Der gegenwärtige Krisenschub scheint den Spätkapitalismus im Rekordtempo in eine längst überwunden geglaubte, barbarische Vergangenheit abstürzen zu lassen.
Wie lange lässt sich die Notwendigkeit der Überwindung der spätkapitalistischen Produktionsweise ignorieren, während diese offen in Krise und Barbarei versinkt? Weite Teile der sozialdemokratisch verhausschweinten Umverteilungslinken in der Bundesrepublik mögen noch immer die Augen ganz fest zudrücken angesichts des sich global entfaltenden Desasters, um die notwendigen, radikalen Schlussfolgerungen nicht ziehen zu müssen, die so abträglich für Koalitionskalkül und Karriereplanung sind. Den deutschen Funktionseliten aber dämmert es inzwischen durchaus, was da auf sie zukommt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dem informellen Verlautbarungsorgan der deutschen Bourgeoisie, spricht man inzwischen von einem „Pearl-Harbor-Moment“. Der wirtschaftliche Umbruch, den das Virus ausgelöst habe, werde über „Generationen dauern“, hieß es in einem Kommentar. Die „Dramatik dessen, was sich gegenwärtig vollzieht“ entziehe sich weitgehend gängiger Einordnung.
Der wirtschaftliche Einbruch kommt
Der IWF versuchte sich Mitte April an einer ersten substantiellen Einschätzung des kommenden Wirtschaftseinbruchs, der durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ausgelöst wurde. Schon jetzt stehe fest, dass die überschuldete Weltwirtschaft in die größte Krise seit der großen Depression der 30er abstürzen werde. Selbst die Finanzkrise von 2008/09 würde dahinter verblassen, so die Zusammenfassung der IWF-Prognose seitens der FAZ. Die Weltwirtschaft werde demnach in diesem Jahr um rund drei Prozentpunkte schrumpfen, wobei rund 170 Länder mit einem Rückgang der Wirtschaftsleitung rechnen müssten.
Der Währungsfonds geht von einem diesjährigen Einbruch von rund sieben Prozent in der Bundesrepublik aus, in der gesamten Eurozone soll die Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent schrumpfen. Besonders hart soll es Italien treffen, wo ein tiefer konjunktureller Fall von 9,1 Prozent prognostiziert wird. Auf die USA kommt ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von mindestens 5,9 Prozentpunkten zu. Etliche Länder des globalen Südens, in der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems, könnten hingegen auch in diesem Jahr ein knappes nominelles Wirtschaftswachstum verzeichnen. Für die übergroße pauperisierte Bevölkerungsmehrheit in diesen ökonomisch abgehängten Weltregionen bedeute dies nichtsdestotrotz eine Verschärfung des täglichen Überlebenskampfes, weil die „Wachstumsgewinne“ sehr ungleich verteilt seien, wie es die FAZ formulierte. Im Klartext: nur bei kräftigem Wachstum können in der „Dritten Welt“ Pauperisierungstendenzen eingedämmt werden, schwaches Wachstum führt zu fortgesetzter Verelendung.
Für nahezu alle Länder und Regionen prognostiziert der IWF im kommenden Jahr einen Aufschwung, der aber in kaum einem Fall die massiven Verluste dieses Jahres kompensieren können werde. Nennenswerte Ausnahmen bilden hier nur China und Indien. In diesem Jahr sollen beide „Schwellenländer“ um ein bis zwei Prozentpunkte wachsen, während 2021 ein kräftiger Aufschwung von 7,4 Prozent (Indien) bis 9,2 Prozent (China) vorhergesagt wird. Diese Zahlen des IWF beruhen allerdings auf einem optimistischen Szenario, das davon ausgeht, dass die Folgen der Pandemie in der zweiten Jahreshälfte 2020 erfolgreich eingedämmt werden. Sollten die schon jetzt anlaufenden Maßnahmen zur Lockerung des „Lockdowns“ nicht erfolgreich sein und die globale Mehrwertmaschine auch in der zweiten Jahreshälfte stillstehen, dann droht ein historisch beispielloser Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Den kapitalistischen Funktionseliten aus Politik und Wirtschaft bleibt nichts Anderes übrig als, allen Warnungen von Virologen zum trotz, die Wirtschaft wieder schnellstmöglich „hochzufahren“.
