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Sachsen. Allein das Wort löst bei vielen spätestens seit Chemnitz im August 2018 durch rechte Massendemonstrationen und Angriffe von Nazis ein Schaudern aus. Das Bundesland ist als rechte Hochburg bekannt, rechte Angriffe und Naziansammlungen auf der Straße gibt es nahezu alltäglich. Diese sächsischen Verhältnisse spiegeln sich auch in den Wahlprognosen für die kommende Landtagswahl am 1. September wieder. Mittlerweile gehen zwar einige Prognosen davon aus, dass die CDU mit etwa 30% mehr Stimmen als die AfD (24 %) gewinnen wird, wer allerdings glaubt, eine regierende CDU schützt vor dem Einfluss der Rechtspopulisten, liegt grundlegend falsch.

Das Vorhandensein rechter Einstellungen, Strukturen und demenstprechender Übergriffe ist natürlich kein auf Sachsen zu begrenzendes Phänomen. Deutschlandweit erstarken die Faschisten, wobei die Bundestagswahl 2017 zeigte, dass im Osten sehr viel mehr AfD gewählt wird als im Westen. Aber selbst für Ost-Verhältnisse stach die AfD mit 27% in Sachsen deutlich heraus. In keinem anderen Bundesland konnte die rassistische, neoliberale Partei so viele Stimmen erzielen.

Über die Gründe, warum der Osten generell eher rechts wählt, gibt es unterschiedliche Theorien. Übersehen werden kann aber nicht, dass dieses Gefälle etwas mit Vergangenheit und Gegenwart der Ost-West-Beziehungen zu tun hat. Vierzig Jahre unterschiedliche politische Systeme, eine Mauer und damit unterschiedlicher Zugang zu Ressourcen trennten die Bevölkerung beider Seiten voneinander. Nach Mauerfall und Wiedervereinigung gibt es zwar keine Mauer mehr aus Stein und Beton. Durch eine viel höhere Prekarisierung im Osten, welche sich zum Beispiel in niedrigeren Löhnen ausdrückt, und den deutlichen Unterschieden in Bundeswahlergebnissen zwischen Ost und West, scheint auch heute noch eine unsichtbare Mauer geblieben zu sein. Ob die Ossis sich abgehängt und alleine gelassen fühlen?

Wenn dem so wäre, könnte man hoffen, dass aufgrund der erhöhten Prekarisierung in Ostdeutschland ein verstärktes Klassenbewusstsein entsteht und gemeinsam versucht wird, nach oben zu treten. Dem scheint aber nicht so. Eher wird Flüchtlingen, als aus Ausländer gelesenen Menschen und Migrant*innen die Schuld an allem Übel gegeben. Die Frustration und die Wut der sächsischen Bevölkerung scheint sich wie in Chemnitz 2018 auf der Straße oder bei den Bundestagswahlen mit einer Stimme für die AfD zu entladen.

In Zeiten, in denen die Unterschiede zwischen arm und reich gravierender werden, es aber gleichzeitig an Klassenbewusstsein fehlt, kassiert die AfD die Wahlstimmen. Verantwortlich ist dafür eben jene Regierungspartei, welche man nun wiederwählen soll, um angeblich die AfD zu schwächen: die CDU.

Diese regiert seit 30 Jahren in Sachsen. Die Folgen ihrer Herrschaft: im Vergleich zu anderen Bundesländern (Bayern mal ausgenommen) ist Sachsen Vorläufer für rechte autoritäre Entwicklungen. Das zeigen jüngste Ereignisse wie das verschärfte Polizeigesetz, die Schaffung eines eigenen Abschiebeknastes, Rechtsbeschneidungen für Geflüchtete, Repression gegen Linke oder auch ganz konkret die von krasser Bullengewalt begleitete Abschiebung am 09.07.2019 in Leipzig.

