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Der gegenwärtige Krisenschub scheint den Spätkapitalismus im Rekordtempo in eine längst überwunden geglaubte, barbarische Vergangenheit abstürzen zu lassen.

Wie lange lässt sich die Notwendigkeit der Überwindung der spätkapitalistischen Produktionsweise ignorieren, während diese offen in Krise und Barbarei versinkt? Weite Teile der sozialdemokratisch verhausschweinten Umverteilungslinken in der Bundesrepublik mögen noch immer die Augen ganz fest zudrücken angesichts des sich global entfaltenden Desasters, um die notwendigen, radikalen Schlussfolgerungen nicht ziehen zu müssen, die so abträglich für Koalitionskalkül und Karriereplanung sind. Den deutschen Funktionseliten aber dämmert es inzwischen durchaus, was da auf sie zukommt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dem informellen Verlautbarungsorgan der deutschen Bourgeoisie, spricht man inzwischen von einem „Pearl-Harbor-Moment“. Der wirtschaftliche Umbruch, den das Virus ausgelöst habe, werde über „Generationen dauern“, hieß es in einem Kommentar. Die „Dramatik dessen, was sich gegenwärtig vollzieht“ entziehe sich weitgehend gängiger Einordnung.

Der wirtschaftliche Einbruch kommt

Der IWF versuchte sich Mitte April an einer ersten substantiellen Einschätzung des kommenden Wirtschaftseinbruchs, der durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ausgelöst wurde. Schon jetzt stehe fest, dass die überschuldete Weltwirtschaft in die größte Krise seit der großen Depression der 30er abstürzen werde. Selbst die Finanzkrise von 2008/09 würde dahinter verblassen, so die Zusammenfassung der IWF-Prognose seitens der FAZ. Die Weltwirtschaft werde demnach in diesem Jahr um rund drei Prozentpunkte schrumpfen, wobei rund 170 Länder mit einem Rückgang der Wirtschaftsleitung rechnen müssten.

Der Währungsfonds geht von einem diesjährigen Einbruch von rund sieben Prozent in der Bundesrepublik aus, in der gesamten Eurozone soll die Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent schrumpfen. Besonders hart soll es Italien treffen, wo ein tiefer konjunktureller Fall von 9,1 Prozent prognostiziert wird. Auf die USA kommt ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von mindestens 5,9 Prozentpunkten zu. Etliche Länder des globalen Südens, in der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems, könnten hingegen auch in diesem Jahr ein knappes nominelles Wirtschaftswachstum verzeichnen. Für die übergroße pauperisierte Bevölkerungsmehrheit in diesen ökonomisch abgehängten Weltregionen bedeute dies nichtsdestotrotz eine Verschärfung des täglichen Überlebenskampfes, weil die „Wachstumsgewinne“ sehr ungleich verteilt seien, wie es die FAZ formulierte. Im Klartext: nur bei kräftigem Wachstum können in der „Dritten Welt“ Pauperisierungstendenzen eingedämmt werden, schwaches Wachstum führt zu fortgesetzter Verelendung.

Für nahezu alle Länder und Regionen prognostiziert der IWF im kommenden Jahr einen Aufschwung, der aber in kaum einem Fall die massiven Verluste dieses Jahres kompensieren können werde. Nennenswerte Ausnahmen bilden hier nur China und Indien. In diesem Jahr sollen beide „Schwellenländer“ um ein bis zwei Prozentpunkte wachsen, während 2021 ein kräftiger Aufschwung von 7,4 Prozent (Indien) bis 9,2 Prozent (China) vorhergesagt wird. Diese Zahlen des IWF beruhen allerdings auf einem optimistischen Szenario, das davon ausgeht, dass die Folgen der Pandemie in der zweiten Jahreshälfte 2020 erfolgreich eingedämmt werden. Sollten die schon jetzt anlaufenden Maßnahmen zur Lockerung des „Lockdowns“ nicht erfolgreich sein und die globale Mehrwertmaschine auch in der zweiten Jahreshälfte stillstehen, dann droht ein historisch beispielloser Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Den kapitalistischen Funktionseliten aus Politik und Wirtschaft bleibt nichts Anderes übrig als, allen Warnungen von Virologen zum trotz, die Wirtschaft wieder schnellstmöglich „hochzufahren“.

Es brennt an allen Ecken und Enden. Inzwischen haben mehr als 90 Länder beim IWF Notfallfinanzierungen beantragt, um Schuldenkrisen oder Staatspleiten abzuwenden, wobei die für ihre berüchtigten Sparprogramme berüchtigte Institution diesmal die neoliberalen Zügel lockerer anlegen will. Rund 25 der ärmsten „Entwicklungsländer“ hat der Währungsfonds sogar Erleichterungen beim Schuldendienst zugesagt. Die Krise der „Schwellenländer“ (Semiperipherie) und der Peripherie wird durch eine historisch beispiellose Kapitalflucht in die Zentren des Weltsystems, sowie dem Absturz der Preise für Energieträger angefacht. Die Preise für Rohöl rutschten bei der US-Sorte WTI absurderweise sogar ins Negative, was auf die Auslastung aller Lagerkapazitäten bei weiterhin laufender Förderung und eine kollabierende Nachfrage zurückzuführen ist.

Die Lohnabhängigen trifft es am härtesten

Gigantisch sind insbesondere die – mitunter existenzgefährdenden – Verluste, die die Lohnabhängigen im Verlauf dieses Krisenschubes hinzunehmenhaben. Die International Labour Organization (ILO) der Vereinten Nationen spricht von „niederschmetternden Verlusten“ an Arbeitsstunden und Beschäftigung, die einen „katastrophalen Effekt“ auf die globale Arbeiterschaft hätten. Der Wirtschaftseinbruch werde durch pandemiebedingte Produktionsstillegungen mindestens 6,7 Prozent der weltweit geleisteten Arbeitsstunden ausfallen lassen, was knapp 200 Millionen Vollarbeitsplätzen entspräche. Insgesamt 1,9 Milliarden Arbeiterinnen und Arbeiter sind in Sektoren beschäftigt, die von „drastischen und verheerenden“ Arbeitszeitkürzungen, Lohnkahlschlag und Entlassungen bedroht seien. In Indien sind – trotz leichtem Wachstums – beispielsweise 400 Millionen arbeitende Arme im informellen Sektor vom Abrutschen in eine existenzgefährdende Armut bedroht, was auf die rasche Ausbreitung von Hunger und Mangelernährung hinausläuft. In Europa sollen allein im zweiten Quartal dieses Jahres 7,8 Prozent aller Arbeitsstunden ausgefallen sein, was in etwa 12 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen entspricht. Zum Vergleich: Während der Eurokrise, als Spanien und Griechenland eine Arbeitslosenquote jenseits der 20 Prozent verzeichneten, sind in der Eurozone 3,8 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.

Innenalb der Zentren des kapitalistischen Weltsystems sind die Vereinigten Staaten bislang am stärksten von dem Krisenschub getroffen worden – sowohl in Bezug auf die Anzahl der Todesfälle, als auch der ökonomischen Verheerungen im Gefolge der Pandemie. Die Arbeitslosenquote ist dort, nach dem Scheitern der halbherzigen Bemühungen sie durch Übergangsregelungen abzufangen, regelrecht explodiert. Innerhalb eines Monats mussten sich bis Mitte April 22 Millionen US-Bürger arbeitslos melden, was einen einsamen historischen Rekord darstellt und der globalen Prognose der ILO nahekommt. Somit haben rund 13,5 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung der USA ihre zumeist ohnehin prekären und mies bezahlten Jobs binnen kürzester Zeit verloren. Die offizielle Arbeitslosenrate der USA, die ohnehin stark geschönt ist, soll Prognosen zufolge von 4,4 Prozent im März auf rund 15 Prozent im April hochschnellen. Da breite Bevölkerungsschichten der Vereinigten Staaten bereits seit der Immobilienkrise 2008 einen sozialen Abstieg erfahren haben, der die Mittelklasse massiv abschmelzen ließ, sind auch kaum finanzielle Reserven gegeben, um den Absturz abzufangen.

Die Folge ist eine rasche Zunahme extremer Armut. Viele US-Bürger sind nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren: In Szenen die an die große Depression der 30er Jahre erinnern, werden die Lebensmittelbanken in den Vereinigten Staaten von rasch anschwellenden Massen verzweifelter Menschen überrannt, die mitunter stundenlang in ihren Fahrzeugen warten müssen, um etwas Nahrung für sich oder die Familie ergattern zu können. Zugleich werden von Agrar- und Lebensmittelkonzernen massiv Lebensmittel vernichtet, um die Marktpreise zu stabilisieren. Hilfsorganisationen berichten zudem über eine Zunehme sexueller Belästigung durch Vermieter gegenüber Frauen, die mit ihrer Miete in Verzug geraten seinen. Die verhassten „Landlords“ forderten bei diesen Erpressungsversuchen Sex gegen Mietnachlässe.

Sündenbock China

Die Trump-Administration setzt derweil auf die faschistische Karte, um den Wahlkampf gegen den dementen demokratischen Establishment-Kandidaten Joe Biden für sich zu entscheiden. Kurz nach der Kapitulation des linken Sozialisten Sanders mobilisierte Trump seine rechte Anhängerschaft zu Massenprotesten gegen den Lockdown, während zugleich die US-Administration und rechte Massenmedien wie Fox News zu wütenden Angriffen gegen China übergingen, das für die Pandemie verantwortlich gemacht wird. Die rechte Strategie im Wahlkampf 2020 zeichnet sich klar ab: Sofortiges Hochfahren der Wirtschaft und Aufbau von China als auswärtigem Sündenbock für das Desaster in den USA.

Dabei ist Peking ein bestenfalls relativer Gewinner der Pandemie. Auch die staatskapitalistische „Werkstatt der Welt“ musste einen der schwersten Wirtschaftseinbrüche ihrer Geschichte verzeichnen. Um 6,8 Prozent ist die Wirtschaftsleistung in der „Volksrepublik“ im ersten Quartal 2020 geschrumpft, das ist der stärkste Einbruch seit der Kulturrevolution. Inzwischen mehren sich die Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft, doch dürfte China mittelfristig kaum noch als eine globale Konjunkturmaschine fungieren können. Zum einen, weil die globale Nachfrage für die chinesische Exportindustrie eingebrochen ist, zum anderen, weil das Land selber schon unter hohen Schuldenbergen leidet, die gigantische Konjunkturprogramme wie 2008/09 verhindern dürften.

EU in der Existenzkrise

Die USA und China fallen somit bis auf Weiteres als Absatzmärkte aus. Für das Krisenkalkül der Bundesrepublik – die auf eine rasche Erholung ihres exportgetriebenen Wirtschaftsmodells hofft – dürfte das verheerend sein. Es waren ja insbesondere die gigantischen Handelsdefizite der USA, die in den vergangenen Dekaden stabilisierend auf die Weltwirtschaft wirkten. Die EU befindet sich ohnehin in einer Existenzkrise, da die Streitfrage gemeinsamer europäischer Anleihen die – ohnehin gegebenen – zentrifugalen Tendenzen in Europa befeuert. Die Saaten und Machtblöcke der „Europäischen Union“ bemühen sich wie 2008/09 die Folgen der Krise auf die europäische Konkurrenz abzuwälzen um selber im innereuropäischen Machtkampf gestärkt aus dem Krisenschub hervorzugehen.

Bislang ist es der Bundesrepublik gelungen, Forderungen der südlichen Peripherie nach gemeinsamen Anleihen und umfassenden Konjunkturmaßnehmen abzuwehren. Der Preis dafür besteht in einer zunehmenden Erosion der Eurozone. Ob es Berlin abermals möglich sein wird, die Krisenkosten auf die südliche Peripherie abzuwälzen darf diesmal aber bezweifelt werden – der konjunkturelle Einbruch ist zu heftig, als dass der dominante deutsche Wirtschaftsnationalismus nicht entsprechende politische Reaktionen, etwa in Italien, auslöste. Das Gespenst des europäischen Nationalismus, so irreal und funktionslos es angesichts der Dichte globale Verflechtung ist, könnte bei der Implosion der Eurozone ein letztes kurzes Revival in Form einer unbeständigen Krisenideologie erfahren.

