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Mit der Rechtsstaatlichkeit ist das so eine Sache. Meistens wird sie bemüht, wenn irgendwo eine Mülltonne brennt oder sonst irgend etwas passiert, das dem einen oder der anderen rechten Politiker:in nicht in die Agenda passt. Zuletzt verkündete der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) angesichts der Räumung des Köpi-Wagenplatzes: „Rechtsstaatlichkeit ist ein hohes Gut und muss sich immer durchsetzen.“ Eine ebenso beliebte Floskel ist auch die „Härte des Rechtsstaates“, mit der dem aktuell ausgemachten Feindbild begegnet werden soll. Gemeinsam haben diese Beschwörungen, dass die, die sie äußern, an Rechtsstaatlichkeit appellieren, aber eigentlich meinen, dass Justiz und Polizei besagtem Feindbild mal ordentlich auf den Deckel geben sollen. Mehr Rechtsstaatlichkeit heißt dabei also eigentlich einfach mehr Polizei und mehr repressive Gesetze.

Das eigentlich Rechtsstaatsprinzip zu bemühen, ist dabei aber eigentlich etwas anderes: Staat und Bürger müssen sich Gesetzen unterwerfen, sind vor den Gesetzen gleich und sollen innerhalb des durch die Gesetze vorgegeben Rahmens handeln. Das heißt ein Rechtsstaat ist eigentlich einer, in dem sich auch der Staat an seine eigenen Gesetze hält.

Die Realität sieht jedoch anders aus. Im Fall des Köpi-Wagenplatzes lief das Ganze nämlich folgendermaßen: Der dubiose Investor Siegfried Nehls kaufte über ein Geflecht von Briefkastenfirmen das Gelände, auf dem der Köpi-Wagenplatz stand. Um kurz vor Ablauf der Baugenehmigung noch schnell mit dem Bau beginnen zu können, ließ er angeblich von einem der Geschäftsführer eine Prozessvollmacht unterschreiben. Nur ist die Unterschrift einem Schriftgutachten zufolge aller Wahrscheinlichkeit nach gefälscht. Den Geschäftsführer hat niemand jemals gesehen. Die formalen Voraussetzungen für das Führen des Räumungsprozesses, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Eigentümervertreters, waren also von Anfang an gar nicht erfüllt. Rechtsstaatlich höchst fragwürdig das alles.

Dem Gericht war das egal. Irgendjemand hat eine Vollmacht unterschrieben, um 50 Menschen obdachlos zu machen. Diese bereitete den Weg für die ach so rechtsstaatliche Polizei, die dann in einem gigantischen Einsatz von 3.500 Beamt:innen am Freitag Vormittag die Räumung durchführte.

Würden Justiz und Polizei sich an ihre angeblichen rechtsstaatlich Prinzipien halten, hätte dies nicht passieren dürfen. Dasselbe gilt für die ganze Posse um die Rigaer94, bei der ein Anwalt – entgegen sämtlicher bisheriger höchstrichterlichen Entscheidungen – vom Berliner Kammergericht als Eigentümervertreter anerkannt wird. Von der vermeintlichen Rechtsstaatlichkeit polizeilicher Prügelorgien und Morde müssen wir gar nicht erst reden. Wenn es Kapitalinteressen dient, oder es Staatsdiener:innen in der Arbeit für diese Interessen behindert, wird im Zweifel auf Recht und Gesetz geschissen. Die Rechtsstaatlichkeit, die Geisel bemüht ist ein Witz.

Dabei ist das eigentliche Problem mit all dem Gerede eigentlich ein ganz anderes: Selbst wenn Vertretungsvollmacht und all der legale Kram in Ordnung sein sollten, was sagt es über einen Rechtsstaat aus, in dem wir uns alle an Gesetze halten sollen, aber diese Gesetze nur unsere eigene Unterdrückung festschreiben? Was bringt es den Geräumten, und allen Zwangsgeräumten überhaupt, theoretisch mit Hilfe tausender Polizist:innen ihr Recht auf Eigentum schützen lassen zu können, wenn sie niemals welches haben werden? Wie sehr ist ein:e Investor:in vom Verbot unter Brücken zu schlafen betroffen? Das Recht, das der Rechtsstaat durchsetzt, ist das Recht der herrschenden Klasse.

