Ein Tag in Frankfurt

27. Mai 2015

Blockupy und 18M – Ein Rückblick auf den 18. März in Frankfurt aus einem zeitlichen Abstand von zehn Wochen

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Wissen ist wichtig

Blockupy macht weiter, ruft am 20. Juni zur Demo nach Berlin und schmiedet schon weitere Pläne. Sehr schön. Aber so viel Aufmerksamkeit wie zur EZB-Eröffnung am 18. März 2015 in Frankfurt am Main, so viele Feuerstellen (über 50!), so viele demolierte und ausgebrannte Polizeifahrzeuge (über 60!) und danach so viele Demonstrant/innen (über 20.000!) wird es bei der nächsten Aktivität von Blockupy wahrscheinlich nicht geben.

Unser Blockupy-Bündnis ist heterogen. Das macht auch eine seiner Stärken aus. Entsprechend wird der frühe Morgen des 18. März von uns unterschiedlich bewertet: Einige zeigten sich „entsetzt“, manche kritisierten einzelne „Aktionen, die außerhalb des Blockupy-Aktionskonsens standen“, für andere war es „das richtige Bild, das wir am Morgen erzeugt haben“.

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Störenfriede allerorten

Dieses Bild war eine Bildstörung, ohne die Blockupy und 18M nicht das gewesen wären, was sie waren. Die Bildstörung war ein wesentlicher Inhalt des Tages. Wir haben sie gebraucht und ihretwegen internationale und fortdauernde Aufmerksamkeit erhalten. Wer am Morgen mit auf der Straße war, hat unter anderem auch das Lächeln in vielen Gesichtern gesehen, das hilflose Polizeibeamte und ihre angezündeten Autos ausgelöst haben. Dass es so kommen konnte, war lange vorher bekannt. Destroika hatte kein Geheimnis um ihre Mobilisierung gemacht.

Die bereichernde Vielfalt der Aktionen

Der Tag hat viele Fragen aufgeworfen. Eine davon: Hätten wir trotz der allgemeinen Bekanntheit der unterschiedlichen Mobilisierungen zum Tag X, sowohl nach außen als auch unter uns, besser vermitteln müssen? Also – im Sinne der Erfahrung und Errungenschaft aus dem Wendland – ehrlich, offen und solidarisch darüber informieren und sprechen: „Es gibt bekanntermaßen verschiedene Aktionsformen. Alle sind willkommen. Wir machen unsere, andere machen ihre. Ihr Zusammenspiel wird unsere Stärke sein.“

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Provokateure (Bildmitte, mit Helm) in Aktion

Die Vielfalt an Aktionen bietet die Chance, unsere Spielräume zu erweitern und handlungsfähig zu sein – trotz massiver Präsenz der Polizei, die nicht gleichzeitig hinter allen her sein kann. Auch in Frankfurt zeigte sich daran etwas Gutes: Nach einem CS-Gas-Einsatz wurde dem grünen Finger von dem durch die Straßen ziehenden schwarzen Finger und seiner Angriffe auf die Polizei der Rücken freigehalten und wieder Luft gegeben, so eine Einschätzung von Betroffenen.

Die Schwarzgekleideten waren keine Agents Provocateurs, wie zwischenzeitlich spekuliert wurde, sondern Genoss/innen, „die unsere Ziele teilen, gegen das autoritäre Krisenmanagement und die Troika-Politik Widerstand zu leisten“. Mit ihnen haben wir uns ausdrücklich im Aktionskonsens solidarisch erklärt.

Wurde der Aktionskonsens gebrochen?

Wir wussten, dass Freund/innen und Genoss/innen kommen, die zwar viele unserer Ansichten und Absichten teilen, aber nicht unsere gewählten Widerstandsformen. Entsprechend haben sie unseren Aktionskonsens nicht mitvereinbart, konnten ihn somit auch nicht brechen. Je nach Sichtweise haben sie ihn nicht respektiert oder sahen sich nicht an ihn gebunden.

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Spielverderber (l. und r., mit Helm)

Nicht alle, die zur EZB-Eröffnung nach Frankfurt mobilisierten, waren also mit unserem Vorhaben einverstanden, dem gesamten Gebiet rund um die neue EZB unseren Aktionskonsens überzustülpen oder noch selbstkritischer gesagt: es zu befrieden. War dieses Vorgehen von uns nicht sogar etwas vermessen? Keiner würde beim Castor-Transport die gesamten letzten Kilometer der Schienenstrecke bis Dannenberg zu einer Aktionskonsens-Zone erklären.

Am 18. März ist trotz allem etwas gelungen, was für zukünftige Massenmobilisierungen beispielgebend ist. Dank unserer Mobilisierung wurden im Verlauf des Tages nicht nur wieder sehr, sehr viele verschiedene politische Inhalte, sondern auch verschiedene Protest- und Widerstandsformen sichtbar, die sämtlich nicht nur als Teil von Blockupy wahrgenommen, sondern spätestens an diesem Tag zu einem Teil von Blockupy wurden. Damit war punktuell das geflügelte Wort von Frankfurt als „Wendland des Antikapitalismus“ praktisch Realität.

– Von Niels Seibert, der Blockupy mit vorbereitet hat.

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Ein Kommentar über “Ein Tag in Frankfurt”

    Anita 27. Mai 2015 - 16:25

    Das sehe ich auch so.
    Es gibt einen aktuellen Radiopodcast, in dem es um die Frage von Militanz und Gewalt allgemein und konkret am Beispiel Blockupy geht. Hier ist der Link dazu.
    http://reboot.fm/2015/05/02/make-capitalism-history-blockupy-frankfurt-gewalt/

    Diese Perspektive, die sich eben nicht in einer Schein-Empörung in der Vorwegnahme der Reaktion bürgerlicher Medien von Militanz abwendet, muss aber auch weiterhin innerhalb der Blockupy-Teilnehmenden vermittelt werden. Auch hier gab es bei unerfahreneren Menschen Distanzierungen, „ermutigt“ durch die anfänglichen Distanzierungsversuche der Blockupy-Sprecher*innen.