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In der Klimabewegung wird ein altbewährtes Rezept wiederentdeckt: Der Generalstreik. Der erste Anlauf dafür ist für den 27. September geplant. Aber wie genau können wir es schaffen vom Klima- zum Generalstreik zu kommen? Wie sehen erste Schritte aus, um eine breite Ökologiebewegung aufzubauen, die dazu in der Lage ist, die Systemfrage zu stellen.

Ein Freitagnachmittag in Wien: Rund 100 Klimaaktivist*innen blockieren eine der zentralen Brücken über den Donaukanal. Der Plan: Mit zivilem Ungehorsam für die Verkehrswende mobil machen. Die Hauptforderungen: Autos raus aus der Stadt und kostenloser öffentlicher Nahverkehr für alle. Nach zwei Stunden eskaliert die Polizei die Lage. Menschen kommen mit Platzwunden ins Krankenhaus, der Rest wird abtransportiert und verbringt die Nacht in Sammel- und Einzelzellen auf dem Polizeirevier. Aktionen wie die in Wien machen trotz der Repression gerade Schule. Bewegungen wie Ende Gelände setzen auf massenhaften zivilen Ungehorsam, sie wollen „System Change not Climate Change“, wie es in der Klimagerechtigkeitsbewegung heißt. Und die Entschlossenheit dafür ist in weiten Teilen dieser Bewegungen da. Wer durch Polizeiketten rennt, um die Nacht in einer Kohlegrube zu verbringen und danach von der Polizei mitgenommen zu werden, der*die meint es ernst.

Aber wie ist diese Bewegung entstanden und wie kommuniziert sie? Über die letzten Jahre haben sich die verschiedenen Organisationen, Netzwerke und Gruppen, die außerhalb der Parlamente gegen Naturzerstörung und Klimawandel mobil machen, auf Klimacamps zusammengesetzt, um gemeinsame Ideen und eine gemeinsame Praxis zu diskutieren. Daraus sind große Kampagnen und gemeinsame Lieder und Parolen entstanden. Und zumindest ansatzweise ein gemeinsames Verständnis davon, was das für ein System ist, das den Ort, an dem wir alle leben auffrisst und nichts als Wüste und verseuchte Böden zurücklässt.

Von Fridays For Future zum Klimastreik

Mit den von Fridays For Future geschaffenen globalen Klimastreiks gibt es nun auch zeitliche Kristallisationspunkte, an denen die verschiedenen Organisationen und Bewegungen ihre Energie bündeln. Für die nächsten Monate sind wieder globale Streiks geplant, ganz groß wird es am 27. September. Für diesen Tag rufen verschiedenen Bewegungen wie Fridays For Future und Extinction Rebellion zum Earth Strike auf. Und die Rede ist dabei längst nicht mehr nur von Schüler*innen und Studierenden. Greta Thunberg, die schon die Fridays For Future losgetreten hat, hat zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Stichpunkt in die Debatte geworfen: Generalstreik. Ein altbewährtest Rezept für eine neue Bewegung.

Längst haben in der Klimagerechetigkeitsbewegung die Diskussionen darüber begonnen, wie es zu schaffen ist, mehr Arbeiter*innen und Angestellten für den Streik zu gewinnen. Denn schon jetzt ist klar: Erst wenn die lohnabhängige Klasse streikt, kann die Macht des Kapitals gebrochen werden. Erst dann können wir das System zum Stillstand bringen und ein System schaffen, in dem unsere Bedürfnisse und unsere ökologische Lebensgrundlage im Vordergrund stehen und nicht kapitalistisches Wachstum und die Profite von einigen wenigen. Erst dann werden wir wirkliche Antworten auf die Klimakrise finden.

Aber was tun? Wir wird ein Klimastreik zum Generalstreik? Oder anders gefragt: Wie bringen wir soziale und ökologische Kämpfe zusammen? Zuerst einmal müssen einige Vorurteile ausgeräumt werden. Zum Beispiel, dass den Leuten, die sich in die Kohlegrube setzen, um RWE aufzuhalten, die Kumpel, die bei RWE arbeiten egal sind. Denn das sind sie nicht. Am liebsten wäre es uns, wenn sie mit uns die Bagger lahmlegen würden, um ihren Konzern dazu zu zwingen, auf Erneuerbare umzurüsten – oder sie ihre Bosse im besten Fall einfach gleich enteignen und den Laden in die eigene Hand nehmen.

Klimapolitik als Klassenkampf von oben

Gerade konservative und rechte Kräfte versuchen gerne, ökologische Kräfte und Arbeiter*innenmilieus gegeneinander auszuspielen und den Leuten mit Warnungen vor den Kosten der ökologischen Wende Angst zu machen. Sie konstruieren die Lösung der ökologischen Krise und die soziale Frage als Gegensätze. Und leider funktioniert diese Erzählung immer wieder: Als im November die Gelbwesten in Frankreich begannen, den Herrschenden an den Kragen zu gehen, da wurden sie am Anfang als eine Art anti-ökologischer Protest der Abgehängten dargestellt. Was natürlich Unsinn ist, und von Anfang an nur der Diskreditierung der Gelbwesten dienen sollte. Wer gegen eine Benzinsteuer Kreisverkehre besetzt, der*die ist erst einmal gegen die Steuer und nicht gegen Ökologie. Auf Versammlungen der Gelbwesten wurde dann schnell klargemacht, dass man dafür sei, den Planeten zu bewahren, aber dass man die Kosten dafür nicht tagen wolle.