Wenn als Antwort auf die Räumung des Köpi-Wagenplatzes Mülleimer und Autos in Flammen aufgehen, Fensterscheiben zu Bruch gehen und Steine fliegen, dann ist das also vielleicht nicht rechtsststaatlich, aber ganz sicher legitim. Denn mit diesem Rechtsstaat, mit diesen Gesetzen und Gerichten, mit dieser Polizei, die nur die Herrschenden vor den Beherrschten schützt, ist sowieso kein Blumentopf zu gewinnen.

# Titelbild: PM-Cheung, Fronttranspi der Demo zur Räumung des Köpi-Wagenplatzes

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Dass die deutsche Justiz rechte Straftäter oft mit Samthandschuhen anfasst, auch gern laufen lässt oder ihre politische Motivation leugnet, ist eine traurige Tatsache. Manchmal verstößt sie dabei Hand in Hand mit der Polizei so massiv gegen alle Grundsätze einer sauberen Ermittlungsarbeit und auch gegen jede Logik, dass man sich als Beobachter nur noch die Haare raufen kann. Ein solcher Fall ist der Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft an der Lübecker Hafenstraße in der Nacht zum 18. Januar 1996, der sich an diesem Montag zum 25. Mal jährt – ein trauriger Höhepunkt rechter Gewalt in den 90ern und ein bleibender Justizskandal.

Zehn Menschen starben damals in den Flammen, sie kamen aus Zaire, Angola, Togo und dem Libanon. Es gab 39 Verletzte. Die mutmaßlichen Täter, drei Neonazis aus dem mecklenburgischen Städtchen Grevesmühlen in der Nähe von Lübeck, wurden den Ermittler*innen quasi auf dem Silbertablett serviert, aber sie durften es nicht gewesen sein. Stattdessen schob man die Tat einem Hausbewohner in die Schuhe. In der Chronik rechtsterroristischer Anschläge in der BRD gibt es wohl kaum einen anderen Fall, in dem so viel auf die Täterschaft von Neonazis hindeutete – und so wenig getan wurde, um sie zur Rechenschaft zu ziehen.

Zum Zeitpunkt der Brandstiftung hatten sich 48 Menschen in der von der Diakonie betriebenen Unterkunft nahe der Trave aufgehalten. In ihrer Wohnung starben die 29 Jahre alte Françoise Makudila und ihre fünf Kinder Christine (17), Miya (14), Christelle (8), Legrand (5) und Jean-Daniel (3). Monique Maiamba Bunga (27) und ihre Tochter Nsuzana (7) hatten noch versucht, wie die meisten anderen Bewohner, dem Feuer übers Dach zu entkommen, stürzten dabei ab und erlitten tödliche Verletzungen. In seinem Zimmer erstickte Rabia El Omari (17). Im Vorbau fand man noch die stark verbrannte Leiche von Sylvio Amoussou.

Erst fünf Tage später wurde in der Gerichtsmedizin festgestellt, dass die Ursache seines Todes keine Rauchgasvergiftung gewesen war. Der Gerichtsmediziner, der ihn obduzierte, stellte unter anderem einen Schädelbruch fest und schloss nicht aus, dass dieser durch äußere Gewalteinwirkung verursacht worden war. Er empfahl, einen weiteren Spezialisten heranzuziehen. Die Staatsanwaltschaft kam dem nicht nach, sondern gab Amoussous Leiche zur Einäscherung frei – eines der vielen haarsträubenden Versäumnisse in diesem Fall.

Über die zehn Menschen, die bei dem Brand starben, heißt es auf der Homepage der Initiative Hafenstraße ’96, die zum 25. Jahrestag des Anschlags eine Erinnerungswoche organisierte, sie seien nach Deutschland gekommen, „um ein sicheres Zuhause zu finden“ – und weiter: „Sie kamen als Geflüchtete nach Deutschland und wurden von deutschen Täter*innen ermordet.“ Tatsächlich gibt es wenig Zweifel an der Täterschaft der drei Neonazis Maik W., Dirk T. und René B., die am Morgen nach dem Anschlag in Grevesmühlen festgenommen wurden. Schon die Tatsache, dass Zeugen sie noch vor Eintreffen der Feuerwehr in der Nähe des brennenden Hauses neben ihrem Wartburg stehend gesehen hatten, war ein deutliches Indiz.

