öfter. Best of Jesus-Filme – Teil 3

25. März 2016

Schon ist sie wieder da, die schönste Zeit des Jahres: der Winter verzieht sich, die Tage werden immer länger, Schoko-Osterhasen quellen aus den Süßigkeitenregalen und Klassikradiosender spielen Passionen und Oster-Oratorien rauf und runter. Leider hat man als LCM-Redakteur von all diesen schönen Dingen rein gar nichts. Stattdessen macht man die Vorhänge dicht, wirft die Kiste an und zieht sich wie auch in den vergangenen beiden Jahren (siehe hier und hier) ein paar einschlägige Filmklassiker rein.

Dieses Jahr beginnen wir mit einer gewichtigen und dennoch von aufgeklärten ChristInnen wie auch in Jesus-Filmen erstaunlich selten gestellten Frage: wer war eigentlich der Papa von Jesus? Klar, die Katechismus-Version ist bekannt. Nach einigen Jahrhunderten Streit und Exkommunikationen steht seit längerem fest: Jesus ist der „eingeborene Sohn Gottes“ und gleichzeitig „die zweite Person der Dreifaltigkeit“. Zum konkreten Vorgang weiß die Katholische Kirche, dass „die Jungfrau Maria den ewigen Sohn durch das Wirken des Heiligen Geistes und ohne Zutun eines Mannes in ihrem Schoß empfangen hat“. (Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche, Vatikan 2005, S. 53, 56)

Dieser biologisch bemerkenswerte Vorgang hatte den Vorteil, dass dem guten Josef eine recht originelle Erklärung für die Schwangerschaft seiner Verlobten, mit der er noch nicht „zusammengekommen“ war (Mt. 1,18), präsentiert werden konnte. Darüber hinaus führte die Sache mit dem „Heiligen Geist“ auch dazu, dass Jesus gleichzeitig Mensch und Gott ist – genauer „untrennbar wahrer Gott und wahrer Mensch in der Einheit seiner göttlichen Person“. (Katechismus-Kompendium, S. 54)

Nun stellt sich folgende Frage: weshalb wird dieser zentrale Glaubensteil des Christentums auch von materialistischen Jesus-Fans so selten thematisiert? Also von jenen, die vor allem an der historischen Person Jesus interessiert sind, am Anführer einer antiimperialistischen jüdischen Sekte, der von den römischen Besatzern und ihren Kollaborateuren hingerichtet wurde. Auch in den Filmen, die eben diese Person thematisieren, wird an den abstrusen Glaubensinhalten rund um die Herkunft Jesu selten gekratzt. Vielleicht aus Rücksicht auf die Gefühle religiöser Menschen? Oder weil die Kritik an einer jungfräulichen Empfängnis etwa so herausfordernd ist wie das Angeln in einem Fass? Vielleicht. Und doch ist die Frage nach dem biologischen Vater von Jesus ganz schön spannend und bringt zudem Religiöse immer noch auf die Palme.

Klappe 5: Sohn des Panthera

Und so begibt es sich auch in dem herrlichen 80er-Jahre-Streifen „Jésus de Montréal“. Die Handlung ist schnell erzählt: Daniel Coulombe, ein junger Schauspieler, wird vom einem Priester namens Leclerc (!) beauftragt, das traditionelle Passionsspiel seiner Pfarre zu inszenieren und die passenden SchauspielerInnen zusammenzutrommeln. Da seit 35 Jahren der gleiche Text heruntergeleiert werde, bittet der Priester darum, den Text etwas aufzufrischen. Die junge Truppe produziert eine erfolgreiche Passion, der Priester ist entsetzt und das Stück soll gleich nach der Jesus_of_Montreal_FilmPosterPremiere wieder abgesetzt werden. Bei einem Polizeieinsatz gegen das wider den Willen ihrer Auftraggeber weiter gespielte Stück passiert ein Unfall: das Kreuz fällt um, der an dieses gefesselte Coulombe wird schwer verletzt, läuft anschließend noch ein bisschen verwirrt in Montréal herum und stirbt dann. Davor mutierte er bereits zu einer Art Wiedergänger der von ihm gegebenen Figur: er schmeißt den ProduzentInnen sexistischer Bier-Werbung das Equipment kaputt wie weiland der Vertreiber der Geldwechsler deren Tische; in einer weiteren Szene widersteht Jesus/Coulombe den Versuchungen eines Anwalts, der ihm die Welt der Reichen und Erfolgreichen zu Füßen zu legen verspricht. Man merkt schon: weder Figurennamen, noch Themen oder Bilder des Films sind von besonders subtiler Symbolik.