Die Gelbwesten haben recht! Die Regierungen versuchen schon jetzt, die Kosten für die Klimakrise auf uns abzuwälzen. Sie versuchen, die Milliarden für den ökologischen Umbau von oben, durch Einsparungen im sozialen Bereich, mit noch mehr Arbeitshetze und Steuern zu finanzieren. Wir aber sagen: Die Reichen müssen die Klimakrise zahlen! Diese Feststellung könnte zu einem der Eckpfeiler einer globalen klassenkämpferischen Ökologiebewegung werden.

Auch die Klimagerechtigkeitsbewegung funktioniert nur intersektional, oder sie wird scheitern. Und in vielen Bereichen ist diese Erkenntnis längst Praxis geworden: Feministische Positionen beispielsweise sind in großen Teilen der neuen Ökologiebewegung bereits Konsens. Es gibt wenige fortschrittliche Bewegungen in denen junge Frauen so kraftvoll und unübersehbar laut werden, wie das in der neuen Klima- und Ökologiebewegung der Fall ist. Jetzt müssen wir nachziehen und klar machen, dass eine ökologische Gesellschaft nicht nur antipatriarchal sein muss, sondern auch keine Klassengesellschaft sein kann.

Dieser Zusammenhang muss nicht einmal theoretisch hergeleitet werden, er ist allgegenwärtig, erlebbar und greifbar. Die Upperclass kann es sich aussuchen, ob sie regionales Biogemüse oder Billigtomaten aus Spanien aufs Kassenband legt. Für viele andere Teile der Gesellschaft gilt das nicht. Wer einmal ein gesundes und ökologisch nachhaltiges Leben führend dürfen wird, das entscheidet sich nicht selten schon bei der Geburt. Die Leute, die den meisten Smog einatmen, leben in den billigeren Wohnblocks entlang der Hauptstraße. Sie sind es, die die LKW vorbeibrettern hören. Und es sind die Leute in strukturschwachen Gebieten, denen Endlager für Atommüll vor die Nase gesetzt werden. In den Villenvierteln jedenfalls wird man von All dem nicht viel mitbekommen.

Dieses Verhältnis zeigt sich in globalem Maßstab noch krasser: Es ist vor Allem der globale Süden, der am wenigsten für die Klimakrise kann, aber am meisten unter den Folgen zu leiden hat. Es sind Arbeitssklaven in Kolumbien und Russland, die in Deutschland den Ausstieg aus der Steinkohleförderung möglich gemacht haben. Steinkohle wird zwar nach wie vor in deutschen Kraftwerken verbrannt, aber nicht mehr in der Bundesrepublik gefördert, weil die Arbeiter hier zu viel kosten. Dass in in Kolumbien tausende Menschen im Auftrag der Kohleindustrie von rechten Paramilitärs ermordet wurden und werden, weil sie sich nicht vertreiben lassen wollen, die schlimmen Arbeitsbedingungen im Tagebau oder die Zerstörung ihrer ökologischen Lebensgrundlagen nicht mehr hinnehmen wollten, scheint hierzulande nur wenige Menschen zu interessieren.

Die Klimabewegung muss noch intersektionaler werden

Die Klimagerechtigkeitsbewegung greift bei der Verbindung von sozialen und ökologischen Kämpfen eine Tradition auf, die in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der USA in den 80ern begann. Schwarze Menschen waren und sind in den USA, zum einen wegen strukturellem Rassismus, zum anderem wegen der sich auch daraus ergebenden ökonomischen Benachteiligung viel öfter von ökologischer Zerstörung betroffen als weiße Menschen. In den 80er Jahren kam in der antirassistischen Bewegung der Begriff der „Environmental Justice“ auf, der die Verquickung vom Kampf der schwarzen Bevölkerungsschichten und der Arbeiter*innenklasse um Emanzipation mit ökologischen Widerständen herstellte. Daran gilt es heute anzuknüpfen.

Ansatzpunkte dafür gibt es bereits. Die Antikapitalistische Plattform innerhalb der Fridays For Future Bewegung versucht seit einigen Monaten, klassenkämpferische Positionen in die Schulstreiks hineinzutragen. Und auch in der Anti-Kohle-Bewegung, wie bei Ende Gelände oder Gegenstrom Hamburg wird immer wieder herausgearbeitet, was Klimakrise und kapitalistische Ausbeutung miteinander zu tun haben. In Ansätzen werden dabei immer wieder auch Verbindungen zwischen Klimakrise und Migrationsbewegungen gezeichnet. Es sind Analysen und Positionen, die lauter werden, aber längst noch nicht genug Menschen erreichen. Warum? Weil wir sie nicht verständlich genug erklären, und nicht an der Lebensrealität großer Teile der Bevölkerung ansetzen.

Einerseits gilt es jetzt, die Klimabewegung inhaltlich breiter aufzustellen und sie mit anderen Bewegungen zu verbinden. Andererseits müssen wir darauf achten, dass wir nicht als eine elitäre Bewegung von Müsliesser*innen wahrgenommen werden und uns immer wieder neu überlegen, wie wir unsere Ideen und unseren Widerstand in der Gesellschaf erklären und verankern. Wenn wir vom Klima- zum Generalstreik kommen wollen, dann brauchen wir populäre Forderungen. Forderungen, die klar machen, dass eine solidarische und ökologische Gesellschaft nur von uns hier unten gegen die Vormacht der Konzerne und ihrer Regierungen aufgebaut werden kann.#Anselm Schindler

#Titelbild: Anselm Schindler, Demo „Ende Geländewagen“ am 31. Mai in Wien

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