Dann wurden bei allen dreien auch noch versengte Wimpern, Augenbrauen und Haare festgestellt. Laut Gerichtsmedizin waren diese Spuren nicht älter als 24 Stunden und „typisch für Brandstifter“. Die drei Neonazis lieferten völlig absurde und unglaubwürdige Erklärungen für ihre Versengungen. W. wollte einen Hund mit Haarspray eingesprüht und angezündet haben. René B. behauptete ernsthaft, er habe im Dunkeln Benzin aus seinem Mofa abgezapft, habe dabei, um etwas zu sehen, ein Feuerzeug angezündet und habe sich die Haare in der entstehenden Stichflamme versengt.

Angesichts der Spuren und der Absurdität dieser Erklärungen hätte ein Haftbefehl und eine Anklage die logische Folge sein müssen. Eine solche Spurenlage hätte jeden Linken, selbst bei einem weniger folgenreichen Brandanschlag für Jahre in den Knast gebracht. Doch die Lübecker Staatsanwaltschaft ließ das Trio wieder laufen, aufgrund eines dubiosen Alibis. Sie waren etwa zur Tatzeit in einer Tankstelle in der Nähe gesehen worden. Nur war diese Tankstelle lediglich etwa sechs Kilometer vom Haus an der Hafenstraße entfernt und die Brandermittler konnten den Beginn des Brandes nicht sicher auf einen genauen Zeitpunkt festlegen. Das spielte aber alles keine Rolle, ebenso wenig spätere Geständnisse der Neonazis gegenüber Dritten.

Neonazis durften es nicht gewesen sein. Die Ermittler*innen hatten sich bereits auf eine Variante eingeschossen, die offenbar ihrer politischen Prägung und den Erwartungen der um den Ruf Lübecks besorgten Verantwortlichen besser entsprach. Sie konzentrierten sich auf einen der Hausbewohner, den jungen Libanesen Safwan E.. Ein Rettungssanitäter tauchte wie Kai aus der Kiste auf und behauptete, dass dieser die Tat auf der Fahrt zum Krankenhaus gestanden habe. Das reichte der Staatsanwaltschaft, um E. zeitweise in Untersuchungshaft zu stecken und ihn vor Gericht zu zerren. Die Jugendkammer des Lübecker Landgerichts eröffnete im September 1996 den Prozess und führte ihn bis zum 30. Juni 1997. In dem Verfahren wurde klar, dass die Vorwürfe gegen den Geflüchteten nichts als ein haltloses Konstrukt waren. Es endete mit einem Freispruch für E., den am Ende selbst die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Bisher hat die Justiz alle Versuche, das Verfahren neu aufzurollen, zunichte gemacht. Darum setzt die Initiative Hafenstraße ’96 ihre Hoffnungen auf eine Online-Petition, die zu Beginn der Erinnerungswoche gestartet wurde (hafenstrasse96.org). Mit dieser Petition soll versucht werden, einen Untersuchungsausschuss im schleswig-holsteinischen Landtag zur Aufklärung des Lübecker Brandanschlags zu erwirken. Die Petition wird von der Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke unterstützt, die Verteidigerin von Safwan Eid war. Gegenüber junge Welt sagte sie, die überlebenden Hausbewohner und die Öffentlichkeit hätten „einen Anspruch auf Verfolgung der wirklich Tatverdächtigen“. Die Vorgänge, die zur „Vertuschung zugunsten der rechtsradikalen Beschuldigten“ geführt hätten, müssten offengelegt werden. Die Staatsanwaltschaft Lübeck habe bewiesen, dass von ihrer Seite ein Bemühen um Aufklärung nicht zu erwarten sei. Nur ein „mit allen prozessualen Rechten ausgestatteter Untersuchungsausschuss“ könne Licht ins Dunkel bringen. Mord verjährt bekanntlich nicht.

# Titelbild: Stephan Grimm, Das Haus nach dem Anschlag, CC BY-SA 4.0

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Was ist die Verabredung zu einem Verbrechen, die auf einer Bank getroffen wird, gegen die Verabredung zu einem Verbrechen, die in einer Bank getroffen wird?! Diese leichte Abwandlung eines bekannten Zitats lässt sich als Kommentar zu dem Urteil lesen, das die Große Strafkammer 15 des Hamburger Landgerichts am 5. November im so genannten Parkbank-Prozess verhängte. Wie zu erwarten war, verknackte die Kammer die „Drei von der Parkbank“ zu Haftstrafen – natürlich ohne Bewährung, denn es handelte sich bei den Angeklagten ja um „böse Linke“. Also gab es mal eben 22, 20 und 19 Monate Haft für die beiden Genossen und die Genossin und zwar im Grunde genommen für nichts.

