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Kriegsgegner:innen haben in Russland erhebliche Repression zu befürchten. Trotzdem gibt es keine legalen Einreismöglichkeiten für sie nach Deutschland. Peter Klusmann ist Anwalt in der Gelsenkirchener Kanzlei Meister & Partner und vertritt einen geflüchteten Genossen im Asylverfahren.

Sie vertreten einen Mandanten aus Russland, der in seiner Heimat den Wehrdienst
verweigert und in der BRD Asyl beantragt hat. Warum ist ihr Mandant aus Russland
geflüchtet?

Unser Mandant ist aus Russland geflüchtet, da er als Mitglied der Russischen Maoistischen Partei (RMP) politische Verfolgung befürchtet. Der Mandant selbst trat bei verschiedenen Aktionen und öffentlichen Versammlungen der RMP in Erscheinung. Bereits im Januar 2021 wurde er kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen, nachdem er aus Anlass des Todestages von Lenin am 21. Januar Blumen an dessen Denkmal in Tscheljabinsk (eine russische Großstadt am Ural, d. Red.) niedergelegt hat. Der Mandant erhob dagegen bei der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg Beschwerde. Auch weitere Mitglieder der RMP waren respektive sind Verfolgungsmaßnahmen durch die russischen Behörden ausgesetzt.

Gab es auch weitere Repression gegen Ihren Mandanten?

Ja. Am 27. Februar 2022 beteiligte er sich an einer Demonstration in Tscheljabinsk gegen den russischen Angriff auf die Ukraine. Unser Mandant trug dabei ein Transparent mit der Aufschrift „Maoisten gegen den Krieg! RMP“ Bei dieser Versammlung wurde er unter dem konstruierten Vorwurf des Widerstands gegen die Polizei festgenommen, in Gewahrsam genommen und am nächsten Tag in einem Schnellverfahren zu einer Geldbuße verurteilt. Unser Mandant wurde im Polizeigewahrsam menschenrechtswidrig behandelt, er wurde beleidigt und bedroht. Aufgrund dieser Behandlung erlitt er einem Zusammenbruch und musste medizinisch versorgt werden.

Da unser Mandant weitere Repressionen erwartete, ist er im April dieses Jahres zunächst in die Türkei ausgereist. Er ging dabei davon aus, dass er durch die polizeilichen Maßnahmen und seine Verurteilung als Regierungs- und insbesondere Kriegsgegner registriert ist und die russischen Behörden dies früher oder später zum Anlass nehmen würden, erneut gegen ihn vorzugehen. Im Hinblick darauf, dass unser Mandant in der Türkei auf Dauer keinen effektiven Schutz erlangen konnte, wurde ihm dringend nahegelegt, die Türkei zu verlassen und in Europa Schutz zu suchen.

In ihrer Mitteilung sprechen sie von „Putins Angriffskrieg“ und erwähnen die Interessen
der USA und ihrer NATO-Partner im Ukraine-Krieg nicht. Ist das nicht ein etwas einseitiger
Blick auf den Konflikt?

Keineswegs, aber die konkreten Fluchtursachen unseres Mandaten liegen in Putins Angriffskrieg. In der Presseerklärung heißt es, dass die Russische Maoistische Partei (RMP) eine konsequente Linie gegen alle imperialistischen Mächte verfolgt. Hierzu hat die RMP in einer Erklärung vom 3. März 2022 folgendes ausgeführt: „Im aktuellen Konflikt vertritt die russische maoistische Partei (RMP) eine konsequente antikriegerische und antiimperialistische Haltung gegen die Kriegstreiber auf beiden Seiten (NATO/EU und Russland), gegen die imperialistische Aggression in der Ukraine (die berüchtigte „militärische Sonderoperation“, die nicht einmal als Krieg bezeichnet werden darf) gegen den Bürgerkrieg in der Ukraine (zwischen der Ukraine und dem Donbass) in Form einer „antiterroristischen Operation“ (ATO).“

Auf seiner Flucht hat ihr Mandant in der deutschen Botschaft in Ankara ein Visum
beantragt, was abgelehnt wurde. Was war die Begründung und was kritisieren sie an dieser
Ablehnung?

Unser Mandant hatte sich um einen Botschaftstermin bemüht, um ein Visum zu bekommen. Dort verwies man formalistisch auf die Zuständigkeit der deutschen Auslandsvertretungen in Russland und ignorierte damit vor allem die Gefährdung unseres Mandanten bei einer Rückkehr. Das widersprach auch einer Ankündigung des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministeriums, gefährdeten Personengruppen aus Russland zu helfen. Erst Ende Juni 2022 teilte das Bundesinnenministerium dann mit, dass „im Einzelfall die Möglichkeit einer Aufnahme nach Deutschland zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Paragraph 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz“ bestehe.

Sie fordern, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung, den russischen Kriegsdienstverweigerern effektiven Schutz zu gewähren, „endlich in die Tat umsetzen muss“. Was muss jetzt konkret geschehen?

Notwendig ist die Schaffung legaler Einreisemöglichkeiten für verfolgte fortschrittliche Oppositionelle und Kriegsgegner aus Russland sowie die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Die bisherige Beschränkung auf „handverlesene“ Einzelfälle, die der Bundesregierung politisch opportun erscheinen – „Wahrung politischer Interessen“ -, wird dem nicht gerecht.

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