Es brennt an allen Ecken und Enden. Inzwischen haben mehr als 90 Länder beim IWF Notfallfinanzierungen beantragt, um Schuldenkrisen oder Staatspleiten abzuwenden, wobei die für ihre berüchtigten Sparprogramme berüchtigte Institution diesmal die neoliberalen Zügel lockerer anlegen will. Rund 25 der ärmsten „Entwicklungsländer“ hat der Währungsfonds sogar Erleichterungen beim Schuldendienst zugesagt. Die Krise der „Schwellenländer“ (Semiperipherie) und der Peripherie wird durch eine historisch beispiellose Kapitalflucht in die Zentren des Weltsystems, sowie dem Absturz der Preise für Energieträger angefacht. Die Preise für Rohöl rutschten bei der US-Sorte WTI absurderweise sogar ins Negative, was auf die Auslastung aller Lagerkapazitäten bei weiterhin laufender Förderung und eine kollabierende Nachfrage zurückzuführen ist.
Die Lohnabhängigen trifft es am härtesten
Gigantisch sind insbesondere die – mitunter existenzgefährdenden – Verluste, die die Lohnabhängigen im Verlauf dieses Krisenschubes hinzunehmenhaben. Die International Labour Organization (ILO) der Vereinten Nationen spricht von „niederschmetternden Verlusten“ an Arbeitsstunden und Beschäftigung, die einen „katastrophalen Effekt“ auf die globale Arbeiterschaft hätten. Der Wirtschaftseinbruch werde durch pandemiebedingte Produktionsstillegungen mindestens 6,7 Prozent der weltweit geleisteten Arbeitsstunden ausfallen lassen, was knapp 200 Millionen Vollarbeitsplätzen entspräche. Insgesamt 1,9 Milliarden Arbeiterinnen und Arbeiter sind in Sektoren beschäftigt, die von „drastischen und verheerenden“ Arbeitszeitkürzungen, Lohnkahlschlag und Entlassungen bedroht seien. In Indien sind – trotz leichtem Wachstums – beispielsweise 400 Millionen arbeitende Arme im informellen Sektor vom Abrutschen in eine existenzgefährdende Armut bedroht, was auf die rasche Ausbreitung von Hunger und Mangelernährung hinausläuft. In Europa sollen allein im zweiten Quartal dieses Jahres 7,8 Prozent aller Arbeitsstunden ausgefallen sein, was in etwa 12 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen entspricht. Zum Vergleich: Während der Eurokrise, als Spanien und Griechenland eine Arbeitslosenquote jenseits der 20 Prozent verzeichneten, sind in der Eurozone 3,8 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.
Innenalb der Zentren des kapitalistischen Weltsystems sind die Vereinigten Staaten bislang am stärksten von dem Krisenschub getroffen worden – sowohl in Bezug auf die Anzahl der Todesfälle, als auch der ökonomischen Verheerungen im Gefolge der Pandemie. Die Arbeitslosenquote ist dort, nach dem Scheitern der halbherzigen Bemühungen sie durch Übergangsregelungen abzufangen, regelrecht explodiert. Innerhalb eines Monats mussten sich bis Mitte April 22 Millionen US-Bürger arbeitslos melden, was einen einsamen historischen Rekord darstellt und der globalen Prognose der ILO nahekommt. Somit haben rund 13,5 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung der USA ihre zumeist ohnehin prekären und mies bezahlten Jobs binnen kürzester Zeit verloren. Die offizielle Arbeitslosenrate der USA, die ohnehin stark geschönt ist, soll Prognosen zufolge von 4,4 Prozent im März auf rund 15 Prozent im April hochschnellen. Da breite Bevölkerungsschichten der Vereinigten Staaten bereits seit der Immobilienkrise 2008 einen sozialen Abstieg erfahren haben, der die Mittelklasse massiv abschmelzen ließ, sind auch kaum finanzielle Reserven gegeben, um den Absturz abzufangen.
