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Fast genau zehn Jahre nach dem Attentat auf drei Genoss:innen der kurdischen Freiheitsbewegung 2013 in Paris kam es am 23. Dezember zu einem erneuten Mordangriff auf Kurd:innen.

Hubert Maulhofer sprach mit Konstantin von der internationalen Kampagne „Defend Kurdistan“ über das Geschehene und die Hintergründe.

Kannst du uns kurz etwas zur aktuellen Situation und dem Attentat des 23. Dezember geben?

Am 23. Dezember kam es mitten am Tag im Stadtzentrum von Paris, dort wo sich das kurdische Kulturzentrum „Ahmet Kaya“ befindet, zu einem blutigen Attentat. Der Täter schoss auf mehrere Menschen, die sich vor dem Kulturzentrum und in einem anliegenden Restaurant und Friseursalon befanden.

Drei Menschen sind dabei getötet worden, weitere teilweise schwer verletzt. Der Angreifer konnte durch den Mut einiger Menschen schließlich überwältigt werden, noch bevor die Polizei eintraf. Im Zuge dieses Anschlags kam es zu wütenden Protesten in ganz Europa, die dieses Attentat als eine Folge der anti-kurdischen Politik anprangern, welche sich immer weiter zuspitzt. Am 24. Dezember fand eine Großdemonstration in Paris statt. Die Demonstrationen wurden mehrfach von der französischen Polizei angegriffen und es kam zu Straßenschlachten.

In der kurdischen Community und in internationalistischen Zusammenhängen wird aktuell über eine Verbindung des Täters zum türkischen Staat bzw. dessen Geheimdienst MIT diskutiert und eine Parallele zu den Mordanschlägen von 2013 auf drei Genoss:innen in Paris gezogen. Was kannst du uns dazu sagen?

Wir sehen, dass dieses Attentat sich einreiht in eine anti-kurdische Politik. Von der Türkei und Nordkurdistan, wo tausende Menschen der Oppositionspartei HDP verhaftet werden, über die Giftgas-Angriffe der türkischen Armee in Südkurdistan bis zu den Angriffen auf Nord-Ost-Syrien, Rojava und die autonome Selbstverwaltung, bei denen gezielt zivile und lebensnotwendige Infrastruktur zerbombt wurde.

Auch in Europa existiert eine anti-kurdische Politik in Form der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung und ihrer Unterstützer:innen. Die Repression durch europäische Staaten wie die BRD und Frankreich nimmt immer weiter zu. Einen Tag vor dem Attentat in Paris wurde beispielsweise in Nürnberg ein Genosse inhaftiert, das dortige kurdische Kulturzentrum durchsucht. Diese Politik ermöglicht ein Klima, in welchem Anschläge, wie der von Paris, stattfinden können. Gleichzeitig sehen wir aber auch eine Kontinuität in diesem Attentat zu der Ermordung der Genossinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez die im gleichen Stadtteil 2013 durch einen Agenten des türkischen Geheimdienstes ermordet wurden. Das Attentat jetzt fand zudem zu einem Zeitpunkt statt, in dem das jährliche Gedenken für die 2013 ermordeten Genossinnen im Pariser Kulturzentrum stattfanden. Wir werten den Angriff daher als einen gezielten Anschlag.

Was wissen wir über den Täter?

Es handelt sich um einen 69-jährigen Mann. Er hat bereits in der Vergangenheit Geflüchtete in einem Camp mit einem Schwert angegriffen und saß deshalb im Gefängnis. Er wurde aber vor elf Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Die Tatsache, dass das Attentat in Paris in dem von mir oben angeführten Kontext stattfindet, und auch die Tatsache, dass er diese Tat mitten am Tag in einer Stadt wie Paris durchführen konnte, zeigt entgegen den Aussagen vieler bürgerlicher Medien, dass es sich hierbei nicht um eine Einzeltat handelt. Es geht um einen rassistischen, anti-kurdischen Mord. Das war ein gezielter Angriff auf die Aktivitäten der kurdischen Freiheitsbewegung in Europa. Wir sehen den türkischen Staat in der Verantwortung für diesen Mord.

Wir glauben, dass der französische Staat erneut „ein Auge zugedrückt“ hat, so ein Anschlag findet nicht einfach so statt. Der französische Staat hat kein Interesse daran, gegen die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Frankreich vorzugehen. Die mangelnde Aufklärung im Rahmen der Ermordung der drei Genossinnen 2013 bekräftigt dies und unsere Annahme, dass der 23. Dezember 2022 die Fortführung des Jahres 2013 ist.

Was wissen wir über die ermordeten Genoss:innen?

Bei den Gefallenen handelt es sich um Emine Kara, M. Şirin Aydın und Abdurrahman Kızıl.