Dies erodierende Europa dürfte sich in den folgenden Jahren mit den Folgen eines abermaligen Entstaatlichungsschubes in der Peripherie konfrontiert sehen. Die Folgen der Pandemie im subsaharischen Afrika, wo sich das Virus mit zweimonatiger Verspätung ausbreitet, drohten „Chaos, Unruhen und Bürgerkriege“ zu intensivieren, warnte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Viele Saaten in der Peripherie, die unter einer historisch einmaligen Kapitalflucht in die Zentren leiden, hätten keine Möglichkeiten, sich auf die Krise adäquat vorzubereiten. Pandemievorsorge ist in den gigantischen Slums kaum möglich. Selbst Länder wie der Libanon, die rund 1,5 Millionen syrischer Flüchtlinge aufgenommen haben, stehen nun vor der Staatspleite. Islamistische Terrorgruppen dürften in vielen Zusammenbruchregionen die Krise für sich nutzen und ihre Kampagnen intensivieren und die staatlichen Erosionsprozesse beschleunigen.

Drohende Stagflation

Von den USA, über viele Peripherie- und Schwellenländer bis zu Europa – das System befindet sich am Abgrund. Dies wird vor allem anhand der Verwerfungen im Finanzsektor deutlich, wo nur noch extreme Maßnahmen den Zusammenbruch verhindern konnten. Die Notenbanken haben massenhaft Wertpapiere wie Staatsanleihen oder Bonds der Privatwirtschaft aufgekauft, um die panischen Finanzmärkte mit Liquidität zu überfluten. Diese Gelddruckerei lässt die Bilanzen der Zentralbanken im Rekordtempo anschwellen. Laut der Financial Times dürfte die Fed im aktuellen Krisenverlauf ihre Bilanz auf bis zu neun Billionen US-Dollar aufblähen – von rund vier Billionen bei Krisenausbruch. Zum Vergleich: Vor dem Ausbruch der Immobilienkrise 2008 lag die Bilanzsumme der Fed bei einer knappen Billion Dollar. Schrottpapiere werden also aufgekauft, um die Finanzsphäre liquide zu halten und eine „Kreditklemme“ zu verhindern. Kurzfristig ist dieses Vorgehen bürgerlicher Krisenpolitik alternativlos. Ähnlich agieren die Bank of Japan, aber auch die EZB, die ein Gegengewicht zur deutschen Blockadehaltung bei der Frage europäischer Anleihen bildet, indem sie Staatspapiere der südlichen Peripherie aufkauft.

Mit dieser Liquiditätswelle steigt aber auch das Risiko einer Inflation, vor allem wenn die Finanzmärkte wieder einbrechen sollten und diese frisch generierte Liquidität Zuflucht in realen Werten suchen müsste. Mittelfristig droht somit ein altes Gespenst wiederzukehren, das gewissermaßen als Geburtshelfer des neoliberalen Zeitalters fungierte: Die Stagflation, also eine Krisenphase einer stagnierenden oder schrumpfende Konjunktur, die von einer starken Inflation begleitet wird. Die Stagflationsperiode der 70er Jahre markierte in vielen Industrieländern das Ende des langen, fordistischen Nachkriegsbooms, da sich dieses Akkumulationsregime aufgrund zunehmender Automatisierungstendenzen in der Warenproduktion erschöpfte. Und es war gerade diese lang anhaltende Krisenperiode der Stagflation, an deren Überwindung der damals herrschende Keynesianismus scheiterte – und die dem Neoliberalismus ab den 80er Jahren in den USA und Großbritannien zum Durchbruch verhalf.

Der Neoliberalismus hat die Krise nur herausgezögert

Die strukturelle Krise kapitalistischer Warenproduktion, die durch das Auslaufen des fordistischen Akkumulationsregimes initiiert wurde, löste der Neoliberalismus durch eine blinde Flucht nach vorn ins kapitalistische Extrem, die einer Flucht in die brutale kapitalistische Vergangenheit gleicht: Die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft wurde verschärft, sodass in den USA das reale Lohnniveau seit den späten 70ern stagnierte. Das Arbeitslebenben wurde prekarisiert, um bei zunehmender Krisenanfälligkeit schnell heuern und feuern zu können. Diese Maßnahmen wurden begleitet von umfassenden Privatisierungen der gesellschaftlichen Infrastruktur, die dem unter einer strukturellen Überproduktionskrise leidenden Kapital neue Verwertungsfelder eröffneten. Als Resultat ist diese so marode und heruntergewirtschaftet, dass die effiziente Bewältigung von Naturkatastrophen oder Pandemien kaum noch möglich ist.

Es war aber vor allem die Expansion des Finanzsektors, die dieses neoliberale Zeitalter erst ermöglichte, indem hier die kreditgetriebene Nachfrage in Gestalt beständig global wachsender Schuldenberge und der korrespondierenden Spekulationsblasen generiert wurde, die eine hyperproduktive Industrie vor dem Kollaps bewahrte. Die neoliberale Globalisierung war somit vor allem einer Globalisierung dieser Schuldenberge, indem Länder mit Exportüberschüssen (Deutschland China) sich Defizitländern wie den USA gegenübersahen.

Historisch betrachtet brachte der Neoliberalismus einen Aufschub der kapitalistischen Systemkrise um rund drei Dekaden mit sich. Jetzt zeichnet sich nun eine ähnliche Krisenkonstellation ab, wie am Vorabend des neoliberalen Zeitalters in der zweiten Hälfe der 70er: Stagnation samt drohender inflationärer Welle. Dennoch ist dies nicht einfach nur die Wiederkehr eines alten Krisengespenstes – Geschichte wiederholt sich nicht einfach, und beim Kapitalismus handelt es sich eben um keinen ewigen Naturzustand, sondern eine konkrete, historische und durch innere Widersprüche in blinde Expansion getriebene Gesellschaftsformation. Der neoliberale Krisenaufschub hatte einen furchtbaren Preis. Dies nicht nur im Hinblick auf die eskalierende Klimakrise, oder auf den Abbau demokratischer Rechte und die aus dem Zerfallsprodukten neoliberaler Ideologe sich formierende Neue Rechte. Das Krisenniveau – verstanden als Intensität der inneren Widerspruchsentfaltung des Kapitals – ist 2020 weitaus höher als in den 80er Jahren des 20. Jahrhundert, sodass die Krise nun mit dieser historisch beispiellosen Wucht einschlägt. Die Schuldenberge sind in Relation zur Weltwirtschaftsleistung viel höher, die Produktivität der globalen Verwertungsmaschine ist in astronomische Dimensionen vorgerückt, die Verrohung und Faschisierung der Metropolengesellschaften ist evident. Deswegen dürfte auch der nach der Deflation drohende Inflationsschub weitaus heftiger ausfallen als in den späten 70ern, als in den USA zweistellige Inflationsraten verzeichnet wurden.

Das ist die Krisenrealität, die sich nun gnadenlos entfalten wird. Alle Insassen der kapitalistischen Tretmühle werden gezwungen sein Stellung zu beziehen, wie inzwischen auch die Funktionseliten des Kapitals zu ahnen scheinen. Ob mensch es nun wahrhaben will, oder nicht, die Frage stellt sich mit aller Macht der an Dynamik gewinnenden Systemtransformation: Which side are you on?

#Titelbild: Gespenst eines Ermordeten von Katsushika Hokusai (1760–1849), gemeinfrei

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Ein Versuch, die „multipolare“ imperialistische Dynamik rund um den Konflikt in Syrien zu beleuchten und theoretisch zu erfassen.

Tomasz Konicz

Das, was sich im Februar 2020 in Syrien zwischen der Türkei und Russland vollzieht, ist selbst für kapitalistische Verhältnisse außergewöhnlich. Während türkische und russische Truppen an der Grenze zwischen der Türkei und der nordsyrischen Autonomieregion Rojava gemeinsame, von wütenden Kurden immer wieder mit Steinen angegriffene Patrouillen durchführen, bombardieren russische Kampfflugzeuge wenige Kilometer weiter südlich in der westsyrischen Provinz Idlib von der Türkei unterstützte Dschihadisten und türkische Truppen, die bereits erhebliche Verluste hinnehmen mussten.

Die spätkapitalistischen Staatssubjekte sind keine Menschen, keine bürgerlichen Marktsubjekte, die in ihrem Konkurrenzgebaren zumeist sehr eindimensional sind. Die imperialistischen Staatsmonster können miteinander kooperieren, Bündnisse oder Allianzen bilden und zugleich in anderen Politikbereichen oder Einflusssphären heftige Konflikte austragen. Pack schlägt sich, Pack verträgt – dies ist die jahrhundertealte blutige Normalität imperialistischer Auseinandersetzungen, bei denen Millionen von Menschen verheizt wurden und werden.

Die vertrackte Lage in Syrien, wo Kooperation und Konfrontation zweier imperialistischer Mächte bei ihrem mörderischen „Great Game“ eng beieinander liegen, ist Ausdruck der auf die Spitze getriebenen Widersprüche im russisch-türkischen Verhältnis. Während Moskau und Ankara sich einerseits bekriegen, wollen sie andererseits Kooperieren und ziehen enorme Vorteile aus dieser Kooperation. So konnten in den vergangenen Monaten und Jahren einige wichtige wirtschaftspolitische Projekte initiiert oder realisiert werden, die für beide Seiten von Vorteil sind.

Einseitige Abhängigkeit –Russisch-türkische Kooperation

Die Anfang 2020 in Dienst gestellte Turkstream-Pipeline, die russisches Erdgas über das Schwarze Meer bis in die Türkei befördert, bring sowohl für den Kreml wie für Ankara enorme strategische Vorteile, da sie – gemeinsam mit der Ostseepipeline – Russland dabei hilft, die Transitwege russischen Erdgases nach Westeuropa zu diversifizieren, sowie Ankara der ersehnten Rolle einer energiepolitischen Drehscheibe an der südöstlichen Flanke der EU näherbringt. Zudem haben beide Seiten den Bau eines russischen Atomkraftwerks in der Türkei vereinbart, der Russlands Atomindustrie einen Auslandsauftrag einbringt und Ankara dabei hilft, seine Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren und die Option einer türkischen Atombombe eröffnet.

Diese handelspolitischen Bezeigungen sind aber von einer einseitigen Abhängigkeit geprägt, da die Türkei in sehr viel größeren Ausmaß von Russland abhängig ist als umgekehrt – dies vor allem bei dem Import fossiler Energieträger. Hier verfügt der Kreml, der beim Export zur Not Turkstream schließen und auf andere Pipelines ausweichen kann, eindeutig über den längeren Machthebel.

Weitere Interessenüberschneidungen zwischen Ankara und Moskau existierten bei der Geopolitik, wie es der strategische Kauf des russischen Luftabwehrsystems S-400 durch die Türkei zeigte, der in Washington für Empörung sorgte und der das türkisch-amerikanische Verhältnis stark belastet. Ankara und Moskau haben – gemeinsam mit dem Iran – ein Interesse daran, den Einfluss des Westens – hier vor allem der USA – in der Region zurückzudrängen. Zusätzlich motiviert wurde diese kurzfristige Allianz zwischen Ankara, Teheran und Moskau durch das gemeinsame Interesse an der Zerschlagung des basisdemokratischen Experiments in Rojava, das alle autoritären, islamistischen Regimes und Rackets in der Region als eine existenzielle Bedrohung ansahen, wobei die klerikalfaschistische Türkei und das theokratische Regime im Iran aufgrund ihrer substanziellen kurdischen Minderheiten hier besonders schnell zur einer punktuellen Kooperation bereit waren.