Die Folge ist eine rasche Zunahme extremer Armut. Viele US-Bürger sind nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren: In Szenen die an die große Depression der 30er Jahre erinnern, werden die Lebensmittelbanken in den Vereinigten Staaten von rasch anschwellenden Massen verzweifelter Menschen überrannt, die mitunter stundenlang in ihren Fahrzeugen warten müssen, um etwas Nahrung für sich oder die Familie ergattern zu können. Zugleich werden von Agrar- und Lebensmittelkonzernen massiv Lebensmittel vernichtet, um die Marktpreise zu stabilisieren. Hilfsorganisationen berichten zudem über eine Zunehme sexueller Belästigung durch Vermieter gegenüber Frauen, die mit ihrer Miete in Verzug geraten seinen. Die verhassten „Landlords“ forderten bei diesen Erpressungsversuchen Sex gegen Mietnachlässe.
Sündenbock China
Die Trump-Administration setzt derweil auf die faschistische Karte, um den Wahlkampf gegen den dementen demokratischen Establishment-Kandidaten Joe Biden für sich zu entscheiden. Kurz nach der Kapitulation des linken Sozialisten Sanders mobilisierte Trump seine rechte Anhängerschaft zu Massenprotesten gegen den Lockdown, während zugleich die US-Administration und rechte Massenmedien wie Fox News zu wütenden Angriffen gegen China übergingen, das für die Pandemie verantwortlich gemacht wird. Die rechte Strategie im Wahlkampf 2020 zeichnet sich klar ab: Sofortiges Hochfahren der Wirtschaft und Aufbau von China als auswärtigem Sündenbock für das Desaster in den USA.
Dabei ist Peking ein bestenfalls relativer Gewinner der Pandemie. Auch die staatskapitalistische „Werkstatt der Welt“ musste einen der schwersten Wirtschaftseinbrüche ihrer Geschichte verzeichnen. Um 6,8 Prozent ist die Wirtschaftsleistung in der „Volksrepublik“ im ersten Quartal 2020 geschrumpft, das ist der stärkste Einbruch seit der Kulturrevolution. Inzwischen mehren sich die Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft, doch dürfte China mittelfristig kaum noch als eine globale Konjunkturmaschine fungieren können. Zum einen, weil die globale Nachfrage für die chinesische Exportindustrie eingebrochen ist, zum anderen, weil das Land selber schon unter hohen Schuldenbergen leidet, die gigantische Konjunkturprogramme wie 2008/09 verhindern dürften.
EU in der Existenzkrise
Die USA und China fallen somit bis auf Weiteres als Absatzmärkte aus. Für das Krisenkalkül der Bundesrepublik – die auf eine rasche Erholung ihres exportgetriebenen Wirtschaftsmodells hofft – dürfte das verheerend sein. Es waren ja insbesondere die gigantischen Handelsdefizite der USA, die in den vergangenen Dekaden stabilisierend auf die Weltwirtschaft wirkten. Die EU befindet sich ohnehin in einer Existenzkrise, da die Streitfrage gemeinsamer europäischer Anleihen die – ohnehin gegebenen – zentrifugalen Tendenzen in Europa befeuert. Die Saaten und Machtblöcke der „Europäischen Union“ bemühen sich wie 2008/09 die Folgen der Krise auf die europäische Konkurrenz abzuwälzen um selber im innereuropäischen Machtkampf gestärkt aus dem Krisenschub hervorzugehen.