Jesus/Coulombe (colombe, frz. = Taube) trotzt also den Einschüchterungsversuchen des religiösen Establishments und geht daran zugrunde. Woran aber stoßen sich die Auftraggeber des Passionsspiels? Nun, die aufgeklärte Schauspieltruppe behandelt in ihrer Version der Leidensgeschichte vor allem den historischen Jesus. Dieser sei ein Zauberer gewesen, wie es so viele gegeben habe zu seiner Zeit. Seine „Wunder“ seien weitaus populärer gewesen als seine Reden, die heute im Mittelpunkt des Neuen Testaments stehen. Vor allem aber wagen die SchauspielerInnen, im Rahmen der Theateraufführung angebliche neue archäologische Erkenntnisse rund um die Herkunft Jesu zu präsentieren. Dessen Name sei Yeshu Ben Panthera gewesen – Jesus, Sohn des Panthera. Wer dieser Panthera war, sei nicht bekannt, doch tauche ein römischer Soldat dieses Namens auf einer Liste von Soldaten auf, die just in den Jahren der mutmaßlichen Geburt Jesu in der Gegend stationiert war, in der sich dessen mutmaßlicher Geburtsort befindet.

JesusMontreal

Subtile Symbolik gibts woanders: Am Ende wird der verunglückte „Jesus“ aufgeschlitzt und seine Organe entnommen

Die Panthera-Legende geht auf Textquellen aus dem 2. und 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurück. In diesen werden – unter anderem vom Philosophen Kelsos, einem Kritiker der neuen christlichen Lehre – diverse Gewährsmänner zitiert, die Jesu‘ Herkunft aus der Beziehung seiner Mutter zu einem römischen Soldaten beschreiben. Ob dieser Argumentation mehr zugrunde liegt als Polemik gegen die sich immer stärker ausbreitenden christlichen Gruppen, ist nach heutigem Stand der Forschung nicht rekonstruierbar. Dafür hat die Story eine absurde Fußnote: in einigen Nazi-Büchern zum Thema wird die Legende dahingehend weitergeschrieben, dass besagter römischer Soldat Kämpfer in germanischen Hilfstruppen in Gallien gewesen sein könnte. Was das bedeuten würde, ist klar: Jesus war Arier!

Schnell zurück zum Film. In einer Schlüsselszene diskutiert der Priester mit dem Jesus-Darsteller Coulombe, worum es bei der Auseinandersetzung mit Jesu‘ Lehre überhaupt geht. Der Priester – der selbst nicht gerade nach dem Lehrbuch lebt: er hat ein Verhältnis mit einer der Schauspielerinnen und überlegt, seinen Job an den Nagel zu hängen – macht auf die Funktion von Religion aufmerksam. Die Alten, Kranken und Einsamen, so argumentiert er gegen eine allzu aufrüttelnde Herangehensweise, wollen Trost und sind nicht an den neuesten Ausgrabungen im Nahen Osten interessiert. Die wollen von einem Jesus hören, der sie liebt und auf sie wartet. Aber, so kontert der Jesus-Mime, es muss im Leben doch mehr geben als ruhig und brav auf den Tod zu warten. Die Debatte bleibt leider irgendwie stecken. Und so spielt Coulombe eben den rebellischen Jesus weiter, bis ihn selbst der Tod ereilt.