Über die Leiche Rojavas – der Verrat der USA

Gerade die zeitweilige Zusammenarbeit der USA mit den kurdischen SDF zwecks Bekämpfung des Islamischen Staates hat maßgeblich zum Zerwürfnis zwischen Ankara und Washington beigetragen, das Moskau durch Zugeständnisse gegenüber Erdogan, die in der Invasion Afrins gipfelten, möglichst weit forcieren wollte. Es ließe sich gar argumentieren, dass die Annäherung zwischen Moskau, Teheran und Ankara gerade über die Leiche des selbstverwalteten nordsyrischen Kantons Afrin erfolgte, das sich in Russlands Einflusssphäre befand – und das Putin der türkischen Soldateska zum Fraß vorwarf, um die Türkei zusätzlich aus der westlichen Einflusssphäre zu lösen.

Mit dem Verrat der USA an den Kurden Nordsyriens im vergangenen Oktober wurde dieser reaktionären, gegen die USA wie auch den emanzipatorischen Aufbruch in Nordsyrien gerichteten unheiligen Allianz der wichtigste gemeinsame Nenner entzogen. So wie Putin sich bemühte, durch die Opferung Afrins an den türkischen Kelrikalfaschismus die Türkei aus dem Westen zu lösen, so hat Trump durch den Verrat an den östlichen Kantonen Rojavas die Türken dazu motivieren wollen, die Annäherung an Moskau zu revidieren. Die USA benutzten somit die Kurden im Kampf gegen den Islamischen Staat, um sie hiernach der islamistischen Regionalmacht auszuliefern, die zu den wichtigsten Unterstützern des Islamischen Staates gehörte, da die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien den wichtigsten Streitpunkt bei der Entfremdung zwischen Ankara und Trump bildete.

Tatsächlich könnte dieses brutale imperialistische Kalkül Washingtons, wo man trotz des Verlusts der Hegemonie noch maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung der Region nehmen will, aufzugehen. Die USA haben Rojava verraten und sich weitgehend zurückgezogen aus Syrien, sie okkupieren nur noch die – regional unbedeutenden – Ölquellen in Ostsyrien. Dies tun sie nicht etwa, um dieses Öl in Eigenregie zu verkaufen, wie wohl nur Trump glaubt, sondern um die Kosten der Intervention Russlands und der eventuellen Wiederaufbaubemühungen in Syrien in die Höhe zu treiben, sowie einen Keil in die Achse Damaskus–Teheran zu treiben.

Doch, und dies ist entscheidend, überwiegen seit dem partiellen Rückzug Washingtons die Differenzen der Regionalmächte das vormalige Interesse an der Verdrängung der USA. Nun steht Russland unter Druck in Syrien, es muss sich mit Ankara auseinandersetzen und das komplexe Interessengewirr in der Region managen. Washington spekuliert schlicht darauf, dass Moskau damit überfordert sein wird.

Die Hegemonialmacht tritt ab

Was sich nun in der Region entfaltet, ist somit schlicht jene Realität einer „multipolaren Weltordnung“, die von allen Herausforderern der US-Hegemonie in den vergangenen Dekaden gefordert wurde. Die USA, seit Langem im hegemonialen Abstieg begriffen, haben ihre seit dem Zerfall des Ostblocks etablierte Rolle als globale militärische „Ordnungsmacht“ – die Interventionen, Strafexpeditionen und Invasionen in der Peripherie des Weltsystems über gut drei Dekaden weitgehend monopolisieren konnte – zumindest im Nahen und Mittleren Osten – endgültig verloren. In dieses Vakuum drängen nun viele kleine Nachwuchs-USA, die dem großen, abgetakelten Vorbild jenseits des Atlantiks nacheifern und ihr eigenen geopolitisches und imperialistisches Kalkül verfolgen.

Die Hegemonialmacht tritt ab – doch der Imperialismus bleibt bestehen, da dessen ökonomisches Fundament, die krisengebeutelte und widerspruchszerfressene kapitalistische Produktionsweise, weiterhin bestehen bleibt. Mehr noch: Der Abstieg der ökonomisch durch die Krise verwüsteten und weitgehend deindustrialisierten Vereinigten Staaten wird nicht mehr durch den Aufstieg eines neuen globalen Hegemons begleitet, der es wiederum schaffen würde, die Anwendung militärischer Gewalt weitgehend zu monopolisieren. Keine Großmacht – auch nicht China – ist dazu in der Lage; aufgrund zunehmender Krisentendenzen, wie einer ausartenden Verschuldung. Die Folge: Der partielle Rückzug der USA geht nicht mit einem Ende der Spannungen einher, sondern mit deren „multipolarer“ Vervielfältigung.

In der Region entfalten folglich der schiitische Iran und das sunnitische Saudi-Arabien bei ihrem jeweiligen Hegemonialstreben eine zunehmende geopolitische Konkurrenzdynamik, in deren Folge etwa der Jemen von einem blutigen Stellvertreterkrieg erfasst wurde, bei dem die USA nur noch eine Nebenrolle spielen. Diese Inflationierung des Konfliktpotenzials in einem in Auflösung übergehenden spätkapitalistischen Weltsystem kann somit gerade an den konkreten Konfliktlinien in der Region nachvollzogen werden – dies vor allem hinsichtlich der klerikalfaschistischen, von neo-osmanischen Wahn beseelten Türkei. Erdogan muss Expandieren, da ihm die schwere ökonomische Krise in der Türkei dazu nötigt, mittels äußerer Expansion die zunehmenden sozioökonomischen Verwerfungen im Land zu überbrücken. Es geht hierbei nicht nur um das klassische Schüren chauvinistischer Stimmungen, um so vom permanenten Grütel-enger-schnallen breiter Bevölkerungsschichten in der Türkei abzulenken, sondern um ganz konkrete Strategien oder Kontrolle der Beseitigung der Massen ökonomisch „überflüssiger“ Menschen, die die Systemkrise in der Region produzierte.

Idlib – geopolitische Sackgasse

Idlib soll als informelles türkisches Protektorat vor allem dazu dienen, die Flüchtlingsmassen, die der syrische Bürgerkrieg produzierte, dort zu konzentrieren, da sie aufgrund der Krise in der Türkei nicht mehr als Billiglohnsklaven verwertet werden können. Ähnliche Planungen zur Errichtung einer Art gigantischen Flüchtlingsghettos gibt es in den von der Türkei okkupierten Region Rojavas, wo die ethnische „Säuberung“ der kurdischen Bevölkerung durch die türkische Soldateska mit der Ansiedlung von Islamisten und der Deportation von Flüchtlingen abgeschlossen werden soll. Dieses Vorgehen Erdogans, der Flüchtlinge längst als politische Waffe gegenüber der EU einsetzt, brachte ihm die taktische und finanzkräftige Unterstützung Berlins ein, wo man aufgrund des Aufstiegs der Neuen Rechten panische Angst vor weiteren „Flüchtlingswellen“ hat. Merkel hat sich bei ihrer letzten Türkeivisite dazu entschlossen, im Endeffekt ethnische Säuberungen in Rojava zu finanzieren. Flüchtlinge und Abschottungstendenzen bilden somit – neben dem Kampf um Ressourcen und Energieträger – inzwischen einen neuartigen, zentralen Faktor beim „multipolaren“ neoimperialistischen Hauen und Stechen in der Region, das Phasenweise an die Hochzeit des Imperialismus in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhundert erinnert. Es ist gewissermaßen eine alte, neue Weltunordnung, die sich nun etabliert.

Die Dramatik und Gefährlichkeit der Lage in Idlib, die jederzeit eskalieren kann, resultiert andrerseits aus dem simplen Umstand, dass beide Seiten – sowohl die Türkei wie auch Russland – aller geschilderten Kooperation zum Trotz ihre zunehmenden geopolitischen Interessenskonflikte nicht mehr weiter verdecken oder überbrücken können. Erdogan kann sich einen Verlust von Idlib samt zu erwartender Massenflucht in der ökonomisch zerrütteten Türkei kaum politisch erlauben, da dies seine Herrschaft – und buchstäblich seine physische Existenz – bedroht. Der Kreml kann wiederum letzten Endes kaum dazu übergehen, Teile von Syrien langfristig an die Türkei in geopolitischen Deals zu verscherbeln, will Putin tatsächlich Russland als einen verlässlichen regionalen Machtfaktor im Nahen- und Mittleren Osten etablieren. Beide Seiten befinden in einer geopolitischen Sackgasse, aus der der Verlierer nur unter einem massiven Verlust an Prestige oder Einfluss ausbrechen kann.

Die Grenzen des türkischen Dominazstrebens

Zudem ist das geopolitische Vabanque Spiel Erdogans, bei dem Ankara im Gefolge des regionalen Dominanzstrebens erfolgreich zwischen Ost und West pendelte, um immer neue Zugeständnisse von Moskau (Afrin), Washington (östliches Rojava) und Berlin (Geld und Investitionen) zu erpressen, an seine Grenzen gelangt. Auch diesmal ging die türkische Konfrontationshaltung gegenüber Russland mit einer raschen Annäherung an den Westen, vor allem an die USA, einher, doch konnte Erdogan keine handfeste militärische Unterstützung seitens der Trump-Administration erwirken. Die brandgefährlichen Forderungen Ankaras nach amerikanischen Luftabwehrsystemen oder einer Flugverbotszone über Idlib sind im Sande verlaufen, da das Pentagon nicht den 3. Weltkrieg riskieren will. Die USA sind zwar im Abstieg begriffen, aber sie bilden weiterhin einen wichtigen Machtfaktor in der Region – ähnlich dem Großbritannien der Nachkriegszeit, dass ja sogar in der Suez-Krise 1956 einen erfolgloses imperialistisches Comeback versuchte.

Washington ist derzeit schlicht bemüht, dafür sorge zu tragen, dass der vergangenen Oktober begangene Verrat an der Kurden sich nun geopolitisch rentiert. Der Imageverlust vom Herbst 2019 – der den USA die Bündnisbildung in der Region ungemein erschweren wird – soll im Frühjahr geopolitische Rendite einbringen, indem der Konflikt zwischen Ankara und Moskau möglichst weit angeheizt wird, um so die Türkei zurück in die westliche Einflusssphäre zu bugsieren. Auch dies ist ein Balanceakt, den Washington vollführen muss: Es gilt, die Konfrontation durch rhetorische und öffentliche Solidaritätsbekundungen an das Erdogan-Regime anzuheizen, ohne je konkret zu werden. Die Trump-Administration muss im Wahljahr 2020 eine militärische Eskalation in Syrien um nahezu jeden Preis vermeiden – vor allem bei einem eventuellen Duell zwischen Trump und dem Antikriegskandidaten Sanders.

Dabei wählte Putin einen guten Moment, um die letztendlich unausweichliche Konfrontation mit Erdogan zu suchen, da dieser sich in seinem – durch innertürkische Widersprüche angetriebenen – Expansionsdrang regional weitgehend isoliert hat. Die arabischen Länder, wie etwa Jordanien und Ägypten, bilden aufgrund der neo-osmantische Ambitionen Erdogans eine nahezu geschlossene antitürkische Front, währnend weite Teile der EU, angeführt von Frankreich, sich wegen der Auseinandersetzungen um die Energieträger vor der Küste Zyperns im Streit mit der Türkei befinden. Koordiniert von Paris, bemühen sich Teile der EU somit, den türkischen Hegemonialstreben eindeutige Grenzen zu setzen. Die USA wiederum werden Erdogan nur verbal zur Auseinandersetzung mit Putin ermuntern, da man Ihm in Washington den Kauf der russischen S-400 so schnell, und vor allem so billig, nicht verziehen wird. Mal ganz abgesehen davon, dass man es sich in Ankara ganz genau überlegen wird, ob man sich wieder einer Großmacht in die Arme wirft, die laut türkischer Überzeugung den gescheiterten Putsch gegen Erdogan unterstützt haben soll.