Obwohl die sächsische Polizei schon vor der neuen Gesetzeslage massive Befugnisse hatte, werden ihr mit den aktiuellen Verschärfung noch mehr Mittel in die Hand gegeben, Menschen zu kriminalisieren und gegen sie vorzugehen. Sondereinheiten der Polizei werden aufgerüstet, Videoüberwachung mit Gesichtserkennung ausgeweitet, massive Eingriffe in das Leben polizeilich ernannter Gefährder*innen werden möglich. Sachsen hat unter der CDU/SPD-Legislatur einen eigenen Abschiebeknast errichtet, womit sie dem Ruf der Straße von Pegida und AfD, welche mehr Abschiebungen und die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl fordern, gefolgt sind.

Indem z.B. die Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen auf bis zu 2 Jahren erhöht wurde, wurden die Rechte von Geflüchteten massiv beschnitten. Es gab auch immer wieder Beispiele rechter Beamt*innen (sowohl Cops als auch Staatsbeamt*innen, z.B. im Justizvollzug), wobei sich die CDU immer wieder vor den Apparat stellte und ihn vor Kritik schützte. Linke werden mit Repression überzogen oder, wie in der Nacht vom 09.07-10.07.19, von den Cops zuerst bewusstlos geschlagen und dann einfach liegen gelassen. Um den Verfassungsschutz (VS) im Nacken zu haben reicht es in Sachsen schon, Lieder zu singen, die dem Freistaat nicht in den Sinn passen. So sind linke Bands mit zunehmender Repression konfrontiert, welche u.a. auf dem Bericht des VS-Sachsen fußt.

Sachsen unter schwarz-rot steuert jetzt schon einen autoritären rechten Kurs an, indem die Bevölkerung seit Jahren gegen Geflüchtete, Migrant*innen, Schwarze, als Ausländer gelesene Personen und Linke aufgehetzt und gleichzeitig der Polizeistaat ausgebaut wird. Wenn die AfD bei der Landtagswahl Erfolge erzielt, liegt das deswegen vor allem an der CDU. Unter ihrer Herrschaft wird das Land jetzt schon rechtskonservativ regiert, womit der Weg für die AfD geebnet wurde.

Eine Mehrheit für die Rechtspopulisten würde bedeuten, dass die AfD den Anspruch auf die Regierungsbildung und auf den Ministerpräsidenten reklamieren kann. Das ist aber derzeitig nicht abzusehen. Dahingegen steigen die Chancen für schwarz-blau, wenn die CDU stärkste Kraft wird.

Auch, wenn hochrangige CDU-Politiker*innen derzeit immer wieder betonen, dass eine Koalition mit der AfD für sie nicht in Frage käme, spricht ihre Politik in der Vergangenheit andere Worte. Aber auch unabhängig davon, ob die AfD Koalitionschancen hat, wäre eine hohe Anzahl an Sitzen der Partei im Landtag gefährlich.

Das zeigten schon die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Mai 2019. Die AfD war neben der CDU meist zweitstärkste Partei, wenn nicht sogar, wie im Landkreis Bautzen und Görlitz, die stärkste. In den Stadt/Gemeinderäten und Kreistagen gibt es dementsprechend starke rechte Blöcke, welche u.a. über Jugend- und Kulturförderung, über Unterstützung von Geflüchteten oder Gleichstellung entscheiden. Das rechte Klima wird sich beim Erstarken der AfD weiter verhärten. Mit 25 % der Stimmen im Landtag kann die AfD außerdem Untersuchungsausschüsse einsetzen und Organklagen anstrengen. Wie jetzt schon würde die CDU die Stichworte der AfD weiter aufnehmen und politisch umsetzen. Mit einfachen Worten: das Klima in Sachsen ist jetzt schon düster, die Zeiten nach der Wahl werden vermutlich noch bitterer werden. Wenn Sachsen eines zeigt, dann, dass rechte Verhältnisse nicht durch Parlamentarismus bekämpft werden können, im Gegenteil. Diese Regierung hat den Weg für die extreme Rechte frei gemacht.

#Titelbild: nach der #unteilbar Demonstration in Dresden

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Kommentar

Eine Schwarze Frau wird laut Aussage ihres Sohnes von einem Mitbewohner in einem Flüchtlingslager niedergeschlagen und weggeschleppt. Vor Ort will die Polizei Tage nach dem Verschwinden der jungen Mutter keine Vermisstenanzeige aufnehmen. Eine Suchmeldung wird erst knapp drei Wochen später eingeleitet. Über ihren Tod und den Rassismus bei deutschen Behörden will fast keiner sprechen.