Bislang ist es der Bundesrepublik gelungen, Forderungen der südlichen Peripherie nach gemeinsamen Anleihen und umfassenden Konjunkturmaßnehmen abzuwehren. Der Preis dafür besteht in einer zunehmenden Erosion der Eurozone. Ob es Berlin abermals möglich sein wird, die Krisenkosten auf die südliche Peripherie abzuwälzen darf diesmal aber bezweifelt werden – der konjunkturelle Einbruch ist zu heftig, als dass der dominante deutsche Wirtschaftsnationalismus nicht entsprechende politische Reaktionen, etwa in Italien, auslöste. Das Gespenst des europäischen Nationalismus, so irreal und funktionslos es angesichts der Dichte globale Verflechtung ist, könnte bei der Implosion der Eurozone ein letztes kurzes Revival in Form einer unbeständigen Krisenideologie erfahren.
Dies erodierende Europa dürfte sich in den folgenden Jahren mit den Folgen eines abermaligen Entstaatlichungsschubes in der Peripherie konfrontiert sehen. Die Folgen der Pandemie im subsaharischen Afrika, wo sich das Virus mit zweimonatiger Verspätung ausbreitet, drohten „Chaos, Unruhen und Bürgerkriege“ zu intensivieren, warnte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Viele Saaten in der Peripherie, die unter einer historisch einmaligen Kapitalflucht in die Zentren leiden, hätten keine Möglichkeiten, sich auf die Krise adäquat vorzubereiten. Pandemievorsorge ist in den gigantischen Slums kaum möglich. Selbst Länder wie der Libanon, die rund 1,5 Millionen syrischer Flüchtlinge aufgenommen haben, stehen nun vor der Staatspleite. Islamistische Terrorgruppen dürften in vielen Zusammenbruchregionen die Krise für sich nutzen und ihre Kampagnen intensivieren und die staatlichen Erosionsprozesse beschleunigen.
Drohende Stagflation
Von den USA, über viele Peripherie- und Schwellenländer bis zu Europa – das System befindet sich am Abgrund. Dies wird vor allem anhand der Verwerfungen im Finanzsektor deutlich, wo nur noch extreme Maßnahmen den Zusammenbruch verhindern konnten. Die Notenbanken haben massenhaft Wertpapiere wie Staatsanleihen oder Bonds der Privatwirtschaft aufgekauft, um die panischen Finanzmärkte mit Liquidität zu überfluten. Diese Gelddruckerei lässt die Bilanzen der Zentralbanken im Rekordtempo anschwellen. Laut der Financial Times dürfte die Fed im aktuellen Krisenverlauf ihre Bilanz auf bis zu neun Billionen US-Dollar aufblähen – von rund vier Billionen bei Krisenausbruch. Zum Vergleich: Vor dem Ausbruch der Immobilienkrise 2008 lag die Bilanzsumme der Fed bei einer knappen Billion Dollar. Schrottpapiere werden also aufgekauft, um die Finanzsphäre liquide zu halten und eine „Kreditklemme“ zu verhindern. Kurzfristig ist dieses Vorgehen bürgerlicher Krisenpolitik alternativlos. Ähnlich agieren die Bank of Japan, aber auch die EZB, die ein Gegengewicht zur deutschen Blockadehaltung bei der Frage europäischer Anleihen bildet, indem sie Staatspapiere der südlichen Peripherie aufkauft.
Mit dieser Liquiditätswelle steigt aber auch das Risiko einer Inflation, vor allem wenn die Finanzmärkte wieder einbrechen sollten und diese frisch generierte Liquidität Zuflucht in realen Werten suchen müsste. Mittelfristig droht somit ein altes Gespenst wiederzukehren, das gewissermaßen als Geburtshelfer des neoliberalen Zeitalters fungierte: Die Stagflation, also eine Krisenphase einer stagnierenden oder schrumpfende Konjunktur, die von einer starken Inflation begleitet wird. Die Stagflationsperiode der 70er Jahre markierte in vielen Industrieländern das Ende des langen, fordistischen Nachkriegsbooms, da sich dieses Akkumulationsregime aufgrund zunehmender Automatisierungstendenzen in der Warenproduktion erschöpfte. Und es war gerade diese lang anhaltende Krisenperiode der Stagflation, an deren Überwindung der damals herrschende Keynesianismus scheiterte – und die dem Neoliberalismus ab den 80er Jahren in den USA und Großbritannien zum Durchbruch verhalf.