Die evidente, nahezu vollständige Erosion der US-Hegemonie führte somit dazu, dass etliche kapitalistische Staaten in der Region (Türkei, Russland, Teile der EU, Saudi-Arabien, Iran) ihre Interessen stärker geopolitisch zur Geltung bringen können; es entsteht eine multipolare Dynamik vielfältiger regionaler imperialistischer Interessen, die sehr viel stärker und deutlicher in Erscheinung treten können, nachdem der hegemoniale Druck der US-Militärmaschine schwindet. Diese prekäre Rückkehr zu einem instabilen Imperialismus ohne Hegemon sorgt bei vielen Beobachtern, die es gewohnt sich, in den Frontstellungen des Zeitalters der US-Hegemonie zu denken, für Verwirrung und Desorientierung. Die USA, oftmals in verkürzter Kapitalismuskritik als Urquell allen Übels wahrgenommen, steigen ab, aber die mörderischen imperialistischen Kriege, letztendlich angefacht durch den widersprüchlichen Verwertungszwang des Kapitals, blieben bestehen. Die drohende Eskalation in Idlib stellt letztendlich auch eine Blamage des dummdeutschen Antiamerikanismus dar, der sich schon immer nicht primär aus einer fehlgeleiteten antiimperialistischen Motivation, sondern aus blankem imperialistischen Neid speiste.

#Titelbild: türkische und US-Soldaten in Syrien, wikipedia

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In der Nacht zum 3. Januar töteten die Streitkräfte der USA den hochrangigen iranischen Militär Qassem Suleimani mit einem gezielten Drohnenschlag in der Nähe des Flughafens von Bagdad. Mit ihm starben mindestens sechs weitere Menschen, darunter der Kommandant der irakischen Volksmobilmachungseinheiten (PMU), Abu Mahdi Al-Muhandis.

Die Ermordung der beiden dem Regime in Teheran nahestehenden Befehlshaber stößt bei der rechten transatlantischen Presse auf Zustimmung. Trump habe „uns von einem Monster befreit“, titelt etwa die Bild. Was aber bedeutet der Anschlag für den Mittleren Osten?

Sie bedeutet noch mehr Blutvergießen, Eskalation und imperialistische Kriege. Das ist nichts Neues. Seit Jahrzehnten besteht der Alltag der Menschen von Afghanistan bis Palästina und von Kurdistan bis in den Jemen aus Krieg, Zerstörung und Vertreibung. Sind es gerade nicht die amerikanischen, russischen, türkischen oder israelischen Luftschläge, so sind es die Bomben von Al-Qaida oder die Kriegsverbrechen von Daesh und Hashd al-Shaabi. Die Region ist ein blutiges Schachfeld zwischen imperialistischen Großmächten und den expansionistischen Bestrebungen regionaler Mächte, ausgefochten auf dem Rücken der proletarischen Klassen und der unterdrückten Völker. Einer der Akteure in diesem Machtkampf ist eben auch die Islamische Republik Iran.

1979 ging die Islamische Republik als dominante Kraft aus der Revolution gegen die US-gestützte Schah-Diktatur hervor und festigte sich als Nachfolgersystem. Ein Kind der ersten Tage der Islamischen Republik, als das Militär und der Geheimdienst noch von Schah-treuen Elementen gesäubert wurden und somit nicht handlungsfähig waren, war die „Armee der Wächter der Islamischen Republik“ – auch bekannt als die „Revolutionsgarden“.

Die „Revolutionsgarde“ wurde als ideologisch treue Parallelarmee zur Verteidigung der Werte der Islamischen Revolution aufgestellt und spielte fortan eine zentrale Rolle in dem Prozess der Festigung der Islamischen Republik – der fast eine Dekade lang dauerte. Dieser Prozess der inneren Festigung war nicht nur begleitet von Krieg und Massakern in Torkamansahra und Kurdistan, sondern forderte auch das Leben Zehntausender Linker und Kommunisten, die auf offener Straße und in den Gefängnissen gefoltert und ermordet wurden.

Dabei beschränkte sich die „Revolutionsgarde“ nicht nur auf die innenpolitische Repression politischer Opposition, sondern richtete ihren Blick auch jenseits der iranischen Grenzen. Das von Khomeini theoretisierte Paradigma vom „Exportieren der Islamischen Revolution“ gilt dafür bis heute als Grundlage. Im Paragraph 154 der iranischen Verfassung verankert, galt sie als Grundlage um sich in der muslimischen Welt auszubreiten, insbesondere Schiiten nach Vorbild der Islamischen Republik zu organisieren und somit die eigenen nationalen Expanisonsbestrebungen zu ermöglichen.

Diese Politik spielte eine signifikante Rolle in der Provokation des Irak und dem anschliessenden Überfall Saddam Husseins 1981 auf den Iran, was in den ersten Golfkrieg mündete und das Leben Hunderttausender junger Menschen an den Fronten eines achtjährigen Krieges forderte. Die zuständige Abteilung bei den Revolutionsgarden für den „Export der Revolution“ trug zunächst den Namen „Einheiten für die Unterstützung der Befreiungsbewegungen“. Sie bestand aus Islamischen Revolutionären, die seit den 1970er-Jahren Kontakte nach Libyen und in den Libanon hatten und teilweise militärisch dort ausgebildet worden waren. Im Libanon beteiligten sie sich auch z.B an der Seite der Amal-Bewegung am Bürgerkrieg.

Im Verlauf der 1980er-Jahre bauten diese die Grundlagen einer strategischen Partnerschaft bis zum Mittelmeer aus. Vor allem sollte die arabische Linke, die revolutionäre Bewegung Paläsitinas und der irakische Baathismus geschwächt werden und der islamische und schiitische Widerstand als Alternative aufgebaut werden. Auch die strategische Allianz mit Hafez Assad, dem Vater des jetzigen syrischen Machthabers, geht auf diese Zeit zurück.

Im Zuge der Iran-Contra-Affäre und als Friedensgeste der Islamischen Republik an die USA wurden jedoch die „Einheiten für die Unterstützung der Befreiungsbewegungen“ aufgelöst und ihre Anführer als Konterrevolutionäre liquidiert. Als einige Jahre später die Islamische Republik ihre Expansionspolitik wieder aufnahm, nannte sich die Abteilung für die internationalen Operationen der Revolutionsgarden „Al-Quds-Brigaden“. Eben jenen stand der nun ermordete Sulaimani vor.

Die Erfahrungen die in den 1990er-Jahren an der Seite der Nordallianz in Afghanistan, in Bosnien und mit der Hizbollah im Libanon gesammelt wurden, flossen ab 2003 in die Organisierung der irakischen Schiiten ein. Qassem Suleimani der schon an dem Krieg in Rojhilat (iranisches Kurdistan) beteiligt war, übernahm seit 1997 die Führung der Al-Quds-Brigaden und spielte eine zentrale Rolle in der Festigung des politischen und militärischen Einflusses des Iran im Irak nach der Militäraggression der USA im Jahr 2003. Seit 2011 und später mit dem Aufkommen des IS in Syrien und im Irak übernahmen die Al-Quds-Brigaden defacto die Aufgabe paramilitärische und ideologisch treue Strukturen aufzubauen, um die Interessen der Islamischen Republik im Nahen Osten zu sichern. Der Kampf gegen den IS, aber auch die Stützung von Bashar al-Assad und von Marionettenregierungen im Irak um jeden Preis, sind zentraler Bestandteil ihrer Aufgaben.

Wie im Iran, wo die Revolutionsgarden fast alle wirtschaftlichen Stränge kontrollieren, heißt es hier auch neoliberale Umstrukturierung, Vetternwirtschaft, Korruption und die gewaltsame Unterdrückung der Bevölkerung, wenn sie für die eigene Souveränität, Unabhängigkeit und Würde auf die Strassen geht. Ob nun im Iran die proletarischen Klassen nach Brot und Freiheit rufen oder im Irak und Libanon die Menschen sich gegen Armut, Sektierertum und Diktaturen auflehnen – stets antworten die Revolutionsgarden, die Al-Quds-Brigade und die ihnen treuen Milizen mit roher Gewalt.

So viel zu Suleimani. Aber die Rechnung bliebe unvollständig ohne die Gräueltaten jener zu erwähnen, die ihn heute töteten. Der US-Imperialismus hat zur Durchsetzung seiner politischen und wirtschaftlichen Agenda in der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg Abermillionen Menschen ermordet. Im Mittleren Osten zieht sich seine Blutspur vom Irakkrieg mit über einer halben Million Toten bis in den Jemen, in dem derzeit Tag für Tag gemordet und ausgehungert wird. Die USA brachten dem Mittleren Osten nie Frieden, nie Prosperität, nie irgendetwas Gutes. Und auch die Hinrichtung von Suleimani wird nur noch mehr Verheerung bringen.

Die revolutionären Kräfte sollten Suleimani keine Träne nachtrauern, denn die proletarischen Klassen im Nahen Osten tun es bestimmt nicht. Und im gleichen Atemzug gilt die Verachtung dem amerikanischem Imperialismus, der seit Jahrzehnten eine mörderische Präsenz im Nahen Osten hat und nach Belieben Menschen aus der Luft ermorden lässt. Was im Irak dagegen notwendig wäre, ist der sofortige Abzug aller ausländischen Mächte und die Hoffnung und der Kampf für den Tag an dem Kriegsverbrecher – ob nun Trump oder Figuren wie Suleimani – zur Rechenschaft gezogen werden.

# Bildquelle: wikimedia.commons

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Der Krieg im Jemen hat immer brutalere Konsequenzen für die dortige Bevölkerung. Anders als gerne behauptet geht es weniger um religiöse und ethnische Auseinandersetzungen, sondern um knallharte kapitalistische Interessen, auch der deutschen Rüstungsindustrie, die von der BRD freie Hand bekommt. Christoph Morich mit einer Analyse.

Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!“ (Karl Kraus, 1909)

„Rheinmetall – So sehen Sieger aus!“ So titelte die Internetseite Finanztrends im letzten Monat anlässlich des steigenden Aktienkurses des Konzerns. Nicht nur ließen die nackten Zahlen das Herz der Aktienbesitzer*innen höherschlagen, auch die „Stimmungslage in den sozialen Netzwerken war in den vergangenen Tagen überwiegend positiv.“ Rheinmetall, ein deutscher Autozulieferer und Rüstungskonzern, konnte seinen Gewinn im ersten Halbjahr 2019 um 2,2% auf circa 2,8 Milliarden Euro steigern. Die Einbußen in der Automobilsparte wurden durch zusätzliche Einnahmen im globalen Waffengeschäft kompensiert. Ein wichtiger Abnehmer dieser Waffenlieferungen war die Allianz um Saudi-Arabien, die seit 2015 im Jemen einen blutigen Krieg führt, dem die Zivilbevölkerung zum Opfer fällt. Insgesamt wurden der deutschen Waffenindustrie in der ersten Jahreshälfte 2019 Exporte im Wert von 1,1 Milliarden Euro an diese Allianz genehmigt. Die Menschen im Jemen sind die Verlierer*innen dieses Geschäftes. Während die Rüstungsindustrie und ihre Aktionäre hierzulande jubeln, herrscht bei den Opfern der saudischen Luftangriffe das blanke Elend.

Der Krieg im Jemen begann mit der saudischen Intervention, nachdem weite Teile des Landes durch Huthi-Rebellen erobert worden waren. Er wird gemeinhin als ein Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten bezeichnet, was der Komplexität des Geschehens jedoch keineswegs gerecht wird. Tatsächlich überlagern sich im Jemen verschiedene politische, ökonomische und ideologische Konflikte, regionaler und globaler Ausprägung.