Seit dem 7. April 2019 wurde die 32-jährige Kenianerin Rita Awour Ojunge vermisst. Sie lebte im Flüchtlingslager Hohenleipisch, Landkreis Elbe-Elster in Süd-Brandenburg, das von der Firma „Human Care“ betrieben wird. Ritas Sohn erzählte seinem Vater, der in Berlin lebt, sowie gegenüber Helfer*innen, dass ein Mitbewohner des Lagers seine Mutter am Tag ihres Verschwindens niedergeschlagen und weggeschleppt habe. Der Vater des Jungen hatte die Polizei vor Ort am 10. April verständigt, um eine Vermisstenanzeige aufnehmen zu lassen, wurde von dieser aber abgewimmelt. Erst als er die Berliner Behörden kontaktierte und diese wiederum die Polizei in Elbe-Elster anriefen, wurde eine Anzeige aufgenommen. Dabei hatte der Vater darauf hingewiesen, was der Sohn am Tag des Verschwindens seiner Mutter gesehen hatte. Der Mitbewohner war der Lagerleitung bekannt – er habe schon vor dem Verschwinden der Kenianerin Probleme gemacht, was Rita der Leitung auch mitteilte. Trotz dieser Hinweise gab die Polizei erst am 25. April eine Suchmeldung raus. Ritas Sohn wurde erst am 30. April vernommen.

Bis zum 9. Mai ging die Polizei anscheinend nicht von einem Verbrechen aus, weswegen Ritas Verschwinden weiterhin als Vermisstensache behandelt wurde. Erst durch weiteren Druck des Vereins Opferperspektive und einer von ihnen erstatteten Anzeige am 10. Mai wegen eines Tötungsdeliktes änderte sich das. Bis der Wald um das abgelegene Lager umfangreich von der Polizei abgesucht wurde, dauerte es aber noch rund einen Monat und benötigte den zusätzlichen Druck des Vaters. Nach all der Zeit, in der Rita als vermiss galt, wurden ihre skelettierten Überreste erst am 20. Juni in einem benachbarten Waldstück des Lagers gefunden. Die Leiche hatte zweieinhalb Monate in der Nähe ihres Wohnorts gelegen – obwohl die Polizei hier angeblich die ganze Zeit nach ihr gesucht hatte. Der Mitbewohner, den Ritas Sohn belastete, wurde wohl nach Protesten weiterer Mitbewohner*innen in ein anderes Lager verlegt. Weitere Konsequenzen sind nicht bekannt.

Nicht nur durch die Behörden, auch in den Leitmedien ist die Haltung bezüglich Ritas wahrscheinlich gewaltsamen Todes bestimmt durch Desinteresse. Intensive Recherchen fehlen in weiten Teilen der Presselandschaft. Lediglich die Junge Welt und die TAZ berichteten ausführlicher über ihren Tod.

Es handelt sich dabei nicht um einen Einzelfall. Der Umgang deutscher Behörden mit migrantischen und nicht-weißen Gewaltopfern zeugt von behördlichem, bzw. institutionellem Rassismus. Das zeigt der NSU Komplex genauso wie viele fast schon alltägliche Fälle von Gewaltverbrechen gegenüber Ausländer*innen und Menschen, die für Ausländer*innen gehalten werden.

Als zum Beispiel in Essen Mitte Juni ein Polizist auf Adel B. schoss, hieß es zunächst, dieser sei angeblich auf die Beamten gestürmt. Durch ein Handy-Video (welches kurzzeitig verschwunden war, nachdem die Polizei das Handy in den Händen hatten, aber online wieder auftauchte) weiß man jetzt, dass es genau anders herum war; die Polizisten preschten vor und ermordeten Adel. Oder der Mord an Hussam Hussein: 2016 wurde der irakische Asylsuchende vor einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Moabit von einem Polizisten erschossen – er soll angeblich ein Messer in der Hand gehabt haben. Erst jetzt, drei Jahre später, werden Zweifel an der damaligen Darstellung der Staatsanwaltschaft öffentlich benannt. Auch Amad Ahmad und William Tonou-Mbobda sind in jüngerer Vergangenheit in staatlichen Institutionen gestorben – im Knast und in einem Krankenhaus. Die Aufarbeitung und Berichterstattung in Anbetracht ihres Todes völlig unzureichend.

