In diesen Tagen werden Leute, die antifaschistisch unterwegs sind, gern mal pauschal als schwarz vermummte Barrikadenbauer diffamiert. Nazis dagegen werden von den ach so liberalen Leitmedien des Landes meist mit Nachsicht behandelt. Sieht man sie doch als verirrte Schäfchen, verlorene Söhne und Töchter des Bürgertums. Ergebnis solcher Fehleinschätzungen sind Beiträge, wie sie der Journalisten-Darsteller Raphael Thelen aktuell im Magazin der Süddeutschen Zeitung verbrochen hat – eine üble Ranschmeiße an den AfD-Rechtsaußen und früheren Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier.
Schon die Formulierung, mit der Thelen sein Geschreibsel bei Twitter anpreist, sollte bei jedem vernunftbegabten Leser Brechreiz auslösen. „Anderthalb Jahre mit dem AfD-Mann Markus Frohnmaier gestritten, gelacht und Rum getrunken“, schreibt er da allen Ernstes. Und weiter: „Obwohl er radikal ist, wie nur geht, war es mir beim Schreiben wichtig, fair mit ihm zu sein.“ Geht’s denn noch?! Mit einem rechten Hetzer gelacht und Rum getrunken, und „fair“ will er mit ihm sein. Wie speichelleckerisch kann man sein? Den Shitstorm, den der Tweet hervorrief, hat sich der SZ-Autor verdient.
Wer die 1,99 Euro für die Lektüre des mit einer Paywall geadelten Beitrags abgedrückt und sich durch den ellenlangen Text gekämpft hat, hängt endgültig über der Kloschüssel. Wer das Kotzen verlernt hat, hier lernt er es wieder. Thelen kredenzt die braune Soße aus der AfD-Küche in pseudoliterarischem Stil als Dessert für Bildungsbürger. Doch wo er zeigen will, wie nah er dran war, beweist er nur seine Distanzlosigkeit. Was investigativ oder authentisch daher kommen soll, ist nur Reportagesimulation, wichtiguerisches Salbadern, albernes Pathos.
Kostproben gefällig? „Er öffnet die Tür eines Zigarrenladens und betritt den begehbaren Humidor. Frohnmaier sagt einem elegant gekleideten Angestellten: ‚Ich hätte gerne eine Zigarre, cremig, nicht zu stark, neunzig Minuten Rauchdauer und alle Blätter aus einem Anbaugebiet.‘“ Würg! Oder das hier: „Frohnmaier ringt sich ein Lächeln ab und nickt. Am Tisch bestellt er ein Radler und Zwiebelrostbraten.“ Sieh an, auch ein Nazi muss essen.
Der Autor lässt es menscheln. Wir erfahren, dass der nette Herr Frohnmaier früher gern Pogo getanzt hat, dass er rebellieren wollte, dass er später mit seiner Frau einen Sohn bekommen hat. Er sagt Sätze wie: „Ich will schon, dass der etwas von seinem Papa hat.“ Auch an einem leichten Herzinfarkt des Protagonisten lässt uns Thelen teil haben. Der Held der Geschichte bekommt Lob: „Vielleicht ist das seine große Schwäche. Dass er keine große Strategie beherrscht, sondern nur kleine Taktik. Aber Taktik, die kann er.“
Völlig gaga wird der Text, wenn Frohnmaiers Erzählungen über seine Kindheit kolportiert und damit offenbar eine Erklärung für sein faschistisches Gedankengut geliefert werden soll. Er sei mit den Kindern einer Füchtlingsunterkunft auf die Hauptschule gegangen, das habe ihn geprägt, heißt es da. Und: „Einmal habe der katholische Klassenkamerad auf allen Vieren in den Klassenraum kriechen müssen, weil er kein Moslem war. Am 11. September 2001, dem Tag der Terroranschläge in New York, sei gefeiert worden. Mitschüler hätten aus einem Geodreieck und einem Füller ein Flugzeug gebastelt und die Angriffe nachgestellt.“ Wegen dieser Kindheitstraumata ist der kleine Markus also Faschist geworden. Blöder geht’s nicht!
Zum Schluss wird uns Frohnmaier auch noch als verfolgte Unschuld präsentiert, der darunter leidet, dass er immer auf seine Rede im Oktober 2015 in Erfurt festgelegt wird. Dort erlangte er erstmals größere Bekanntheit, als er Dinge ausrief wie: ‚Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.‘“ Diese Worte, schreibt Thelen voller Mitleid mit seinem Nazi-Bazi, sie verfolgten ihn, „als sei er der Zauberlehrling und sie die Geister, die er rief“.
Der Erguss des Journalistenhipsters zeigt nicht nur exemplarisch, wie die Leitmedien der Neuen Rechten den roten Teppich ausrollen. Der Text illustriert auch das ganze Elend eines Bürgertums, das den rechten Hetzern wieder einmal nichts Substanzielles entgegenzusetzen hat, weil ihr das analytische Instrumentarium fehlt. Der Erkenntnisgewinn des Frohmaier-Porträts ist gleich null. Mehr als ein paar küchenpsychologische Allgemeinplätze hat Thelen nicht anzubieten, wie etwa diesen: „Es scheint, als gebe es in einer Gesellschaft, die stark nach Affektkontrolle verlangt, einen Hunger danach, auch mal emotional auszubrechen.“ So, so.
Beliebig und belanglos ist das wie alles an diesem Beitrag. Getoppt wird das Geschwurbel übrigens vom Schluss. Achtung Zitat: „Frohnmaier tritt an den Rand der Bühne. Er lässt den Blick durch die Reihen schweifen. Er sagt: ‚Da hinten gibt es noch Butterbrezeln. Bitte nehmen Sie sich was mit nach Hause – vielleicht hat der eine oder andere ja noch Hunger.‘“
Bei Twitter gab’s, wie erwähnt, für all das auf die Fresse, worauf den Kritikern unter anderem entgegen gehalten wurde, sie hätten den Text doch nicht gelesen. Moritz Hürtgen, Chefredakteur der Titanic, nahm den Ball in einem kleinen Vierzeiler auf: Ich bandel mit 1 Nazi an/Ich trink mit ihm auf Spesen/Und pöbelt wer auf Twitter ‚rum, dann/sag ich: „Text schon gelesen?“