Im Januar 2011 begannen Proteste gegen den korrupten Präsidenten Salih, der wenig später auf Anweisung Saudi-Arabiens durch seinen Stellvertreter Hadi ersetzt wurde. Unter beiden dienten die staatlichen Strukturen in erster Linie der Bereicherung einzelner Cliquen (insbesondere durch den Export von Öl), während ein großer Teil der Bevölkerung in bitterer Armut lebte. Ein Schicksal, das der Jemen mit vielen ehemaligen Kolonien teilt, die mittlerweile allesamt zu günstigen Rohstofflieferanten für den Weltmarkt geworden sind, während sich an den Schaltstellen der Macht eine kleine Elite bereichert. Die an den Protesten maßgeblich beteiligte Bevölkerungsgruppe der Huthis wurde im Zuge des Regierungswechsels übergangen und erkannte den neuen Präsidenten nicht an. Es gelang ihnen daraufhin weite Teile des Jemens zu erobern, was die Allianz um Saudi-Arabien zu einer Intervention veranlasste. Erst daraufhin kam es nach Ansicht vieler Beobachter*innen zu einer zunehmenden Konfessionalisierung des Konfliktes.

Ursprünglich sind wirtschaftliche und machtpolitische Interessen von entscheidender Bedeutung in dem Konflikt. Dem Kapital geht es darum sich Zugang zu profitablen Anlagemöglichkeiten, insbesondere den Ölvorkommen, und Absatzmärkten, z.B. für Lebensmittel, zu sichern. Um davon zu profitieren, sind verschiedene Fraktionen der politischen Elite der Region bemüht, die Herrschaft über entsprechende Regionen und Schaltstellen im Staatsapparat für sich zu sichern. Die vernachlässigten Teile der Bevölkerung, die eine entscheidende Rolle bei den Protesten seit 2011 spielten, fordern einen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum ein. Deren Armut und erlebte Ungerechtigkeit nutzen diverse Gruppen, um Anhänger*innen für ihre mehr oder weniger ideologisch motivierten Kämpfe zu rekrutieren, hinter denen in der Regel ebenfalls materielle Interessen stehen. Auch die sezessionistischen Bestrebungen im Süden Jemens werden auf die gefühlte Benachteiligung der dortigen Bevölkerung gegenüber dem Rest des Landes zurückgeführt.

In diesen Kampf um Macht und Profit im Jemen sind zahlreiche Länder verwickelt. Vor allem Saudi-Arabien fürchtet um seine Vormachtstellung, da der Iran zunehmen Einfluss auf die Huthi-Rebellen gewinnt. Ähnliche Überlegungen trieben die USA zur Beteiligung am Krieg im Jemen, wo sie über lange Zeit eine Basis für ihren „Krieg gegen den Terror“ hatten. Auch Frankreich und Großbritannien leisten der Allianz logistische Unterstützung. Der „Krieg gegen den Terror“ wendet sich in erster Linie gegen Al-Qaida, die Teile des Jemens beherrschen, selbst aber in den vergangenen Jahren Konkurrenz vom ebenfalls sunnitischen Islamischen Staat bekam. Im Kampf gegen die Huthi-Rebellen (und somit indirekt gegen den Iran), verfolgten die USA und Saudi-Arabien wiederum dieselben Ziele wie Al-Qaida. Also die Gruppe, die das saudische Königshaus stürzen möchte und für die Anschläge vom 11. September auf das World-Trade-Center verantwortlich war. Ähnlich paradox erscheint, dass der ehemalige Präsident Salih sich nach seiner Entmachtung mit seinen ehemaligen Gegnern, den Huthi-Rebellen verbündete, sich dann erneut mit ihnen überwarf und letztendlich von ihnen umgebracht wurde. Die sunnitischen Stämme verfolgen ebenfalls eigene Interessen und sind mit verschiedenen Akteur*innen – der Regierung Hadi, Al-Qaida oder dem IS – verbündet. Auch die Sezessionisten gehen teils wechselnde Bündnisse ein.

In solchen Gemengelagen werden plötzlich Identitäten, die bislang kaum eine Rolle spielten, zur materiellen Gewalt, da bisherige Ordnungen in sich zusammenbrechen und sich keine neue an deren Stelle etablieren kann. Religiöse Identitäten bieten Orientierung. Sie erlauben das Dasein im täglichen Kampf ideologisch aufzuladen und zum „heiligen Krieg“ zu verklären. Gleichzeitige werden sie von Saudi-Arabien und dem Iran genutzt, um Verbündete zu rekrutieren und gegen den Gegner mobil zu machen.

Es handelt sich also bei dem Konflikt im Jemen weniger um einen schon immerwährenden Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, als um eine zerfallende Gesellschaft im Zuge der globalen Krise, in der nicht vollends auszumachen ist, wer eigentlich gerade gegen wen kämpft.

Die UNO bezeichnet die Situation im Jemen als „die größte humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts“. Nach Schätzungen des „Armed Conflict Location and Event Data Project« (Acled) haben seit Beginn des Krieges fast 100.000 Menschen ihr Leben verloren. Millionen von Menschen sind vertrieben und auf Hilfslieferungen angewiesen, die sie oftmals aufgrund der andauernden Kämpfe nicht erreichen. Videoaufnahmen und Fotos zeigen Kinder, die aus nichts als Haut und Knochen bestehen und zu jeglicher menschlicher Regung zu schwach sind. Viele von ihnen sterben aufgrund der mangelnden Ausrüstung in Krankenhäusern, wenn sich ihre Eltern den Weg dorthin überhaupt leisten konnten. Alle 10 Minuten verliert ein Kind im Jemen durch Hunger sein Leben. UNICEF bezeichnet das Land als „living hell for children“.

Diese lebende Hölle wird durch deutsche Waffen noch weiter befeuert. Die Hilfeschreie unzähliger Journalist*innen und Menschenrechtsorganisationen über die Situation im Jemen, die seit Jahren den sofortigen Stopp von Waffenlieferungen an die saudische Allianz fordern, verhallen ohne Konsequenz.

Der Allianz wurde in den vergangenen Jahren immer wieder Bombardierungen von zivilen Einrichtungen, von Krankenhäusern bis Schulen und Schulbussen, nachgewiesen. Durch eine Seeblockade, die verhindert, das Lebensmittel und Hilfslieferungen ins Land kommen,ist sie maßgeblich für die Hungersnot im Jemen verantwortlich. Auch hierbei kamen in Deutschland gebaute Schiffe zum Einsatz. Dennoch: Saudi-Arabien wird weiterhin von der deutschen Rüstungsindustrie versorgt.

Bei der Produktion von Waffen kommt das Verhältnis von Tausch- und Gebrauchswert einer Ware in besonders brutaler Weise zum Ausdruck. Damit bei den Produzent*innen einer Ware und ihren Aktionären die Kurse stimmen, also durch den Verkauf der Ware aus Geld mehr Geld gemacht wird, muss sie andernorts gebraucht werden. Im Fall einer Waffe, indem sie Menschen tötet. Die Gewinne auf dem Aktienmarkt, werden mit dem Verlust von Menschenleben bezahlt. Die Undurchsichtigkeit der heutigen Weltgesellschaft erlaubt es dabei allen Akteur*innen die eigene Verantwortung für diesen offensichtlichen Zusammenhang zu leugnen. Es sei ja nicht Rheinmetall, die Bomben werfen, erklärt etwa ein Aktionär einem Team der ARD. „Und wenn wir die nicht liefern, dann tun es andere“, ist ein häufig angeführtes Argument von Seiten der Politik. Rheinmetall selbst beruft sich auf den Druck der Aktionär*innen, und den Erhalt der Werke in Deutschland, bei denen zumindest noch gewisse Mindeststandards in der Ausfuhrkontrolle existieren. Die Fabriken baut Rheinmetall aber mittlerweile in strukturschwachen Regionen in Sardinien und Südafrika, da dort mit wenig Widerstand gegen das Geschäft mit dem Krieg zu rechnen ist. An diesen, wie auch an den deutschen Standorten wird dann gerneauf die Notwendigkeit verwiesen, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, um halbwegs würdig überleben zu können. Was Saudi-Arabien mit den Bomben macht, entzieht sich dann der europäischen Verantwortung. Und da es die Menschen aus dem Jemen nur in den seltensten Fällen bis ans europäische Festland und die Bilder der Sterbenden nur ausnahmsweise in die hiesigen Medien schaffen, können sich weiterhin alle stillschweigend darauf einigen, die Hände in Unschuld zu waschen.

Der, Ende letzten Jahres von der Bundesregierung verhängte, Exportstopp für Waffenlieferungen zeugt von der Scheinheiligkeit aller beteiligten Akteure. So waren es weder die saudischen Bombenangriffe auf Schulen und Krankenhäuser, noch die Tausenden Toten und Millionen von Hungernden im Jemen, die Deutschland zu einem Exportstopp veranlassten. Erst als die saudischen Behörden den Journalisten Jamal Kashoggi in ihrer Botschaft in der Türkei wohl bei lebendigem Leib zerstückelten und damit einen diplomatischen Skandal auslösten, sah sich die deutsche Regierung gezwungen zu handeln. Doch selbst bei diesen Maßnahmen einigte man sich auf genug Ausnahmen und Schlupflöcher, um die Profite deutscher Unternehmen nicht ernsthaft zu gefährden, wie die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2019 belegen. Indem es Rheinmetall gestattet wird, Tochterunternehmen in Sardinien und Südafrika zu unterhalten, kann der Waffenhersteller ohnehin weitestgehend autonom gegenüber der deutschen Gesetzeslage produzieren und verkaufen. Die Sozialdemokraten sind in gewohnter Manier an dieser Heuchelei beteiligt. Bezeichnete es Sigmar Gabriel 2013 noch als „große Schande“, dass Deutschland als Waffenexporteur „Helfershelfer für die Aufrüstung von Diktaturen“ geworden sei, sind sie in der Regierungsverantwortung federführend an der Genehmigung von Waffenlieferungen an Akteur*innen in den blutigsten Konfliktregionen beteiligt. Der Zynismus, mit dem Politiker*innen der Regierungsparteien seit Jahren ihre Verantwortung für den Mord an Unschuldigen leugnen, ist nur schwer zu überbieten.

Doch gegen die Verwicklung Europas in den Krieg im Jemen regt sich vermehrt Protest. Bei der kürzlich in Berlin stattgefundenen Aktionärs-Hauptversammlung von Rheinmetall, gelang es Aktivist*innen kurzzeitig die Bühne zu besetzen, um auf das mörderische Geschäft des Unternehmens aufmerksam zu machen. In Italien und Frankreich streikten Hafenarbeiter*innen, um die Beladung eines saudischen Schiffes mit neuem Kriegsgerät zu verhindern. Für Anfang September veranstaltet das Bündnis ‚Rheinmetall entwaffnen‘ ein Protestcamp und ruft dazu auf, die Produktion des Rüstungsherstellers durch Blockaden lahmzulegen. Jede Unterbrechung der Produktion und Lieferung von Waffen kann Menschenleben im Jemen retten und hoffentlich langfristig dazu beitragen, einen Massemord zu beenden, an dem deutsches Kapital und deutsche Politik maßgeblich beteiligt sind.

#Titelbild: Zerstörte Häuser im Süden von Sanaa, wikimedia commons

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Über die Frauenbewegung in Afghanistan, die Rolle der Besatzungsmächte und die Abhängigkeit der internationalistischen Linken von Mainstreammedien. Ein Gespräch mit Mehmooda von der Revolutionären Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) .

Kannst du unseren Leser*innen einen kurzen Überblick über die Geschichte und Gegenwart deiner Organisation RAWA geben?

RAWA steht für „Revolutionary Association of Women in Afghanistan“. Die Organisation wurde 1977 von Meena Keshwar Kamal und einer Gruppe intellektueller Frauen in Afghanistan gegründet. Es handelt sich um eine unabhängige Organisation von Frauen. Wir kämpfen für Frauenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Das war von Anfang an unser Ziel.