Sie wurden nicht für etwas verurteilt, das sie getan haben. Sie haben niemanden angegriffen und verletzt, niemanden betrogen, nichts beschädigt. Sie wurden für etwas bestraft, dass sie angeblich vorgehabt haben – für die „Verabredung zu einem Verbrechen“ gemäß Paragraph 30 Strafgesetzbuch, wie es im Juristendeutsch heißt. Eine Verabredung, die, um den Eingangssatz leicht zu korrigieren, nach Überzeugung der Kammer nicht auf der Bank getroffen, sondern bereits lange vorher. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die drei vorhatten, gemeinsam mit einer vierten, unbekannt gebliebenen Person Brände an vier Orten zu legen.

„Drei von der Parkbank“ klingt lustig, nach einem alten Film mit Heinz Rühmann, ist tatsächlich aber die Überschrift zu einer juristischen Farce, die selbst in dem an Absurditäten reichen Reigen der G-20-Prozesse noch negativ herausragt. Wer es noch nicht wusste: Als „Drei von der Parkbank“ oder Parkbankcrew sind drei Anarchist*innen überregional bekannt geworden, nachdem sie vor eineinhalb Jahren von einer Parkbank in Hamburg weg festgenommen worden waren. Ein Handstreich der Polizei, der eine Welle der Solidarität in der radikalen Linken der gesamten BRD und des Auslands auslöste, die bis heute nicht abgeebbt ist.

Wir erinnern uns. Es war eine Sommernacht im Juli 2019, die Nacht vom 7. auf den 8. Juli. Genau zwei Jahre nachdem sich in Hamburg die globale Regierungsmafia getroffen hatten, um unter der harmlosen klingenden Überschrift „G20-Gipfel“ neue Verbrechen zur Auspressung der Welt zu verabreden. In einer Grünanlage im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel saßen in dieser Nacht zwei Männer und eine Frau auf einer Parkbank, als Zivilfahnder der Polizei über sie herfielen. Die Drei hatten, wenn man der Polizei glauben will, diverse Materialien dabei: Handschuhe, Feuerzeuge, Grillanzünder und mit Benzin gefüllte PET-Flaschen. Später kam heraus: Einer der Genossen war bereits seit Monaten von der Polizei observiert worden – ohne richterliche Anordnung, nur auf Geheiß des Hamburger Polizeipräsidenten.

Die Lohnschreiber der bürgerlichen Presse kriegten sich gar nicht mehr ein vor Begeisterung über diese Festnahmen. Ein „Riesenerfolg“ sei das für die Ermittlungsbehörden delirierte die Hamburger Morgenpost. Einer der Festgenommenen sei „tief verwurzelt“ in der autonomen Szene und „auch international bestens vernetzt“. Das Hamburger Abendblatt jubelte, dem Staatsschutz sei offenbar „ein spektakulärer Schlag gegen die linksextremistische Szene gelungen“. Bei der Polizei sei man „sichtlich stolz“ auf den Ermittlungserfolg. Die Polizei selbst fabulierte öffentlich von einem „Stich ins Herz der linksexstremistischen Szene“. Die beiden Männer kamen natürlich sofort in Untersuchungshaft, wo man sie bis zum Ende des Prozesses schmoren ließ. Die Genossin wurde erstaunlicherweise auf freien Fuß gesetzt.

Eine große Rolle spielte bei den Ermittlungen und im Prozess ein Zettel, der angeblich ebenfalls bei den Dreien gefunden wurde. Darauf standen vier Adressen, die alle mit den Profitgeiern von der Wohnungswirtschaft zu tun hatten: die der Geschäftsstelle des Immobilienriesen Vonovia, dann ein Ort, an dem regelmäßig Dienstfahrzeuge des Konzerns abgestellt waren, ein Büro des Luxusmaklers Großmann & Berger und die Wohnadresse von Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Sogar die Kammervorsitzende Sandra Paust-Schlote wunderte sich in der Urteilsbegründung darüber, dass man als Gedächtnisstütze bei einer solchen Aktion noch einen solchen Zettel benötigt – den Verdacht, dass die Ermittler diesen Zettel angefertigt und den Angeklagten untergeschoben haben, verwarf sie aber.