Der Neoliberalismus hat die Krise nur herausgezögert
Die strukturelle Krise kapitalistischer Warenproduktion, die durch das Auslaufen des fordistischen Akkumulationsregimes initiiert wurde, löste der Neoliberalismus durch eine blinde Flucht nach vorn ins kapitalistische Extrem, die einer Flucht in die brutale kapitalistische Vergangenheit gleicht: Die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft wurde verschärft, sodass in den USA das reale Lohnniveau seit den späten 70ern stagnierte. Das Arbeitslebenben wurde prekarisiert, um bei zunehmender Krisenanfälligkeit schnell heuern und feuern zu können. Diese Maßnahmen wurden begleitet von umfassenden Privatisierungen der gesellschaftlichen Infrastruktur, die dem unter einer strukturellen Überproduktionskrise leidenden Kapital neue Verwertungsfelder eröffneten. Als Resultat ist diese so marode und heruntergewirtschaftet, dass die effiziente Bewältigung von Naturkatastrophen oder Pandemien kaum noch möglich ist.
Es war aber vor allem die Expansion des Finanzsektors, die dieses neoliberale Zeitalter erst ermöglichte, indem hier die kreditgetriebene Nachfrage in Gestalt beständig global wachsender Schuldenberge und der korrespondierenden Spekulationsblasen generiert wurde, die eine hyperproduktive Industrie vor dem Kollaps bewahrte. Die neoliberale Globalisierung war somit vor allem einer Globalisierung dieser Schuldenberge, indem Länder mit Exportüberschüssen (Deutschland China) sich Defizitländern wie den USA gegenübersahen.
Historisch betrachtet brachte der Neoliberalismus einen Aufschub der kapitalistischen Systemkrise um rund drei Dekaden mit sich. Jetzt zeichnet sich nun eine ähnliche Krisenkonstellation ab, wie am Vorabend des neoliberalen Zeitalters in der zweiten Hälfe der 70er: Stagnation samt drohender inflationärer Welle. Dennoch ist dies nicht einfach nur die Wiederkehr eines alten Krisengespenstes – Geschichte wiederholt sich nicht einfach, und beim Kapitalismus handelt es sich eben um keinen ewigen Naturzustand, sondern eine konkrete, historische und durch innere Widersprüche in blinde Expansion getriebene Gesellschaftsformation. Der neoliberale Krisenaufschub hatte einen furchtbaren Preis. Dies nicht nur im Hinblick auf die eskalierende Klimakrise, oder auf den Abbau demokratischer Rechte und die aus dem Zerfallsprodukten neoliberaler Ideologe sich formierende Neue Rechte. Das Krisenniveau – verstanden als Intensität der inneren Widerspruchsentfaltung des Kapitals – ist 2020 weitaus höher als in den 80er Jahren des 20. Jahrhundert, sodass die Krise nun mit dieser historisch beispiellosen Wucht einschlägt. Die Schuldenberge sind in Relation zur Weltwirtschaftsleistung viel höher, die Produktivität der globalen Verwertungsmaschine ist in astronomische Dimensionen vorgerückt, die Verrohung und Faschisierung der Metropolengesellschaften ist evident. Deswegen dürfte auch der nach der Deflation drohende Inflationsschub weitaus heftiger ausfallen als in den späten 70ern, als in den USA zweistellige Inflationsraten verzeichnet wurden.
Das ist die Krisenrealität, die sich nun gnadenlos entfalten wird. Alle Insassen der kapitalistischen Tretmühle werden gezwungen sein Stellung zu beziehen, wie inzwischen auch die Funktionseliten des Kapitals zu ahnen scheinen. Ob mensch es nun wahrhaben will, oder nicht, die Frage stellt sich mit aller Macht der an Dynamik gewinnenden Systemtransformation: Which side are you on?
#Titelbild: Gespenst eines Ermordeten von Katsushika Hokusai (1760–1849), gemeinfrei