Ein Jahr nach der Gründung, 1978, wurde Afghanistan von sowjetischen Soldaten besetzt. Das war eine große Veränderung, denn wir denken, dass, wenn ein ganzes Land nicht frei ist, wir nicht nur über die Befreiung der Frau sprechen können. Also sind wir Teil des Widerstands geworden. Denn wie leider nicht alle wissen, begann der Widerstand gegen die russische Besatzung von demokratischer Seite, nicht von fundamentalistischer. Der Widerstand hat friedlich begonnen, und die Regierung hat viele Studierende und Lehrende der Universitäten festgenommen, viele Intellektuelle und Linke. Sie haben sie in ihre Gefängnisse gesteckt, sie haben sie gefoltert und sie haben sie getötet.

So wurden in dieser Zeit auch einige RAWA-Mitglieder von der Regierung verhaftet, da Meena, die Vorsitzende von RAWA, und andere Frauen Demonstrationen in Kabul und verschiedenen anderen Städten organisiert haben. Da die Situation für die Menschen, die gegen das Regime waren, zu dieser Zeit sehr schlecht war, flohen viele Menschen nach Pakistan und Indien. Auch RAWA hat sich dafür entschieden, nach Pakistan zu gehen. Also haben wir begonnen, mit den geflüchteten Menschen in Pakistan zu arbeiten, vor allem in Quetta und Peschawar [in Ostpakistan nahe der Grenze zu Afghanistan, d. Red.]. Das Problem war, dass unmittelbar nach der russischen Besatzung die USA und andere westliche Länder damit begonnen haben, Fundamentalisten zu unterstützen.

Und diese Fundamentalisten waren noch gefährlicher als das russische Regime. Somit waren wir in Pakistan mit großen Problemen konfrontiert, weil die pakistanische Regierung und der ISI [pakistanischer Geheimdienst] fundamentalistische Gruppen wie Abu Sajaf unterstützt hat. Wir kämpften also nicht nur gegen das russische Regime, sondern auch gegen die Fundamentalisten. Unsere Vorsitzende Meena hat erkannt, dass, wenn die Fundamentalisten die Kontrolle in Afghanistan übernehmen, die Situation noch schlechter sein würde als unter russischer Besatzung. Und weil RAWA die einzige Stimme gegen diese Fundamentalisten war, und Meena die Stimme von RAWA, haben sie beschlossen, diese Stimme verstummen zu lassen, und haben unsere Vorsitzende Meena 1987 in Pakistan ermordet.

Als wir nach Pakistan gegangen sind, haben wir in zwei Bereichen gearbeitet: im Politischen und im Sozialen. Von Anfang an war RAWA eine politische Organisation von Frauen. Denn die anderen Frauenverbände und Organisationen, die es 1977 in Afghanistan gab, drehten sich lediglich um solche Dinge, wie wie werde ich eine gute Frau, eine gute Ehefrau und Mutter, und es wurde vor allem darüber gesprochen, wie man das Haus zu putzen und zu kochen hat und wie man Kinder am besten erzieht. RAWA war die erste Organisation, die damit angefangen hat, über mehr als das zu sprechen; zu sagen, dass Frauen Teil von politischen Prozessen und Entscheidungen in Afghanistan sein können. Also sind wir eine politische Organisation, denn wir denken, dass, um die Situation der Frauen in Afghanistan zu ändern, die politische Struktur geändert werden muss.

Doch als wir in Pakistan waren, haben wir angefangen, in beiden Bereichen zu arbeiten. Denn geflüchtete Frauen brauchten vor allem soziale Aktivitäten, Schulen, Waisenhäuser, Krankenhäuser. Durch diese Projekte konnten wir in Kontakt mit Frauen treten.

Nach der Ermordung unserer Vorsitzenden haben wir nicht aufgehört, ihrem Weg zu folgen. Denn RAWA war nicht Meena, RAWA war und ist eine Organisation. Sie hat sie angeführt, doch andere Mitglieder hatten auch etwas zu sagen und wollten weitermachen. Und trotz all der Schwierigkeiten haben wir auch weitergemacht, auch in Afghanistan waren wir aktiv. Hier jedoch waren wir von der ersten Minute an nur im Untergrund tätig. Selbst während der Zeit der Taliban, als die Fundamentalisten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 die Kontrolle in Afghanistan übernahmen, war RAWA die einzige Organisation, die Berichte und Bilder aus den Städten schickte. Denn während dieser Zeit haben sämtlichen Medien und internationale Organisationen das Land verlassen. Afghanistan war vergessen. Aber wir haben dort weitergearbeitet, wir haben die Verbrechen der Taliban dokumentiert und weiterhin Frauen organisiert. Alle Schulen für Frauen waren geschlossen; also hat RAWA im Untergrund Bildung organisiert, überall im Land. Das war unsere Form des Kampfes, so haben wir uns am Leben erhalten.

Wir waren erneut mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, denn die Taliban und auch die Jihaddisten, die anderen Fundamentalisten, wussten, dass RAWA als einzige Organisation sehr klar und sehr stark gegen sie agiert. Außerdem war es für sie kaum zu verstehen, dass ausgerechnet Frauen Widerstand leisten. Also haben sie immer wieder versucht, uns zu stoppen, indem sie uns verfolgten und unsere Mitglieder verhaften ließen.

Desweiteren war RAWA nach dem Kollaps des Taliban-Regimes mit vielleicht ein paar anderen demokratischen Parteien die einzige Organisation, die klar gesagt hat, dass mit US-amerikanischer Besatzung nichts verändert werden wird. Denn die USA sind Imperialisten, und Imperialisten werden einer Nation nicht zur Freiheit verhelfen. Natürlich sind die Taliban ein diktatorisches Regime gewesen und sie mussten entmachtet werden. Aber das muss in der Hand der afghanischen Bevölkerung liegen, nicht in der der USA oder der anderer westlicher Staaten. Es ist nicht ihre Aufgabe, uns Demokratie und Frauenrechte zu geben.

Seitdem und bis heute arbeiten wir in Afghanistan, wegen der Situation, leider immer noch im Untergrund. Als wir noch in Pakistan waren, konnten wir offener arbeiten und zum Beispiel Demonstrationen veranstalten.

Unsere politische Arbeit besteht vor allem aus der Bildung von Mädchen und jungen Frauen – aber immer im Untergrund. Auch machen wir Veranstaltungen, feiern zum Beispiel Frauen- und Menschenrechte. Diese Veranstaltungen müssen wir mit anderen demokratischen Organisationen zusammen machen, die offen arbeiten können. Wir arbeiten mit ihnen, wenn sie beispielsweise Demonstrationen organisieren, aber nicht unter dem Namen RAWA. Dasselbe gilt aus Sicherheitsgründen für unsere Arbeit im Sozialen Bereich.

Ihr arbeitet nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land. Wie gestaltet sich diese Arbeit und wie weit ist die Bevölkerung dort vom Fundamentalismus geprägt?

In den Städten arbeiten wir eher mit intellektuellen Frauen wie zum Beispiel Studentinnen und Lehrerinnen, Frauen, die lesen und schreiben können. Wir versuchen, sie für Aktionen und Demonstrationen gegen die Besatzung der USA und gegen die Fundamentalisten zu mobilisieren. In den Dörfern haben wir mehr soziale Projekte. Unsere Projekte sind anders als die von anderen Organisationen, die vor allem Geld damit machen wollen. Wir dagegen arbeiten mit sehr wenig Geld, und worum es uns geht ist, mit den Menschen gemeinsam zu arbeiten. In den Dörfern ist es sehr wichtig, unter den Leuten zu sein. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass es zu Zeiten der russischen Besatzung eine große linke Bewegung gab. Da diese stark verfolgt wurde, sind viele dieser Menschen nach Europa geflohen. Dort sind sie einfach verschwunden. Aber der Grund, dass RAWA weiterhin existiert, ist, dass wir nicht versuchen, aus dem Land zu fliehen. Wir wollen mit und unter den Menschen sein. Wenn du kämpfen willst, musst du in der Bevölkerung sein, und der beste Ort für eine revolutionäre Organisierung sind die Dörfer; in den Dörfern vertrauen dir die Leute, und du kannst den Leuten ebenfalls vertrauen. Wenn du das Vertrauen der dörflichen Bevölkerung erst einmal gewonnen hast, werden diese Menschen dich um jeden Preis verteidigen. Außerdem wollen wir genau diese Menschen mobilisieren, denn die soziale Ungleichheit betrifft vor allem die Leute in den Dörfern. Heute sind die meisten Dörfer unter der Kontrolle der Taliban, ISIS oder anderer Jihaddisten – wir wollen genau dort sein, mit diesen Frauen arbeiten und sie gegen diese Kontrolle mobilisieren. Die Menschen haben weniger Möglichkeiten und weniger Zugang, also brauchen sie auch mehr Unterstützung. Das ist gut für sie, und das ist gut für uns. Mit diesen Menschen können wir die Revolution machen. Wir dürfen uns nicht nur auf die Städte konzentrieren. Auch ist es so, dass es in den Städten viele Spione gibt, die dich innerhalb kürzester Zeit fertig machen können. In den Dörfern jedoch ist es einfacher, zu überleben – auch deswegen sind wir dort.

Du hast gesagt, dass ihr auch politischen Unterricht organisiert und dass RAWA eine explizit politische Organisation ist. Was unterrichtet ihr?

RAWA ist eine demokratische, säkulare Organisation. Offiziell sind wir keine Marxistinnen, dennoch arbeiten wir mit Marxistinnen zusammen, die sehr willkommen sind. Wir sind nicht anti-marxistisch, wir haben keine Angst vor dem Marxismus und denken auch nicht, er könne in Afghanistan nicht funktionieren. Aber die Situation in Afghanistan bedingt, dass wir erst einmal eine demokratische Veränderung brauchen. Das ist für uns im Moment das Wichtigste. In unseren Klassen sprechen wir über verschiedene Dinge, vor allem über die aktuelle Situation. Denn leider ist die afghanische Bevölkerung, mit diesen Medien und der imperialistischen Besatzung, beinahe apolitisch geworden. Die Menschen versuchen erst mal, nach sich selbst zu schauen, oder sie sind stark beeinflusst von den Medien. Unser Versuch ist es, den Menschen vor allem zwei Dinge nahezubringen; erstens, dass diese „Friedensgespräche“ nicht wirklich solche sind. Wir sprechen über die imperialistischen Pläne für unser Land und versuchen, die Menschen für den Widerstand zu organisieren, sie für Demonstrationen zu mobilisieren und sie dazu zu bringen, ihre Stimmen zu erheben. Aber natürlich lesen wir auch manchmal marxistische Bücher, denn es handelt sich um eine Ideologie, die in manchen Ländern funktionieren kann und manche Menschen, auch manche unserer Mitglieder, denken, der Marxismus sei der einzige Weg, uns zu befreien. Auch lesen wir Bücher über den Iran, zum Beispiel Bücher von Frauen in den dortigen Gefängnissen, schauen Filme oder sprechen über die Politik in Kobanê und Afrin. Denn in einem Land wie Afghanistan müssen wir uns auch Beispiele aus anderen Ländern anschauen. Wenn du mit einer Kultur aufwächst, die dir beibringt, dass Frauen die Hausarbeit machen müssen, dass sie Mutter, Schwester oder gute Ehefrau sein müssen, dann ist es wichtig, Frauen zu ermutigen und ihnen andere Perspektiven beizubringen. Vielleicht macht das für europäische Länder nicht so viel Sinn, aber in unserer Situation funktioniert das sehr gut. Andere Bildung zu erhalten, in einer Gesellschaft, die dir erzählt, Frauen können nur diese kleinen Dinge tun, und sie könnten nur Lehrerinnen, Mutter oder Gynäkologin werden. Wir müssen ihnen eine andere Bildung verschaffen. Das Hauptthema unserer Bildung ist also genau das.

Wie ist eure Selbstverteidigungsstruktur, wie verteidigt ihr euch gegen all die Schwierigkeiten, mit denen ihr konfrontiert seid?