Polizei und Staatsanwaltschaft versuchten vor und im Verfahren geradezu fanatisch, den Angeklagten nachzuweisen, dass sie Leib und Leben von Menschen gefährden oder diese Gefährdung zumindest billigend in Kauf nehmen wollten, dass sie Wohnhäuser anzünden wollten. Das wäre nämlich eine schwere Brandstiftung gewesen, was ein höheres Strafmaß bedeutet hätte. In seinem Plädoyer hetzte Oberstaatsanwalt Ralf Schakau in übelster Weise gegen die Angeklagten. Sie seien „menschenverachtende Terroristen, denen jedes Mittel recht ist und die den moralischen Kompass verloren haben“. Er plädierte auf „Verabredung zu einer schweren Brandstiftung“ und forderte dreieinhalb Jahre Haft für den Genossen, der für den Haupttäter gehalten wurde, und jeweils drei Jahre für Ingmar S. und eine junge Frau.

Dass Polizei und Anklage vor fast nichts zurückschreckten, um ihre wilden Konstrukte durchzusetzen, zeigt die Affäre um einen Gutachter. Und zwar hatte die Generalstaatsanwaltschaft kurz vor Anklageerhebung das Büro des Brandermittlers Sebastian Herrgesell aus dem sachsen-anhaltinischen Schönebeck mit einem Gutachten beauftragt. Auf deren Homepage heißt es: „Mit Herz und Sachverstand analysieren unsere sachverständigen Brandursachenermittler komplexe und scheinbar unklare Ausgangssituationen, um die Frage nach dem Warum eines Schadens zweifelsfrei zu klären.“

Das von diesem Büro erstellte Gutachten stützte die Anklage in allen Punkten. Im Prozess stellte sich heraus, warum das so ist. Wie die Verteidigung herausfand, ist Herrgesell auf vielfältige Weise mit der Polizei verbandelt und offenbar rechtem Gedankengut nicht abgeneigt. Nachzulesen ist dies auf der von Unterstützern der Parkbankcrew betriebenen Seite parkbanksolidarity.blackblock.org. Bei einer Recherche sei herausgekommen, heißt es da, dass so gut wie alle Mitarbeiter*innen des Büros eine Karriere bei der Polizei hinter sich haben. Dann habe sich Herrgesell auf seinem privaten Facebook-Account über „südländisch aussehende, arabisch sprechende und messerstechende Täter“ geäußert und fragwürdige Posts anderer User gelikt. All das war am Ende sogar der Generalstaatsanwaltschaft zu viel, so dass der Gutachter einhellig abgelehnt wurde.

Die Kammervorsitzende spielte das Spiel der Anklage, den drei Angeklagten eine schwere Brandstiftung anzudichten, immerhin nicht mit und signalisierte schon im Verfahren, dass die Kammer nicht von schwerer Brandstiftung ausgehe. In der Urteilsbegründung verwarf sie in fast spöttischem Tonfall die abwegigen Hypothesen des Oberstaatsanwalts, der bei einem der in Frage kommenden Gebäude einen auf der Rückseite liegenden Lichtschacht als Ziel für eine Brandlegung ausgemacht hatte. Paust-Schlote führte aus, die Angeklagten hätten außer dem Dienstwagen von Vonovia wohl Gegenstände vor den Häusern anzünden wollen, also etwa Mülltonnen oder Barrikaden. Sie verwies darauf, dass es Konsens unter „Linksextremisten“ sei, Unbeteiligte bei ihren Aktionen nicht zu gefährden.

Hanebüchen war die Urteilsbegründung aber insgesamt dennoch. Paust-Schlote erging sich eingangs ausführlich in Beteuerungen, das Ganze sei kein politisches Verfahren, es ginge nicht um „Feindstrafrecht“, nicht um die Anschauungen der Angeklagten. Dann geißelte sie die Genoss*innen aber als „tiefverwurzelt“ in einer „rechtsfeindlichen Gesinnung“, wobei sie abenteuerliche Belege anführte, etwa Abbildungen, die bei einer Durchsuchung der Wohnung der angeklagten Genossin auf deren PC sichergestellt worden waren. Da habe sich etwa ein Foto stürzender Polizeibeamte angefunden, das mit Aufschrift „Feste feiern, wenn sie fallen“ versehen war. Auf einem anderen Foto von 2008 seien die beiden männlichen Angeklagten zu sehen, wie sie in Amsterdam mit einem Banner posierten, auf dem die Aufschrift stand: „Don’t be a tourist, be a terrorist!“. Dies zeige doch, wie lange und wie tief die Angeklagten in der „linksextremistischen Szene“ verwurzelt seien, so die Richterin. Auch dass es seit der Festnahme der „Drei von der Parkbank“ im ganzen Land eine Menge „Resonanzstraftaten“ gegeben habe, kreidete Paust-Schlote ihnen an. Alles in allem sei ihnen keine „günstige Sozialprognose“ zuzugestehen, deshalb sei eine Bewährung nicht in Frage gekommen.