Das sind nur einige jener Fälle, die in der letzten Zeit mehr Aufmerksamkeit erhielten. Viele weitere Schwarze und/oder migrantische Tote und Ermordete in staatlichen Einrichtungen bleiben anonym.

Wenn ein*e weiße*r Deutsche*r jedoch zum Opfer wird, sieht das meist ganz anders aus. Weißes Leben scheint in dieser Gesellschaft sehr viel mehr „Wert“ zu haben als nicht-weißes. Wäre das anders, würden ernstzunehmende Konsequenzen z.B. für Polizist*innen, die für den Tod Schwarzer und/oder migrantischer Menschen verantwortlich sind, folgen. Ermittlungen würden schneller (oder überhaupt) laufen, die Medien würden Morde an Migrant*innen und institutionellen Rassismus klar benennen.

Das tun sie aber nicht, im Gegenteil. Kommerzielle Berichterstattung trägt ihren Teil dazu bei, oben genannte Fälle gar nicht oder nur widerwillig und langsam aufzuarbeiten.

So auch bei Rita Awour Ojunge. Wahrscheinlich wären die polizeilichen Ermittlungen viel schneller verlaufen, wenn Rita keine schwarze Frau gewesen wäre. Die Aussagen des Sohnes hätten mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es hätte weniger Druck von außen gebraucht, die Polizei wäre zügiger von einem Verbrechen ausgegangen. „Human Care“ hätte aus ihrem Namen Programm gemacht.

Ganz offen zeigt sich in Fällen, wie dem von Rita, institutioneller Rassismus. Benannt wird er aber nicht. Hinterfragt und kritisch beleuchtet werden die Ursachen ihres Todes – welcher nicht losgelöst werden darf von der Zwangssituation, in die sie der Deutsche Staat steckte: Sich in einem Lager Mitten im Nichts, ohne Kontakt zur Außenwelt aufhalten zu müssen – nur von wenigen. Wäre Rita eine weiße Frau gewesen, hätte ihr Verschwinden es sicher in die 20 Uhr Nachrichten beim Ersten geschafft.

Institutioneller und struktureller Rassismus bleiben in Deutschland Alltag. Polizist*innen ermitteln in Fällen von Schwarzen und/oder Migrant*innen nur langsam oder überhaupt nicht (oder lügen, wie im Fall von Oury Jalloh, um eigene Verbrechen zu verschleiern), Medien berichten kaum oder gar nicht darüber. Rassismus wird dadurch unsichtbar gemacht.

Trotzdem ist er da, der Rassismus. In der Gesellschaft, in allen Organen und Institutionen des Staates und in den Medien. Der Versuch, ihn zu verschweigen oder ihn nur halblaut zu benennen, macht ihn nicht weniger gefährlich.

# Titelbild: Bahnhof Hohenleipisch, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Bahnhof_Hohenleipisch_14_Apr_2018_P1120420.jpg

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Geheimbericht des Auswärtigen Amtes zeigt: Deutschland versucht, mit den salafistischen „Rada – Special Deterrence Forces“ Gespräche über „Rückführungen“ von Migrant*innen nach Libyen aufzunehmen

Ein interner Bericht über die »asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen« des Auswärtigen Amtes, der dem lower class magazine vorliegt, zeigt einen neuen Tiefpunkt in der „Flüchtlingspolitik“ der deutschen Bundesregierung.

Das als »Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch« eingestufte Dokument dokumentiert zunächst die menschenrechtlich katastrophale Lage in dem nordafrikanischen Staat: Libyen wird als  »failed state« beschrieben, in dem verschiedene Warlords und Milizen einander ohne Rücksicht auf Zivilist*innen bekämpfen. Niemand ist vor Folter, willkürlichen Verhaftungen, Morden, sexualisierter Gewalt und Sklaverei sicher. Richtig wird bewertet: Fliehende und ausländische Migrant*innen sind dabei „der am schlechtesten geschützte Teil der Bevölkerung“. (mehr …)

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