Das Einzige ist, dass wir im Untergrund arbeiten. Natürlich hat diese Untergrundarbeit ihre eigenen Regeln; wir können nicht offen darüber sprechen, was wir tun. Wir ändern unsere Namen, unseren Wohnort regelmäßig. RAWA-Mitglieder ziehen oft in andere Städte, Provinzen oder gehen eine Weile komplett in den Untergrund. Auch können wir elektronische Kommunikationsmittel wie Handys und das Internet nicht für unseren Austausch nutzen. Und vielleicht ist die Burka für Frauen nicht wirklich gut, aber in unserem Fall können wir sie nutzen, um uns selbst zu schützen, vor allem wenn wir in die Dörfer gehen. Wenn du dort eine Burka anziehst, werden dich die Menschen nicht erkennen. Wichtig sind vor allem unsere Verbündeten, Menschen, denen wir vertrauen können und umgekehrt. Diese Beziehungen helfen enorm, dich zu schützen.

Wie schafft ihr es Demonstrationen nur von Frauen zu organisieren, während zur selben Zeit Bombardierungen stattfinden.

Diese Demonstrationen finden nicht unter dem Name RAWA statt und werden nicht von RAWA, sondern von anderen demokratischen Gruppen organisiert. Sie werden dann bei der Regierung registriert, die diese dann auch schützen muss, aber natürlich vertraut niemand der Polizei. Es gibt zwar auch einzelne Verbindungen zu ihnen, die helfen können, aber natürlich haben RAWA und andere demokratische Organisationen in Afghanistan ihre eigenen Verteidigungsstrukturen.

Vielleicht siehst du sie nicht sofort, aber wenn etwas passiert, sind sie da. Wenn wir zum Beispiel zu Demonstrationen gehen, wird das Gelände ein paar Tage vorher angeguckt, mit den Leuten in den Läden gesprochen, zu denen es gute Verbindungen gibt, und durch sie können dann Informationen gesammelt werden. So arbeiten wir also in etwa, aus Sicherheitsgründen kann ich da leider nicht weiter ins Detail gehen.

Könntest du vielleicht noch ein bisschen mehr über die Situation der US-Besatzung und der Verbindung zu den Fundamentalisten erzählen?

Wie ich bereits gesagt habe, sind all diese fundamentalistischen Gruppen nichts als die Söhne der USA. Denn wir wissen, dass die Vereinigten Staaten sie in den 80er-Jahren unterstützt und bewaffnet haben, um gegen die Sowjetunion zu kämpfen. Aber jetzt gibt es andere Pläne für die Region. Afghanistan ist für alle diese Kräfte aus Gründen der strategischen Lage sehr wichtig. Aber auch aus anderen Gründen, wie Opium oder Waffenhandel und den natürlichen Ressourcen. All die Großmächte, die USA, Russland und jetzt auch China, kämpfen um ihre Vormachtstellung. Die Fundamentalisten sind die Söhne der USA. Sie wurden von ihnen etabliert und sie wurden und werden von ihnen unterstützt. Nach dem Kollaps der Taliban, waren die Jihaddisten nicht gerade mächtig. Aber die USA haben 2001, als sie eine sogenannte demokratische Regierung in Afghanistan errichten wollten, die Jihaddisten an die Macht gebracht.

Und wir sagen immer, dass diese Regierung sogar noch terroristischer ist als die Taliban. Ihre Mentalität, ihre Gedanken sind genau dieselben. Aber die USA hat sie zu Demokraten erklärt. Sie wollen eine demokratische Regierung mit diesen undemokratischen Menschen errichten, mit Frauenfeinden. Diese Jihaddisten sind also nun an der Macht in Afghanistan. Alle von ihnen haben Kriegsverbrechen begangen, aber ohne jegliches Verfahren, ohne Fragen gestellt zu bekommen, kamen sie durch die USA an die Macht. Das, was 2001 mit den Jihaddisten passiert ist, passiert nun mit den Taliban. Sie sprechen mit den Taliban und sie nennen es Friedensverhandlungen, aber das sind keine Friedensverhandlungen, das sind politische Deals. Über die Opfer wird nicht gesprochen. Die Taliban attackiert Menschen, sie haben Tausende Unschuldige getötet. Gerade einmal vor ein paar Tagen gab es einen Anschlag, zwei Tage später wieder, kurz darauf ein neuer. Bei jeder Attacke ermorden sie über hundert Menschen. Und zu dieser Zeit werden dann solche Friedensverhandlungen geführt, und dort wird über alles gesprochen, nur nicht über Kriegsverbrechen. Und befragt man sie dazu, antworten sie, naja, in Afghanistan sind eben alle Menschen Kriminelle. Die Taliban sind ebenfalls Kriminelle, also können sie eben auch regieren. Aber die Wahrheit ist, dass die USA eine Marionettenregierung konstituieren will – mit all diesen Verbrechern. Das Einzige, was ihnen wichtig ist, ist die Wirtschaft und ihre strategischen Interessen. Die Menschen in Afghanistan spielen keine Rolle.

Wir sehen, dass es eine große Verbindung gibt zwischen den USA und den Fundamentalisten. Also sagen wir, dass der einzige Weg, diese Krise zu beenden, der ist, beide Akteure zu bekämpfen; sowohl die Besatzung Afghanistans durch die USA und die NATO als auch die Taliban, die Jihaddisten, ISIS und all die anderen.

Am Anfang der Besatzung Afghanistans, als Deutschland Teil der Besatzung war, gab es eine Rede im Deutschen Parlament, und einer der Abgeordneten sagte, dass die deutsche Freiheit auch in Afghanistan verteidigt werden würde. Haben die deutschen Truppen eine besondere Rolle im Krieg eingenommen?

Wie du bereits gesagt hast, war Deutschland zu Beginn des Krieges in Afghanistan involviert. Deutsche Truppen waren vor allem im Norden des Landes aktiv. Es ist offensichtlich, dass auch sie Verbrechen begangen haben – es gab beispielsweise Bombardierungen, bei denen Unschuldige getötet wurden. Aber seit etwa einem Jahr ist Deutschland nicht mehr so sehr involviert, sowie andere europäische Staaten auch. Nun sind es vor allem die USA; sie sagen zwar, es handele sich um die NATO, aber eigentlich sind es vor allem US-Amerikanische Truppen. Das liegt aber nicht daran, dass Deutschland so besonders friedlich ist. Es geht um imperialistische Interessenkonflikte.

Jeder der Beteiligten will mehr – und die USA lässt das nicht zu. Also sind sie heute nicht mehr so aktiv in Afghanistan, denn es passt ihnen nicht, dass sie nicht mehr Macht abbekommen. Trotzdem unterstützt die deutsche Regierung weiterhin die korrupte afghanische Regierung.

Wir können uns die Situation der geflüchteten Menschen hier anschauen. Viele fliehen vor dem Krieg, und sie landen hier in Deutschland, vor allem junge Menschen. Aber sie werden zurück nach Afghanistan abgeschoben und es wird als „sicheres Herkunftsland“ benannt. Es ist absurd, Afghanistan als einen sicheren Ort zu bezeichnen. Nur muss Deutschland das tun, da sie die afghanische Regierung unterstützen. Sie unterstützen damit aber eine der korruptesten Regierungen der Welt, geben ihnen Geld und lassen die Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, im Stich.

Kannst du uns noch mehr über die Situation der Frauen in Afghanistan erzählen und darüber, wie die Organisierung von Frauen eine Basis für eine Veränderung darstellt?

Leider wird die Situation der Frauen jeden Tag schlechter. Einer der Gründe des Krieges, den die USA begonnen hat, war, dass sie gesagt haben, sie müssten die Frauen befreien. Für uns, als eine Organisation von Frauen, war von Anfang an klar, dass das nur eine Ausrede war, um den Krieg zu beginnen. Sie haben die Situation der Frauen missbraucht.

Aber wie ich vorher sagte, haben sie selbst die Frauenfeinde an die Macht gebracht, sie selbst haben diese Regierung kreiert. Du kannst nicht Frauenfeinde in eine Regierung setzen und dann erwarten, dass sie Frauenrechte respektieren und etablieren, das ist nicht möglich. Manchmal propagieren sie auch, dass sich die Dinge in Afghanistan ändern, und listen ein paar Beispiele auf. Diese Beispiele sind aber wenige, und sie zeigen sie nur zu Legitimationszwecken.

Aber die reale Situation ist eine andere, insbesondere in den Dörfern. Die Lage der Frauen dort ist sehr hart, da die fundamentalistischen Gruppen vor allem in den Dörfern viel Macht haben. Sie sind involviert in viele Verbrechen und Gewalt gegen Frauen; es gibt viele Fälle von Vergewaltigung, sexualisierter Gewalt, Zwangsheirat. Aber niemand redet darüber, denn die, die diese Verbrechen begehen, sind die, die Geld, Waffen und Macht von der US-Regierung erhalten, um gegen die Taliban zu kämpfen. Wir sagen, dass es unmöglich ist, die Frauen eines Landes mit fremder Besatzung zu befreien, mit Bombardierungen. Es liegt in der Verantwortung afghanischer Frauen, für ihre Befreiung selber zu kämpfen. Heute sagen sie, sie hätten Angst, dass die Errungenschaften für Frauen in Afghanistan wieder verschwinden könnten. Und ja, warum werden sie wieder verschwinden? Weil sie einfach so aus dem Nichts gebracht wurden. Afghanische Frauen werden nicht für diese Errungenschaften kämpfen. Wenn die Menschen für etwas gekämpft haben, ist es schwierig, das Erkämpfte wieder zu verlieren. Doch wenn etwas nur etabliert wurde, obwohl niemand dafür gekämpft hat, ist es ganz schnell auch wieder verloren. Also werden sie Deals mit der Taliban machen, und sie werden die Rechte der Frauen opfern, denn für sie sind Dinge wie ihre Interessen, strategisch sowie ökonomisch, wichtiger als die Rechte der Frauen und Menschenrechte allgemein.

Gibt es eine internationalistische Bewegung in Afghanistan oder bekommt ihr Unterstützung von Internationalist*innen, sowohl heute als auch in der Geschichte?

Leider ist Afghanistan so etwas wie ein vergessener Fleck auf der Landkarte. Die USA unterstützen die Fundamentalist*innen, ebenso wie Saudi-Arabien, Pakistan, Iran. Die demokratischen Gruppen bekommen solche Unterstützung nicht.

RAWA als Organisation steht zur Zeit vielen Problemen gegenüber, zum Beispiel was die Sicherheit, aber auch das Finanzielle angeht, ebenfalls wegen der geringen Unterstützung von Internationalist*innen. Wir haben ein paar Soli-Gruppen in den USA, Italien, Japan und Deutschland, aber die Menschen in Europa und den USA, allgemein in westlichen Staaten, sind stark beeinflusst von den Medien. Wenn die Medien nicht über eine Sache sprechen, dann gibt es auch keinerlei Interesse dafür. Selbst Linke sind stark beeinflusst von diesen Medien.

Heutzutage werden die Medien dieser Länder nicht über Afghanistan berichten, denn es heißt, mit Afghanistan ist jetzt alles in Ordnung, die Frauen sind frei oder wenn sie es noch nicht sind, dann wollen sie es wohl auch nicht anders. Deswegen versuchen selbst die Linken nicht, mehr über die Situation dieses Landes zu erfahren. Aber gerade Unterstützung aus anderen Ländern ist sehr wichtig für eine Bewegung. Ich rede gar nicht über die finanzielle Unterstützung, ich rede von der politischen Unterstützung. Insbesondere in europäischen Ländern könnte der Bewegung eine Stimme gegeben werden; aber wir haben in den letzten Jahren keine Demonstrationen zu Afghanistan gesehen. Die USA haben Afghanistan 2001 bombardiert. In diesem Jahr gab es ein paar Demonstrationen; aber nicht im Ansatz so viele wie während des Irakkriegs. Sie legitimieren ihre Kriege und teilen ein in Gut und Böse, selbst die Linken tun das. Sie sagen, das ist ein guter Krieg, denn wir kämpfen schließlich gegen das Böse, die Taliban. Aber es gibt keinen guten und schlechten Krieg. Alle Kriege sind imperialistische Kriege, die wegen finanzieller und ökonomischer Interessen geführt werden.