Klappe 6: Volksfronten in Theorie und Praxis

Nun aber zu unterhaltsamerer Kost. In gewisser Weise thematisiert auch „Life of Brian“ die Panthera-Legende. Immerhin ist Brians Entsetzen groß, als ihm seine Mutter gesteht, dass sein Vater ein römischer Soldat und somit Vertreter der Besatzer ist, gegen die er und seine GenossInnen kämpfen.Lifeofbrianfilmposter

Monty Python haben einen Jesus-Film gemacht, der fast ganz ohne Jesus auskommt. Die Handlung dürfte bekannt sein: anhand der fiktiven Parallel-Biographie des zur selben Zeit wie die Zentralfigur des Christentums lebenden Brian gelingt es der britischen Satiregruppe, die wichtigsten Themen in Zusammenhang mit Jesus auf den Punkt zu bringen und nebenbei die zentralen Probleme linker Organisationspolitik abzuhandeln. Im Mittelpunkt steht der Kampf der jüdischen Widerstandsgruppen gegen die Römer – oder vielmehr die Versuche dieser Gruppen, den Widerstand zu organisieren. Denn wichtiger als der gemeinsame Kampf sind natürlich ausführliche Auseinandersetzungen über noch so kleine Differenzen. Und diese Debatten führen keineswegs zu einer effektiveren politischen Praxis der diversen „Volksfronten“, sondern lediglich zu deren Spaltungen. Da haut man sich dann schon mal bei einem zufälligen Aufeinandertreffen während einer heiklen politischen Aktion auf die Fresse. Und selbst wenn es um alles – in diesem Fall um Leben und Tod von Brian – geht, verzetteln sich die GenossInnen in Unentschlossenheit und kapitulieren letztlich vor der Logik ihrer Feinde: sein Märtyertod sei ein weiteres herausragendes Beispiel für den Widerstand gegen die Römer, erklären sie und gratulieren dem am Kreuz hängenden Brian zu seiner großartigen Arbeit.

romaniitedomum

Zeitlos gültig: Besatzer ab nach Hause!

Die beißende Kritik an der politischen Linken ging in der Rezeption immer etwas unter – zu laut waren wie so oft humorlose Kirchenvertreter, die über die angebliche Blasphemie des Films zeterten und Aufführungsverbote durchsetzen. Und so frappiert beim heutigen Ansehen die Hellsichtigkeit, mit der Monty Python nicht nur das Sektenverhalten linker Gruppen aufs Korn nehmen, sondern auch die zur Zeit der Produktion Ende der 1970er Jahre gerade erst entstehende linke Identitätsdebatte und deren sich oft auf symbolische Handlungen beschränkende politische Praxis aufgreifen. Einer der Genossen, Stan, erklärt, er möchte fortan Loretta genannt werden, da er eine Frau sein will. Klar, warum auch nicht, zeigen sich seine MitstreiterInnen rasch einverstanden. Aber Loretta will auch Kinder gebären. Da dies aus biologischen Gründen kaum möglich sei, verständigt sich die Volksfront von Judäa schließlich darauf, sich trotzdem für Lorettas Recht darauf, Babies zu bekommen, einzusetzen. Wozu?, fragt einer. „It is symbolic of our struggle against oppression“, erklärt Genosse Francis.

Und so bleibt am Ende wie so häufig die Frage, weshalb die Linke trotz jahrzehntelanger Kritik und Selbstkritik heute in mancher Hinsicht oft keinen Schritt weiter zu sein scheint als in ihrer Karikaturversion in „Life of Brian“. Die Antwort ist einfach: die Spalter von der Judäischen Volksfront sind schuld!

– Von René Dupé

Der erste Teil dieser Serie erschien am Karfreitag des Jahres 2014, der zweite Teil ein Jahr später, der nächste folgt Karfreitag 2017.

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2 Kommentare

    Spaessle 29. März 2016 - 10:25

    Hi René, Dein Text ist einfach klasse.
    Antifaschistische Gruesse
    Eine judaeische VolksfrontlerIn

    lowerclassmag 29. März 2016 - 14:48

    Vielen Dank für die Blumen, du SpalterIn!