Nach der Urteilsverkündung gab es dennoch Jubel im Gerichtssaal, denn die Haftbefehle gegen die beiden Genossen wurden aufgehoben. Sie müssten allerdings, wenn das Urteil rechtskräftig wird, noch für einige Monate in den Knast, nämlich für die, die über die 16 bereits in U-Haft verbrachten Monate hinausgehen. Die Genossin müsste dann sogar die gesamte Strafe absitzen, da sie nicht in U-Haft genommen worden war.

Natürlich war der Parkbank-Prozess Teil der Rachejustiz nach dem G-20-Gipfel in Hamburg, die mit dem Anfang Dezember beginnenden Rondenbarg-Prozess ihren Höhepunkt finden wird. Wie absurd der Aufwand ist, mit dem Polizei, Anklage und Gericht in diesem Fall wieder einmal gegen Linke vorgegangen sind, und wie grotesk die Strafen sind, lässt sich vor allem daran erkennen, wer oder was mit erheblich weniger Verve oder auch gar nicht von Polizei und Jusitz verfolgt wird. Dazu nur ein Beispiel.

Am 17. Oktober hat ein AfD-Symphatisant am Rande einer Veranstaltung der Partei mit deren Chef Jörg Meuthen im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg mit einem schweren Pick-up gezielt drei Demonstrant*innen angefahren und verletzt (lower class magazine berichtete). Die Polizei schrieb in ihrer ersten Mitteilung von einem Unfall, der 19 Jahre alte Fahrer wurde nicht einmal festgenommen. Nach einer „Befragung“ im Revier durfte er nach Hause. Das Hamburger Abendblatt schrieb einige Tage später, der Staatsschutz gehe davon aus, er habe die Demonstrant*innen nur „erschrecken wollen“.

Der rechte Attentäter, der drei Menschen verletzt und schwere Verletzungen oder gar ihren Tod in Kauf genommen hat, dürfte vor Gericht mit einer Ermahnung und ein paar Sozialauflagen davon kommen. Die „Drei von der Parkbank“ sind dagegen zu Haftstrafen von über einem Jahr verknackt worden, das lediglich dafür, dass sie angeblich planten, etwas zu tun – nämlich SACHEN zu beschädigen, in Brand zu setzen. Den besten Kommentar zu dieser Justizfarce hat die Parkbankcrew selbst in einer Erklärung abgegeben, der am Tag nach dem Urteil veröffentlicht worden ist. Ein Absatz, dem nichts hinzuzufügen ist, sei hier zitiert:

„Das Schweigen in diesem Prozess ist uns nicht immer leicht gefallen angesichts der arroganten, zynischen Frechheiten, mit denen wir das ganze Verfahren über konfrontiert waren. Uns ist allerdings wichtig darauf hinzuweisen, dass wir es hier keineswegs mit aus dem Rahmen fallenden Tabubrüchen zu tun haben. U-Haft als Maßnahme zur Kooperationserpressung, Durchwinken illegaler Ermittlungsmaßnahmen … ganz normaler Alltag im Justizsystem. Wir sehen keine Perspektive darin, solche Zustände zu Skandalisieren – wir glauben nicht an die Möglichkeit einer „fairen“ Justiz. Womit wir nicht meinen, dass es unsinnig ist, diese Symptome einer, immer im Interesse der herrschenden Ordnung wirkenden, Institution zu benennen. Wir schlagen auch nicht vor, sich im Zynismus dieser Institution gegenüber einzurichten.