Wir sagen also unseren Genoss*innen hier in Deutschland und anderen Ländern: Denkt nach, versucht die Realität in anderen Ländern zu sehen und nutzt andere als die Mainstream-Medien. Denn die vertreten nur die Interessen der Imperialisten und Großmächte.

# Interview: Hubert Maulhofer

# Übersetzt aus dem Englischen

# Titelbild: Eine RAWA-Frauendemonstration in Afghanistan

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Unsere Autorin Eleonora Roldán Mendívil ist in Südamerika unterwegs, beobachtet die gesellschaftlichen Verhältnisse und spricht mit Menschen im Alltag über die ökonomischen und sozialen Probleme der Region, sowie über ihre verschiedenen Formen, Widerstand zu leisten. In den kommenden Wochen berichtet sie regelmäßig im Lower Class Magazine über ihre Eindrücke. Los geht’s in der peruanischen Küstenstadt Trujillo.

Ich reise mit einem Genossen von Lima über Chimbote an der Küste bis ins acht Autostunden nördlich von der Hauptstadt Lima gelegene nach Trujillo. Als wir am Busterminal ankommen hören wir in den Nachrichten, dass am Vortag drei Menschen in der Stadt ermordet wurden. Die Stadt in der 800.000 Einwohner*innen leben ist nicht nur für seine eine antiken archäologischen Stätten bekannt: Huaca del Sol y de la Luna sind zwei Lehmpyramiden der Moche-Kultur, welche von ca. 300 bis 800 nach westlicher Zeitrechnung (n.Chr.) erbaut und als religiöse sowie administrative Zentren genutzt wurden. Trujillo ist auch die Hauptstadt der Bandenkriminalität und damit verbundener Morde. Der Staadtteil El Porvenir weist die meisten Morde des Landes pro Einwohner*in auf; knapp 20 auf 100.000 Einwohner*innen. Ein Cousin holt uns ab. Das erste was er uns zeigt ist seine Waffe. Er ist Serenazgo, also für die Seguridad Cuidadana, die Sicherheit der Bürger*innen zuständig. Das ist sein Job. Ich dachte die Serenazgos seien zivile Kräfte, die von den Bezirken eher als eine Art Ordnungsamt eingesetzt werden und frage nach. „Nein, die Waffe ist privat“ erklärt mir der Cousin, „aber ich trage sie auch während der Arbeit. Es ist einfach zu gefährlich“.

Peru ist ein abhängiges Land. Nach der offiziellen Unabhängigkeit von der Spanischen Krone 1821 genossen nur knapp drei Prozent der Bevölkerung demokratische Rechte in der neuen Republik: besitzende Männer über 21 Jahren, allesamt Nachfahren von Spanier*innen. Seitdem haben sich die verschiedensten imperialistischen Kräfte um die Ressourcen in dem Andenland gestritten. Vor allem Gold und Silber, aber auch weitere Metalle, sowie Rohöl und das Coca-Blatt, aus welchem Kokain gewonnen wird, bestimmen den Handel der heutigen peruanischen Nationalbourgeoisie. Multinationale Konzerne schaffen sich lokale Lakaien um zu Spottpreisen das Land seiner Reichtümer legal oder weniger legal zu rauben. Die historisch korrupten Gewerkschaftsführungen machen den Aufbau von unabhängiger Klassenmacht fast unmöglich.

Auch Trujillo ist in dieses ökonomische Spiel verwickelt. Die Ware – ob Gold, Rohöl oder Kokain – kommt aus den Anden und dem Regenwaldgebiet oft hier an und wird im nahe gelegenen Chimbote auf riesige Container-Frachter verladen, um über den Hafen in die Welt verschifft zu werden. In den letzten Jahrzehnten haben sich unter anderem durch eine erhöhte Produktivität auch Mafien gebildet, die durch Schmiergelder an Politiker*innen und an die Polizei ihre Geschäfte sichern. Die Bandenkriminalität ist ein Nebenprodukt einer auf Export von Rohstoffen orientierten, abhängigen, kapitalistischen Wirtschaft.

In den folgenden Tagen streifen wir durch die Stadt und klappern die touristischen Höhepunkte ab. Der meiste Tourismus ist einheimisch. Hin und wieder treffen wir eine Reisegruppe von Französ*innen oder Deutschen im Rentenalter. Ein paar mochileros, junge Rucksack-Tourist*innen treffen wir auch. Vor allem in Huanchaco sind diese zu Hauf unterwegs. Der Strand ist eines der Hauptziele für Surfbegeisterte, die nach Peru reisen. Wir hören Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch aus Spanien und Argentinien. Auch die Konsumangebote sind internationaler, als im Rest der Stadt: Es gibt Surfunterricht und sogar Yogastunden auf Englisch.

Uns erstaunt die Anzahl an Venezolaner*innen, vor allem im Einzelhandel und Gastronomie-Bereich. Aber auch auf der Straße des Stadtzentrums. Sie verkaufen Bonbons, Kaffee und Kuchen. An einem Abend bleiben wir länger neben einem jungen venezolanischem Cello-Spieler stehen und hören seinen Interpretationen verschiedenster Pop-Lieder zu. Ihm sind die Venezolaner*innen peinlich, die auf der Straße betteln oder Scheine hoher Geldsummen von Bolivares, der venezolanischen Währung, verkaufen, welche durch die extrem hohe Inflation nun nur noch als Kuriosität Wert haben. „Ich möchte nach Deutschland“ erklärt er uns, und will gleich wissen ob es leicht sei sich eine weiße, deutsche Freundin zu besorgen. Die koloniale Mentalität ist in ganz Lateinamerika tief verwurzelt. Alle Menschen die so aussehen wie man selbst oder gar dunkler sind, gelten als weniger attraktiv. Mejorar la raza, die Rasse verbessern, ist ein Konzept, welches seit der Kolonialzeit überlebt. Mit dem Beginn der Kolonisierung im 16. Jahrhundert, wurden von den Spaniern Rassetabellen geschaffen, welche je nach Grad des mestizaje, der Vermischung, einer Person eine bestimmte Stellung in der kolonialen Hierarchie zuordnete. Je weißer man war, desto bessere Chancen auf eine gute Anstellung und damit auf weniger Ausbeutung hatte man. Deswegen war die Devise möglichst so zu Heiraten, dass die eigenen Kinder weißer wurden. Diese Denkart zeigt sich heute noch immer auf Werbetafeln und in der Kulturindustrie, die neuen postkolonialen Schönheitsideale kommen aus den USA. . Von Plakaten und in Fernsehspots lächeln weiße Models und die Telenovela-Schauspieler*innen sind mehrheitlich weiß. Selbst die Puppen, mit denen die Kinder spielen sind weiß und blauäugig. Und alle Friseur-Läden werben mit riesigen Bildern verschiedenster Haarschnitte an weißen, blonden oder braunhaarigen Menschen. In einem Land mit mehrheitlich Braunen Menschen mit indigenen Vorfahren, sind solche Schönheitsbilder mehr als skurril.

An einem anderen Abend sehen wir eine Menschenmenge an einem Platz im Zentrum von Trujillo. Als wir uns nähern hören wir Hip-Hop Beats. Es findet gerade ein Rap-Battle statt. Ca. 60 Jugendliche haben sich versammelt. Der jüngste Rapper ist vielleicht 13 Jahre alt. Es treten immer vier gegeneinander an und freestylen in kurzen Sequenzen nacheinander. Es geht um ihr barrio, ihre Nachbarschaft, um Gewalt, Waffen und darum wer der beste Freestyler ist. Einer der jugendlichen Rapper disst seinen Vorgänger indem er ihm aufzeigt, dass sein Rassismus hohl ist, und dass es hier nicht um Diskriminierung sondern um den besten Rapper geht. „Montags, Mittwochs und Donnerstag rappen wir in einem Sozialem Zentrum, Samstags machen wir hier die battles“ erzählt uns Crónica. Er ist 17 Jahre alt und hat gerade das letzte Battle gewonnen. „Diese Rap Battles sind eine Bewegung, die schon seit vielen Jahren existiert. Es ist eine massive Bewegung. Beim Freestylen improvisieren wir. Manchmal wird ein Thema vorgegeben, manchmal entwickelt es sich von selbst. Mich interessieren am meisten kulturelle Themen“. Wir fragen ihn nach den Problemen in Trujillo, welche vor allem Jugendliche betreffen. „Eines der Hauptprobleme sind die Drogen. Viele junge Leute sind drogenabhängig. Andere entscheiden sich für Rap und versuchen hierüber ihre Probleme zu verarbeiten. Bei uns skaten und breakdancen junge Leute auch. Dies hilft, damit Jugendliche nicht in die Bandenkriminalität abrutschen“.

# Eleonora Roldán Mendívil
# Titelbild: CHIMI FOTOS/CC BY-NC-SA 2.0

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Cemil Bayik ist Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und Co-Vorsitzender des Exekutivrats der Koma Civakên Kurdistan (KCK). Im ersten Teil des Interviews spricht er über den Abzug der US-Truppen aus Syrien, das Kopfgeld der USA, das auf Murat Karayilan, Duran Kalkan und ihn ausgesetzt wurde, und die Eskalation der Iranpolitik der USA.
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Wie auch immer man zur Amtsführung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro stehen mag, die Ablehnung des US-geführten Putsches in dem lateinamerikanischen Land sollte Minimalkonsens unter Linken sein.

„Vor dem allmächtigen Gott gelobe ich, die Kompetenzen der Exekutive als Interims-Präsident von Venezuela zu übernehmen“, sprach der bis dahin als Parlamentspräsident Venezuelas tätige Juan Guaidó am gestrigen Mittwoch. Die Selbstvereidigung wurde von Unterstützern des amtierenden Präsidenten, Nicolás Maduro, als Putschversuch gewertet – und sie ist wohl auch so gemeint. (mehr …)

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Zwei Strategien, ein Ziel: Die USA und die kurdische Bewegung in Syrien

Am Mittwoch verkündete US-Präsident Donald Trump den Rückzug der us-amerikanischen Truppen aus Syrien. Der Islamische Staat sei geschlagen, erklärte der wie immer sichtlich verwirrte Staatenlenker. Die Soldaten können also nachhause zurückkehren. Der Vorstoß kam just zu einem Zeitpunkt, zu dem der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan seine Vernichtungsdrohungen gegen die Kurd*innen in Rojava erneut intensivierte und einen weiteren Einmarsch im Norden Syriens ankündigte. Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass Washington einem lange debattierten Verkauf von Patriot-Raketen im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar an Ankara zustimmt. Und so ließ sich vermuten, dass es einen umfassenden Syrien-Deal zwischen den Regierungen Trumps und Erdogans gegeben hat.

So weit, so klar. Wenn es nun aber darum geht, die Rolle des US-Imperialismus in Syrien zu bewerten, ging bei vielen Kommentator*innen erneut alles in die Hose. Die einen – wie etwa der Linkspartei-Parlamentarier Alexander S. Neu – bewerteten Trumps Rückzug als eine Art erfreulichen friedenspolitischen Move. Ganz so, als ob die USA ohne erkennbare Not gegen ihre eigenen Interessen handeln würden. (mehr …)

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Der gegenwärtige Krisenschub scheint den Spätkapitalismus im Rekordtempo in eine längst überwunden geglaubte, barbarische Vergangenheit abstürzen zu lassen. Wie lange […]

Ein Versuch, die „multipolare“ imperialistische Dynamik rund um den Konflikt in Syrien zu beleuchten und theoretisch zu erfassen. Tomasz Konicz […]

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Der Krieg im Jemen hat immer brutalere Konsequenzen für die dortige Bevölkerung. Anders als gerne behauptet geht es weniger um […]

Über die Frauenbewegung in Afghanistan, die Rolle der Besatzungsmächte und die Abhängigkeit der internationalistischen Linken von Mainstreammedien. Ein Gespräch mit […]

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