Emine Kara war eine Genossin die aktiv in der kurdischen Frauenbewegung war und sich bereits seit 1989 in der Bewegung engagierte. In den Bergen und an vielen Orten in Kurdistan war sie aktiv und hat vor allem auch in Rojava eine große Rolle beim Aufbau der dortigen Selbstverwaltung gespielt. Sie half aktiv mit bei der Unterstützung der Jesid:innen nach den Massakern des sogenannten Islamischen Staats im Schengal. 2019 ist sie nach Europa gegangen, hat vor allem in Frankreich gewirkt und war aktiver teil des Vorbereitungskomitees für die Gedenkdemonstration an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Paris.

Abdurrahman Kızıl war ein heimatverbundener Kurde, der sich in der Diaspora aktiv für die Rechte des kurdischen Volkes eingesetzt und an der demokratischen Gesellschaftsföderation in Frankreich beteiligt hat.

M. Şirin Aydın war ein kurdischer Musiker. Er war in der Diaspora bekannt für seine Lieder und ein Symbol der Vielfalt des Widerstands und der kurdischen Kultur.

Wie geht es jetzt weiter?

Der kurdische Dachverband in Europa „KCDK-E“ hat den Ausnahmezustand ausgerufen. Am 24. Dezember fand daraufhin in Paris eine erste Großdemonstration statt, auch Busse aus Deutschland sind angereist.

Gleichzeitig wird es in den kommenden Tagen überall in Europa zu Aktionen kommen. Die Hauptproteste werden jedoch vorerst in Frankreich und Paris stattfinden, um eine Verschleppung des Falls durch den französischen Staat zu verhindern.

Auch viele internationalistische Kräfte haben sich bereits solidarisiert und ihre Unterstützung ausgedrückt. Es ist an der Zeit, dass all diejenigen die hinter dem kurdischen Volk, der kurdischen Freiheitsbewegung und der Revolution stehen, für all diejenigen, die den türkischen Faschismus, seine europäischen Unterstützer und den Imperialismus bekämpfen, auf die Straße gehen und zur Aktion schreiten. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit ist es wichtig, diese Geschehnisse nicht aus den Augen zu verlieren.

Update: Alle sind eingeladen nach Paris zu kommen und ihre Solidarität auszudrücken. Es gibt eine ständige Mahnwache vor dem Ahmet Kaya Kulturzentrum. Es wird aufgerufen überall dezentral Aktionen zu organisieren, um die Trauer und Wut zum Ausdruck zu bringen. Es wird eine große Beerdigung und Verabschiedung der Leichname in Paris geben. Alle sind aufgerufen und eingeladen daran teilzunehmen, allerdings ist noch unklar, wann die Leichname freigegeben werden. Sollte das vor dem 07.01.2023 passieren, wird für den 07.01. zu dezentralen Aktionen aufgerufen. Ansonsten wird am 07.01.2023 in Paris die alljährliche Gedenkdemonstration für Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez stattfinden. Wir rufen alle jetzt dazu auf an dieser Demonstration teilzunehmen und den nun sechs in Paris ermordeten Genoss:innen zu Gedenken.

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Nicolás ist Student und militanter Anarchist in Paris. Seit dem 8. Dezember nimmt er an den Protesten der »Gilets Jaunes« teil und ist über Unterstützungsgruppen aktiv an der Mobilisierung der Universitäten beteiligt.

Online findet man eine Liste von 42 Forderungen der »Gilets Jaunes«. Gefordert werden unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns, der Rücktritt von Präsident Emanuel Macron und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer »ISF«, welche Macron zu Beginn seiner Amtszeit außer Kraft setzte. Die »Gilets Jaunes« sind eine breite Massenbewegung. Wer spricht für die Bewegung und wie ist sie organisiert?

Die sogenannten Rädelsführer sind schwierig zu definieren: viele von ihnen wurden von den »Gilets Jaunes« denunziert, da sie keine Mandate hatten um für die Bewegung zu sprechen, andere weil sie extrem rechts sind. Es gibt keine politische Koordinierung auf nationaler Ebene. Die Demonstrationen werden über die sozialen Medien, vor allem Facebook, angekündigt. Dort finden sich je nachdem wo man sucht verschiedenste soziale Forderungen. Allerdings gibt es durch die Heterogenität der Bewegung auch Forderungen die kritisch zu betrachten sind – einige sind pro Migration zum Beispiel, andere aber auch rassistisch. (mehr …)

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Schlaglichter eines Streiks in Pariser Luxushotel

Nicht nur die »gilets jaunes« führen aktuell Kämpfe gegen das Kapital in Frankreich. Auch im Pariser Luxushotel Hyatt Paris-Vendôme widersetzen sich Beschäftigte seit Jahren den Schikanen gegen ihre gewerkschaftliche Organsierung und fordern im aktuellen Streik weit mehr als nur reine Lohnerhöhungen. Eine Reportage über den anhaltenden Kampf einer Hotelbelegschaft und über die hier gelebte Solidarität zwischen fest angestellten Arbeiter*innen und Leiharbeiter*innen. (mehr …)

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