Viel wichtiger finden wir aber, der Repression gegenüber einen aktiven, selbstbewussten und selbstbestimmten Umgang zu finden. Von ihnen haben wir nix zu erwarten, von uns selbst und den Menschen, mit denen wir kämpfen dafür umso mehr!“

# Titelbild: © r-mediabase, Demo am Vorabend der Urteilsverkündung

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Kommentar

Es gibt wieder mal einen tragischen Einzelfall, in dem Polizisten sich nicht anders zu helfen wussten, als den „finalen Rettungsschuss“, wie der tödliche Knarrengebrauch im Behördensprech euphemistische genannt wird, abzugeben. Ein bisher namenloser junger Mann wurde am vergangenen Samstag von der Polizei im niedersächsischen Stade erschossen. Das Opfer, ein 20-jähriger Afghane, der in einer Unterkunft für Geflüchtete untergebracht war, soll die Polizisten angeblich mit einer Eisenstange angegriffen haben, woraufhin mehrjährige Ausbildung nur einen Schluss ließ: Abknallen. Mit Sicherheit wird festgestellt werden, dass es sich um Notwehr gehandelt hat.

Notwehr, wie im Fall von Adel B., der Mitte Juni nach offizieller Darstellung auch von Polizisten in Notwehr erschossen wurde. B. Hatte vorher per Telefon angekündigt, sich umbringen zu wollen. Die Cops verfolgten den mit einem Messer hantierenden Mann bis nach Hause, wo er – so hieß es – auf auf die Polizisten losgestürmt sei. Die Beamten beteuerten, sich nicht anders zu helfen gewusst zu haben und erschossen ihn. Erst als Wochen später ein von der Polizei ursprünglich beschlagnahmtes (und dabei praktischerweise vom Handy gelöschtes – die Cloud hat es gerettet) Video auf sozialen Netzwerke auftauchte, auf dem zu sehen ist, dass Adel B. in den Hauseingang seiner Wohnung geht und dann im Haus erschossen wird, wurde selbst der bürgerlichen Presse klar klar: Es war eben keine Notwehr.

Wie im Fall von Fall von Hussam Fadl. Fadl wurde am 16. September 2016 in einer Unterkunft für Geflüchtete in Berlin-Tempelhof von einem Polizisten erschossen. Nachdem Fadls Tochter sexuell belästigt worden war, kam es zu einem Polizeieinsatz, bei dem der Tatverdächtige festgenommen wurde. Fadl soll dann mit einem Messer bewaffnet auf die Polizisten zugestürmt sein und wurde dann in „Notwehr/Nothilfe“ abgeknallt, so der offizielle Tathergang. Das Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizisten wurde im September 2017 eingestellt.

Bis auf den Polizisten, der den Schuss abgegeben hatte, hatte allerdings von Anfang an niemand, nicht einmal die anderen beteiligten Polizisten, ein Messer gesehen. Und Fadl wurde von hinten erschossen. Und auf dem Messer, dass Fadl angeblich in der Hand hielt, und das sichergestellt wurde, wurden keine Fingerabdrücke von Fadl gefunden. Trotzdem mussten die Angehörigen erst ein Klageerzwingungsverfahren einleiten, damit die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Mittlerweile hat sie die Ermittlungen wieder aufgenommen, die Erfahrung aus zahllosen anderen Fällen tödlicher Polizeigewalt lassen aber wenig Hoffnung auf irgendeine Form von Gerechtigkeit aufkommen.

Polizisten, die morden, haben von der Klassenjustiz nichts zu befürchten. Sie können ballern wie sie wollen, Leute in Arrestzellen in Brand stecken, psychisch Kranke erschießen – juristisch gesehen alles egal. Das sie das machen können liegt in der Logik des Systems, staatliche Gewalt muss immer legitim erscheinen. Jegliches Infragestellen staatlichen Handelns stellt ein Infragestellen staatlicher Gewalt an sich dar.

# Titelbild: Dennis Skley CC BY-ND 2.0

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Das Landgericht Dortmund hat Recht gesprochen: 258-facher Konzernmord aus dem Jahr 2012 ist verjährt.

Am 11. September 2012 brannte ein Textilwerk der Firma Ali Enterprises im pakistanischen Karachi aus. In den Flammen starben 258 Arbeiter*innen, die meisten waren zwischen 15 und 35 Jahren alt. Der Vorfall gilt als der größte Industrie-“Unfall“ in der Geschichte Pakistans. Der Hauptabnehmer des Sweat Shops, der zur Todesfalle wurde, war der deutsche Textildiscounter KiK. (mehr …)

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