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Wenn linke Ideen von rechts attackiert werden, etwa von reaktionären Organen wie FAZ oder Spiegel, kann das nicht überraschen. Man weiß, von wem es kommt. Gefährlicher wird es, wenn pseudolinke Journalist*innen und Autor*innen dasselbe tun. Unter dem Deckmantel der Verteidigung der Zivilisation hintertreiben sie den Klassenkampf, verwirren Diskurse.

Geradezu ein Prototyp ist der taz-Redakteur Martin Kaul, wie sich an einem Beitrag zeigen lässt, den er am 19. Februar zur Bewegung der Gelbwesten in Frankreich geschrieben hat. Der Ton von Kauls Erguss erinnert an den der Erklärvideos in der „Sendung mit der Maus“. Nur dass Eleganz und Ironie fehlen. Vielleicht will der Mann auch einfach nur sarkastisch klingen, was total daneben geht. „Dies ist ein Text zum Thema Revolutionsromantik und wohin sie führen kann, denn sie führt ja zu nichts Gutem“, schreibt er. Hoho! Revolutionsromantik? Da könnte man an Barrikaden im Feuerschein oder rote Fahnen im Wind denken. Aber Kaul will davor warnen, etwas furchtbar Gefährliches zu verharmlosen „Revolutionsromantiker“, das sind für ihn Leute, die mit einem „gewissen Neid“ auf die französische Streitkultur schauten.

Vor denen „muss man sich in acht nehmen“, notiert er mit Anzeichen von Abscheu und Entsetzen. Gehe dem Franzosen „etwas gegen den Strich“, dann sei er „alsbald auf der Straße“, belehrt uns der Autor weiter. Kids aus den Banlieus zerlegten Fensterfassaden und Lastwagenfahrer zündeten auf Autobahnen Reifen an. Ja, so ist er, der Franzose. Zündet gern mal einen Reifen an oder schmeißt ‘ne Scheibe ein, wenn ihm etwas „gegen den Strich geht“. In den Banlieus hat man halt nichts Besseres vor.

Kaul will sich später nicht vorwerfen lassen, nicht gewarnt zu haben vor der Ausbreitung dieser neuen französischen Krankheit, der Gelbwestensucht. Hierzulande gebe es Sympathien für die Revolution. Das Buch „Der kommende Aufstand“, in Frankreich verfasst von einem „Unsichtbaren Komitee“, sei zum Beispiel gut angekommen. „Schmissig geschrieben“ sei es schon, räumt die Edelfeder gönnerhaft ein, nur umeinen von der Autor*innen direkt danach mit Schmutz zu bewerfen.

Als mal „einer von denen“ in Hamburg auf einer Bühne was sagen sollte, um die deutsche Revolutionsromantik „ein wenig zu inspirieren“, habe sich herausgestellt, dass er „ein Würstchen war: zu klein für den eigenen Schatten – aber ansonsten ganz gut vernetzt“. Woraus der Herr Redakteur geschlossen hat, dass der Franzose ein Würstchen ist, verrät er uns nicht – vielleicht, weil er nicht wie dieser Politik- und Kulturwissenschaft in Berlin und Istanbul studiert hat. Was aber will der Autor uns eigentlich sagen? Wir erfahren es gegen Ende seines Aufsatzes.

Er hat festgestellt, dass es bei den Aktionen der Gelbwesten zu Gewalt gekommen ist. Schlimm, schlimm! Damit meint er nicht etwa die brutale französische Polizei, die mittels Pfefferspray, Schlagstock und Gummigeschossen hunderte Protestler*innen verletzt hat, sondern die Gelbwesten, von denen viele schlimme Dinge täten: „Sachen kaputt machen“. Auch seien Antifaschist*innen und Faschisten gemeinsam auf Polizist*innen losgegangen. Schließlich habe etwas begonnen, was „den Wesenskern des Aufstands meist begleitet: Sie gingen sich gegenseitig an, prügelten aufeinander ein.“ Eine „ordnende Instanz“ habe nicht eingreifen können, „denn die war ja vorher verjagt worden: die Autorität“.

Spätestens hier muss den linken Leser*innen eigentlich der Ekel kommen. Offenbar sieht er sich als Aufstandstheorektiker und doziert: „Das erste Opfer der Revolution ist in der Regel die körperliche Unversehrtheit. Das zweite die Pressefreiheit. Manchmal auch umgekehrt.“ Die Regel des Aufstands sei, dass es keine Regel gibt – und „wenn, dann nur die des Stärkeren“. Sein Fazit: „Kluge Menschen“ sollten sich der Revolutionsromantik nicht anschließen, denn „Revolutionen waren niemals romantisch.

Es ist im Prinzip ganz einfach: Revolutionen und Revolutionsgequatsche in demokratischen Staaten sind eine ausgesprochene Scheißidee.“ Erstaunlich an diesen letzten Sätzen ist vor allem, wie man mit so wenigen Worten soviel Stuß von sich geben und die Verhältnisse dermaßen auf den Kopf stellen kann. Das erste Opfer des Kapitalismus ist die körperliche Unversehrtheit, Herr Kaul! Gucken Sie sich doch die Menschen in Bangladesh an, die für uns die T-Shirt zusammennähen, oder die Abgehängten hierzulande, Arbeitslose, Junkies, Obdachlose.

Und was bitte ist die Grundregel des Kapitalismus, wenn nicht das Recht des Stärkeren?! Was ist bitte eine Pressefreiheit wert, wenn die Mehrheit der Medien Konzernen gehört und die Masse mit „Brot und Spielen“ bei Laune gehalten wird? Und wer in aller Welt hat denn behauptet, dass Revolutionen romantisch sind?! Im Gegenteil, alle Linken, die es damit ernst meinen, sind sich darüber im Klaren, dass eine Überwindung der Verhältnisse ohne Gewalt und ohne persönliches Risiko nicht zu machen ist. Martin Kaul entpuppt sich als typischer Vertreter des sich links und aufgeklärt gebenden Teils der deutschen Journaille, die tatsächlich im Kern erzreaktionär ist. Leute, die sich an die Medien der Konzerne verkauft haben.

Die gelernt haben, was die Herrschenden im Lande gern hören und noch tolerieren. Die jederzeit bereit sind, mit Häme über jeden tatsächlichen Linken herzufallen, der ihre heile Welt bedroht. Sie sitzen warm und trocken auf ihren gut bezahlten Stellen und das Elend der Leute geht ihnen am Arsch vorbei.

Die Laufbahn des taz-Redakteurs passt dazu. Er war zuvor bei Spiegel Online, bei dpa, der Financial Times, war Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung, ist aktiv im Vorstand von „Reporter ohne Grenzen“, einer Organisation, die dadurch auffällt, dass sie Meinungsfreiheit als Kampfbegriff gegen Staaten wendet, die die westliche Hegemonie bedrohen. Kaul weiß, wo Barthel den Most holt. Wir werden von dem Mann noch hören.

#Titelbild: Johan Px; Pixabay; Montage LCM

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